AUSZÜGE EINES ARTIKELS VON MIR, DER 2012 BEI WEIN-PLUS ERSCHIENEN IST
Soave, mit seiner die Stadt umfassenden Scaligerburg und den schlagartig und spektakulär ansteigenden Hügeln im Hintergrund, liegt touristisch perfekt an der A4, der Autostrada zwischen Verona und Padua. Allerdings hat das nur marginale Auswirkungen auf die Buchungsfrequenz der wenigen Hotels der Umgebung. Statt einen kurzen Abstecher in die Stadt zu machen, wird eher auf das Gaspedal getreten. Die alten, venezianisch beeinflussten Gebäude der Via Roma anzuschauen und die Bigoli all’anatra in der Trattoria dal Moro zu probieren, mag einem als vielversprechender touristischer Tipp ja noch durchgehen; dass man in Soave aber vor allem deswegen halten sollte, um sich durch die großartigen Weine der Region zu trinken, überfordert dann aber doch das Vorstellungsvermögen der meisten Passanten.
Schuld am Ruf des Soave sind mehrere Faktoren. Zum einen die großen Genossenschaften, die – obwohl die Qualität dezent steigt – über Jahrzehnte auf riesige Mengen gesetzt haben, ganz egal, was dabei herauskam. Zum anderen aber auch die Tausenden Italiener, die im Zuge des Anwerbeabkommens in den 50er Jahren nach Deutschland aufbrachen und Stadt und Land mit Pizzerien überzogen. Und letztlich natürlich auch ihre Konsumenten. Die Spaghetti und die Quattro Stagione mussten nämlich möglichst authentisch runtergespült werden, mit Soave eben, der vor allem eines zu sein hatte: billig.
Zu Dumpingpreisen wird auch heute noch produziert, daneben hat sich allerdings eine Winzerszene entwickelt, die sukzessive demonstriert, was für große Qualitäten in den vulkanischen Böden, den oft steil abfallenden Terrassen und den alten Garganega-Stöcken steckt. Das wusste man freilich auch schon vor fast 100 Jahren. Damals wurde Soave, vermutlich zu Recht, aufgrund seiner Eleganz, Mineralität und Straffheit mit Chablis verglichen und genau in diese Richtung steuert man seit einigen Jahren wieder.
Oben auf dem Monte Foscarino kann man einen guten Überblick über die Region gewinnen. Soave liegt zur rechten, im Südwesten, ein paar Meter über den Meeresspiegel, Monteforte d’Alpone zur linken, knappe fünf Kilometer entfernt. Dazwischen und ein wenig nördlich davon liegt die Kernzone, 1.700 Hektar Soave Classico, ein zuweilen sanft, manchmal aber auch steil ansteigendes Rebenmeer aus Garganega und Trebbiano di Soave. Fast durchwegs in Pergola veronese gepflanzt, wirkt es dicht und undurchdringlich, ein grüner Teppich, der in Wellen die Landschaft darunter abdeckt und lediglich von Olivenbäumen und Zypressen durchbrochen wird. Oder aber auch, doch das ist nur wenigen Winzern vorbehalten, von internationalen, im Guyot erzogenen Stöcken, vor allem Chardonnay und Sauvignon Blanc.
„Sauvignon war erstaunlicherweise der erste Wein, den wir selbst in Flaschen füllten. Das war schon in den 80er Jahren und damals war der klassische Soave definitiv an seinem tiefsten Punkt angelangt,“ fährt Marianna fort und ist dabei selbst sichtlich beeindruckt von der sie umgebenden landschaftlichen Schönheit. „Die Zeiten für Garganega in Topqualitäten schienen damals gezählt, aber immerhin blieb so die Möglichkeit zu experimentieren.“
Das tat dann auch Stefano Inama. Erst mit Sauvignon Blanc, der seinem vulkanischen Untergrund wesentlich mehr Tribut zollt als den ewigen Sauvignon-Aromen und mit kräftig Pfeffer, Ananas und Mineralität auffährt, später dann, etwas entfernt, in den Colli Berici, Soaves Rotweinenklave, mit Carmenère (dem größten Carmenère-Weingarten außerhalb Chiles) und Cabernet. Vor allem versuchte man mit immer mehr Akribie und Wissen dem Boden seine eigenwilligen Nuancen und dem Garganega seine feinen floralen Noten zu entlocken. Dafür galt es jedoch erstmal ein paar grundsätzliche Entscheidungen zu treffen. Anstatt die alten Garganega-Rebstöcke, sämtlichst in Pergolen angepflanzt, zu ersetzen, entschloss man sich die Pergolen zu perfektionieren und auf die Intensität der alten Stöcke zu setzen.