„La nostra cantina ha il dovere di mantenere quelli che sono i legami con il passato“ (Unser Weingut hat die Pflicht, die Verbindung mit der Vergangenheit zu erhalten.) – Luciano Capellini

Die wildesten Weinberge, die ich kenne, befinden sich in den Cinque Terre: unter einem liegt das Meer, über einem ist der Himmel und man selbst steht in einem quasi senkrechten Hang dazwischen. Erstaunlicherweise kam schon den Etruskern die aberwitzige Idee, dort Reben hinzusetzen. Das mag an der unmittelbaren Nähe zum Meer gelegen haben oder aber auch am ewigen Wunsch, die Natur zu besiegen. Oder an beidem. 

Jedenfalls riss die Bewirtschaftung der Cinque Terre mit Reben nie wieder ab. Es etablierten sich Sorten, die es kaum sonstwo gibt und die längst zur Identität der Region beitragen: allen voran Bosco, aber auch Albarola oder Buonamico. Und mit dem Sciacchetrà hat man aus luftgetrockneten Trauben einen ganz eigenen Süßwein kreiert, der zum besten gehört, was Italien diesbezüglich zu bieten hat.

All diese Dinge beschäftigen Luciano Capellini. Mittlerweile in seinen 60ern versucht er seit Jahrzehnten mit bravouröser Energie die Weinkultur der Cinque Terre am Leben zu erhalten. Viele Winzerfamilien haben das Handtuch geworfen, fokussieren sich auf die Bewältigung der Touristenhorden oder sind in die Städte abgewandert. Luciano ist geblieben. In den Steillagen  über Manarola pflegt er zwei Hektar Reben, die allesamt mit Seilzügen ausgestattet sind. Zudem nimmt er sich immer wieder Mikroparzellen vor und restauriert ihren alten Rebbestand und ihre Trockensteinmauern. Gut 7000 Liter Wein bekommt er so jedes Jahr in die Flasche, jede einzelne davon ein klassisches aber gleichsam auch formidables Beispiel einer Weinkultur, die sich über Generationen entwickelt hat.

Cinque Terre Bianco: Cuvée aus Bosco, Albarola und Vermentino. Nach 24-stündiger Maischestandzeit sanft abgepresst. Ausbau im gebrauchten Holzfass. Trocken, salzig, kräuterig, mediterran, warm. Dezente Fruchtaromen. Angenehm bitterer Nachgeschmack. Dichte Textur. Eine weiche aber tragende Säure. Ruhig. Lang. (ca. € 22)

Cinque Terre Macerato: die gleiche Cuvée allerdings mazeriert. Ein Tribut an die klassische Vinifizierungsmethode der Cinque Terre. Gibt es meines Wissens nur Ab-Hof.

Sciacchetrà: Hauptsächlich Bosco, ein wenig Vermentino und Albarola. Wird bis in den November hinein luftgetrocknet, danach abgepresst und über drei Wochen vergoren und in Holz ausgebaut. Eine Essenz aus Blüten, Nüssen und Früchten, cremig, salzig, elegant, mit lebhafter Säure und erstaunlichem Trinkfluss.

Vin de Gussa: Steinalte Technik. Gussa steht dialektal für buccia, Schale. Beim Vin de Gussa werden die, nach der Vinifizierung noch immer aromatischen Schalen des Sciaccetrà in ein Fass transferiert, das daraufhin mit Wein aufgefüllt wird. Nach 24 Stunden wird abgepresst. In dieser Zeit nimmt der Wein zusätzliche Aromen auf, gewinnt an Intensität und schlägt eine Brücke zwischen dem Cinque Terre und dem Sciacchetrà. 

Luciano Capellini

Adresse: Via Montello 240/b, Riomaggiore
Telefon: +39 0187 920632 
E-mail: capellini@vinbun.it

Kurzbiographie des Weinguts

Stefano Legnani war erst Konsument bevor er sich ab 2004 als Winzer probierte. In seinem früheren Leben als Versicherungsvertreter in Vicenza gründete er einen Stammtisch, an dem man sich nicht nur die üblichen Verdächtigen aus der Toskana und dem Piemont, dem Bordeaux und dem Burgund einschenkte, sondern sich auch in die Nischen der Weinwelt begab. So entdeckte er schon früh die Weine von Stanko Radikon und entwickelte eine Leidenschaft für die maischevergorenen Interpretationen aus dem friulanisch-slowenischen Grenzland. Anfang der 2000er Jahre zog er aus dem Veneto ins ligurische Sarzana, in die Heimat seiner Frau Monica. Die beiden kauften sich einen Hektar Land und bestockten ihn mit 3600 Vermentino-Reben – einen genauen Plan, was aus ihnen und ihren Trauben werden sollte, gab es am Anfang nicht. Er kultivierte sie rigoros biologisch und nachdem die erste Ernte zwar klein war aber gesunde Trauben hervorbrachte, entschloss er sich, sie künftig in Wein zu verwandeln. 

Er entsann sich seiner Affinität für maischevergorene Weine und startete in den darauffolgenden Jahren erste Vinifikationen. Leidenschaft kombinierte sich sukzessive mit Wissen und Erfahrung und so entstanden langsam aber sicher Weine, die nicht nur Anhänger unter seinen Stammtischfreunden fanden, sondern weit über die Grenzen Liguriens und Italiens hinaus – seine größte Fangemeinde hat er seit einiger Zeit in Japan, wo er bei Verkostungen wie ein Popstar gefeiert wird.

Seiner anfänglichen Konzeption ist er bis heute treu geblieben. Im Weingarten pflegt er seine „Signorine“, wie er seine Reben liebevoll nennt, größtenteils per Hand. Die Lese ist relativ spät. Indikator für den richtigen Zeitpunkt sind sein Gaumen und das vermehrte Auftreten von Wespen, die der süße Saft der Trauben anzieht. 

Im Keller entstehen mittlerweile insgesamt drei Weine, die auf mit den Schalen vergorenen weißen Trauben basieren, wobei sich die Mazerationszeiten auf ca. 5 Tage eingependelt haben (nicht länger, um Rebsorte und Herkunft nicht zu überdecken). Der Ausbau vollzieht sich über ein knappes Jahr in Stahltanks. Alle Weine sind ungeschönt, ungefiltert und sehr gut.

Die Weine

Ponte di Toi: 100% Vermentino. Sein erster, selbstproduzierter Wein. Floral, salzig, gelbfruchtig. Klassische Kräuternoten. Ist relativ weich und mürb. Verjüngt sich zum Gaumen und gewinnt zum Ende hin Druck und Zug. 

Loup Garou: 100% Vermentino. Einem Album von Willy DeVille gewidmet. Entsteht nur in besonderen Jahren (bisher 2012, 2013, 2016). Die Zeit auf den Schalen kommt hier deutlicher zum Tragen als beim Ponte di Toi, der Loup Garou hat mehr Grip und Struktur. Reife Zitrusaromen, Blütennoten, Kräuter (Tee). Dynamisch und mit ordentlich Spannung. Mundfüllende Textur. Im Finish erfrischend und eindrücklich.

Bamboo Road: Eine old-style Cuvée aus Vermentino, Trebbiano, Albana und Malvasia di Candia und ein zweites Tribut an Willy DeVille. Reife Fruchtaromen, sonnig, hell. Warm und weich. Mediterran. Kräuter. Säure sucht man hier vergeblich. Dass der Wein dennoch Richtung und Trinkfluss hat, verdankt sich einem lenkenden Gerbstoff. Sehr gut.

Stefano Legnani

Adresse: Via dei Molini 72, Bradia
Telefon: +39 348 2229695 
E-mail: s.legnani@legnani.com

Mitte der 1990er Jahre krempelte Marco Blancardi die Ärmel hoch und begann damit, verwildertes Terrain im Hinterland von Dolceacqua, im äußersten Westen Ligurien, freizulegen. Er befreite jahrzehntelang brachliegende Olivenhaine und typisch mediterrane Kräuter wie Rosmarin (ergo der Name) Thymian und Lavendel von Gestrüpp und begann daraus Öle und Essenzen herzustellen. 2005 weitete er sein Projekt um einen ersten Weingarten aus, dem er 2009 noch einen weiteren, mit damals 90-jährigen Reben, hinzufügte. 

In einem Kurs über biodynamischen Weinbau lernte er seine heutige Frau Francesca kennen. Sie zog zu ihm nach Perinaldo, wo sie nunmehr gemeinsame Sache machen. Die ist auch zu zweit anstrengend genug. Speziell die Lage Pinella, die Marco 2009 erworben hat, ist steil und mühsam zu bewirtschaften. Trockensteinmauern ermöglichen überhaupt erst Weinbau, müssen aber auch immer wieder gepflegt und ausgebessert werden. Doch lohnt sich der Aufwand auch. Nicht nur, weil die beiden daraus die Basis für einen formidablen Rossese, der großen roten Rebsorte Liguriens, lesen, sondern weil der Weingarten per se alles bietet, was man sich von einem Arbeitsplatz wünschen kann. In ihm wachsen neben Trauben auch Birnen-, Zitronen- und Mandarinenbäume, Rosen, Wildblumen und Kräuter. 

Die Arbeit im Keller, wo sie insgesamt zwei Rotweine aus Rossese keltern, findet ohne jegliche Zusatzstoffe, außer ein wenig SO2 statt. Beide Weine sind weder geschönt noch gefiltert.

Rossese di Dolceacqua Albicella: 15 Jahre alter Weingarten auf Kalkboden in 450 Metern Höhe. Der kühlere Wein von den beiden. Duftig, zart und einladend. Frische rote Frucht, Rosen, Macchia. Reife, mürbe Tannine. Animierend und elegant.

Rossese di Dolceacqua Pinella: 100 Jahre alte Reben auf Flysch in 200 Metern Höhe. Dunkler, weicher, Waldbeeren, Rosen, Pfeffer. Elegant und samtig. Säure und Tannin geben dem Wein Richtung, stehen allerdings nie im Vordergrund. Endet würzig und nachhaltig.

Rosmarinus

Adresse: Località Trume 3, Perinaldo
Telefon: 3284639158 
E-mail: info@rosmarinus.it

Ilenia Spagnoli ist in Masignano zwischen Reben aufgewachsen. Durch sie hindurchschauend sah sie keine fünf Kilometer entfernt das Meer, während sich hinter ihr die Marmorsteinbrüche von Carrara auftaten. Nach einem Studium in Pisa kehrte sie zurück auf das Weingut und übernahm dort langsam aber sicher das Kommando. 

Inspiriert von einer Zeile aus Mario Soldatis großartigem Weinbuch „Vino al Vino“, in dem er von einem „kleinen, subtilen und staubtrockenen Wein aus Masignano“ schreibt, genau das, „was ich suchte“,  beschloss sie 2014 genau so einen Wein wieder keltern zu wollen. Von den insgesamt vier Hektar Weingärten, die ihr dafür zur Verfügung standen, wählte sie den ältesten, in dem in wildem Durcheinander Trebbiano, Albarola und Vermentino wachsen. 

Schon der erste Jahrgang wies in die richtige Richtung. Sie beließ die Trauben für kurze Zeit auf den Schalen, vergärte sie daraufhin spontan, schönte und filterte nicht. Schwefel gab es nur vor der Abfüllung und nachdem das alles blendend funktionierte, der Wein (mit dem Namen Pan), ihre Erwartungen eher übertraf als nur erfüllte, machte sie einfach weiter. Und setzte mit dem „Extreme“ noch ein zweites Ausrufezeichen. Basierend auf dem gleichen Rebsortencuvée wird er länger mazeriert und sieht zum Schluss gar keinen Schwefel. Beide Weine sind große Klasse und eindrückliche Beispiele dafür, wie spannend Interpretation aus weißen Trauben aus dieser Ecke des Landes sein können, wenn die richtige Ideen im Weingarten wie im Keller dahinterstecken (siehe auch La Felce und Il Torchio).

Pan: Vermentino, Trebbiano, Albarola. Alte Reben. Drei Tage auf der Maische. Temperaturkontrolliert vergoren. Ungeschönt und ungefiltert. Delikat und subtil. Mit Grip und Energie, viel Druck und Zug. Profund und lebendig. Exzellent.

Extreme: Vermentino, Trebbiano, Albarola. 14 Tage auf der Maische. Ungeschönt, ungefiltert und ungeschwefelt. Floral, vor allem aber reifer, gelber Pfirsich. Salz. Warme Aromen. Von einer vitalen Säure gesteuert. Kompakt. Saftig. Lang. Hat Charakter. Einer der besten maischevergorenen Weine Liguriens.

Ilenia Spagnoli

Adresse: Via Masignano 9, Arcola
Telefon: +39 0187 987160
E-Mail: fienile2003@alice.it

Terrazze Singhie ist eines jener spannenden Projekte, von denen es in Italien glücklicherweise viele gibt – das von Sara Polo und Maurizio Migliavacca gehört dabei ganz sicher zu den spektakulärsten. Die beiden haben 2017 einen steinalten, von Wald umgebenen Weingarten in Orco Feglino in der Nähe von Savona (Ligurien) wieder instand gesetzt, wertvollste Kulturarbeit  geleistet und einen Wein in die Flasche gebracht, den man nicht alle Tage bekommt.

Wobei Weingarten den Terrassen nicht gerecht wird. Es ist ein quasi senkrecht abfallender Weinberg, eine mit Reben bepflanzte Steilwand, die von insgesamt 29 Trockensteinmauern gehalten wird. Sie zu pflegen ist Knochenarbeit, sie biologisch zu bewirtschaften verlangt mehr Liebe und Überzeugung als ich mir vorstellen kann. Um die Monokultur zu brechen, stehen innerhalb des Weingarten auch Pfirsich-, Marillen-, Zwetschken- und Kirschbäume. Insgesamt wachsen zwischen den Rebreihen über 200 Pflanzenarten, die zum einen die Aufgabe haben, den Boden zu beleben und ihn andererseits vor Erosion zu schützen.

Bestockt sind die Parzellen mit uralten Lumassina-Reben. Die Lumassina verdankt ihren Namen dem Umstand, dass die aus ihr gekelterten Weine angeblich ganz exzellent zu Schnecken (Lumache) passen, denen in der Gegend um Savona wiederum eigene Feste gewidmet sind. Die Lese zieht sich aufgrund des Höhenunterschieds über mehrere Wochen – das hat zur Folge, dass die Trauben in mehreren Mikrovinifikationen verarbeitet, erst zum Ende der Gärung miteinander cuvetiert werden.

Der Lumassina del Bosco bleibt für einige Tage auf der Maische und wird danach für ein knappes Jahr in 225- und 500 Liter Fässern gereift. Er ist ungeschönt und ungefiltert.

Lumassina del Bosco: Kristallin, steinig und glockenklar. Blüten und Kräuter geben den Ton an, ergänzt von gelber Frucht. Vereint Tiefe mit einer spielerischen Leichtigkeit. Erfrischend und saftig. Die Säure ist forsch aber im grünen Bereich und ohnehin bestens eingebettet in eine konzentrierte und engmaschige Textur.  

Terrazze Singhie

Adresse: Località Castagnassi, Orco Feligno
Telefon: 339 5364835 oder 380 8996853
E-mail: info@terrazzesinghie.it
Webseite: www.terrazzesinghie.it

Das Weingut

La Felce, das ist vor allem Andrea Marcesini. Der führt seit 1998 das Weingut, das sein Großvater in Ortonovo, in der Nähe von La Spezia gegründet hat. Wie schon die Vorgängergenerationen scheinen Andrea Zeitgeist und Moden ziemlich kalt zu lassen – im Gegenteil, er produziert eisern an ihnen vorbei. Gelegentlich kommt es allerdings vor, dass die Moden ihn einholen, was guten Produzenten, die kompromisslos und intelligent ihre Sache durchziehen, immer wieder passiert. Er macht dann, wie könnte es anders sein, einfach weiter wie davor.

In wenigen Worten bedeutet das: eine akribische Auseinandersetzung und biologische Bewirtschaftung vieler mikroskopischer Parzellen an zwei unterschiedlichen Orten (in den Hügeln von Castelnuovo Magra wachsen seine weiße Sorten, während in der Ebene in Ortonovo die roten Sorten stehen). Ein Gleichgewicht roter und weißer Rebsorten, die er oft als Cuvée, gelegentlich als Gemischte Sätze und eher selten reinsortig verarbeitet. Und ein konsequent handwerklicher Ansatz im Keller, in dem man sich vor allem auf Gerätschaften verlässt, die schon vom Vater und Großvater erfolgreich verwendet wurden.

Seine Weine fangen Traditionen ein, lassen sich allerdings nicht darauf reduzieren – es geht ihm aber entscheidend darum die Geschichte seiner Gegend in seinen Weinen nachzuerzählen. Was nicht immer einfach ist, weshalb er aus seinen fünf Hektar Rebfläche nicht nur ein oder zwei, sondern gleich zehn Weine keltert, die einen repräsentative Blick zurück und – das bleibt aufgrund ihrer Klasse zu hoffen – auch einen Entwurf für zukünftige Generationen liefern.

Die Weine

Der Felcebianco ist ein fantastisches Projekt, das man sich von mehr Winzern wünschen würde. Es ist ein im Literformat abgefüllter Tischwein, der sich ohne groß nachzudenken dahintrinken lässt, richtig gut schmeckt und nicht viel kostet. Er besteht aus biologisch kultivierten Malvasia-, Vermentino- und Trebbianotrauben, wird über 48 Stunden mazeriert, spontan vergoren und danach im Stahltank ausgebaut. Er ist leichtfüßig, salzig, hat Kräuter- und Zitrusnoten, eine feste Struktur und animierende Lebendigkeit.

Damit ist es allerdings nicht getan. Andrea hat mit dem Felcerosso auch noch eine rote Litervariante zu bieten, die genauso viel Spaß macht wie die weiße Version. Sie besteht aus Canaiolo, Massaretta, Merlot, Sangiovese, Barbera und Cabernet, bleibt für fünf Tagen in Kontakt mit den Schalen und wird nach einer spontanen Gärung in Zement im Stahltank ausgebaut. Sie hat rote Beerenaromen, eine einladende Würze und eine Menge Trinkfluss.

Die Trauben für den Bianco „In Origine 400“ stammen aus von 60 Jahre alten Vermentino-, Trebbiano- und Malvasia di Candia Aromatica-Reben, die gemeinsam gelesen und vinifiziert werden. Der Schalenkontakt beträgt 10 Tage, die Gärung ist spontan, das Resultat mehr als beeindruckend. Florale Noten gehen Hand mit gelber Frucht, eine wenig Honig und Herbstlaub. Die Textur ist dichtgewoben, die Tannin verleihen Nachdruck, der Körper wirkt kraftvoll aber stringent. 

Der „Non sempre“ ist ein reinsortiger Vermentino, der nach einer kurzen Maischestandzeit (ca. 48 Stunden) abgepresst und spontan vergoren wird. Der Wein von Andrea, der am stärksten das um die Ecke gelegene Meer suggeriert. Neben dem Salz machen sich in Nase und Gaumen auch noch mediterrane Kräuter, Zitrusaromen und weiße Fruchtnoten breit. Wirkt nach einem Jahr auf der Hefe weich aber saftig. 

Der „Monte dei frati“ stammt von 40-jährigen Vermentinoreben. Die Vinifikation läuft wie beim „Non Sempre“ ab, allerdings beträgt der Ausbau nur vier Monate. Das Resultat ist fruchtig, salzig, relativ weich am Gaumen. 

Der Rosso Reconteso ist eine leichtfüßige Mixtur aus Massaretta, einer komplett vergessenen Sorte und dem weltweit omnipräsenten Merlot. Alicante spielt eine Nebenrolle. Vergoren wird wie immer spontan, ausgebaut im Stahltank. Rote Beeren und Kräuter dominieren die Nase, eine runde, weiche Textur das Mundgefühl. Lebendig und animierend. Ein Wein für alle Tage. 

Weitere (noch zu probierende) Weine

Riassunto Sedici

Passito Non sempre 139

La Felce

19034 – Via Bozzi, 52
Ortonovo (SP), Liguria
lafelce.marcesini@libero.it​

Ein paar Fakten

Jahresproduktion: derzeit ca. 30000 Flaschen
Rebsorten: Malvasia di Candia Aromatica, Vermentino, Trebbiano, Massaretta, Merlot, Cabernet sauvignon, Alicante, Barbera
Rebfläche: 5,5 ha
Manuelle Lese: ja
Pflanzenschutz: Schwefel und Kupfer
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Antonio Perrino ist Garagenwinzer. Er war es schon, bevor man im Bordeaux den Begriff aufgriff, ihn seiner eigentlichen Bedeutung beraubte und daraus eine Marketingidee und Kommunikationsstrategie formulierte und sie, konsequent wie immer im Bordeaux, umsetzte.

An Perrino zogen diese Ideen vorbei wie die aufkonzentrierten und schwarzen Merlots, die man ab den 90er Jahren auch rund um seine Heimat in Dolceacqua/Ligurien immer öfter kelterte. Er setzte weitere  auf seinen klösterlichen und blassen Rossese, einen der erhabendsten, filigransten und raffiniertesten Rotweine Italiens. Und auf seinen Vermentino, der sich ebenso konsequent wie sein roter Bruder, den überregionalen Trends verweigerte.

Antonio mazeriert den Vermentino über fünf Tage. Doch – und hier zitiere ich mal die Worte anderer, die treffender nicht sein könnten – „ist die Mazeration nicht dazu gedacht, dem Wein Tannin und ein schweres Chassis mit auf den Weg zu geben, sondern hat vielmehr die Funktion die Geschmacksnuancen zusätzlich zu betonen“ (Castagno & Co.: Vini da Scoprire).

Das bisschen Gerbstoff im Wein ist so mürb und fein, dass man es kaum wahrnimmt – für die Struktur hauptverantwortlich ist eine Mischung aus mineralischer Substanz und Säure, die dem Wein Druck und Zug gibt und Kräuter, Steine und Salz ohne Schlenker in Richtung Gaumen trägt. Dort und ein bisschen weiter unten bleiben sie dann für die nächsten Minuten.

Ausgebaut wird über ungefähr 18 Monate in nicht allzu großen Holzfässern, wobei Antonio, anders als seine französischen Kollegen, zu 100% auf gebrauchtes Holz setzt.

Den Testalonga Bianco gibt es bei Vino nudo in Wien für € 19,90

Antonio Perrino ist eine jener mythischen Figuren im italienischen Weinbau, die jeder kennt, von der jedoch nur die wenigsten jemals einen Wein getrunken haben. Gründe dafür gibt es gleich mehrere: zum einen hat er gerade einmal sieben kleine Fässer, in denen seine komplette Produktion lagert. Anders ausgedrückt sind das 2100 Flaschen, was selbst für einen Garagenwinzer eine mikroskopische Menge ist.

Winzer seit 1961: Perrino, der seine Weine unter dem Label Testalonga verkauft (womit auch geklärt sein dürfte, woher Craig Hawkins den Namen für seine exzellente Weinserie hat), hat nie Anstalten gemacht, daran etwas zu ändern. Er keltert seit 1961 Wein. Den einen Hektar Weingarten, den er in der Arcagna, einer wild abfallenden Lage in der Nähe von Dolceacqua, bewirtschaftet, hat er seit damals nicht vergrößert. Womit man beim zweiten Grund wäre: Dolceacqua ist zwar wunderschön, liegt aber völlig abseits vitikultureller Trampelpfade oder (wein)kritischer Aufmerksamkeiten im äußersten Nordwesten Liguriens, gerade einmal einen Steinwurf von der französischen Grenze entfernt. Die beiden Rebsorten, die er dort bewirtschaftet, sind Vermentino und Rossese. Ihre Reputation ist überschaubar, ihre Popularität ebenfalls.

Zwei Weine: Was doppelt schade ist. Vermentino, die wesentlich bekanntere der beiden, entfaltet im Idealfall (Antonio) ein Aromasprektrum, das vor allem mediterrane Kräuter (Thymian, Salbei, Rosmarin) und florale Noten (Ginster, Akazien) in die Nase befördert. Bei Antonios Testalonga-Interpretation kann man auch noch salzige Noten dazuaddieren, Terroiraromen, die sich den steinalten (zwischen 50-100 Jahren) Reben verdanken, die ihre Wurzeln vor allem durch dicke Kalkschichten gesprengt haben.

Den 4000 Hektar Vermentino (3300 Hektar davon in Sardinien) stehen ganze 80 Hektar Rossese gegenüber, die sich allesamt in und um Dolceacqua befinden. Louis Dressner, amerikanischer Importeur mit einem profunden Wissen über italiensiche Nischenweine, nannte Rossese einmal, „the most exciting grape I have never heard of“, und tatsächlich gehört Rossese zu jenem Sammelsurium italienischer Sorten, die es wert sind, (wieder)entdeckt zu werden.

Rossese ist sensibel und kompliziert. Erfahrung und alte Stöcke tun folglich gut – Antonio hat beides. Sein Rossese, den er seit nunmehr 55 Jahren vinifiziert, ist ein Manifest für seine kontinuierliche Pflege und – zumindest meiner Ansicht nach – einer der besten unter den filigranen Rotweinen Italiens: Steine & Salz und dazwischen Pfeffer, Thymian, rote Beeren, eine lebendige aber extrem feine und filigrane Textur, Trinkfluss und eine unglaubliche Länge machen klar, warum der betagte Mann völlig zurecht Kultstatus genießt.

ps: Antonio Perrinos Weine entstehen seit seiner ersten Lese in seiner Garage. Anders als seine Bordelaiser Pendants, hat er immer darauf verzichtet, diesen Umstand marketingmäßig auszuschlachten und ist auch preislich stets in Bereichen geblieben, die seine Weine für jeden erschwinglich machen.

 

Beide Weine gibt es in limitierter Menge bei vino nudo in Wien.

Antonio Perrino “Testalonga”
Via Monsignor Laura 2
Dolceacqua (IM)
Tel. 349 3186881
perrino.testalonga@gmail.com

Rebsorten: Vermentino, Rossese
Rebfläche: 1 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ?
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

WEINE

Bianco (Vermentino).. ca.€20
Rossese di Dolceacqua.. ca.€23

antonio perrinoRossese ist sensibel, filigran, subtil und hat einen Körper wie ein tuberkulöser Intellektueller. Ihre Farbe ist so transparent wie Kontaktlinsen und heller als Blut, nach ein paar Jahren wechselt sie in ein rostfarbenes Orange. Sie altert miserabel, oxidiert viel zu schnell und macht nur Arbeit. Dass es insgesamt also nur knapp 80 ha davon gibt, ist nachvollziehbar. Dass daraus trotzdem ein paar der besten italienischen Rotweine Italiens gekeltert werden, ist zumindest erklärungsbedürftig.

Rossese spiegelt wie kaum eine andere Sorte ihr Terroir (puuuuh aber stimmt halt). Und das ist mehr als spektakulär. Die 80 ha Rebfläche, die kurz nach dem Krieg angeblich noch bei 600-700 ha lag, befindet sich ausschließlich in den Steilhägen Westligurien, nahe der Grenze zu Frankreich. Das Meer ist stets in Sichtweite, doch mag der Rossese, wie könnte es anders sein, das Meer und sein Klima nicht. Er mag es alpin, besser gesagt, subalpin. Alles was über 600 Meter hoch ist, lässt ihn schwindeln. Zwischen 400 und 599 Meter fühlt er sich wohl und ist dieses Kriterium erst mal erfüllt und ist der Boden dann auch noch ein gut wasserdurchlässiges Kalk-Sand-Gemisch, wird es richtig spannend. Dann kann man sukzessive in eine Welt eintauchen, die Salz und Steine miteinander kombiniert und in guten Momenten auch noch Rosen, Preiselbeeren, Erdbeeren und mediterrane Kräuter dazuaddiert. Die Tannine sind generell weich, die Säure ist es nicht. Aber sie ist halt auch nicht unangenehm, sondern genau in dem Ausmaß vorhanden, dass sie den Weinen ihren ganz elementaren Kick mit auf den Weg geben. Wer beizeiten an guten Pinot denkt, braucht sich nicht zu schämen.

Gepflanzt wurde Rossese angeblich schon von den Griechen. Oder von den Etruskern. Ganz sicher ist man sich diesbezüglich eigentlich überhaupt nicht. Und um die Sache noch zusätzlich zu verkomplizieren, habe ein paar Ampelologen vor ein paar Jahren rausgefunden, dass sich die Rossese die ihre DNA mit der provencalischen Tibouren teilt. Sie könnte folglich auch aus Frankreich eingewandert sein.

Nicht ganz so wackelig scheint das Terrain bezüglich der historischen Anhängerschaft des Rossese zu sein. Andrea Doria, der legendäre genuesische Kapitän, nach dem in späteren Jahren Italiens Version der Titanic (dasselbe Schicksal) benannt wurde, motivierte damit seine Truppe, Papst Paul III versüßte sich nach eigenen Worten den Lebensabend damit und Napoleon schickte vorsichtshalber ein paar Fässer davon in seine bevorzugten Pariser Tavernen. Die haben auch heutzutage wieder ein paar Exemplare davon eingebunkert.

Rossese ist zwar Tibouren, allerdings ist Rossese nicht unbedingt gleich Rossese. Die oben angesprochene Diva ist Rossese di Dolceacqua, es gibt aber auch noch die Rossese di Campochiesa, die allerdings sowohl morphologisch wie auch sensorisch ziemliche Unterschiede aufweist und mit dem Rossese di Dolceacqua nicht mithalten kann. Dann gibt es sinnigerweise auch noch eine weiße Version, Rossese Bianco, eine Mutation und ein nettes Oxymoron, von dem ich nicht die geringste Ahnung habe, wie sie schmeckt.

Wer richtig guten – den besten – Rossese trinken will, sollte sich an Antonio Perrinos Testalongainterpretation versuchen. Rossese di Dolceacqua ist zwar keine ONE-MAN-BAND, allerdings setzt Antonio Maßstäbe, an denen sich alle anderen bisher abarbeiten. Antonio hat 50 Jahre Erfahrung in den mitunter steilsten Lagen Liguriens in den Knochen und das schmeckt man. Salz & Steine, Steine & Salz und dazwischen Pfeffer, Thymian, rote Beeren, eine lebendige aber extrem feine und filigrane Textur, Trinkfluss und eine unglaubliche Länge. Dekantieren sollte man nicht, da zu viel Luft ausnahmsweise eher schadet.

Abgesehen von Antonios 110 Punkte-Wein (den man übrigens bei vinonudo in Wien für knapp €20 bekommt) sollte man sich auch noch über folgende Rossese di Dolceacqua hermachen, die allerdings derzeit im deutschsprachigen Raum noch unauffindbar sind:

 

Tenuta Selvadolce (ebenfalls fantastisch, biodynamisch)

Danila Pisano (bio)

BioVio (bio)

Heydi Samuele Bonanini liebt sein Land. Ohne jeden stumpfen Chauvinismus. Heydi ist jung und doch scheint es so, als würde er in seinen Erzählungen in eine weit vergangen Zeit zurückblicken. Eine Zeit, in der die Bewohner seines Dorfes noch in die Steilhänge der Cinque Terre aufbrachen, um dort alte, fast vergessene Rebsorten zu pflegen, ihre Trauben in der Luft zu trocknen und daraus Sciacchetrà zu keltern. Die Gegenwart sieht anders aus. Längst hält der Massentourismus die Cinque Terre in seinem Würgegriff und bietet den meisten Dorfbewohnern alternative Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten.

Heydis Entscheidung ein Weingut zu gründen und alte Weingärten zu rekultivieren, fiel aus dem Rahmen, doch war sie, hört man ihm genauer zu, naheliegend und konsequent. Wein steht dabei im Mittelpunkt, doch wäre es viel zu kurz gegriffen, lediglich ein paar Worte über ein paar neue Weingärten zu verlieren. La Possa – der Name ist eine Referenz an die Possaitara, das zum Meer hin abfallende Tal, in dem seine Rebflächen stehen – ist vor allem auch eine Hommage an die Vergangenheit der Cinque Terre und an die Personen, die an ihr beteiligt waren. Es ist eine Kulturleistung, ein Weckruf, ein Versuch, einer einst großen Weinbauregion wieder Leben einzuhauchen.

Man kann sich kaum spektakulärere Weingärten als diejenigen der Cinque Terre vorstellen: oben der Himmel, unten das Meer und dazwischen Klippen und Hänge, in denen sich – extrem dicht gepflanzt – abertausende Rebstöcke wiederfinden. Teils ist es überwuchertes, uraltes Rebmaterial, teils sind es aber auch in mühseliger Handarbeit freigelegte Mikroflächen, in denen Heydi wirtschaftet. Canaiolo ist dabei noch seine bekannteste Sorte. Gemeinsam mit der großartigen Bonamico („guter Freund“) keltert er daraus den U Neigru, einen saftigen, erdigen & kräuterigen Rotwein, in dem sich am Gaumen erstmals das manifestiert, was seine Weine absolut einzigartig macht: Salz. Viel Salz. Das Meer hinterlässt nicht nur im Rotwein seine Spuren, noch ausgeprägter findet es sich im Sciacchetrà, einem Süßwein aus im Wind und in der Sonne getrockneten Boscotrauben (ebenfalls eine alte autochthone Sorte), das fast alles, was es an Süßwein gibt in tiefsten Schatten stellt. Jenseits klassischer Süßweinaromen macht sich aufs Neue das Meer im Mund breit und zwar für Minuten und Stunden – sollte man je in die Verlegenheit kommen einem Wein irgendein Punktemaximum geben zu müssen, der Sciacchetrà von La Possa würde sich anbieten.

Die Bewirtschaftung ist – das sei kurz noch erwähnt – biologisch und zertifiziert. Die Lese wird, aufgrund der Steilheit und Unwegsamkeit, teils mit einer Art Zahnradbahn abtransportiert. Früher, und das ist auch das finale Ziel Heydis – wurde sie in Boote und mit ihnen über das Meer in den Keller gebracht.

siehe auch – die Weine von La Possa


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