Müsste man eine Rangliste der italienischen Weinregionen anfertigen, die über die letzen 10 Jahren am meisten Reputation dazugewonnen haben, würden die Gegend rund um und am Ätna vermutlich ganz oben stehen – und mit ihm Nerello Mascalese, die allgegenwärtige rote Sorte am Vulkan.
Burton Anderson, der italienische Weine vor allen anderen einem englischen Publikum vorstellte, dürfte das vermutlich mehr als seltsam vorkommen. In seinem 1990 erschienenen Wine Atlas of Italy fällt ihm nichts Positives zu Nerello Mascalese und zum Vulkan ein. Er nennt die aus ihr gekelterten Weine „rarely inspiring“ und stellt desillusioniert fest, dass „the theory that the soil around active volcanoes is ideal for vines gets a tepid endorsement on Etna, where today’s wines never equal the grandeur of its setting.“
Ich gestehe, dass ich Burton Andersons Meinung gut nachvollziehen kann. Mir war auch nicht immer klar, warum Weinen aus Nerello Mascalese derartig applaudiert wurde. Allerdings habe ich dann in den vergangenen Jahren doch auch ein gutes Dutzend Weine probiert, die tatsächlich große Klasse hatten.
Nerello Mascalese verdankt seinen Namen der zwischen Catania und dem Meer liegenden Ebene Mascali. Dort gibt es zwar noch immer einige mit ihr bestockte Weingärten, ihre wichtigsten Anpflanzungen befinden sich allerdings eine gute Autostunde entfernt und ein paar Hundert Höhenmeter weiter oben, an den Hängen des Ätna.
Und zwar schon seit geraumer Zeit, wie eine Vielzahl noch existierender Reben bezeugt, die in der Vorreblausära gepflanzt wurden und heute noch in Ertrag stehen. Die Phylloxera vastatrix, die elende Laus, die sich zwischen 1865 und 1920 durch zigtausende Weingärten fraß und dabei nahezu den kompletten Rebbestand Europas vernichtete, erklomm den Ätna nie – weshalb die Rebanlagen am Vulkan oft uralt sind und zu den wenigen weltweit zählen, die ohne amerikanische Unterlagsreben auskommen (die, in allen anderen Regionen, die finale Lösung des Reblausproblems war).
Im Idealfall sind die aus der Rebsorte und meist mit ein paar Prozent Nerello Cappuccio gekelterten Weine elegant, mineralisch und feingliedrig, kühl-strukturiert, und von glasklaren Aromen getragen, die sich oft aus roten Beeren, Kirschen und Weichseln, Tabak, Leder, Rauch, Blütennoten, Kräutern und Steinen zusammensetzen.

Best of Nerello Mascalese

SRC, Alberello (vielleicht der beste von allen, u.a. www.vinonudo.at)
SRC, Etna Rosso (www.vinonudo.at)
Eduardo Torres Acosta, Versante Nord (callmewine.com)
Enò-trio, Pussenti (www.decanto.it)
I Vigneri, Etna Rosso Vinupetra (www.callmewine.com)
Etnella, Petroso (www.vinifero.at)
I Custodi delle vigne del Etna, Aetneus (www.callmewine.com)
Scirto, A‘ Culonna (www.lavaligiadelbacco.it)
Aldo Viola, Saignée (nicht reinsortig und nicht vom Ätna, trotzdem super)
Vite ad Ovest, Kapo (auch nicht vom Ätna und auch exzellent)

DAS WEINGUT

Projekte wie die Cantina di Malandrino würde man sich wesentlich mehr wünschen. Entstanden ist es durch die Initiative von Diego Bongiovanni und seiner Frau Cinzia, die 2008 einen alten Gutshof in Bagolaro, am Osthang des Ätna zu neuem Leben erweckten. Insgesamt 19 Hektar umfasst das Anwesen, wobei nur knapp drei davon mit Reben bepflanzt sind. Auf der Restfläche widmen sie sich Avocados(!), Mangos(!), Zitrusfrüchten, Artischocken, Oliven und Granatäpfel, die sie teilweise verkaufen, teilweise aber auch selbst weiterverarbeiten.  

Die dichtbestockten Weingärten gehören zu den ersten auf dem Weg zum Gipfel und liegen in süd-südöstlicher Exposition auf 450 Metern Höhe. Im für die Gegend typischen Alberello-System wurzeln alte Nerello Mascalese, Nerello Capuccio und Carricantereben in vulkanischem Terrain. Zwischen Oktober und Februar grasen Ziegen zwischen den Rebzeilen und sorgen für natürlichen Dünger. Gearbeitet wird nach rigoros ökologischen und nachhaltigen Prinzipien. 

Im Keller verfolgt man eine traditionelle Herangehensweise. Die Weine werden spontan und ohne Temperaturkontrolle vergoren, in gebrauchten 500-Liter Tonneaux oder in Amphoren ausgebaut und ungeschönt und ungefiltert mit einer minimalen Schwefelbeigabe gefüllt. 

Die Weine

Malandrino: Auf Sizilien nennen Großeltern etwas lebendigere Enkelkinder „U malandrino“, Schlitzohr oder Schelm oder wie auch immer. Der Wein selbst ist total seriös, besteht zur Gänze aus Nerello Mascalese, ist fleischig, rotbeerig und mineralisch, fordernd, tief und lang.

A Franco: Ein uvaggio, eine Cuvée aus den beiden Nerellos, Mascalese & Capuccio. Spontan in einer 700-Liter Amphore vergoren, lebhaft, ungezwungen, straff und direkt. Öffnet sich wie die meisten in Amphorenweine nur langsam. Geduld lohnt sich mit Sicherheit.

Di_ego: „vom Ich“, also von Diego, nochmals Nerello Mascalese im Verbund mit Nerello Capuccio. Einladend, animierend und unkompliziert und dabei doch voller Aromen, Spannung und Elan. Druckvoll und saftig mit einem erstaunlich nachhaltigem Finish.

 

CANTINA DEL MALANDRINO

Via Presa 20,
Fraz. Santa Venera – Mascali (CT) – Sicil
Tel: +39 333.3050663
info.bagolaro@gmail.com
www.cantinadelmalandrino.it

Cold Facts

Jahresproduktion: ca. 10000 Flaschen
Rebsorten: Nerello Mascalese, Nerello Capuccio, Carricante
Rebfläche: 3 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein

Die Weine von Cantina del Malandrino gibt es vermutlich nirgendwo im deutschsprachigen Raum. Online erhält man sie lavignadibacco.com

In unseren Breiten wesentlich weniger bekannt als Frank Cornelissen ist Salvo Foti die eigentlich ikonische Gestalt in der Natur-Weinkultur des östlichen Siziliens. Er ist die treibende Kraft einer kleinen Winzertruppe, den sogenannten Vigneri (der Name ist einer sizilianischen Winzergilde des 15. Jahrhunderts entliehen), die unter seiner Ägide alte, in alberello erzogene Reben pflegen und daraus ganz fantastische Weine keltern. 

Ihr vielleicht spektakulärster Wein, der Vinidilice, stammt vom angeblich höchsten Weingarten Italiens, der sich auf 1300 Meter Seehöhe am Nordhang des Ätna befindet. Der Name des Weingartens heißt ganz einfach Bosco, was auf Deutsch Wald bedeutet. Genau in einem solchen befindet sich dann auch die 0,35 kleine Parzelle, deren wilddurchmischte Reben (Nerello Mascalese, Alicante, Minella Bianca, Minella Nera, Grecanico und Nerello Capuccio) zwischen 100 und 200 Jahre alt sind. Die Pflanzdichte ist mit 10000 Stöcken so hoch wie quasi nirgendwo sonst in Italien. Die Bewirtschaftung ist ausnahmslos per Hand , wobei ihnen für gröbere Bodenarbeiten auch noch Ciccio, ihr Esel, zur Seite steht.

Der Boden besteht aus vulkanischer Asche und Sand. Mindestens so wichtig wie die geologischen Verhältnisse ist allerdings das Klima, das tagsüber ordentlich heiß werden kann, nachts aber auch ordentlich kalt. Die vitikulturelle Arbeit verläuft ohne Chemikalien (kein KUPFER!) und als logische Konsequenz verzichten Foti und seine Kumpel auch im Keller auf Chemikalien jeder Art.

Resultat ist einer der großartigsten Rosato, die sich auf diesem Planeten finden (in ganz seltenen Fällen machen die Vigneri daraus auch noch einen umwerfenden Spumante). Mineralisch, lebendig, temperamentvoll, Steine, ein bisschen rote Frucht, druckvoll und kühl, tief und lang. 

Daten & Fakten

  • Rebsorten: Alicante, Grecanico, Minnella bianco, Minella nera, Nerello cappuccio & Nerello mascalese
  • Rebalter: zwischen 100 und 200 Jahren
  • Weingarten: Bosco, 0,35 ha, auf 1300 Meter Höhe
  • Boden: vulkanische Asche & Sand
  • Rebstockdichte:10.000 Stöcke/Hektar –
  • Reberziehung: Alberello 
  • Ertrag: 2000 kg/ha
  • Gärung: spontan/wilde Hefen
  • Ausbau: in Glas
  • Filterung: nein
  • SO2: ungeschwefelt

Enthusiastisch, leidenschaftlich, extrovertiert: Aldo Viola gehört zu den charismatischeren Erscheinungen der italienischen Winzerszene. Sieht und hört man ihn bei Verkostungen, kann man ihn sich nur schwer ruhig und für sich allein zwischen den Rebstöcken im sizilianischen Alcamo vorstellen, wo seine Familie seit vier Generationen Weingärten besitzt. Tatsächlich durchstreifte Aldo auch über einige Jahre diverse Winkel der Welt, lernte Tango tanzen, mehrere Sprachen und kostete sich durch viele unterschiedliche Weinstile, ehe er sich im Jahr 2000 endgültig im Nordwesten der Insel niederließ – einer in unseren Breiten kaum bekannten Gegend, laut Aldo jedoch eine der Wiegen des italienischen Weinbaus und heute die Ecke Europas mit der größten Dichte an Weingärten.

Er selbst bewirtschaftet dort im Alleingang insgesamt 9 Hektar Rebfläche, die sich auf viele kleine Parzellen in verschiedenen, teils ziemlich weit voneinander entfernten Dörfern rund um Alcamo verteilen. Die größte davon befindet sich in Feudo Guarini, satte 30 Kilometer vom Weingut entfernt, wo er vor einigen Jahren in ein bis dahin größtenteils brachliegendes Gelände auf 350 Metern Höhe Syrah und Nero d’Avola setzte. Während letztere Sorte auf der Hand lag, war die Idee Syrah zu pflanzen seiner Leidenschaft dafür, seinen teils französischen Wurzeln (die Mutter war Französin) und der Überzeugung geschuldet, dass sie in diesem Umfeld (Kalk-Ton-Böden, bisweilen nach Norden exponierte Lagen, warmes und trockenes Klima, viel Wind) bestens wachsen und gedeihen würde. Er sollte Recht behalten, seine beiden reinsortigen Interpretationen, der Coccinella, vor allem aber der Guarini Plus legen davon eindrucksvoll Zeugnis ab.

Auch wenn es mit dem Moretto noch einen dritten, auf Perricone, Syrah und Nerello mascalese basierenden Rotwein gibt, befinden sich Aldos Rebflächen eigentlich in einem Territorium mit vorwiegend weißen Sorten – Grillo spielt die erste Geige im äußersten Westen, rund um Trapani und Marsala, und auch Aldo widmet der Sorte mit dem Egesta eine ziemlich spektakuläre Interpretation. Die absolute Nummer eins im Nordwesten und mit gut 30000 Hektar in ganz Sizilien ist allerdings die Catarratto, der er, in dem immer wieder aufs Neue spannenden Krimiso, die Aromen vergangener Zeiten zu entlocken versucht.

Damit ihm das gelingt, bewirtschaftet er seine Weingärten mittlerweile auch offiziell biologisch und bedient sich nebenbei auch noch diverser biodynamischer Methoden. Zwei Spritztouren im Jahr reichen seinen Reben für gewöhnlich. Kupfer wird dabei nur in Ausnahmejahren verwendet, sodass er seine Reben lediglich mit ein wenig Schwefel zu behandeln hat. Das ist aufgrund der trockenen Witterungsbedingen zugebenermaßen einfacher als in den meisten anderen Weinbaugebieten Italiens, wird aber trotzdem nicht von allen so gemacht.

Im Keller schwört Aldo auf die wilden Hefepopulationen seiner Weingärten, auch deswegen, weil er – wie auch wir – felsenfest davon überzeugt ist, dass sie elementarer Bestandteil seines Terroirs sind und sich folglich auch sensorisch in seinen Weinen manifestieren. Bei seinen Weißweinen setzt er auf lange Mazerationszeiten, die er allerdings so subtil zu steuern weiß, dass man sie kaum merkt, bei den Rotweinen ist der Schalenkontakt dagegen verhältnismäßig kurz und ganz darauf ausgerichtet, deren elegante Eigenschaften zu betonen. Ausgebaut wird zum größten Teil in Stahltanks, nur für seine Rotweine verwendet er bisweilen Holz. Aldo setzt nichts zu und nimmt nichts weg, schönt und filtert nicht und verzichtet dann, wenn es ihm sinnvoll erscheint, auch auf den Einsatz von Schwefel.

Mehr zu Aldo Violas Weinen gibt es dann morgen.

Die Weine von Aldo Viola gibt es online und offline bei VINONUDO in Wien


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