Gradizzolo
Antonio Ognibene macht seit 1973 Wein. Innovationen und Experimente gibt es trotzdem immer noch in regelmäßigen Abständen. Im Weingarten wie im Keller.
Dieses Jahr – 2020 – hat sich Antonio beispielsweise zwei große Holzfässer geleistet, um zumindest einen Teil seiner Weißweine wieder darin zu vergären und auszubauen. So wie auch schon 1973. Experimente führen nicht immer ausschließlich in die Zukunft, gelegentlich schließen sie auch Kreise und Biographien und geben einen Eindruck davon, wie es einmal war.
„1973 kam ich frisch aus der Weinbauschule“, erzählt Antonio. „Mit all den Lehrmeinungen im Kopf, die damals vorherrschten. Holzfässer für Weißweine hatten darin genauso wenig Platz, wie eine nachhaltige und ökologische Bewirtschaftung der Weingärten. Wir orderten Säcke voll Kunstdünger, Herbizide und Pestizide, pflanzten Merlot, verheizten die Holzfässer und investierten in temperaturgesteuerte Stahltanks.“ 15 Jahre lang verschrieb er sich dem konventionellen Weinbau, dann hatte er die Schnauze voll. 1989 konvertierte er, früher als alle anderen aus seiner Gegend.
Die Gegend: Das sind die Hügel von Monteveglio, südwestlich von Bologna, eine alte Weinbauregion, die immer ordentliche, selten außerordentliche Weine hervorgebracht hat. In der landwirtschaftlichen Produktionshierarchie hatte Wein zwar elementare Bedeutung, doch waren die Schweinezucht und vor allem die Käseherstellung über lange Zeit noch wichtiger.
„Die Schweine wurden hier immer rund um Weihnachten geschlachtet. Zu diesem Zeitpunkt mussten die Weine bereits gefüllt sein, da man danach keine Zeit mehr für sie hatte. Da es allerdings vor ein paar Jahrzehnten im Winter noch richtig kalt war, stellten die meisten Weine den Gärprozess ein, bevor der Zucker komplett umgewandelt war und führten ihn erst im Frühling, bei wärmeren Temperaturen, und dann bereits in der Flasche fort.“
Da bei der Gärung nicht nur Alkohol sondern auch Kohlensäure entsteht, entstanden auf natürliche Weise Schaumweine, die bis heute den wichtigsten Part der Weinproduktion in den Colli Bolognesi ausmachen. Allen voran aus Pignoletto, einer weißen Sorte mit hoher Säure. Antonio keltert daraus gleich vier verschiedene Weine, wobei nur einer davon sprudelt. Ein paar Tage Maischestandzeit sorgen für Saftigkeit und Struktur, 18 Monate in der Flasche für feine Kräuter- und Zitrusaromen und eine dichte Textur. Kontakt mit ihren Schalen haben auch die anderen Versionen: der Bersot, der als zusätzliche Information das Pflanzdatum der Reben 1933 auf dem Etikett trägt und nach sechs Monaten im Stahltank (ab 2017 Holz) gelbe Früchte und Blütenaromen in eine kühle, saftige, substantielle und vitale Textur bettet. Und der „Le Anfore“, bei dem der Pignoletto über ein paar Monate hinweg in toskanischen Terrakottagefäße gärt und reift und zur fordernden Säure auch noch ein wenig Gerbstoff, Orangennoten, Honig und Nüsse dazuaddiert.
Antonio mag Amphoren. Auch davon soll es künftig mehr geben. Geschuldet ist seine Leidenschaft keinem Trend, sondern der Tatsache, dass man vor einem guten Jahrzehnt unweit von Monteveglio bei Ausgrabungen auf eine bestens erhaltene römische 1000-Liter Amphore stieß. Tief verwurzelt mit seiner Gegend ließ sich ein paar Amphoren brennen, in denen er seither seinen Pignoletto so römisch wie möglich vinifiziert.
ROTE SORTEN: Im Kalk-Ton-Gemisch seiner sieben Hektar wurzeln allerdings nicht nur weiße Sorten (neben Pignoletto auch Alionza, eine alte autochthone Sorte aus der er einen – leider restsüßen – Frizzante keltert), sondern auch Barbera und Negretto. Letztere war bis ins 18. Jahrhundert die große Sorte der Colli Bolognesi. 14000 der damals 20000 Hektar Rebfläche waren mit ihr bestockt und wenn man den Dokumenten der Zeit glauben darf, muss die Gegend im Herbst in ein beeindruckendes Farbenspiel aus gelben Blättern und tiefdunklen, fast schwarzen (Negr-etto) Trauben getaucht gewesen sein. Danach ging es steil bergab mit der Sorte und heute gibt es nur noch Handvoll Winzer, die daraus Weine keltern. Antonios Version reift über mindestens 12 Monate in großen Holzfässern und vereint Kräuternoten und rote Früchte, nicht zu knapp Gerbstoff und eine erstaunlich elegante Textur.
LOKALE KÜCHE: Antonios Weine lassen sich am besten direkt bei ihm probieren – und zwar möglich von Freitag bis Sonntag, wenn er den Agriturismo aufsperrt, in dem man zwar nicht wohnen aber dafür umso besser essen kann.
Weine – eine Auswahl
Bianco Le Anfore: 100% Pignoletto. Über ein Jahr in einer Amphore vergoren und gereift. Bienenwachs, gelbe Blüten, Kräuter, Nüsse und Zitrusaromen. Kompakt. Dichte Struktur. Warm und einnehmend. Sehr gut.
Bersot: Pignoletto Frizzante. Bleibt nach der ersten Gärung für eine halbes Jahr in Stahl- oder Holzfässern, je nachdem was zur Verfügung steht. Zweitgärung in der Flasche. Grapefruit und Kräuter. Eher weich und rund. Cremige Textur. Erfrischendes Finish.
Bersot 1933: 12 Reihen Pignoletto, gepflanzt 1933. In Holz vergoren und ausgebaut. Warme, sonnige Aromen. Gelbe Fruchtnoten, mediterrane Kräuter, Zitrusnoten. Weich und rund, zum Ende hin zunehmend von Säure geprägt. Erfrischend und doch substantiell. Guter Essensbegleiter
Naigarten: 100% Negrettino – eine alte Sorte aus den bolognesischen Hügeln. Über ein Jahr in gebrauchten Holzfässern gereift. Rustikal. Frische rote Beeren. Würzig. Fleischig. Hat Ecken und Kanten.
Gargiolo di Alionza: Frizzante. Macht eine Zweitgärung in der Flasche ohne danach degorgiert zu werden. Ist weich, rund und ausgewogen. Die Säure steuert, drängt sich aber nie in den Vordergrund. Riecht und schmeckt nach frischen Kräutern und Äpfeln. Seriöser und eigentlich auch besser als so gut wie jeder Prosecco.
Kontakt
Agriturismo Gradizzolo – Antonio Ognibene
Via Invernata n. 2
40050 Monteveglio (BO)
Tel. 051830265
Tel. 3317300553
info@gradizzolo.it
www.gradizzolo.it
Rebsorten: Pignoletto, Alionza, Negretto, Barbera
Rebfläche: 7 Hektar
Manuelle Lese: ja
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch: ja
Wohnmöglichkeit: nein
Besonderheiten: bei Antonio Ognibene kann man an den Wochenenden im Sommer exzellent essen. (mehr Info hier)
Bezugsquellen:
Ab Hof-Verkauf: ja, nach Voranmeldung
Aus Italien online: callmewine
Im deutschsprachigen Raum: –