PRIMITIVO
In einem Meer an durchschnittlichen und unterdurchschnittlichen Primitivoversionen gibt es mittlerweile eine kleine aber feine Fraktion an Weinen, die ganz neue Seiten der Rebsorte offenlegt.
Um gleich einmal voreiligen Vermutungen und bösartigen Unterstellungen das Wasser abzugraben – der eher unglückliche Name Primitivo leitet sich nicht von einem vermeintlich banalen Geschmacksbild der Rebsorte ab, sondern von der Tatsache, dass sie früher (prima) als andere austreibt, blüht, sich verfärbt und reift. (Mimmo Caragnano von Pantun liest die Trauben für sein gleichnamiges Flaggschiff beispielsweise in der letzten Augustwoche.)
Dennoch: Im Vergleich zu ihrem Doppelgänger in Kroatien – von wo die Sorte vermutlich ursprünglich nach Italien gekommen ist – mit dem Namen Crljenak Kastelianski hat sie es eigentlich ganz gut erwischt. Abgesehen von dem kroatischen Zungenbrecher ist Primitivo auch noch mit der kalifornischen Zinfandel identisch, von der wiederum einige amerikanische Patrioten meinen, sie wäre eine autochthone amerikanische Rebsorte – eine völlig absurde und haarsträubende Behauptung, die einem sofort die Mitgliedschaft in der republikanischen Partei einbringen sollte, widerspricht sie doch allen historischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Primitivo dürfte ungefähr um 1700 in Apulien eingetroffen sein. Sie etablierte sich daraufhin in der Gegend um Gioia di Colle und Mottola – wo auch gegenwärtig ihre besten Versionen (Cristiano Guttarolo!!!) in die Flasche kommen – breitete sich aber relativ schnell in ganz Apulien aus, wo sie heute mit über 10000 Hektar Rebfläche hinter Negroamaro die quantitativ zweitwichtigste Rebsorte ist. Anders als man aufgrund dieser Zahlen vermuten könnte, ist sie weder im Weingarten noch im Keller einfach handzuhaben. Sie ist wetterempfindlich und neigt dazu, frühzeitig zu viel Zucker zu akkumulieren.
Die richtige Lagenwahl ist für die Qualität der Weine folglich von entscheidender Bedeutung – tatsächlich gibt es offensichtliche Unterschiede zwischen den eleganten und kühlen Primitivos des auf 400 Meter auf einem Kalksockel liegenden Gioia del Colle und den opulenten und weichen Interpretationen aus den tiefergelegenen Weingärten der Manduria. Macht man bei Primitivo alles richtig, entstehen kraftvolle und elegante Weine, die auf dunklen Aromen (Beeren, Lakritze, Erde) bauen und über nicht zu knapp Alkohol verfügen, diesen jedoch in ein strukturierendes und ausgleichendes Korsett aus Tannin und Säure integrieren.
Eine Auswahl
Guttarolo: Rosso Amphora (ein Meisterwerk)
Guttarolo: Lamie delle Vigne
Pantun: Pantun
Natalino del Prete: Natalì
L’Archetipo: Primitivo
Tenuta Macchiarola: Uno di Noi
Enoz: Il Chaos (Kampanien)