Der Südwesten Sardiniens ist Kohlerevier. Die Gegend heißt Carbonia, womit eigentlich schon alles gesagt ist. Enrico Esus Vater kann ein Lied davon singen. 1953, gerade 18 Jahre alte geworden, steigt er zum ersten Mal in die Dunkelheit hinunter. 5 Jahre später wird die Mine in Cortoghiana, in der er arbeitet, geschlossen und er zieht nach Seruci weiter, wo es ebenfalls eine Mine gibt. Er beschließt zu bleiben und erwirbt Land, in das er noch im gleichen Jahr Reben setzt: Carignano oder – wie man früher sagte – S’axina di Spagna, eine Referenz an die spanische Herkunft der Sorte (die Spanier machten sich ab dem 13. Jahrhundert in Sardinien breit und brachten neben Carignano auch noch Cannonau – Garnacha – nach Sardinien, die nach wie vor wichtigste Sorte der Insel) und Monica (10%). Er betreibt Weinbau im Nebenerwerb, bewirtschaftet die Weingärten, wann immer er Zeit hat und liefert die Trauben bei der Genossenschaft in Santadi ab.
Wurzelechte Reben
Das ändert sich erst 2013, als Enrico das Ruder in die Hand nimmt und anfängt erste Chargen selbst zu vinifizieren. Und er tut gut daran. Denn die natürlichen Voraussetzungen, die sich den Trauben bieten, sind zu außergewöhnlich, um sie in eine x-beliebige Genossenschaftscuvée einfließen zu lassen. Die heute 70-jährigen Rebstöcke wurzeln in Sand und folglich in einem Material, in dem Rebläuse nicht überleben können. Niemals auf Unterlagsreben gepfropft, macht es sie zu seltenen Vertretern wurzelechter Rebstöcke. Im Alberello erzogen – um der Hitze und dem Wind besser standzuhalten – und selbst vermehrt (aus dem um 1900 angelegten Weingarten seines Urgroßonkels Deidda), sind sie repräsentative Zeugen einer jahrhundertealten Weinbautradition. Und da sich Enrico der kulturelle Bedeutung seiner Reben bewusst ist, pflegt er sie entsprechend weiter und arbeitet auch im Keller mit spartanischen Mitteln (er hat daneben mittlerweile einen neuen Weingarten ausgesetzt, der ihm in Zukunft mehr Optionen geben wird).
Sieht man vom Ausbau in den Stahltanks ab, dürfte sich seine Art der Vinifikation kaum von der seiner Vorläufer unterscheiden. Die Gärung startet spontan, gepresst wird im Torchio, einer alten Spindelpresse, geschönt und gefiltert wird nicht.
Das Resultat ist vorerst ein Wein, der Nerominiera, zu dem sich in naher Zukunft noch eine Reserve gesellen wird. Dunkel wie Kohle, würzig, erdig und intensiv, braucht man darin Eleganz nicht lange zu suchen. Der Nerominiera ist – unter sardischer Sonne gewachsen – opulent, saftig und kraftvoll.
ps: Enrico hat mir gerade mitgeteilt, dass es nun auch einen zweiten, ebenfalls aus Carignano gekelterten Wein gibt – den Se Ruci Miniera, über den hier hoffentlich in nächster Zukunft erzählt werden wird.
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