Marano ist neben Fumane, zumindest in meiner Wahrnehmung, das spannendste Terroir des klassischen Valpolicella. Die Böden basieren größtenteils auf Kalk und die Wärme der Ebene um San Pietro in Cariano weicht kühleren Zonen, die zunehmend von den im Hintergrund langsam sichtbar werdenden Monte Lessini beeinflusst werden. Ein spannendes Terroir ist natürlich noch längst nicht alles, es braucht auch Leute, die es entsprechend interpretieren und die Essenz des Ortes auch in die Flasche bringen.

Alessandro Castellari von Ca‘ la Bionda gelingt das wie kaum einem anderen. Seine Weine sind konzentriert, klar, saftig und dicht aber eben auch strukturiert, kühl und fordernd und – eine gloriose Ausnahme im Valpolicella – teilweise sogar elegant. Gründe gibt es dafür, laut Alessandro, gleich mehrere. Das sind zum einen die Böden. Stark kalkdurchsetzt sorgen sie für ein Grundgerüst, das niedrige pH-Werte und damit eine stringente Textur fördert (die Weine haben nach dem biologische Säureabbau pH-Werte um 3,3, was ihre Bekömmlichkeit und den Trinkfluss definitiv fördert). Zudem öffnen sich die meisten seiner Weingärten in Richtung Osten, was ihnen zwar schon früh viel Sonne beschert, sie allerdings auch früher abkühlen lässt und den Trauben grundsätzlich eine entsprechende Balance verleiht. Die Tatsache, dass sich die Weingärten zudem in Richtung Monte Lessini öffnen und die Reben den durch das Tal strömenden Winden aus den Bergen aussetzen, ist ebenfalls alles andere als ein Nachteil.

Dazu kommen Entscheidungen, die vom Winzer gefällt werden. Rebschnitt (kurz), Laubarbeit (je nach Jahr) und Lesezeitpunkt (lieber zu früh als zu spät), vor allem aber die vor Jahren getroffene Entscheidung seine 29ha komplett biologisch zu bewirtschaften (zertifiziert) sind elementare Komponenten, um die natürlichen Voraussetzungen auch adäquat in die Weine zu transportieren.

Im Keller passiert das, was im Valpolicella generell passiert. Und dabei ist doch vieles anders. Da ist zum einen sein Valpolicella Casalvegri, einer der wenigen Valpolicella, die mit dem Anspruch, einen großen, dabei aber gleichzeitig der Region und Tradition verpflichteten Wein keltern zu wollen, konzipiert sind. Casalvegri ist eine Einzellage, deren Trauben ohne Wenn und Aber in den Valpolicella fließen. Und weil Alessandro von deren Qualität (völlig zurecht) völlig überzeugt ist, kommen auch keine Amaronetrester dazu – das macht den Valpolicella mit seiner fordernden aber griffigen und dichten Textur, den kompaktenTanninen und den von Würze durchsetzten Beerenaromen zu einem der zwei richtig großartigen (mir bekannten) Valpolicellainterpretationen (der zweite ist der Valpolicella Camporenzo von Monte dall’Ora).

Den Ripasso kenne ich nicht, dafür beide Amarone – und beide sind absolut bemerkenswert. Getrocknet wird – auch das ist außergewöhnlich – in traditionellen Holzkassetten, mit den eigentlich üblichen Plastikkisten kann Alessandro nichts anfangen. Die Zusammensetzung der beiden wird, wie eigentlich immer, von der Corvina dominiert, unterstützt von Corvinone, Rondinella und – ein weiterer Mosaikstein, der die Ausnahmestellung von Cà la Bionda zementiert – Molinara. Letztere ist fast überall zugunsten der anderen Sorten ausgerissen worden, gibt den Weinen aber, laut Alessandro, Säure, Gerbstoff und Eleganz. All diese Eigentümlichkeiten summieren sich letztlich in den beiden Amarone, die nicht nur mit Würze, Kraft, Frucht, Pfeffer und Intensität punkten, sondern eben auch mit Eleganz, Vitalität, Geradlinigkeit und Trinkfluss. Balance und Druck sind allgegenwärtig.

Dass das alles nebenbei vermutlich blendend reift, ist dann noch ein zusätzlicher positiver Aspekt. Ausgebaut wird durch die Bank in kleinen, großen und bisweilen sehr großen Holzfässern (zwischen 225 und 3000 Liter), vergoren wird spontan, gefiltert wird nicht – das regelt bei Ca‘ la Bionda die Zeit – der Valpolicella Casalvegri liegt 18 Monate im Fass, der Amarone Classico 30 Monate und der Amarone Ravezzol 48 Monate (um danach noch für ein paar Jahre in der Flasche zu verschwinden).

Novaia, das Weingut von Marcello Vaona und seiner Cousine Cristina, schlägt einen gelungenen Spagat zwischen vitikultureller Moderne und Tradition. Wobei der erste Eindruck ganz auf Vergangenheit gepolt ist, was vor allem an dem beeindruckenden alten Gemäuer liegt, in dem sich früher das ganze Weingut befand und heute das Lager und der Verkostungsraum untergebracht sind.

Die Villa stammt aus dem 15. Jahrhundert, die Familie von Marcello und Cristina hat sich im 18. Jahrhundert in Marano niedergelassen: das kleine Dorf ist eine der kühlsten Ecken im Valpolicella, dass hier auf bis zu 500 Meter ansteigt und aufgrund der kühlen Nächte und der frischen Winde, die aus den Monte Lessini durchblasen, ideale Bedingungen für strukturierte Weine bietet.

Der erste Vaona, der das erkannte, war Paolo, der Ende des 19. Jahrhunderts damit begann, seine Weingärten mit Corvina & Corvinone, Oseleta, Molinara, Rondinella und Turchetta vollzupflanzen. Damals noch in der traditionellen Pergola Veronese, die später teilweise von seinen Enkeln, Cesare und Gianpaolo, den Eltern der heutigen Besitzer durch moderne Guyot-Erziehungen ersetzt wurde.

Trotz des sukzessive wachsenden Erfolges dehnten die Vaonas die Rebflächen nie sonderlich aus. Man setzte auf die Familie und beließ es bei sieben Hektar. Die drei Crus, aus denen Marcello und Cristina ihre Lagenamarone keltern, befinden sich allesamt in unmittelbarer Umgebung des Weinguts – und weisen dabei doch völlig unterschiedliche mikroklimatische und geologische Charakteristika auf. Folgerichtig keltert man auch drei unterschiedliche Weinstile von den drei Lagen, wobei Le Balze, der kalkreichste der drei Weingärten, dem Amarone gewidmet ist. Erfreulich und gleichzeitig erstaunlich ist die Tatsache, dass man auch dem oft geschmähte Valpolicella mit der vulkanisch geprägte Riede I Cantoni eine singuläre Lage widmet und diese auch separat vinifiziert. Der dritte Cru, Le Novaje, ist für Recioto reserviert, der – wie so oft im Valpolicella – zwar einer der großen Weine des Weinguts istund doch, aufgrund seiner Süße, von niemanden gekauft wird (was Marcello zwar bedauert, andererseits aber auch meint, dass man ohnehin so wenig davon produziert, dass er auch so, bei Familienfesten und Feiern, ausgetrunken wird.)

Die große Zäsur, die von der bisher letzten Generation der Vaona-Familie getätigt wurde, war die konsequente und kompromisslose Umstellung auf biologischen Weinbau, den man (Marcello ist treibende Kraft des Veroneser Vereins TerraViva) auch zunehmend in der Umgebung zu propagieren versucht und der Bau eines modernen und ausladenden Kellers, in dem man auch ausreichend Platz für die diversen Trocknungsprozesse der Trauben hat.

Neben den drei Einzellagen vinifiziert Novaia auch noch einen einfachen Valpolicella, der jede Pasta aufwertet. Einen strukturierten, lebhaften aber doch profunden Ripasso, der viel Frucht mit noch mehr Würze vereint. Und den Corte Vaona, einen Amarone, dessen Trauben aus den unterschiedlichsten Weingärten von Novaia stammen und der zwar nicht die Konzentration und Intensität des Le Balze teilt, dafür mehr Trinkfluss besitzt.


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