Eugenio Rosi verwendet das Wort Naturwein nicht. Er nennt Weine, die aus biologischer und handwerklicher Produktion stammen und sich an kulturellen und traditionellen Herangehensweisen und Werten orientieren, „normale Weine“. Manchmal streicht er auch das Wort normal. Wein. Basta. Ein Getränk, das aus gesunden Trauben von nachhaltig, individuell und behutsam gepflegten Weingärten stammt, die mit ihren eigenen Hefen spontan zu einer duftenden alkoholischen Flüssigkeit vergoren werden und dann ohne jedwede Additiva gereift und abgefüllt wird.
Der Anisos beispielsweise ist ein normaler Wein. Am wenigsten normal daran ist vielleicht die Tatsache, dass sich darin ein wenig Chardonnay findet, wobei sich die eigentlich französische Sorte nun auch schon seit Jahrhunderten im Trentino befindet. Auf 750 Metern Höhe gelegen, steuern ihre Trauben Säure, Mineralität und Frische zur weißen Cuvée bei, in der Pinot Bianco die zweite Nebenrolle zukommt und Nosiola die Protagonistin gibt.
Einmal gelesen werden die Trauben über 10 Tage in offenen Bottichen auf der Maische vergoren (eine Technik, die – laut Eugenio – bis in die 70er-Jahre hinein regelmäßig im Trentino angewendet wurde) und in Holzfässer aus Kirsche, Eiche und Kastanie für ein Jahr darin ausgebaut. Danach wird der Wein ohne davor gefiltert zu werden in die Flasche gefüllt, wo er für ein weiteres Jahr reift.
Stil
Profund, unbeschwert und komplex. Drei Worte, die sich eigentlich gegenseitig ausschließen und im Anisos doch eine Einheit eingehen. Der Wein kombiniert Tiefe und Vielschichtigkeit und schafft es dennoch stets Trinkfluss und Lebendigkeit zu bewahren. Die Textur ist stoffig und dicht, die Säure lebhaft und fordernd, das Tannin dezent und feingestrickt. Am Gaumen geht es kompakt, engmaschig und druckvoll zur Sache, das Finish ist lang und saftig. Kann man auch in den Keller legen und dort vergessen.