CANNONAU

Cannonau ist die mit Abstand wichtigste Rebsorte Sardiniens. Gut 8000 Hektar sind dort mit ihr bepflanzt. In Italien findet man sie zudem im Veneto unter dem Namen Tocai oder Tai Rosso, in Sizilien und der Toskana unter dem Namen Alicante und am umbrischen Trasimener See als Gamay Perugino.

Jenseits Italiens kennt man sie weltweit unter dem Namen Grenache, während sie in Spanien Garnacha heißt – lange wurde auch vermutet, dass sie aus Spanien stammt und von dort wahrscheinlich bereits im 14. Jahrhundert nach Sardinien gebracht wurde.

Manche Sarden sehen das allerdings anders und behaupten, dass die Rebsorte in Wirklichkeit den umgekehrten Weg angetreten und sich von ihrer Insel aus in der Welt verbreitet habe. Anhand historischer Dokumente ist die Frage nicht zu klären. In Italien wurde Cannonau erstmals 1549 erwähnt, in Spanien angeblich erst 1678 – aber das besagt natürlich nicht allzu viel. Im Laufe der Zeit mögen Dokumente da und dort verschwunden sein und Rebsorten schaffen es auch zu wachsen, ohne dass sie schriftlich erwähnt werden. Etymologisch steht man gleichfalls auf verlorenem Posten. Zwar gibt es in Spanien eine Rebsorte mit dem Namen Canoñazo, doch ist die zum einen weiß und zum anderen hat sie auch genetisch nichts mit Cannonau zu tun. Womit wir beim nächsten Punkt wären: der Genetik. Hier spricht einiges für Spanien… und einiges für Italien. Einerseits weist die Tatsache, dass es in Spanien Garnacha in unterschiedlichsten Farbmutation gibt, auf eine lange Geschichte in spanischer Erde hin. Andererseits findet sich in Sardinien und im restlichen Italien eine wesentlich breitere genetische Variabilität als in Spanien, was gleichfalls auf eine jahrhundertelange Entwicklung in italienischen und vor allem sardischen Weingärten hindeutet.

Sei es wie es sei, Cannonau ist auf Sardinien eine ernste und wichtige Angelegenheit. Die für sie besten Bedingungen finden sich in Mamoiada oder Oliena, den beiden Cannonau-Hochburgen im Zentrum Sardiniens. Hier finden sich bis zu 150 Jahre alte Rebstöcken, die in den sandigen Terrains des sardischen Hochlands potenzielle Angriffe der Reblaus nicht fürchten müssen. Auch klimatisch passt alles perfelt: Es regnet selten, tagsüber ist es über lange Perioden für gewöhnlich sehr heiß, aufgrund der nicht unbeträchtlichen Höhe der Weingärten nachts jedoch entsprechend frisch. So gedeihen Trauben, in denen sich ordentlich Zucker und doch auch strukturierende Säure gegenüberstehen und dafür sorgen, dass selbst im Einstiegsbereich spannende Weine zu haben sind (bis vor Kurzem konnte man in Mamoiada noch exzellente Weine direkt vom Fass kaufen. Die Zeiten scheinen mit dem stets größer werdenden Erfolg der Cannonau-Enklave allerdings so gut wie vorbei zu sein).

Auch im übrigen Sardinien stößt man an allen Ecken und Enden auf Cannonau, weshalb die ganze Insel in Bezug auf die Rebsorte DOC-Status genießt. Anders als im Zentrum des Landes variieren dabei die Qualitäten jedoch beträchtlich. Neben einigen beeindruckenden Beispielen im Norden (Dettori) wie im Süden (Meigamma), findet sich auch viel Durchschnittliches. Das hat vor allem damit zu tun, dass man in den 1980er Jahren, als der italienische Weinboom einsetzte, viele Weingärten mit Klonen bepflanzte, die zwar ordentliche Mengen aber nur selten ebensolche Qualitäten erbrachten.

Anders als in vielen wichtigen Weinregionen der Welt (Chateauneuf-du-Pape, Kalifornien, Australien) wird Cannonau auf Sardinien so gut wie nie cuvetiert. Er nimmt es allein mit dem Konsumenten auf und macht mit seinen warmen mediterranen Noten und mürben Textur dabei oft genug gute Figur. Wesentliche Voraussetzung dafür ist ein eher bescheidener Ertrag und ein Ausbau in großen Holzfässern oder Zementzisternen. Neue Barriques verträgt Cannonau aufgrund seiner geringen Tanninkonzentration nicht allzu gut.

Anders sieht das mit Tocai Rosso aus. Genetisch identisch mit Cannonau/Grenache hat sie sich im Laufe der Jahrhunderte in den raueren und feuchteren Gegenden der venetischen Colli Berici eine etwas dickere Traubenhaut zugelegt, was auch eine Vinifizierung im kleinen Holzfass ermöglicht – sofern dies tatsächlich erwünscht ist. Auch wenn die Sarden eher geringschätzig auf die viel kühleren und gebündelteren Interpretationen im Veneto schauen, gibt es auch hier einige Winzer, die ausgesprochen gute Beispiele der Rebsorte in die Flasche bekommen.

Bezüglich weiterer Vinifikation der Rebsorte in Umbrien (Gamay Perugino), in der Toskana und Sizilien (Alicante) kenne ich wenig nennenswerte Beispiele. Ich weiß, dass sie in Bruchteilen in SRCs fabelhaftem Etna Rosso Rivelli enthalten ist, reinsortige Interpretationen sind mir allerdings nicht geläufig.

Eine Auswahl

Mamoida & Oliena

Giovanni Montisci: Barrosu (nicht ganz billig aber dafür auch sehr, sehr gut)
Giovanni Monisci: Barrosu Rosato
Giuseppe Sedilesu: Mamuthone
Giuseppe Sedilesu: Ballu Tundu
Cantina Vike Vike: Cannonau Riserva
Francesco Cadino: Perdas Longas
Cantina Gungui: Cannonau Berteru
Gianluigi Montisci: Cannonau di Sardegna Istimau
Orgosa: Cannonau di Sardegna

In der Bar von Antonio Mele in Mamoiada bekommt man für ein paar Euro wirklich guten Cannonau direkt vom Fass.

Der Rest Sardiniens

Pusole: Cannonau di Sardegna
Meigamma: Rosa
Meigamma: Cannonau di Sardegna
Dettori: Dettori

Veneto

Daniele Portinari: Tai Rosso
Angiolino Maule: So San