Veranstaltungen – Rückblicke

April und Mai sind alljährlich die beiden großen Messemonate. Aufgrund der Pandemie wurde in den vergangenen beiden Jahren pausiert, im Zuge der Vinitaly fanden in diesem Jahr aber wieder kleine und größere Veranstaltungen der alternativen Weinszene in Italien statt.

In Cerea trafen sich die Winzer der ViniVeri. Abgesehen davon, dass die Veranstaltung perfekt organisiert war, man Platz und eigene Spuckbecher hatte, gab es auch eine ganze Menge exzellenter Winzer neu oder wieder zu entdecken – wobei die Betonung auf neu liegt, da es zwar Spaß macht sich bei Allzeitgrößen wie Beppe Rinaldi, Aleks Klinec, Massavecchia, Aldo Viola oder Ezio Trinchero durchzukosten, der Erkenntnisgewinn dabei aber eher gering ausfällt (außer sie würden ausnahmsweise mal richtig miese Weine mitbringen).

Ohne allzu viele Worte über einzelne Weine und Biographien zu verlieren, anbei ein paar Winzer, die man unbedingt im Auge behalten sollte. Exzellent, weil klar, präzis und lebendig, waren beispielsweise gleich zu Beginn die weißen und roten Schaumweine von Angol d’Amig aus Vaciglio bei Modena. Ein kleiner Toskanaschwerpunkt machte ebenfalls Freude: Carla Simonetti zeigte, dass man in Bolgheri auch elegante und feingliedrige Weine hinbekommt und das auch noch zu nachvollziehbaren Preisen, Massimiliano Pruneto schenkte einen ausgezeichneten Chianti Classico ein, aus dem er den bis dahin stets darin präsenten Merlot eliminiert, diesem jedoch eine ebenfalls mehr als erfreuliche Version gewidmet hat. Und auch Francesca Bidini von der Podere Ortica lieferte gleich mehrere beeindruckende Beispiele (in Rot und Weiß) ihres Talents und Terroirs ab.

Ganz fantastisch waren auch die Weine von Raicà, dem sardischen Ableger des brillanten Barolo-Weinguts von Eugenio Bocchino. Der auf Vermentino basierende Weißwein ist eleganter als in den Jahren zuvor, dazu kommt ein Rosé, der weit über allem anderen stand, was es sonst bezüglich dieses Weinstils zu probieren gab und ein eindrücklicher und gleichfalls eleganter Rotwein aus der raren Rebsorte Pasquale. Ein n statt ein c hat die Azienda Agricola Raìna im Namen, die sich aber ansonsten mit ihren brillanten Sagrantino di Montefalco und Trebbiano Spoletino in ähnlichen qualitativen Sphären wie ihr das sardische Weingut befindet. Ganz großartig waren auch die drei Cesanese von Valentino Noro aus Piglio und last but not least der Pecorino und Montepulciano von de Fermo aus den Abruzzen.

Wesentlich hektischer ging es am nächsten Tag auf der Messe von vinnatur zu. Es war enger und voller und dennoch war auch sie einen Besuch wert. Gleich zu Beginn demonstrierte Nevio Scala aus den Colli Euganei, warum es sich lohnt, sich nicht auf seinen Lorbeeren auszuruhen: Seinem ohnehin sehr gelungenen Programm hat er mit einem reinsortigen Cabernet Franc ein weiteres Highlight hinzugefügt. Thomas Niedermayr beeindruckte einmal mehr mit seiner Serie an Piwis, aus der seine beiden Souvignier Gris herausragten. Wie auch schon am Tag davor, gab es auch aus der Ecke um Modena einige mehr als geglückte Schaumweine, diesmal von der Podere Sottoilnoce. D.S. Bio aus Pescosolido in den Bergen des Lazio sollte man genauso im Auge behalten wie die vier Jungs von Oppeddentro, die sich mit einem Verdicchio und einer Montepulciano/Sangiovese Cuvée in die Riege hervorragender Winzer aus Cupramontana einreihen. Natalino del Prete zählt schon seit Jahrzehnten zu den besten Winzern Apuliens, was er auf der Messe eindrucksvoll bestätigte. Il Mortellito aus dem Südosten Siziliens und Dos Tierras aus dem Westen belegten das Sizilien viel mehr zu bieten hat, als nur die Weine vom Ätna (die, meiner Ansicht nach, genauso überschätzt werden wie die anderen Regionen auf der Insel unterschätzt). Eine mehr als erfreuliche Überraschung waren auch die beiden Rotweine von Santa10 aus der Peripherie Sienas.

Am dritten Tag ging es dann in die wunderschöne Villa dei Boschi nach Isola della Scala zur Veranstaltung Natural Born Wines. Dort machte sich die Vielzahl an Events in der Umgebung insofern bemerkbar, als am Anfang zwar Winzer aber keine Gäste da waren. Was schade war, da es auch hier echte Perlen zu entdecken gab. Q500 aus den Abruzzen beispielsweise, dessen zwei Montepulciano zu den besten Weinen der drei Tage zählten. Oder Caprera, gleichfalls aus den Abruzzen, dessen drei Weine sich allesamt kühl, klar, tief und ausdrucksstark präsentierten. Fabio Ferracanes mediterran-solare Weine aus Marsala zeigten eindrücklich, dass sich eine einst erfolgreiche Region dank mutiger Winzer völlig neu auf der Weinlandkarte Italiens definieren kann. Und die Cantina Antonioli, dass sich eine Gegend wie Gubbio in Umbrien, die völlig vom Radar der Weintrinker verschwunden ist, mit strukturierten und vielschichtigen Weinen auch wieder darauf positionieren kann. 

Veranstaltungen – Ausblicke

8.-9.5: Evoluzione Naturale in Grottaglie (Apulien)

14.-15.5: Vini Contrari in Spilamberto (Emilia Romagna)

21.-22.5: Vino Crudo in Modena (Emilia Romagna)

22.5.-23.5. Back to the Wine in Bologna (Emilia Romagna)

28.5-29.5. Natural Wines Oltrepò Pavese im Castello di Stefanago (Lombardei)

Oktober und November sind zwei Monate, in denen eine Verkostung die nächste jagt. Die erste fand am letzten Wochenende im Castello di Levizzano statt und war, anders als die meisten, die noch folgen werden, ausgesprochen entspannt. Grund dafür war vor allem die Auswahl der Winzer, die kaum bekannt, nicht allzu viele Besucher anlockten. Zwar befand sich mit Lino Maga (bzw. seinem Biographen, der für den betagten und zu Hause gebliebenen Winzer die Weine ausschenkte), dem Schöpfer des Barbacarlo, einem der großen Rotweine Italiens, auch ein zugegebenermaßen eher Insidern bekanntes Zugpferd unter den teilnehmenden Winzern, generell war der Bekanntheitsgrad aber eher gering. Das Niveau allerdings war es nicht.

Das lag unter anderem an einer Truppe junger Winzer aus dem Valtellina, die das bestätigte, was die Weine von Ar.Pe.Pe, dem besten Produzenten der Region (und einem der besten Italiens) seit Jahren ohnehin nahelegen – dass die Nebbiolos des Valtellina (die man im Valtellina übrigens Chiavennasca nennt) eine kühle aber profunde Alternative zu jenen des Piemonts darstellen. Sympathisch ist dabei, dass es auch eine, unter dem Namen Rosso di Valtellina gekelterte Einstiegsvariante gibt, die zeigt, dass Nebbiolo auch als leichter Wein mit subtilen Aromen bestens funktioniert. Die länger ausgebauten Weine waren quasi durch die Bank druckvoll, saftig, vielschichtig und elegant. Um sich und ihren Weinen mehr Gewicht zu verleihen, haben sich insgesamt acht Winzer aus unterschiedlichsten Orten der Region zu der Gruppe Veltliner („den Namen haben uns die Österreicher geklaut“) zusammengeschlossen – nähere Portraits einzelner Winzer folgen mit Sicherheit. Bis es soweit ist, lohnt es sich allemal die Namen der anwesenden Winzer zu erwähnen: Barbacàn, Boffalora (beide exzellent), Pizzo Coca, Franzina, Terra Alta und Fondo Bozzole.

Bestätigt wurde im Castello auch die Vermutung, dass Croatina eine ganz fantastische Rebsorte ist. Bisher kannte ich die Sorte reinsortig ausgebaut nur von Walter Massa, dem Castello di Stefanago und Daniele Ricci, über dessen beiden Interpretationen, Elso und El Matt, es auch zwei ausführlichere Beschreibungen gibt. Hinzu kamen nun der brillante  OPPure von Stefano Milanesi, einem Winzer aus dem Oltrepo Pavese, dessen komplette Kollektion (mit Ausnahme eines recht ausladenden Pinot Nero) schwer beeindruckend ist und der Croatina von der Cantina del Castello Conti, einem Weingut aus Boca im nördlichen Piemont – auch hier lohnt sich der ganze Rest, inklusive einer Cuvée aus 14 unterschiedlichen Rebsorten, die seit Jahrzehnten wild verstreut in den Weingärten des Castello wachsen und gemeinsam gelesen und vinifiziert werden.

Die Cantina del Castello Conti ist auch Teil des I AM AGRICOLO-Projekts, dem acht kleine Weingüter rund um Biella angehören – Fabio Zambolin, Andrea Manfrinati, Vino del Sorriso, Massimo Pastoris, La Riviera, Madonna dell’Uva und die Azienda Agricola Ilaria Salvetti – letztere wiederum widmet sich ausschließlich der Erbaluce, einer ziemlich in Vergessenheit geratenen Rebsorte, die aufgrund ihrer intensiven Säure und zurückhaltenden und feinen Aromatik seit jeher vor allem zu Süßwein verarbeitet wird. Nachdem Süßwein (und mag er noch so gut sein) zurzeit ungefähr so populär ist wie ein Dieselmotor in deutschen Innenstädten macht Ilaria Salvetti mittlerweile auch einen exzellenten Schaumwein (metodo classico) und einen Stillwein, den sie allerdings nicht mit im Gepäck hatte.

Einen Schaumwein gab es auch am Stand der Tenuta Montagnani, die im Jahr 2014 gegründet, ihre ersten Weine präsentierte. Nachdem das Weingut seine Heimat in San Gimigniano hat, gab es naheliegenderweise und ausschließlich Vernaccia. Der schmeckt durch die Bank gut, der Frammenti, eine in Zement ausgebaute, druckvolle und vitale Version auch noch besser. Wer in die Gegend kommt (und die Wahrscheinlichkeit ist größer als bei den oben genannten Orten) kann ruhigen Gewissens dort vorbeischauen.

Der Frühling ist die beste Jahreszeit, um sich auf Messen und Verkostungen in Italien den Weinen des Landes zu widmen. Wer da allerdings Heuschnupfen hat, kann ein ähnlich spannendes Programm auch im Herbst absolvieren.

Die wichtigsten Veranstaltungen von Mitte September bis Ende November

14-16. September: Eroico Rosso (Tirano)


OKTOBER

6-8. Oktober: Enologica (Bologna)

13. Oktober –  Slow Wine 2019 (Montecatini Terme) – allein und eigentlich nur deswegen würde es sich lohnen, auch mal wieder nach Montecatini Terme aufzubrechen.

15.-16. Oktober – Autochtona (Bozen)

18.-21. Oktober – Ein Prosit (Malborghetto und Tarvis)

20.-21. Oktober – Wine and Sardinia (Sorgono)

27.-28. Oktober – Terre di Vite (Castelvetro) – sehr schön, 60-70 wenig bekannte Winzer aus ganz Italien mit einer Menge richtig guter Weine


NOVEMBER

2.-5. November – Sangiovese Purosangue (Siena) – es wäre vermutlich sehr spannend, dort vorbeizuschauen, wenn nicht gleichzeitig am..

4.-5. November – Vini di Vignaioli (Fornovo di Taro)… stattfinden würde. Hier treffen sich gut 150 der mitunter besten Winzer Italiens. Der einzige Nachteil ist, dass das nicht nur wir wissen, sondern auch noch eine ganze Menge anderer Menschen.

9.-13. November – Meran Wine Festival (Meran)

10.-11. November – VAN Vignaioli Artigiani Naturali – Rom

18.-19. November – Back to the Wine (Faenza) – tolles Programm und definitiv einen Besuch wert

24.-25. November – Mercato dei Vini FIVI (Piacenza)

30. November – 2. Dezember – La Terra Trema (Mailand)

Eine der besten Veranstaltungen des Jahres.

Vom 3.-5. März in Mailand
Nicht um die Ecke, wobei heute eigentlich fast alles um die Ecke liegt.

Exzellentes Rahmenprogramm

Eintritt: € 20/Tag

Liste der Teilnehmer: http://www.livewine.it/


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