Ca‘ de Noci – Biographie des Weinguts
Die Emilia gehört ganz sicher zu den spannendsten Weinbauregionen, durch die man sich derzeit in Italien trinken kann. Dutzende Winzer treten seit einigen Jahren den Beweis an, dass sich eine Region, der im Würgegriff der globalen Lambruscoindustrie zunehmend ihre Identität verloren ging, durch individuellen Widerstand neu positionieren kann. Abgesehen davon, dass es in der Zwischenzeit gut zwei Dutzend Winzer gibt, die Lambrusco seine Würde und Identität zurückgeben, sind es vor allem auch Neu-Interpretation alter Sorten und Traditionen, die zur Renaissance der Region beitragen.
Alberto & Giovanni Masini gehören, wenn man so will, zur klassischen Avantgarde der Emilia. Sie opponieren seit 1993, dem Jahr, in dem sie das Weingut von ihrem Vater übernommen und es auf Bio umgestellt haben (Zertifizierung 1997). Seitdem vinifizieren sie auch ihre Trauben selbst und zwar zu Weinen, die keinen Platz für Kompromisse lassen, doch dafür auch die Geschichte ihrer Herkunft auf den Punkt bringen.
Zwischen Walnussbäumen
Ca‘ de Noci ist mitten ins Nichts gebaut, 25 Kilometer südlich von Reggio Emilia, dort wo der Apennin langsam in die Po-Ebene ausläuft. Walnussbäume an der Einfahrt verweisen auf den etymologischen Ursprung ihres Weinguts. Hinter dem Haus tut sich ein erster von insgesamt fünf Hektar Weingärten auf. Bestockt ist er mit alten Spergolareben, einer kaum bekannten weißen Rebsorte, die es nur in den Hügeln zwischen Modena und Reggio Emilia gibt. „Spergola“, meint Alberto, „hat eine natürliche Säure, die sie für Schaumweine prädestiniert.“ Die beiden Brüder keltern daraus zwei Versionen, den vitalen, frischen und puristischen Querciole, der jeden Prosecco alt aussehen lässt. Und die Riserva dei Fratelli, ein Spumantemonument, das nach dreijährigem Ausbau in der Flasche Struktur, Kraft und Frucht kombiniert und Wege weist, was man mit Spergola alles anstellen kann.
Beide Schaumweine werden übrigens während der ersten Gärung über längere Zeit mit den Schalen in Kontakt gelassen, was zwar nicht unbedingt der Tradition der Gegend entspricht, allerding fundamentale Bedeutung in der Wein-Konzeption der Brüder hat. Zum einen geht es den beiden nämlich ganz pragmatisch darum, ihre Weine ohne den Einfluss von Chemikalien stabil zu halten. Gerbstoff spielt dabei eine essentielle Rolle. Der andere Aspekt ist sensorischer Natur: Gerbstoffe schützen den Wein nicht nur, sie strukturieren ihn auch, geben ihm Rückgrat & Substanz. Zudem löst man aus den Traubenhäuten Aromen, die sich gerade dann, wenn man den Weinen etwas Zeit gibt (und das tun die beiden) vielfältig bemerkbar machen. Wobei Alberto & Giovanni die Mazerationsdauer in den letzten Jahren verkürzt haben, um die Leichtigkeit und Lebendigkeit ihrer Weine stärker zu betonen.
Dank eines relativ warmen Mikroklimas startet und endet die Lese alljährlich extrem früh. Man beginnt generell Ende August und macht Mitte September schon wieder Schluss. 15 Freunde sorgen dafür, dass bis Mittag alles einfahren ist, da es danach zu heiß wird. Gelesen wird in 10 Kilo Kisten, danach wird gequetscht, mazeriert und spontan vergoren. Die Temperatur wird nicht reguliert, wobei es im Keller stets stabile 15°C hat, was auch der Gärung zu Gute kommt. Die Weine landen, je nach Intention, in verschiedenen Gebinden, wobei Stahl, Zement und Holz zur Auswahl stehen. Das war es dann auch, die Zeit erledigt den Rest.
Neben den beiden Spergolainterpretationen gibt es bei Ca‘ de Noci auch noch den Sottobosco, eine rote Schaumweinversion, die zwar nicht unter der offiziellen Begrifflichkeit Lambrusco deklariert aber genau in diesem Sinne gekeltert ist. Die Basis bilden zwei Lambruscospielarten, Grasparossa und Montericco, dazu kommen mit Malbo Gentile und Sgavetta, zwei weitere Rebsorten, die es nur in ihrem lokalen Umfeld gibt. Der erste Ausbau findet in Stahl oder Zement statt, die Zweitgärung – anders als man es in der Ecke gewohnt ist – in der Flasche. Weitere gravierende Unterschiede zu gängigen Lambruscovarianten sind der geringe Hektarertrag (4000 statt 20000 Kilo), die konsequent biologische Bewirtschaftung, die akribische Handlese, der Verzicht auf jegliche Additiva – kurz die Intention, aus ihren Beeren nicht irgendein schäbiges Billigprodukt für deutsche Pizzerien und Supermarktketten zu produzieren, sondern einen Wein, der Trinkfluss und Lebendigkeit mit Tiefe und Charakter kombiniert. Restzuckerkonzessionen werden keine gemacht.
Ca‘ de Noci gibt es aber auch still. Der Gheppio war lange Zeit eine dunkelbeerige, kraftvolle, saftige aber doch elegante Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Malbo Gentile und Sgavetta. Das änderte sich vor kurzem, als die amerikanische Rebzikade, ein mikroskopisch kleines Insekt, das die ständig wärmeren Wintertemperaturen nutzt, um in den Weingärten Italien Unheil zu stiften, dem Cabernet den Garaus machte. Dunkel & saftig ist der Wein jedoch weiterhin, ausgebaut wird er über drei Jahre in alten Holzfässern. Bleibt der weiße Notte di Luna, eine Cuvée aus Spergola, Malvasia und Moscato, die über 12 Monate in großen Holzfässern ausgebaut wird und ganz sicher zu den spannendsten maischevergorenen Weißweinen jenseits des Friaul zählt.
Ca‘ de Noci setzt Maßstäbe und zeigt, was es in der Emilia alles zu entdecken gibt, wenn man gewillt ist, sich abseits der Pfade zu bewegen.