CANAIOLO

Wie gut ist Sangiovese (oder besser gesagt Chianti) ganz für sich alleine? So gut wie die Beatles ohne George Harrison, Lionel Messi ohne Sergio Busquets oder Sherlock Holmes ohne Doktor Watson. Sehr gut also. Aber nicht ganz so gut wie er es mit Canaiolo, seiner sich stets im Hintergrund haltenden Ergänzung, ist.

Canaiolo glättet die Kanten des Sangiovese, wenn seine Säure zu fordernd wird, gibt ihm Energie, wenn dieser ausnahmsweise schwächelt und polstert seinen Körper, wenn er zu dünn ausfällt. Dabei ist Canaiolo stets subtil und tritt nicht gerne aus dem Schatten des Sangiovese – weshalb er schon vom Barone Ricasoli, dem Erfinder der klassischen Chianti Rezeptur, als dessen kongenialer Partner auserwählt wurde.

Er blieb es nur vorübergehend. Das hatte einerseits mit den Vernichtungsfeldzügen der Reblaus zu tun und dem Umstand, dass sich Canaiolo nicht mit den amerikanischen Unterlagsreben anfreunden wollte – den universellen Heilsbringern gegen das, die Rebwurzeln zerstörende Insekt.

Andererseits meinten Önologen und Marketingexperten, dass es auch in der Toskana an der Zeit sei, Sangiovese internationale Größen wie Cabernet Sauvignon, Merlot oder Syrah an die Seite zu stellen – von Anfang an ein Irrtum, doch einer, den man sich bis heute nicht eingestehen will. Alle drei Ergänzungen beanspruchen, wie auch der Sangiovese, das Rampenlicht, weshalb es nur in den allerseltensten zu gelungenen Symbiosen kommt.

Nach langen Jahren der Suche und Experimente hat man mittlerweile die richtigen Unterlagsreben für Canaiolo gefunden. Er wird folglich wieder öfter ausgepflanzt und findet auch wieder vermehrt Eingang in klassische Chianti-Cuvées auf Sangiovese-Basis.

Ganz auf sich alleingestellt ist Canaiolo ungefähr so gut wie George Harrison ohne die Beatles  – also gleichfalls alles andere als schlecht. Wer eine der raren reinsortigen Versionen ausmacht, entdeckt in ihr delikate Blütennoten, feine rotbeerige Aromen und samtige, fein gestrickte Tannine.

Eine Auswahl

Reinsortig finden sich wenig interessante Beispiele, an Cuvées gibt es allerdings mittlerweile eine ganze Menge.

Pacina: Caniaolo (Colli senesi)
Podere Casaccia: Canaiolo (Chianti fiorentino)
Podere Anima Mundi: Colpo di Dadi (Colli pisani)
Castel del Piano: Sassomano (Lunigiana)

Im Cuvée (und oft nur in sehr kleinen Anteilen):

Montesecondo: Chianti Classico
Pacina: Pacina
Buondonno: Lemme Lemme
Calafata: Majulina
La Ginestra: Chianti Riserva
Fattoria di Bacchereto: Carmignano
Altura: Rosso Severio
La Possa: U Neigru
La Felce: Rosso in Origine
Casale: Chianti Riserva
Podere Sanguineto: Vino Nobile di Montepulciano
Le Coste: Rosso
Fabbrica di San Martino: Rosso riserva
Tenuta Montiani: Felix