Crocizia
Fährt man von Parma in Richtung Süden, geht es schon nach kurzer Zeit in Serpentinen immer höher und steiler den Apennin hinauf. Wenn man sich nicht mehr sicher ist, ob Weinbau unter den vorherrschenden klimatischen Bedingungen überhaupt noch möglich ist, landet man in Pastorello di Langhirano und wenig später bei Crocizia.
Alles hier wirkt alpin. Der Schnee am Straßenrand genauso wie der Kiefernwald, die Schihüttenarchitektur und die Weingärten, die karg und isoliert, die Basis für eine erstaunliche Batterie an Schaumweinen bilden.
„50 Jahre lang war der Hof hier oben verlassen, ehe ihn mein Vater vor 20 Jahren erwarb“, erzählt Marco Rizzardi, der Chef des Familienbetriebs. Weinbau spielte anfangs keine Rolle. Vielmehr ging es darum, die maroden und zugewachsenen Flächen zu rekultivieren und erst als man damit fertig war, entschied man sich dafür dort Reben hinzusetzen.
„Früher gab es hier oben viel Weinbau, doch dann wurden im Zuge von Mussolinis Battaglia del Grano die Reben durch Getreide ersetzt und danach nicht wieder ausgesetzt. Außerdem zogen viele Menschen weg in die Städte, sodass – bis heute – viele alte Gärten brachliegen oder verwildert sind.“
Direkt hinter dem Hof steht Marcos jüngste Anlage. Auf die Frage, warum er sein ansonsten autochthones Rebsortenrepertoire gerade um Sauvignon Blanc erweitert hat, erklärt er, dass die Sorte schon vor über 200 Jahren im Zuge der französischen Okkupation Parmas von Soldaten in die Hügel gebracht wurde und dort bestens gedeiht. Ein paar Meter weiter öffnet sich dann eine Lichtung, die an drei Seiten von Wald umrandet, den Blick auf Marcos größten Weingarten eröffnet und über die Baumwipfel hinweg das Bergpanorama des Apennins präsentiert.
In Mergel und Kalk wurzeln hier die Klassiker der Region. Neben Malvasia di Candia Aromatica, aus dem er einen maischevergorenen Frizzante keltert, sind das vor allem Barbera und Bonarda. Die Bewirtschaftung ist seit jeher biologisch und alles, was auf den knapp 1,5 Hektar passiert, wird per Hand erledigt.
Der, den Garten umgebende Wald schützt vor gröberen Winden, birgt dafür allerdings andere Gefahren. „Rehe, fressen die Triebe und Beeren“, erzählt Marco, weshalb er in den letzten Jahren alles eingezäunt hat. Außerdem treiben sich immer mehr Wölfe in der Gegend herum, das Resultat eines etwas aus den Fugen geratenen Repopulations-Projekt im Apennin. Die fressen zwar keine Trauben, dafür mussten, laut Marco, schon einige Hunde in der näheren Umgebung dran glauben.
WEINE
Drinnen im Haus wird der äußerliche Eindruck aufrechterhalten. Gerodete Rebstöcke – die Rebkrankheit Flavescenza forderte auch hier oben ihren Tribut – liefern die Basis für ein offenes Feuer. Schwarz-weiße Fotos hängen an der Wand. Ein paar Flaschen Wein stehen am Tisch, meist mit Etiketten versehen, deren Namen dem lokalen Dialekt entlehnt sind. Der otòbbor, der Oktober, ist ein sprudelnder Barbera, dunkel in Farbe und Frucht, geradlinig, kühl, pfeffrig und druckvoll. Wie bei all den anderen Weine auch, wird anfangs minimal geschwefelt und danach spontan vergoren – daraufhin bleiben die Weine bis im Frühjahr im Stahltank auf der Hefe, ehe es ohne weitere Eingriffe zur Zweitgärung (eingeleitet durch die Beigabe von Most) in die Flasche geht. Degorgiert wird nicht. Der besiosa, ist ein reinsortiger Malvasia di Candia und wird zehn Tage lang auf der Maische belassen, was ihm neben Trockenfrüchten und Kräuteraromen auch griffigen Gerbstoff mit auf den Weg gibt. Daneben gibt es auch noch den znèstra, eine etwas einfachere und lebendigere Version der gleichen Sorte, allerdings mit nur zwei Tagen Maischekontakt. Elegant, steinig und rotbeerig ist der balos, ein Pinot Noir-Experiment, das in der Höhe bestens funktioniert. Zu guter Letzt steuert Marco auch noch seinen Beitrag zu den immer spannender Lambruscointerpretation der Emilia bei, wobei der marc aurelio vor allem auf der Sorte Maestri basiert, die fordernd, saftig, kraftvoll und dicht einen Kontrapunkt zu den Lambruscovarianten der Ebene um Modena und Reggio Emilia setzt.
Wer Crocizias Weine probieren will, muss sich unter Wölfe begeben. Marcos Weine gibt es weder in A noch in D.
Die Weine
Balos: Pinot Nero. Nach unbefriedigenden Versuchen die Rebsorte rot zu vinifizieren, hatte er mit der rosato-Stilistik mehr Erfolg. Elegant, steinig, rotbeerig. Geradlinig. Belebend und nachhaltig am Gaumen.
Otòbbor: Sprudelnder Barbera. Dunkel in Frucht und Farbe. Geradlinig, kühl, pfeffrig und druckvoll. Hat für gewöhnlich nicht zu knapp Säure. Temperamentvoll und erfrischend am Gaumen. Sehr gut.
Marc’Aurelio: Lambrusco Maestri, das dunkelste Mitglied der Lambrusco-Familie. Rustikal. Dunkelbeerig, fleischig. Pfeffer. Bisweilen ein bisschen widerspenstig am Anfang. Luft und Zeit tut ihm gut.
Sòl e Stèli: Sauvignon Blanc. Drei Tage auf der Maische. Floral. Zitrusaromen. Filigrane Perlage. Elegante Textur. Kühl und kräuterig.
Znèstra: 100% Malvasia di Candia Aromatica. Ein paar Tage Schalenkontakt. Goldfarben. Herbstliche Aromen. Cremige Perlage. Milde Säure, dafür griffiger Gerbstoff.
Besiosa: 100% Malvasia di Candia Aromatica. 10 Tage Schalenkontakt. In allen Nuancen ein wenig intensiver als der Znèstra. Salziges, gelbfruchtiges Finish. Sehr gut.
Kontakt
Marco Rizzardi
Strada per Crocizia 7,
43010 Pastorello di Langhirano
Tel: 0521 854450
www.crocizia.com
Rebsorten: Barbera, Bonarda, Croatina, Pinot nero, Malvasia di Candia, Sauvignon Blanc
Rebfläche: 5 Hektar
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer, Schwefel
Biologisch: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein
Bezugsquellen
Ab Hof Verkauf: ja, nach Voranmeldung
Aus Italien: callmewine, decanto, rollingwine
Im deutschsprachigen Raum: –