Die Toskana - eine kurze Einführung

Dass die Toskana zu den bedeutendsten Weinbauregionen Italiens zählt, braucht man eigentlich nicht extra zu erwähnen. Dass es allerdings jenseits von Montalcino, Bolgheri und des Chianti noch weitere acht DOCG, 37 DOC, sechs IGT und eine überregionale DOC (die Colli di Luna gehen nach Ligurien über) gibt, kann man schon mal kurz sagen.

Denn die kennt schließlich kaum jemand. Wer hat schon mal was von den Colli Apuani gehört? Oder von Massa Marittima (wo sich eines der besten Weingüter Italiens befindet) oder Pitigliano? Im Grunde findet sich kein Fleck jenseits der Städte, wo nicht irgendwo Rebstöcke wachsen. Selbst die Inseln, so klein sie auch sein mögen, sind mit Weinreben bestockt – in Giglio stehen auf einem steilabfallenden Felsen Ansonaco Rebstöcke, aus denen die Familie Cafagna einen der großen Weißweine der Toskana vinifiziert, während sich auf der Gefängnisinsel Gorgona eine Handvoll Häftlinge um Vermentino und Ansonica kümmert.

REVOLUTION VON OBEN

Genau in diese Peripherien sollte man aber den Blick richten. Denn dort entstehen Weine, die autochthone Sorten, alte Weinbautraditionen und lange brachliegende Terroirs wieder in den Mittelpunkt rücken. Dass man dabei oft an den bisweilen absurden Bestimmungen der DOC-Konsortien vorbeiarbeitet, tut wenig zur Sache und hat in der Toskana gewissermaßen Tradition. Schon in den 60er Jahren riefen ein paar Aristokraten eine Revolution von oben aus. Sie hatten – nicht ganz unberechtigt – die Schnauze voll von dünnen Cuvées, die zwar Sangiovese als Basis hatten, dem jedoch verpflichtend weiße Sorten beigemengt wurden. Der Grund lag darin, dass wie fast überall in jenen Jahren der Ertrag absolute Priorität genoss und der beste Sangiovese-Klon derjenige war, der am meisten Trauben pro Stock tragen konnte. Die Folge waren Sangiovese-Versionen die unreifes Tannin mit zu viel Säure kombinierten. Man mischte also ein wenig Weißwein dazu, um sie weicher, runder und fruchtiger zu machen und verankerte den ganzen Unsinn auch gleich noch im Gesetz.

Da Aristokraten (Antinori, Frescobaldi etc.) bisweilen auf Gesetze nicht viel geben , positionierten sie sich auch damals jenseits der Paragraphen und ersetzten Vermentino und Trebbiano durch Merlot und Cabernet. Statt auf alte slawonische Fässer setzte man auf französischer Eiche. Auf ihre Kappen gingen dann Blockbuster wie Ornellaia, Sassicaia, Masseto & Co., hyperkonzentrierte und aufgeblasene Weine, die sich stilistisch an den Autos ihrer Besitzer orientierten. Für mehr als drei Jahrzehnte definierten sie was in der Toskana gut und vor allem teuer war und waren dabei mitverantwortlich für einen Trend, der vor allem auf Wucht und Opulenz setzte.

ALTE TRADITIONEN NEU INTERPRETIERT

Der Mittelweg zwischen schlappen und dünnen Sangiovese und den heute als Supertuscans bekannten Monsterweinen wurde nur langsam ausgetreten, vornehmlich in Montalcino (davon ein andermal) und in Regionen, die kleinstrukturiert waren und in denen Weinbau zwar viel Geschichte aber wenig Zukunft hatte. Seit Anfang der 2000er Jahre jedoch hat sich die Entwicklung zu strukturierten und regionstypischen Weinen zunehmend beschleunigt. Weingärten wurden rekultiviert und neu ausgesetzt, vor allem aber wurde oftmals die Bewirtschaftungsweise geändert – die Toskana hat heute die größte Dichte an biodynamischen Winzern in Italien. Die Erträge wurden auf ein vernünftiges Maß gesenkt und man machte sich daran, sukzessive das Potenzial heimischer Rebsorten auszuloten – allen voran die des Sangiovese aber immer öfter fanden sich auch wieder Canaiolo, Colorino, Ciliegiolo, Alicante, Pugnitello, Aleatico, Foglia Tonda in den Cuvées (und gelegentlich auch reinsortig). Mindestens so wichtig wie die Arbeit im Weingarten, waren die Veränderungen im Keller, wobei man vorsichtig alte Traditionen (Zementzisternen, große Holzfässer, längere Maischestandzeiten bei Weißweinen, kürzere bei Rotweinen, spontane Vergärung, Ganztraubenpressung) mit neueren Erkenntnissen (kürzere Ausbauzeiten, schonendes Pressen) verknüpft und sie zudem noch den individuellen Bedürfnissen anpasst.

REGIONALE DIVERSITÄT: Die können sich in der Toskana gewaltig unterscheiden. In den Colline Lucchesi und der Garfagnana trifft man auf Durchschnittstemperaturen und eine Geologie, die mit den Bedingungen in Montepulciano so gut wie gar nichts zu tun haben. Die Maremma wiederum ist ein Universum für sich, liegen doch zwischen den niedrigsten Weingärten an der Küste und den höchsten in den Hügeln gut 500 Meter. Das Chianti ist so unterschiedlich, dass es neben dem Chianti Classico noch sechs weiter Chiantiappellationen gibt. Weinbau auf den Inseln wiederum ist vom Meer geprägt, Weinbau in den Bergen um Arezzo vom Apennin.

Bei vielen Winzern ist der brennende Wunsch spürbar, ihren Weinen wieder eine regionale Identität mit auf den Weg zu geben. Der – längst verlorengegangene – Bezug zur heimischen Küche wird wieder angestrebt, womit Eleganz, Bekömmlichkeit und Trinkfluss auch wieder entsprechendes Gewicht bekommen. Große Weine haben sich in diesem Meer an Ansätzen und Regionen in den letzten Jahren fast zwangsläufig ergeben. Und es werden immer mehr.