Pranzegg
Das Bozener Becken ist die Kapitale des Vernatschs und St. Magdalena sein Epizentrum. Martin Gojer vom Weingut Pranzegg hat zumindest den Ausblick darauf, sein Weingut befindet sich genau gegenüber, am Kohlerer Berg.
Das wiederum bedeutet, dass sich die meisten seiner Weinlagen in einer nordwestlich ausgerichteten Position befinden. Das mag in solchen Breitengraden zwar ungewöhnlich erscheinen, funktioniert allerdings schon seit Generationen bestens. Im Zuge stets wärmer werdender Jahre erweist sich die topographische Beschaffenheit heute zunehmend als Vorteil.
Martin Gojer begann 1997 seine Laufbahn als Weinbauer. Gerade einmal 18 Jahre alt, übernahm er zwei Hektar Rebflächen, las deren Trauben und verkaufte sie an die Genossenschaften. Das machte er ein paar Jahre lang, ehe es ihm zu eintönig wurde. Er beschloss erste eigene Vinifikationsversuche zu starten. Der Weg, den er beschritt, folgte nur kurz den vorgetretenen Pfaden des konventionellen Südtiroler Weinbaus. Sukzessive begann er die Möglichkeiten auszuloten, die ihm sein Terroir bot und in eine Konzeption von Wein zu betten, die sich an den kulturellen und traditionellen Fundamenten des Weinbaus orientierten.
Damit einher ging auch eine zunehmend kritische Auseinandersetzung darüber, was Wein eigentlich repräsentieren sollte. Und was nicht. Er hatte (und hat bis heute) kein Interesse an markt- und globalisierungskonformen Produkten, die quer durch die Gewichtsklassen sensorische Konzessionen an weichgespülte Gaumen machten und sah im Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nicht nur eine grundsätzliche Gefahr für die Vitalität seiner Böden sondern schon früh eine Entmündigung seiner eigenen, handwerklichen Tätigkeit durch die Agroindustrie. Kurz: Er wollte mutige und diskrepante Weine keltern, die auf der einen Seite die Geschichte ihrer Umgebung wiedergaben, auf der anderen Seite aber auch seine eigene Verfasstheit offenlegten. Die zertifizierte Umstellung auf biologische Bewirtschaftung 2009 war eine erste naheliegende Konsequenz dieser Gedanken, die Einführung biodynamischer Prinzipien eine weitere.
Die mittlerweile 4 Hektar Weinterrassen, die Martin Gojer bearbeitet sind steil. Die Neigung liegt zwischen 25% und 50%. Trotz der dünnen Humusauflage spielt sich darin das pralle Leben ab. Löwenzahn und Weißklee stehen zwischen den Zeilen. Pfirsich- und Feigenbäume, Hopfenbuchen und Eichen durchdringen und umgeben die Weingärten und relativieren die Monokultur. Hühner streifen unter Pergolen herum. Der Untergrund basiert auf einem Porphyrsockel vulkanischen Ursprung über den sich größtenteils eine sandig-lehmige Auflage gelegt hat. Darin wurzelt eine beeindruckende Anzahl an Rebsorten: Vernatsch, Lagrein, Chardonnay, Viognier, Manzoni Bianco, Gewürztraminer, Sauvignon Blanc, Müller-Thurgau und ein paar weitere, aus Neugierde gepflanzte Reben. Sie bilden das Fundament für ein halbes Dutzend Weine, das von gelegentlichen Experimenten bisweilen ergänzt wird.
Im Keller tut Martin Gojer das, was gute Winzer tun – das ist viel und wenig zugleich. Zum einen fügt er den Weinen außer ein wenig SO2 nichts hinzu und nimmt auch nichts weg: Er vergärt spontan, schönt, klärt und filtert nicht und verzichtet auf den Einsatz jedweder Art von Dopingmitteln. Er trifft dennoch eine Menge Entscheidungen: über die Länge der Mostoxidation beispielsweise, die Mazerationsdauer, die Gär- und Ausbaugebinde, die Zeit auf der Hefe, die endgültige Assemblage oder die Ausbauzeit, um nur ein paar wenige zu nennen.
Jeder einzelne Wein wird dabei für sich gedacht und individuell interpretiert. So entstehen stets Interpretationen, die nicht nur ihrer Gegend und den Bedingungen ihres Jahrgangs den Spiegel vorhalten, sondern gleichzeitig auch von den Ideen, den Entwicklungen und wenn man so will, dem inneren Terroir, ihres Schöpfers Zeugnis ablegen.
Weine – eine Auswahl
Campill: Ein Cuvée aus 50 Jahre alten Rotvernatsch- und Grauvernatschreben von der Lage Campill, die vor allem auf Porphyr und darüberliegenden sandigen Verwitterungsböden basiert. Sie ist nach Norden exponiert, ein Umstand, der sich in einer leicht verzögerten Reife der Trauben positiv bemerkbar macht. In Holzfässern und Zementbottichen gereift. Leicht, agil und subtil ist doch gleichzeitig tief, dicht und vielschichtig. Rote Beeren und Blütennoten bestimmen das Aromaprofil. Eine feine Säure bündelt eine weiche und warme Struktur und führt den Wein ohne Umwege zum Gaumen. Wer Parallelen mit Pinot Noir feststellt, liegt nicht falsch.
Caroline: Die Caroline ist gemischter weißer Satz aus vier Rebsorten, die es in dieser Zusammensetzung vermutlich nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Sauvignon Blanc und Chardonnay geben darin den klassischen Part, Manzoni Bianco und Viognier die Avantgarde. Auf 400 Metern gewachsen: Alle vier Rebsorten befinden sich im selben steilen Weingarten direkt unter Martin Gojers Weingut. Die Reben sind extrem dicht gesetzt, der Ertrag pro Stock liegt bei einem halben Kilo. Sie wurzeln in vulkanischem Untergrund (Porphyr & Basalt) und Granit, der an der Oberfläche zu einer dünnen Schicht aus Ton und Sand verwittert ist. Harmonisch. Lebendig. Subtile Fruchtaromen. Feine Blütennoten. Burgundische Textur. Eindrucksvoller, nie ausladender Körper. Dynamisch, stoffig, lang und energetisch.
Tonsur: Zwei Drittel Müller-Thurgau sind prinzipiell kein riesiger Reizfaktor, die auch von einem Drittel Chardonnay, Pinot Bianco und Sylvaner nicht kompensiert werden können. Allerdings gehört Martin Gojer nicht wirklich zu den Stereotypen der Südtiroler Winzerwelt – die Namen der Rebsorten haben nur bedingt Bedeutung für ihn. Viel wichtiger ist ihm das Terrain. Das ist vulkanisch geprägt, während sich die klimatischen Bedingungen als Schnittstelle zwischen alpinen und maritimen Einflüssen erst in den Trauben und später auch im Wein entsprechend manifestieren. Während eines gut einjährigen Ausbaus in großen Holzfässern verweilt der Wein auf der Hefe. Martin Gojer schönt und filtert nicht und schwefelt minimal. Gelb dominiert – im Auge und in der Nase. Kamille & Steinobst. Kompakt, fest strukturiert und doch geschmeidig. Kühler Unterton. Druckvoll, saftig und stoffig. Reift wie alle seine Weine blendend.
Laurenc: Lagrein ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von Vernatsch. Er ist intensiv, ausladend und mächtig und klotzt mit Kraft und Opulenz. Um die Potenz ein wenig zu zähmen, braucht es eine sorgsame Pflege im Weingarten, das Gefühl für den richtigen Lesezeitpunkt und eine vernünftige Herangehensweise im Keller, die nicht darauf angelegt ist, die ohnehin vorhandene Power noch durch den Ausbau in kleinen Holzfässer zu multiplizieren. Martin Gojers Lagrein ist auch kein Kind von Traurigkeit. Doch versucht er im Laurenc auch seine strukturierenden und eleganten Seiten offenzulegen.
Kontakt
Martin Gojer
Adresse: Via Campegno 8, Bozen
Telefon: +39 0471 977436
Email: info@pranzegg.com
Webseite: www.pranzegg.com
Rebsorten: Sauvignon Blanc, Chardonnay, Manzoni Bianco, Traminer, Viognier; Lagrein, Vernatsch, Barbera
Rebfläche: 2,5 Hektar
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biodynamisch zertifiziert: ja
Wohnmöglichkeit: nein
Bezugsquellen:
Ab Hof: ja, nach Voranmeldung
Aus Italien online: decanto.it; triplea.it
AT/DE/CH: vinonudo.at