Vermentino

Vermentino ist die große weiße Traubensorte der italienischen Westküste. Ihre Ursprünge sind in den ereignisreichen Zeitläuften am Mittelmeer und den stets wechselnden mediterranen Besitz- und Handelsverhältnisse nur schwer zu bestimmen.

Manche (die Iberer) vermuten, dass die Sorte ihre eigentlich Heimat in Spanien hat, andere (die Italiener) glauben, dass Vermentino aus der Toskana oder Ligurien stammt. Ähnlich heikel stellt sich die Abgrenzung zu anderen Rebsorten dar. Über Jahrhunderte hinweg ging man davon aus, dass Vermentino, die ligurische Pigato und die piemontesische Favorita drei unterschiedliche Sorten wären. Heute ist man sich diesbezüglich nicht mehr so sicher. Während Ampelographen von der Deckungsgleichheit der drei Sorten ausgehen, widersprechen die oft seit Jahrzehnten mit ihr arbeitenden Winzer.

Fakt ist jedenfalls, dass Vermentino viel herumgekommen ist – im ganzen mediterranen Raum findet man Anpflanzungen: in Andalusien (der Tres Uvas von Barranco Oscuro besteht zu einem Drittel daraus) genauso wie in Korsika, der Provence und der bereits erwähnten italienischen Küste. Ihr Hauptanbaugebiet ist allerdings Sardinien, wobei Vermentino in der ältesten Weinbauregion Italiens ein relativ junges Phänomen ist. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie erstmals im Bolletino ampelografico der Insel erwähnt. Damals nahm sie nicht mehr als 1% der Rebfläche ein. 1960 waren – laut Ian d’Agata – dann bereits 1.366 Hektar damit bestockt, während es heute rund 3.300 Hektar und damit die Hälfte des italienischen Vermentinobestandes sind. 

Die drei naheliegenden Gründe für die eigentlich schon immer große aber immer noch zunehmende Popularität der Sorte sind ihre perfekte Adaption an die mediterranen Lebensräume, ihre Vielseitigkeit und ihre Qualitäten quer durch die aus ihr fabrizierten Weinstile. Sie hat keine Probleme mit salzigen Meerwinden und macht sich vor allem in trockenem und heißem Klima und auf wenig fruchtbaren Böden bestens. 

Sie funktioniert als klassischer Weißwein ausgezeichnet, wobei sie aromatisch vor allem mit Zitrus-, Kräuter- und floralen Aromen punktet. Bei kurzen Mazerationszeiten entwickeln sich feine Tannine, die dem Wein „kein schweres Chassis mit auf den Weg geben, sondern die Geschmacksnuancen (gelbe Frucht, Kräuter) zusätzlich betonen“ (Vini da Scoprire über Testalongas Vermentino). Mazeriert man länger entsteht dagegen im Idealfall ein Wein, der über ein enormes Aromaspektrum verfügt, mundfüllend und lebhaft, geradlinig und substantiell ist und dem das Tannin Richtung und Struktur gibt.

Die Besten, die ich kenne

Dettori: Bianco (Sardinien): Klassiker aus dem hohen Norden Sardiniens. Nichts für Kinder. Hat für gewöhnlich mindestens 15,50 Alkohol und versteckt die auch nicht. Er bettet sie allerdings in ein ordentlich Tanningerüst. Saftig, üppig, oxidativ (im positiven Sinne), reife Früchte

Sa Defenza, Sacava sulle bucce (Sardinien): Kaum bekanntes Weingut auf Sardinien, dass durch die Bank exzellente Weine keltert. 20 Tage auf der Maische, 1 Jahr im Stahl. Warm, wild, kraftvoll & kräuterig

Raìca: Sarraiola (Sardinien): Wurzelt in einem nach Nordosten exponierten Hang in den Colli del Limbara auf 550 Meter Seehöhe. Die Reben sind zwischen 5 und 45 Jahren alt. Der Boden besteht aus Schiefer und Sand. Bleibt über zwei Monate in gebrauchten Barriques, ehe er für weitere 6 Monate in Edelstahltanks umgezogen wird. Mediterrane Kräuter, Salz und reife Früchte. Die Textur ist weich und cremig, die Säure packt aufgrund der Höhe gut zu. www.vinonudo.at

Meigamma, Bianco Quarto (Sardinien): Meigamma heißt auf sardisch Mittagsschläfchen. Das kann man nach ein paar Gläsern Bianco problemlos halten, wobei Meigammas Vermentino eher zu den leichteren sardischen Versionen zählt (13,5%). Maischevergoren. Präzis, intensiv, nachdrücklich.

Rocche del Gatto Vermentino (Ligurien): Von Fausto de Andreis, einem der Großmeister der ligurischen Weinszene, geduldig über mehrere Jahre im Stahltank und in der Flasche ausgebaut. Wesentlich straffer als die sardischen Versionen. Zischt zielstrebig und druckvoll in Richtung Gaumen. Kräuterig, mineralisch und salzig.

Testalonga: Bianco (Ligurien) – Antonio Perrino ist Garagenwinzer. Er war es schon vor 50 Jahren, bevor man im Bordeaux den Begriff aufgriff, ihn seiner eigentlichen Bedeutung beraubte und daraus eine Marketingidee und Kommunikationsstrategie formulierte. Seit über 50 Jahren keltert er Vermentino, der Maßstäbe setzt. Salzig, gelbfruchtig, mediterran – bei www.vinonudo.at

Felce: Non sempre (Ligurien): La Felce pflegt die Kunst des gehobenen Alltagswein. Wobei jeder Wein richtig gut schmeckt und neben Trinkfluss auch Tiefe und Substanz vermittelt. Der Non sempre tanzt hier nicht aus der Reihe. Frische Kräuter, Zirtusfrüchte, elegant, mineralisch

Tenuta Selvadolce, VB1 Vermentino (Ligurien): Aris Bancardi keltert an der Grenze zu Frankreich Weine, die auch auf der anderen Seite der Grenze hoch gehandelt werden. Die Bewirtschaftung ist biodynamisch, der Ausbau durchwegs in Holzfässern größerer Façon. Dicht, substantiell, lang, mediterran und elegant. Top.

Sequerciani, Verment’oro (Toskana): Sequerciani kommt das große Verdienst zu, quasi totgeglaubten toskanischen Traubensorten neues Leben einzuhauchen. Vermentino bildet diesbezüglich eher eine Ausnahme. In Terrakotta-Amphoren ausgebaut. Anis, gelbe Früchte, leicht floral.

Massa Vecchia: Ariento (Toskana) – Massa Vecchias weißes Opus magnum, einer der großen Weißweine der Toskana, ein archaisches Monument, kraftvoll und vielschichtig. Maischevergoren. Im Kastanienfass ausgebaut. Ingwer, Kamille, Rosenblüten, gelbe Fruchtnoten. Mundfüllend und lebhaft, geradlinig und substantiell. Das Tannin gibt dem Wein Richtung, befindet sich jedoch dank enormer Konzentration und Dichte in perfektem Gleichgewicht – bei www.vinonudo.at

I Mandorli, Vermentino (Toskana) Maddalena Pasquetti ist eine der besten Winzerinnen der Toskana. Neben dem fantastischen reinsortigen Sangiovese Vigna del Sughero keltert sie seit kurzem auch einen exzellenten Vermentino: weiße Blüten, weiße Frucht, elegant, dicht und lang  – www.vinifero.at

La Felce „Non sempre“ (Ligurien): Der „Non sempre“ ist ein reinsortiger Vermentino, der nach einer kurzen Maischestandzeit (ca. 48 Stunden) abgepresst und spontan vergoren wird. Der Wein von Andrea, der am stärksten das um die Ecke gelegene Meer suggeriert. Neben dem Salz machen sich in der Nase und auf dem Gaumen auch noch mediterrane Kräuter, Zitrusaromen und weiße Fruchtnoten breit. Wirkt nach einem Jahr auf der Hefe weich aber saftig.

Ilenia Spagnoli „Extreme“ (Ligurien):Vermentino (70%), Trebbiano, Albarola. 14 Tage auf der Maische. Ungeschönt, ungefiltert und ungeschwefelt. Floral, vor allem aber reifer, gelber Pfirsich. Salz. Warme Aromen. Von einer vitalen Säure gesteuert. Kompakt. Saftig. Lang. Hat Charakter. Einer der besten maischevergorenen Weine Liguriens.

Stefano Legnani Loup Garou (Ligurien): 100% Vermentino. Einem Album von Willy DeVille gewidmet. Entsteht nur in besonderen Jahren (bisher 2012, 2013, 2016). Die Zeit auf den Schalen kommt hier deutlicher zum Tragen als beim Ponte di Toi, dem zweiten ebenfalls exzellenten Vermentino von Stefano Legnani. Der Loup Garou hat mehr Grip und Struktur. Reife Zitrusaromen, Blütennoten, Kräuter (Tee). Dynamisch und mit ordentlich Spannung. Mundfüllende Textur. Im Finish erfrischend und eindrücklich.