Testalonga

Antonio Perrino ist eine jener mythischen Figuren im italienischen Weinbau, die jeder kennt, von der jedoch nur die wenigsten jemals einen Wein getrunken haben. Das liegt vor allem daran, dass er gerade einmal sieben kleine Fässer besitzt, in denen seine komplette Produktion lagert.

Anders ausgedrückt sind das (7 x 225) : 0,75 = 2100 Flaschen, was selbst für einen Garagenwinzer eine mikroskopische Menge ist. Antonio, der seine Weine unter dem Label Testalonga verkauft, hat nie Anstalten gemacht, daran etwas zu ändern. Die Weingärten, die er in der wild abfallenden Lage Arcagna in der Nähe von Dolceacqua, bewirtschaftet, hat er seit seinen Anfängen als Winzer 1961 nicht vergrößert.

Die Entscheidung sich mit einem Hektar Weingarten zufrieden zu geben, war nicht nur dem Wunsch geschuldet, klein bleiben zu wollen. Dolceacqua ist zwar wunderschön, liegt aber völlig abseits vitikultureller Trampelpfade oder weinkritischer Aufmerksamkeiten im äußersten Nordwesten Liguriens, gerade einmal einen Steinwurf von der französischen Grenze entfernt. Speziell in Zeiten amerikanischer Verkostungshoheit und der Propagierung einer ausladenden und voluminösen Weinstilistik, waren Antonios filigrane und subtile Interpretationen Gegenentwürfe, die einzig von ein paar Individualisten verstanden und gehortet wurden.  Statt Cabernet Sauvignon und Chardonnay, die manche seiner Kollegen auch in die Berge Ligurien setzten, setze er stur weiter auf Rossese und Vermentino, zwei Rebsorten, die zwar beeindruckendes Potenzial besitzen, deren Popularität allerdings seit jeher überschaubar ist.

Was doppelt schade ist. Denn Vermentino, die wesentlich bekanntere der beiden, entfaltet im Idealfall (Antonio) ein Aromaprofil, das vor allem mediterrane Kräuter (Thymian, Salbei, Rosmarin) und florale Noten (Ginster, Akazien) in die Nase befördert. Bei Antonios Testalonga-Interpretationen kann man auch noch saline Noten dazuaddieren, Terroiraromen, die sich den dicken Kalkschichten, den steinalten (zwischen 50-100 Jahren) Reben und eventuell auch der Meeresnähe der Reben verdanken.

Den insgesamt 4000 Hektar Vermentino (3300 Hektar davon in Sardinien) stehen ganze 80 Hektar Rossese gegenüber, die sich allesamt in und um Dolceacqua befinden. Louis Dressner, einer der bekanntesten amerikanischen Importeure mit einem profunden Wissen über italienische Nischenweine, nannte Rossese einmal, „the most exciting grape I have never heard of“; und tatsächlich gehört Rossese zu jenem unerschöpflichen Sammelsurium italienischer Sorten, die es wert sind, (wieder)entdeckt zu werden.

Rossese ist sensibel und kompliziert. Erfahrung und alte Stöcke tun folglich gut – Antonio hat beides. Sein Rossese, den er seit nunmehr 55 Jahren vinifiziert, ist ein Manifest für das tiefe Verständnis des Winzers für die Sorte und warum es Sinn macht, jeden einzelnen Rebstock individuell zu pflegen. Steine & Salz und dazwischen Pfeffer, Thymian, rote Beeren, eine lebendige aber extrem feine und filigrane Textur, Trinkfluss und eine unglaubliche Länge machen klar, warum der betagte Mann völlig zurecht Kultstatus genießt.

ps: Antonio Perrinos Weine entstehen seit seiner ersten Lese in seiner Garage. Anders als seine Bordelaiser Pendants, hat er immer darauf verzichtet, diesen Umstand marketingmäßig auszuschlachten und ist auch preislich stets in Bereichen geblieben, die seine Weine für jeden erschwinglich machen.

Beide Weine gibt es in limitierter Menge bei vinonudo

Weine

Vermentino: Perrino mazeriert den Vermentino über fünf Tage. Doch – und hier zitieren wir mal die Worte anderer, die treffender nicht sein könnten – „ist die Mazeration nicht dazu gedacht, dem Wein Tannin und ein schweres Chassis mit auf den Weg zu geben, sondern hat vielmehr die Funktion die Geschmacksnuancen zusätzlich zu betonen“ (Castagno & Co.: Vini da Scoprire). Ausgebaut wird über ungefähr 18 Monate in nicht allzu großen Holzfässern.

Das bisschen Gerbstoff im Wein ist so mürb und fein, dass man es kaum wahrnimmt – für die Struktur hauptverantwortlich ist eine Mischung aus mineralischer Substanz und Säure, die dem Wein Druck und Zug geben und Kräuter, Steine und Salz ohne Schlenker in Richtung Gaumen trägt. Dort und ein bisschen weiter unten bleiben sie dann für die nächsten Minuten.

Rossese: Der Weingarten ist steil und baut auf einem Gestein, das Perrino sgruttu nennt, während Geologen Flysch dazu sagen. Das Meer ist nah, das Gebirge ebenfalls und die Thermik beider trägt mit Sicherheit zur Eleganz bei. Im  Keller, der in Wirklichkeit seine Garage ist, lässt er den Wein in aller Ruhe werden. Die Vergärung ist spontan, der Ausbau in kleinen, gebrauchten Holzfässern. Geschönt und gefiltert wuird nicht, geschwefelt nur dann, wenn er es für notwendig hält.

Transparent und hell, ein Wein, wie unter einem roten Schleier. Wilde Erdbeeren, Rosen, Macchia und Salz setzen die Geruchs- und Geschmacksnoten. Das Tannin ist samtig und weich, die Säure pulsiert, drängt sich jedoch nie in den Vordergrund. Die Textur wirkt geschmeidig und dabei doch erhaben, der Körper ist elegant. Trinkfluss kombiniert sich mit Substanz und Tiefe, das Finale ist kräuterbetont und nachhaltig.

 

 

Kontakt

Antonio Perrino “Testalonga”
Adresse: Via Monsignor Laura 2, Dolceacqua (IM)
Telefon: +39 349 3186881
E-Mail: perrino.testalonga@gmail.com


Rebsorten: Vermentino, Rossese
Rebfläche: 1,5 ha
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: nein
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein


Bezugsquellen:

Ab Hof: ja, nach Voranmeldung

Aus Italien online: –

AT/DE/CH: vinonudo.at