Filippo Filippi – Soave/Veneto
Soave mit dem Fahrrad zu erkunden, birgt Überraschungen. Man nimmt Dinge wahr, die einem im Auto verborgen bleiben. Tote Katzen zum Beispiel, die in einer Art Leichenstarre am Straßenrand liegen und deren Todesursache man irgendwie automatisch mit den weißen Pestizidwolken in Verbindung bringt, die in der Ebene Soaves in besorgniserregendem Takt aus den Pergolen aufsteigen.
Zudem kann man die Steilheit des Geländes im Detail registrieren und staunt über die sich über hunderte Höhenmeter hinziehenden Einzellagen. Bösartig ist dabei die Tatsache, dass auch die Winzer direkt in und an ihren Weingärten leben und ganz besonders hart ist dabei die Anfahrt zu Filippo Filippi. Er bewirtschaftet die höchsten Lagen in der ganzen Region (biodynamisch) und das heißt dann auch, dass es von der toten Katze bis zu ihm knapp 300 Höhenmeter und ca. 20 Spitzkehren sind. Die Welt dort oben, ist dann auch eine andere. Nachdem er mich mit etwas Wasser und ein paar Witzen über mein Transportmittel wieder aufgepäppelt hat, besteht er glücklicherweise darauf, mit dem Traktor eine Spritztour an seinen Weingärten vorbei zu machen.
Bis fast 500 Meter ziehen sich hier die Stöcke über die Kuppen, eingebettet in kleine Wäldchen und bestens durchlüftet vom Wind, der über die Hügel bläst. Der bringt auch gleich Regen mit und treibt uns in eine – von Menschen ausgeschlagene – Kalksteinhöhle. Die Terrassenmauern der Weingärten sind daraus gebaut und auch das, aus dem 13. Jahrhundert stammende, Haus der Filippis. Auf Kalk steht auch der Vigneto Monteseroni, einer der weniger weißen kalkigen Einsprengsel im Vulkanland Soaves, steinalte Stöcke, die quasi in einer Blumenwiese wurzeln. Filippo Filippi ist beileibe nicht der einzige, der hier dezidiert biologisch arbeitet, er scheint seine Auffassung von Naturwein jedoch am konsequentesten durchzuziehen.
Er setzt damit zum einen auf all die Vorteile gesunder und vitaler Böden zum anderen arbeitet er auch seinen Vorstellungen konsequent folgend im Keller weiter. Gärtemperaturen werden reguliert, jedoch nur nach oben (mehr als 24°C möchte er dann doch nicht haben), Schwefel in Minimalmengen eingesetzt, die Schwerkraft ersetzt die Pumpen und die Weine mal sechs Monate mal länger (bis zu 18) auf der Hefe gelassen. Filter sind was für Kaffee, nicht aber für Filippis Wein und möchte man kein blaues Auge riskieren, nimmt man das Wort Enzym besser nicht in den Mund. Dafür lohnt es sich, das mit seinen drei Garganega-Einzellagenweinen, den beiden vulkanisch geprägten Castelcerino und Vigne della Brà und dem oben erwähnten Monteseroni zu tun:
Castelcerino 2009 (nicht mehr Soave Classico sondern Schon Soave Scaligeri): „mein Basiswein“, meint Filippo bescheiden und der Wunsch ständig mit solchen Einsteigern zu tun zu haben, keimt auf. Puro und präzis, mineralisch, floral, Orangenzesten, straff, kräftige Säure, die bestens in den dichten Körper passt – kostet irgendwo um die € 8 und ist damit grob unterbepreist.
Monteseroni 2009: Filippos Antwort auf das Chablis, also mal wirklich Feuerstein, Nüsse und Limetten, saftig, dicht und bestens strukturiert, lang, Magnesiumgaumen (oder so ähnlich), salzig und ausklingend ein wenig Grapefruit. Toll. Übrigens € 9 und damit genauso viel zu billig.
Vigne della Brà 2009: kräftiger und üppiger als seine Kollegen allerdings noch lange nicht barock. Mandeln und Blüten. Und haufenweise Kräuter. Kompakt und lebendig, druckvoll, eindrucksvoll straff, mit Zug zum Gaumen, lang und Potenzial² (Garganega reift übrigens fantastisch, Potenzial bedeutet hier 10 Jahre +).
Das war es aber noch nicht. An Filippos dickem Holztisch stehen noch zwei eigentümliche Spezialitäten. Als erstes ist da der reinsortige Trebbiano di Soave (einer von zwei, die es in Soave noch gibt) von der Lage Turbiana aus 80 Jahre alten Stöcken, die – da Pergola-erzogen – dick wie Baumstämme wirken.
Turbiana 2008: Trockenfrüchte, nussig und Honig in der Nase, erstaunlich trocken am Gaumen, konzenriert, straff und exotisch, sehr eigen
Und dann ist da noch die Garganega Spätlese 2007: erstmal drei Monate mazeriert, danach 36 Monate im Stahl, Honig und Marillen, nussig und kalkig, salzig und Orangen, die Femme fatale in Filippos Programm, kokett und kühl (jedenfalls mit Stil), und natürlich wiederum zu billig für so eine Diva
Fazit: Filippos Weine sind durch die Bank topp, die Abfahrt nach Soave danach herrlich.
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