Lorella Reale und Piero Ricardi sind zwei Quereinsteiger, die sich nicht damit zufrieden geben, ausschließlich Weine zu produzieren.

Beide haben mittlerweile Bücher über ihre neue Tätigkeit geschrieben, Piero über Naturwein und den Widerstand gegen eine zunehmend um sich greifende Industrialisierung der Landwirtschaft und Lorella über Naturwein als Utopie. Beide Bücher reichen über eine bloße Bestandsaufnahme der Naturweinbewegung hinaus und unterstreichen auch den politischen und gesellschaftlichen Aspekt, der ihr innewohnt. 

Weiß man um die Vergangenheit der beiden, verwundert die literarische Tätigkeit wenig. Lorella ist diplomierte Philosophin, die sich vor allem als Dokumentarfilmerin einen Namen gemacht hat. Riccardo war ebenfalls jahrelang Regisseur. Gemeinsam haben die beiden unter anderem Doku-Serien für die RAI über den Zustand der italienischen Landwirtschaft gedreht, ehe sie 2010 Nägel mit Köpfen machten und ihr eigenes biologisch-biodynamisches Weingut in Bellegra nahe Olevano Romano, ein wenig südlich von Rom, gründeten. 

Dort, genauer am Colle Pazzo auf ca. 300 Metern Höhe, beschäftigen sich die beiden mit Cesanese, eine der spannendsten roten Rebsorten des südlichen Italiens. In fünf unterschiedlichen Versionen loten sie sein ganzes Potenzial aus, wobei vor allem die Interferenz zwischen Boden und Rebe im Mittelpunkt ihres Interesses steht. Das ist insofern naheliegend, da der Colle Pazzo einerseits auf vulkanischem Terrain und andererseits auf sandigem Untergrund beruht und den darin wurzelnden Reben folglich völlig unterschiedliche Verhältnisse bietet. Die Ergebnisse sind durch die Bank beeindruckend.

Rund um das Weingut, das sich 400 Meter höher oben befindet, haben die beiden zudem einen Versuchsweingarten mit weißen Rebsorten angelegt, in dem gegenwärtig die Basis für zwei Weißweine entsteht. Einen – wenig verwunderlich – reinsortigen Malvasia del Lazio und einen in vielerlei Hinsicht absolut erstaunlichen Riesling. Zudem beschäftigen sie sich dort oben, mit der roten Rosciola, einer quasi verschollenen autochthonen Rebsorte der Region, von der es aber bislang (2021) noch keinen Wein gibt.

Vergoren werden alle Weine grundsätzlich spontan und ohne Temperaturkontrolle. Geschönt und gefiltert wird nicht. Die Vinifikation findet in Zementzisternen statt, der Ausbau entweder im Stahltank, in Zement oder in Eichen- oder Kastanienholzfässern.

Tucuca: Cesanese rosato. Das Etikett stammt von Curzio dem „cu“ in Tucuca, das „Tu“ gehört zu Tullia und das „ca“ zu Cassius, den drei Kindern der Winzer. Cesanese eignet sich wie wenig andere Sorten für etwas profundere Rosé. Der Tucuca ist cremig, rotfruchtig, weich, einladend, ruhig und macht viel mehr Spaß als das Rosé gemeinhin tut.

Càlitro: Cesanese. Wächst auf weißem Sandgestein. Wird je nach Jahrgang über einen variierenden Zeitraum im Holz und in der Flasche ausgebaut. Ist rund, warm, rotfruchtig, dabei aber erstaunlich grazil und elegant. Sehr gut.

Necchio: Cesanese von vulkanischem Terrain. Wird, wie auch der Càlitro, je nach Jahrgang über einen variierenden Zeitraum im Holz und in der Flasche gereift. Ist gewichtiger, tiefer und ausladender als der Càlitro. Hat neben dunklen Fruchtaromen auch süße Gewürze in petto. Ebenfalls ausgezeichnet.

Emotiq Riesling: Riesling von weißem Sandstein. Bleibt über einige Tage in Kontakt mit der Maische. Auf 700 Metern gewachsen. Im Stahltank ausgebaut. Hat Spannung und macht Druck. Wirkt etwas gehaltvoller als deutsche Exemplare. Kräuterig. Reife Zitrusnoten. Hat etwas weniger Säure als man es von der Rebsorte gewohnt ist, kompensiert das aber mit einer perfekt integrierten Tanninstruktur.