Rote Bastionen finden sich in Italien seit den Tagen, als die Griechen in Kalabrien den Krimisa kelterten, ihn über das Ionische Meer schipperten und ihn, u. a. ihren Olympiasiegern als Geschenk überreichten. In der Zwischenzeit gibt es hunderte rote Hochburgen, teils mit internationaler Reputation (Barolo, Montalcino & Co) teils mit immerhin lokaler Bedeutung (Vulture, Ovada, Dogliani, Conerò etc.). Es gibt aber auch orange Epizentren (allen voran der Karst und der Collio im Norden und die Colli Piacentini weiter im Süden), sprudelnde (Prosecco, Franciacorta, Lambrusco) süße (Marsala, Valpolicella, Gambellara) und sogar rosafarbene (Abruzzen).
Im Verhältnis dazu, tut man sich WEISS vergleichsweise schwer. Orte, mit dem Renommee von Barolo & Co. sucht man vergebens. Potenzial wäre freilich vorhanden und gelegentlich dürfte das auch ausgeschöpft worden sein. Im Soave beispielsweise, wo man bis in die fünfziger Jahre große Weine gekeltert haben dürfte, ehe für 5 Jahrzehnte die Industrie übernahm und den Qualitätsgedanken bis Anfang der 2000er Jahre durch biedere Profitgedanken ersetzte. Vor ca. 20 Jahren setzte glücklicherweise wieder ein Umdenken ein, dass allerdings noch zu Ende gedacht werden muss.
Gelegentlich muss man aber erst anfangen, den natürlichen Voraussetzungen vollends gerecht zu werden. Im Aostatal beispielsweise finden sich Bedingungen, die besser kaum sein könnten – kühles Klima, spannende oft autochthone Sorten, ideale Böden und Exposition – doch nur im seltensten Falle die Bereitschaft, auf die chemischen Optionen im Weingarten und die invasiven Manipulationen im Keller zu verzichten. Besser spät als nie schlagen erste Winzer in Italiens kleinster Provinz jedoch seit kurzem neue, nachhaltigere Wege ein.
Der Collio, das Eisacktal, die Gegend rund um Avellino – die Liste mit potenziell großen Terroirs ließe sich über Seiten hinweg fortsetzen (das es potenziell große Terroirs sind, beweisen auch immer wieder einzelne Winzer). Ganz hoch oben auf dieser Liste sollte auch ein Ort stehen, der in der Weinwelt noch immer fast unbekannt ist. Cupramontana liegt 30 Kilometer westlich von Ancona, im Herz der Marken. Verdicchio – von vielen Ampelographen und Kritikern als beste weiße Rebsorte Italiens ausgemacht – gibt hier den Ton an, Kalk bildet die geologische Basis. Corrado Dottori von La Distesa der mit dem Gli Eremi den bis heute besten Wein der Gegend und einen der besten Italiens produziert, meinte einmal das Cupramontana das Chablis Italiens sein könnte (will man das?), wenn… ja wenn… man das Potenzial auch wirklich ausschöpfen würde. In seinem Schatten haben sich nun einige Winzer darangemacht, Corrados Hypothese in die Tat umzusetzen. La Marca di San Michele keltert mit den Passolento und dem Capovolto zwei Versionen, die sowohl der Sorte wie auch der Umgebung gerecht werden. Di Giulia produziert mit dem Grottesco und dem Gentile ebenfalls zwei Weine, mit denen man Spaß haben, sich aber auch längere Zeit beschäftigen kann.
Seit kurzem gesellt sich zu diesem Trio auch noch Ca’liptra dazu, ein kleines Weingut, das sich aus Giovanni Loberto, Roberto Alfieri, Agostino Pisani und Antonella Traspadini zusammensetzt, einem Quartett, das in verschiedensten Funktionen bei anderen Winzern (Dottori, Pievalta, Colonnara) gesehen hat, wie man gute und exzellente Weine macht. Mit dem Kypra keltert man nun seit ein paar Jahren einen Wein, der einen Grund mehr liefert, Cupramontana in der Hierarchie italienischer Weißweinzonen hoch oben anzusiedeln. Die Basis bilden 40jährige Verdicchioreben und der schon erwähnte Kalksockel, durch den sich zudem ein paar Gipsadern ziehen. Die Exposition weist nach Osten. Da man sich genau über dem Cesola, einem unweit von Copramontana entspingendem Wildbach befindet, verfügt man zudem über ein – speziell im Sommer – regulierendes Mikroklima. Im Weingarten wird konsequent biologisch gearbeitet, im Keller setzt man anfangs auf wilde Hefen und verzichtet auf eventuelle Gärhilfen. Ausgebaut wird über 9 Monate in Zement, danach wird gefiltert, geschwefelt und gefüllt.
Das Resultat ist kühl, präzis und animierend. Die Aromen decken, wie so oft bei gutem Verdicchio, vor allem das florale und gelbfruchtige Spektrum ab. Die Säure packt zu und sorgt für Spannung, Vitalität und Zug. Die Textur ist saftig und kompakt. Der pH liegt bei 3,2, die Säure bei 6,5‰ der Alkohol bei 13,5 und was sich analytisch recht ausbalanciert liest, sorgt auch sensorisch für Ausgewogenheit. Ein paar Jahre Flaschenreife tun mit Sicherheit gut.