HINTERGRUND
Es wäre spannend beizeiten einmal eine Grüne Veltliner-Verkostung zu organisieren, in der es das alte Habsburgerreich mit dem republikanischen Österreich aufnehmen würde: Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Italien auf der einen Seite, die siegesgewisse Republik auf der anderen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Österreich das Rennen machen würde, wäre zwar groß, die Möglichkeit, dass es zu einem markerschütternden „Judgement of Vienna“* kommen würde, wäre allerdings ebenfalls nicht auszuschließen.
Für Italien könnte Christian Kerschbaumer alias Garlider im Mittelgewicht in den Ring steigen. Seine Rebstöcke befinden sich so hoch über dem Talgrund des Eisacktals, dass weder Auto- noch Eisenbahn zu sehen sind und man folglich in aller Ruhe den Blick auf die gegenüberliegenden Dolomiten richten kann. Das Klima dort oben ist frisch und luftig, doch mangelt es auch nicht an Sonne und Licht. Die Trauben akkumulieren folglich nicht zu wenig Zucker, der jedoch – anders als in vielen österreichischen Versionen – in ein recht lebhaftes Säuregerüst eingebunden ist.
Vergoren wird spontan und temperaturkontrolliert, ausgebaut über gut zwei Jahre in großen Holzfässern und in der Flasche.
STIL
Saftig, temperamentvoll, fokussiert und präzis. Würzig, griffig und gelbfruchtig. Dicht, substantiell und mit ordentlich Power am Gaumen.
*Beim Judgement of Paris traten 1976 amerikanische Rot- und Weißweine gegen ausgesuchte französische Bordeaux (rot) und Burgunder (weiß) in einer Blindverkostung an. In beiden Kategorien gewannen die amerikanischen Weine. Die sensorische Überlegenheit französischer Weine war somit, wenn auch nicht durchbrochen, doch immerhin in Frage gestellt. Was gemeinhin als Demokratisierung der Weinkultur gefeiert wird, gehört, unserer Ansicht nach, eher zu den großen Tragödien der jüngeren Weinbaugeschichte. Mit dem Erfolg der amerikanische Weine schwappten auch ihre Herstellungsmethoden und, noch schlimmer, ihre Meinungsmacher (allen voran Robert Parker und der Wine Spectator) nach Europa und sorgten für eine Infantilisierung und Banalisierung gewachsener Traditionen und Geschmäcker.