Das einzig Negative, was man über den Foglia Tonda von La Cerreta sagen kann, ist, dass er in 0,5 Liter Flaschen abgefüllt ist. Angeblich, weil es so wenig davon gibt. Das ist dann eigentlich auch der zweite Nachteil. Es gibt zu wenig davon. Nicht nur bei La Cerreta. Überhaupt überall. Zu wenig in der Toskana, von Italien und dem Rest der Welt ganz zu schweigen. Optimistischen Schätzungen zufolge waren es im Jahr 2000 42 Hektar, es können aber auch weniger gewesen sein.

Heute also am 19.7.2016 sind es mit Sicherheit mehr. 50 vielleicht. Oder auch 51. Das hat einen ganz einfachen Grund – Foglia Tonda ist eine fantastische Sorte. Und das sehen auch einige wenige Winzer in der Toskana so. Angeblich mit Sangiovese verwandt, hat sie ähnlich wie der große Bruder ordentlich Säure und Gerbstoff, wobei bei der Foglia Tonda beides ein wenig runder und weicher wirkt – zumindest bei La Cerreta.

La Cerreta liegt nicht in der Kernzone der Foglia Tonda (das Chianti Classico) sondern in der nördlichen Maremma, in Sassetta und dort ist es definitiv heißer als in den Hügeln des Chianti Classico. Das schlägt sich auch im Wein nieder. Nicht unangenehm. Er wirkt nur warm, einladend, dicht und kraftvoll. Ausladend oder breit ist er allerdings nie. Dunkle Frucht, ein wenig Zimt, Tabak sind vorherrschende Aromen, alles bestens ausbalanciert und in sich harmonisch. Der Trinkfluss passt, der Wein hat Struktur und Lebendigkeit, wirkt offen und klar.

La Cerreta arbeitet biodynamisch, hat neben Wein auch Kühe, die ausnahmsweise nicht nur für den Mist verantwortlich sind, sondern auch exzellente Milch für noch besseren Käse ergeben.  Im Keller passiert wenig, der Foglia Tonda wird spontan vergoren, in Zement ausgebaut und ungefiltert und ungeschwefelt gefüllt. Der Kostenpunkt ab Hof liegt bei 15 Euro.

Weine von La Cerreta gibt es in Wien bei vinifero, ob sich allerdings auch der Foglia Tonda darunter befindet, weiß ich leider nicht.

L’Acino ist eines jener Projekte, dass man selbst dann unterstützen sollte, wenn die Weine nicht so gut wären wie sie sind. Es geht auf die Kappe von drei Freunden, Antonello Canonico, Emilio Di Cianni e Dino Briglio, wurde 2006 ins Leben gerufen und hat sich gleich mehrere Ziele gesteckt. Zum einen geht es den dreien um die Wiederbelebung des kalabresischen Weinbaus, zum anderen – und damit verbunden – um die Renaissance alter autochthoner Sorten. Dafür pachtete man erstmal zwei Weingärten mit roten Sorten in den Bergen nördlich von Cosenza: in einem steht Mantonico (kenne ich nicht), im anderen Magliocco (exzellent). Gewirtschaftet wurde von der ersten Sekunde weg biodynamisch und als man mit dem Terrain vertraut und sich der Herangehensweise  sicher war, kamen auch noch ein paar Stöcke Mantonico Bianco, Greco Bianco und Guarnaccia Bianca dazu – daraus entstand dann der Chora.

Der ist geradlinig, lebhaft-nervös und vor allem von mediterranen Kräutern, floralen und Zitrusnoten geprägt. Die Säure kracht und auch Gerbstoff trägt seinen Teil zur Struktur des Weines bei  – das ist ausnahmsweise keiner längeren Mazerazion sondern dem natürlichen Gerbstoffgehalt des Mantonico geschuldet. An Körper mangelt es nicht, ebenso wenig an Energie, Spannung  und Länge. Vergoren wird spontan, ausgebaut in Stahl und Zement, geschönt und gefiltert wird nicht, geschwefelt wird minimal.

Manchmal hilft auch Google nichts. Das beruhigt. Die Eingabe von Col Tamarìe hat zwar ganz exakt beeindruckende 123000 Resultate erbracht, davon sind aber nach Durchblättern der ersten paar Seiten 122999 Seiten völlig belanglos. Auf einer Seite finden sich allerdings ein paar Informationen. Der Col Tamarìe ist ein Frizzante (das wusste ich auch schon – ich hatte ihn im Glas) aus Vittorio Veneto (Kernzone Prosecco). Der Protagonist unter den Rebsorten ist Glera, allerdings unterstützt von gleich vier weiteren Sorten, die man gewöhnlich – wenn man Prosecco und somit Glera trinkt – nicht im Glas hat: Verdiso, Bianchetta, Boschera und Perera. Der Weingarten – seit 2013 bewirtschaftet von  Alberto Dalle Crode (er besitzt einen Hund und einen Traktor – das ist seinem Facebook-Profil zu entnehmen) –  ist 4,5 ha groß und liegt auf 450 Meter auf Moränenböden. Die Bewirtschaftung ist biologisch, die Lese findet im Oktober statt – das der Wein dann trotzdem nur 11,5% Alkohol und eine krachende Säure hat, lässt vermuten, dass er nicht mitten in die Sonne schaut.  Die Trauben bleiben zwei Tage lang in Kontakt mit der Maische und werden dann spontan vergoren. Es wird weder gefiltert noch geschönt auch zu keinem Zeitpunkt geschwefelt. Die Gärung wird in der Flasche zu Ende geführt (methode ancestral), degorgiert wird nicht.

Das alles ergibt einen Wein, der alles, was es an Proseccovarianten gibt – mit Ausnahme der großartigen Weine von Costadilà – wegschießt. Die Aromen liegen ganz eindeutig auf der fruchtigen/zitronigen Seite, doch kommen auch noch steinige und hefige Aromen dazu. Erfreulich ist aber vor allem der Trinkfluss, die Säure, Lebhaftigkeit, Saftigkeit und sensorische Tiefe, die ihn definitiv zu einem der besten Frizzante aus dem Veneto macht.

Ein paar erklärende Worte können manchmal nicht schaden. Vor allem dann, wenn man es mit einer Region wie dem Valpolicella zu tun hat, dessen Reputation zum einen bestenfalls durchschnittlich ist, zum anderen aber eben auch phänomenal, je nachdem ob man es mit Valpolicella (dem Wein) oder mit Amarone oder Ripasso zu tun hat. Vor allem aber auch deswegen, weil das Valpolicella in sich extrem komplex ist: Vier Rebsorten (Corvina, Corvinone, Rondinella & Molinara), die fast immer im Kollektiv in den Wein einfließen, dazu noch eine Bandbreite an autochthonen Sorten (Oseleta, Dindarella, Spigamonte, Forseleta… insgesamt knapp 30), denen in den letzten Jahren wieder zunehmend Aufmerksamkeit zu Teil wurde. Eine geographische Ausdehnung, die vor mehr als 5 Jahrzehnten die politischen Grenzen der Region verließ, und seit damals auch Hügel und Täler umfasst, die in einer fast 2000-jährigen Weingeschichte nie zum Valpolicella gehörten (die Kernzone wird heute als Valpolicella Classico bezeichnet). Ein Lagensammelsurium, das den wenigsten Weintrinkern jenseits der Region bewusst sein dürfte, das jedoch elementare geologische, topographische und klimatische Unterschiede aufweist. Und zu guter Letzt vier unterschiedliche Weinstile, die zudem von den Verwendung meist unterschiedlichster lokaler Holzarten zusätzlich geprägt ist.

Die Kernregion beginnt an der Peripherie Veronas und endet dort, wo die Hügel des Valpolicella langsam in die Monte Lessini übergehen. Im Westen trennt die Etsch die Region vom Bardolino, während im Osten das Valpolicella Classico in die erweiterte Zone des Valpolicella Orientale übergeht (dort gibt es ebenfalls eine Handvoll ordentlicher Winzer und Weine, doch davon eventuell ein andermal). Die Böden basieren in der Ebene auf Ton & Kalk, in den Hügeln und Hanglagen ist es neben Kalk vor allem Tuff. Entscheidend sind jenseits der geologischen Eigenheiten vor allem die Expositionen und die Höhenunterschiede. Verona liegt auf knapp hundert Meter, in Porta der neuen Lage von Monte dall’Ora – dem vielleicht besten Weingut der Region (ich kenne, so leid mir das tut, die Weine von Giuseppe Quintarelli nicht, was schlicht und einfach mit deren Preisen zu tun hat) befindet man sich bereits auf 550 Meter.

Abgesehen davon sind es allerdings vor allem die eigenwilligen Vinifizierungsmethoden, die dem Valpolicella eine Ausnahmeposition in Italien (und der Welt) garantieren. Nirgendwo sonst spielt man sich derart mit Trocknungsprozessen, nirgendwo sonst erzeugt man daraus eine derartige Vielfalt an unterschiedlichen Stilen. Dem klassischen Valpolicella kommt dabei die Rolle des frischen, leichten und lebendigen Weins zu, der leider viel zu selten ernst genommen wird und abgesehen von wenigen Ausnahmen (allen voran wiederum Monte dall’Ora mit dem Camporenzo, einer Einzellagenabfüllung aus den Hügeln um San Cariano) findet sich nicht viel erwähnenswertes. Generell verwendet man dafür die Trauben, die nicht in den Amarone fließen, wobei man davon ausgehen kann, dass so gut wie niemand Valpolicella produzieren würde, gebe es nicht eine alljährlich neu definierte Obergrenze für die Amaroneproduktion. Die Trauben für den Amarone (meist 60-80% Corvina und Corvinone, 15 % Rondinella und 5% einer anderen Sorte) werden stets vor dem Valpolicella und naheliegenderweise immer und ausnahmslos per Hand gelesen – verletzte Traubenschalen würden das appassimento, die Trocknung, verhindern).  Zum einen deswegen, weil man dadurch die besten Trauben aus den Weinbergen selektieren kann, zum anderen um durch entsprechende Säure und Finesse den Zucker zu puffern, der sich durch das zweimonatige Trocknen in den Beeren akkumuliert.

Die besten Winzer des Valpolicella

Monte dall’Ora (NATURALE)
Novaia (BIO)
Monte Ragni (BIO)
Aldrighetti (BIO)
Monte Santoccio
Antolini
Begali

Die besten Weine aus dem Valpolicella Classico

Monte dall’Ora: Valpolicella Camporenzo
Monte dall’Ora: Valpolicella Ripasso Sausto
Monte dall’Ora: Amarone Stropa
Novaia: Valpolicella Classico Superiori I Cantoni
Novaia: Amarone Classico Corte Vaona
Novaia: Recioto „Vigneto Le Novaje“
Monte dei Ragni: Valpolicella Ripasso
Monte Santoccio: Valpolicella Ripasso
Monte Santoccio: Amarone
Antolini: Valpolicella Ripasso
Antolini: Amarone Moropio
Antolini: Recioto
Lorenzo Begali: Valpolicella Ripasso La Cengia
Lorenzo Begali: Amarone Ca‘ Bianca

Die Gärung startet im Allgemeinen Ende Dezember/Anfang Jänner, dauert für gewöhnlich einen Monat lang und endet dann, wenn die Hefen den kompletten Zucker in Alkohol verwandelt haben. Dass die Hefen dabei selbst 18% Alkohol wie nichts wegstecken, ist eine der erstaunlichen Phänomene des Amarone. Den Namen Amarone gibt es übrigens erst seit einem guten halben Jahrhundert, davor waren durchgegorene Weine aus getrockneten Trauben eher die Ausnahme und letztlich eines der vielen Nebenprodukte des Recioto – dem eigentlichen Klassiker aus der Region.

Recioto war der einst große Wein des Valpolicella und wenn man den Quellen glauben darf, kelterten schon die Römer einen Weinstil, der dem Recioto ganz ähnlich gewesen sein dürfte. Recioto beruht auf den gleichen Beeren wie Amarone, doch werden sie einen Monat länger getrocknet und letztlich als Süßwein auf den Markt gebracht. Er erinnert frappant an exzellente Vintage Ports, wobei die Säure meist noch einen Tick höher ist und Recioto nie aufgespritet wird. Ähnlich wie rote Schaumweine ist er außerhalb der Region unfassbar unpopulär, weshalb auch nur mikroskopische Mengen vinifiziert werden, die meistens bei Familienfesten in der Region getrunken werden und nebenbei den Weintrinkern vorbehalten bleibt, die sich auch für die Nischen der Weinwelt interessieren.

Die vierte Variante im stilistischen Potpourri des Valpolicella ist der Ripasso, der sich längst als die Nr.2 in der qualitativen Wahrnehmung der Winzer und Konsumenten etabliert hat. Wobei neben den zusätzlichen aromatischen Nuancen vor allem der Herstellungsprozess interessant ist. Nach der beendeten Gärung des Amarone oder Recioto und dem Umzug des Weins in Fässer bleibt der Trester der konzentrierten – weil getrockneten – Beeren im Tank zurück. Um dem klassischen Valpolicella mehr Substanz zu verleihen, lässt man einen Teil davon eine zweite und wesentliche kürzere Gärung mit den Trestern durchmachen und schlägt damit eine Brücke zwischen den leichten und fruchtbetonten Valpolicellainterpretationen und den oft mächtigen und intensiv würzigen Amaroneversionen.

Weißweine sucht man im Valpolicella übrigens vergebens, was jedoch nur bedingt traurig stimmen muss. Die Region ist sowohl im Osten (Soave, Gambellara, Monte Lessini) wie auch im Südwesten (Custoza, Lugana) von den mitunter spannendsten Weißweinenklaven Italiens umgeben.

Befinden sich Malvasia di Candia Aromatica und Ortrugo am richtigen Ort (im Val di Trebbia) und in den richtigen Händen (möglichst denen von Giulio Armani), geben sie die Basis für die radikalsten maischevergorenen Weine Italiens aus weißen Trauben. Das bedeutet etwas unkomplizierter ausgedrückt, dass sie ein Fundament für orange Weine bilden, dass man jenseits des Collio und des Karsts lange suchen kann.

Fündig wird man im Val di Trebbia, einem von Gott verlassenen, dafür von Hühnern, Schafen und Ziegen bewohnten Tal südlich von Piacenza. Die das Tal flankierenden  Hügel ziehen sich sukzessive den Apennin hinauf und zwischen 400 und 700 Metern beginnt es mit den beiden Rebsorten richtig spannend zu werden.

Dort befinden sich dann auch die Weingärten von La Stoppa, einem Vorreiter nachhaltiger Bewirtschaftung, experimenteller und vor allem exzellenter Weine. Der AGENO war die erste orange Interpretation aus den beiden Rebsorten, verantwortet von der legendären Elena Pantaleoni und vinifiziert vom nicht minder legendären Giulio Armani.

Giulio hat sich mit dem Projekt Denavolo 2005 auch noch ein eigenes 4 ha großes Weingut aufgehalst, in dem er seine eigene orangen Versionen keltert, allen voran den DINAVOLO. Der stammt von einem, alten und verlassenen 700 Meter hoch gelegenen Weingarten und das es da oben karg, kühl und kalkig ist, schmeckt man dem Wein bei jedem Schluck an. Der zieht eine Gerade von der Zungenspitze bis weit hinter das Gaumensegel und weicht dabei keinen Millimeter von der Ideallinie ab. Einzig die Aromen und straffende Gerbstoffe machen sich im Mund breit und beide erledigen ihre Aufgabe blendend. Die Aromen sind präzis, klar und rot, Beeren geben den Ton an, mediterrane Kräuter ergänzen und wer an Tee denkt, macht auch keinen Fehler. Der eigentlich Kracher sind aber die zupackenden Gerbstoffe, die auf einer schnell eingerichteten Skala von 1-10 bei 9 liegen und dem Wein seine Richtung geben und ihn bündeln und ihm gleichzeitig eine immense Lebendigkeit, Energie und Saftigkeit verleihen.

Der DINAVOLO wird spontan vergoren, 30 Tage mazeriert und im Stahltank auf der Hefe über 12-14 Monate ausgebaut. Zugesetzt wird nichts, auch kein Schwefel, weggenommen auch nichts (kein Filtern oder Schönen).

Wer orangen Weinen beizeiten eine Chance gibt, sollte sich, so schwer das auch sein mag (es gibt ihn zurzeit weder in Österreich noch in Deutschland), ein paar Flaschen zulegen.

Ciliegiolo mit Zweigelt zu vergleichen ist natürlich schon deswegen ungerecht, weil keine Rebsorte gerne mit Zweigelt verglichen wird. Zum anderen natürlich auch, weil Ciliegiolo auf das Konto der Natur geht und nicht auf das eines ideologisch halbseidenen Professors, der auch noch die Unverfrorenheit besaß, seiner Kreuzung auch seinen Namen zu geben. Andererseits: wie hätten die alten Ostarrichis wohl Zweigelt genannt, wenn sich St.Laurent und Blaufränkisch in freier Wildbahn gefunden hätten? Sie hätten die Trauben gekeltert, ihre Nasen reingehängt und während die meisten vermutlich darüber diskutiert hätten, wie schade es sei, dass erst in ferner Zukunft Reinzuchthefen und Sterilfilter erfunden werden würden, hätte ein unverschämter Traditionalist eventuell in lässigem althochdeutsch CHIRSA gerufen und damit die Kirsche und folglich die Ciliegia gemeint. Womit ein erster, komplizierter Kreis geschlossen ist.
Abgesehen von den Aromen tauchen noch weitere Parallelen auf, die den Vergleich zumindest rechtfertigen. Beide Sorten sind dunkelfarbig und werden gerne in Cuvées als Farbgeber verwendet. Beide neigen zu üppiger Produktion, weshalb gut wasserdurchlässige Böden und alte Rebstöcke (mit ihren zwangsläufig niedrigeren Erträgen) für richtig gute Qualitäten fast eine Grundvoraussetzung darstellen. Die Säure hält sich bei beiden in Grenzen, weshalb sich bei beiden kühle Lagen durchaus positiv auswirken können. Und letztlich – auch wenn man das bei beiden Rebsorten lange kaum für möglich hielt – liefern beide in den richtigen Händen, richtig gute Weine.
Dem Ciliegiolo dichtete man lange Zeit die Legende an, dass ihn Pilger aus Santiago di Campostella in die Toskana gebracht hätten und lässt man Legenden lange genug leben, werden sie auch irgendwann zur Wahrheit, weshalb dem Ciliegiolo auch heute noch in manchen Teilen der Toskana das Attribut di Spagna angehängt wird. Seine eigentlich Heimat scheint jedoch in der Maremma zu liegen, ein Elternteil dürfte Sangiovese sein (über die Parallelen zwischen Blaufränkisch und Sangiovese könnte man auch einmal nachdenken). Während in der Küstenebene eher üppige und verwaschene Interpretationen gekeltert werden (und seit den 80er Jahren auch zunehmend verschwinden), sind die Versionen aus den gleich darauf anschließenden, Hügeln extrem spannend. Die Frucht wird immer präziser und klarer, die Struktur dynamischer und frischer und das Tannin griffiger. Zudem gesellen sich florale Noten und eine feine Würze, die mit den Jahren immer dominanter wird. Und auch wenn Ciliegiolo hauptsächlich als Partner für den Sangiovese herhalten muss, gibt es in der Zwischenzeit auch ein paar wenige reinsortige Varianten, die man unbedingt ausprobieren sollte.

Ganz grossartig  sind der San Lorenzo von Sassotondo (bio) und den Ciliegiolo von La Busattina (biodynamisch).
Den Sassotondo gibt es u.a. bei http://www.il-vinaio.de/ und www.elceller24.de

den La Busattina Ciliegiolo gibt es bei La Busattina

antonio perrinoRossese ist sensibel, filigran, subtil und hat einen Körper wie ein tuberkulöser Intellektueller. Ihre Farbe ist so transparent wie Kontaktlinsen und heller als Blut, nach ein paar Jahren wechselt sie in ein rostfarbenes Orange. Sie altert miserabel, oxidiert viel zu schnell und macht nur Arbeit. Dass es insgesamt also nur knapp 80 ha davon gibt, ist nachvollziehbar. Dass daraus trotzdem ein paar der besten italienischen Rotweine Italiens gekeltert werden, ist zumindest erklärungsbedürftig.

Rossese spiegelt wie kaum eine andere Sorte ihr Terroir (puuuuh aber stimmt halt). Und das ist mehr als spektakulär. Die 80 ha Rebfläche, die kurz nach dem Krieg angeblich noch bei 600-700 ha lag, befindet sich ausschließlich in den Steilhägen Westligurien, nahe der Grenze zu Frankreich. Das Meer ist stets in Sichtweite, doch mag der Rossese, wie könnte es anders sein, das Meer und sein Klima nicht. Er mag es alpin, besser gesagt, subalpin. Alles was über 600 Meter hoch ist, lässt ihn schwindeln. Zwischen 400 und 599 Meter fühlt er sich wohl und ist dieses Kriterium erst mal erfüllt und ist der Boden dann auch noch ein gut wasserdurchlässiges Kalk-Sand-Gemisch, wird es richtig spannend. Dann kann man sukzessive in eine Welt eintauchen, die Salz und Steine miteinander kombiniert und in guten Momenten auch noch Rosen, Preiselbeeren, Erdbeeren und mediterrane Kräuter dazuaddiert. Die Tannine sind generell weich, die Säure ist es nicht. Aber sie ist halt auch nicht unangenehm, sondern genau in dem Ausmaß vorhanden, dass sie den Weinen ihren ganz elementaren Kick mit auf den Weg geben. Wer beizeiten an guten Pinot denkt, braucht sich nicht zu schämen.

Gepflanzt wurde Rossese angeblich schon von den Griechen. Oder von den Etruskern. Ganz sicher ist man sich diesbezüglich eigentlich überhaupt nicht. Und um die Sache noch zusätzlich zu verkomplizieren, habe ein paar Ampelologen vor ein paar Jahren rausgefunden, dass sich die Rossese die ihre DNA mit der provencalischen Tibouren teilt. Sie könnte folglich auch aus Frankreich eingewandert sein.

Nicht ganz so wackelig scheint das Terrain bezüglich der historischen Anhängerschaft des Rossese zu sein. Andrea Doria, der legendäre genuesische Kapitän, nach dem in späteren Jahren Italiens Version der Titanic (dasselbe Schicksal) benannt wurde, motivierte damit seine Truppe, Papst Paul III versüßte sich nach eigenen Worten den Lebensabend damit und Napoleon schickte vorsichtshalber ein paar Fässer davon in seine bevorzugten Pariser Tavernen. Die haben auch heutzutage wieder ein paar Exemplare davon eingebunkert.

Rossese ist zwar Tibouren, allerdings ist Rossese nicht unbedingt gleich Rossese. Die oben angesprochene Diva ist Rossese di Dolceacqua, es gibt aber auch noch die Rossese di Campochiesa, die allerdings sowohl morphologisch wie auch sensorisch ziemliche Unterschiede aufweist und mit dem Rossese di Dolceacqua nicht mithalten kann. Dann gibt es sinnigerweise auch noch eine weiße Version, Rossese Bianco, eine Mutation und ein nettes Oxymoron, von dem ich nicht die geringste Ahnung habe, wie sie schmeckt.

Wer richtig guten – den besten – Rossese trinken will, sollte sich an Antonio Perrinos Testalongainterpretation versuchen. Rossese di Dolceacqua ist zwar keine ONE-MAN-BAND, allerdings setzt Antonio Maßstäbe, an denen sich alle anderen bisher abarbeiten. Antonio hat 50 Jahre Erfahrung in den mitunter steilsten Lagen Liguriens in den Knochen und das schmeckt man. Salz & Steine, Steine & Salz und dazwischen Pfeffer, Thymian, rote Beeren, eine lebendige aber extrem feine und filigrane Textur, Trinkfluss und eine unglaubliche Länge. Dekantieren sollte man nicht, da zu viel Luft ausnahmsweise eher schadet.

Abgesehen von Antonios 110 Punkte-Wein (den man übrigens bei vinonudo in Wien für knapp €20 bekommt) sollte man sich auch noch über folgende Rossese di Dolceacqua hermachen, die allerdings derzeit im deutschsprachigen Raum noch unauffindbar sind:

 

Tenuta Selvadolce (ebenfalls fantastisch, biodynamisch)

Danila Pisano (bio)

BioVio (bio)

Nach ausgedehntem Winterschlaf stehen im Frühjahr Verkostungen im größeren und kleineren Rahmen an.

Im kleineren Rahmen und für all jene die rund um und in Wien wohnen, sei kurz darauf hingewiesen, dass man sowohl in der Weinhandlung Rudolf Polifka /Reindorfgasse 22, Wien 15 (Do./Fr.) wie auch bei vino nudo/Westbahnstraße 30, Wien 7, Woche für Woche beste Weine auch trinken/kosten & kaufen kann.

Wer weite Wege nicht scheut, kann sich aber auch auf den Weg nach Mailand machen. Dort findet in einem alten Eispalast vom 5.-7. März die Live Wine statt und fast alle, die in Italien exzellente, unverfälschte & authentische Weine keltern, sind dort am Start.

Eine Woche später (12./13.3.) findet in Köln zum zweiten Mal der Wein Salon Natürel statt. Insgesamt eine wenig kleiner, sind die Intentionen ebenso unverfälscht wie in Mailand, der Schwerpunkt wird sich allerdings von italienischen zu französischen Weinabuern verlagern.

Die wichtigste Woche im italienischen Weinkalender (allerdings auch mit vielen internationalen Produzenten) liegt zwischen dem 8. und 13. April, wenn sich zwischen Cerea (Viniveri), Vicenza (Vinnatur) und Verona (Vivit – anlässlich der Vinitaly) gleich drei Messen dezidiert dem Thema Naturwein widmen. Lohnen tun sich alle drei – die beste, weil entspannteste Veranstaltung, findet in Cerea statt.

Wer wissen will, was sich in Frankreich tut (immer viel), kann sich bestens bei vinsnaturel informieren.

Ein Grund, warum auf der Maische vergorene Weißweine (vulgo Oräntschwains) so richtig Spaß machen können, ist der, dass sie Rebsorten ins Rampenlicht rücken, die davor ein paar Lichtjahre davon entfernt standen. Malvasia beispielsweise und Grauburgunder  und für Traminer aller Art sollte man eine Maischestandzeit überhaupt verpflichtend einführen.

Schaut man über die Kärntner Grenzen ins Friaul & nach Slowenien gibt es noch ein paar Sorten mehr, die weiß so interessant sind wie eine Kricketmatch, orange jedoch adäquate Begleiter durch eine Arsenalpartie abgeben würden.

Tokaj Friulano beispielsweise, der aber – den Raunzerei der Ungarn sei Dank – heute nicht mehr so heißen darf. Wobei schon Goethe mit ihm anstieß und man erstmal das Ungarische mit dem Italienischen verwechseln muss – aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, weshalb die EU eine ihre essentiellsten Entscheidungen zugunsten der Ungarn gefällt hat.

Egal. Jetzt heißt der Tokaj eben nur noch Friulano oder manchmal auch Jakot, was von rechts nach links gelesen wiederum Tokaj ergibt (sollte sich die Einwohner des Veltlins, die Veltliner, irgendwann durchringen und gegen die Verwechslungsgefahr mit dem Grünen Veltliner klagen, wären die adaptierten Lösungsvarianten entweder VG oder Reniltlev Renürg oder eben Weinviertel DAC – in Österreich denkt man voraus).

Jakot/Friulano/T…i ist in seiner weißen Variante in den meisten Fällen ein mittelgewichtiger Langweiler, der immerhin Kräutern den Vorzug gegenüber allzu viel Frucht gibt. Das passt ganz gut zu Fisch und sitzt man gerade in Grado und hat nichts Besseres zu tun, macht man nichts falsch, wenn man beides kombiniert. Man könnte freilich auch ins Auto steigen und zu Stanko Radikon, Dario Princic, Franco Terpin, Aleks Klinec, Ronco Severo oder Nando aufbrechen und Jakot probieren, wie ihn reife, mazerierte, spontan vergorene bisweilen auf der Maische vergorene Trauben ergeben, die sich über Jahre im Holzfass ausbalanciert und Aromen akkumuliert haben, in denen sich zwar auch ein paar Kräuter aber auch erdige, fruchtige, fleischige und jedenfalls & immer immens saftige Noten gefunden haben.Hat man solche erstmal probiert, ist die Idee mit dem Fisch in Grado allerdings für immer gestorben.

Mazerierte Jakot haben nichts mit ihren weißen Brüdern zu tun und dringen in Welten vor, die davor eben ein paar Lichtjahre entfernt lagen. Abgesehen von ihrer Farbe stellen sie auch in punkto Gerbstoff, Säure, Aromen, Dichte, Lebendigkeit und Lebensdauer jeweils positive Kontrapunkte dar und wer bisher die Finger davon gelassen hat, sollte das schleunigst nachholen. Fulminant waren in den letzten Wochen vor allem der Jakot von Stanko Radikon(Friaul) – trotz seiner 8-jährigen Ausbauzeit lebendig, jugendlich und frisch wie der Charakter des Winzers und der Jakot von Aleks Klinec (Slowenien), der – substantiell, kraftvoll, dicht & engmaschig – zwar gerbstoffmäßig keine Kompromisse eingeht aber auch nicht für Kinder gekeltert wurde.

DIE WEINE

Elisabetta Foradori bewirtschaftet insgesamt 14 Parzellen, wobei anfangs jede einzeln vinifiziert wird. Der Ausbau erfolgt in Stahl, Zement oder Holz undist in seinen Grundzügen für alle Weine gleich: es wird spontan und ohne Temperaturkontrolle vergoren, danach übernimmt die Zeit. Die Weine liegen, je nach Intention, zwischen 12 Monaten und 15 Monaten in ihren Gebinden, danach wird unfiltriert und mit einer marginalen Dosis an Sulfiten (zwischen 20 & 35 mg Gesamtschwefel) abgefüllt.

Der größte Teil fließt in den einfach TEROLDEGO (Ausbau in Zement & Holz) genannten Wein, eine saftige, temperamentvolle, animierende und doch tiefe und substantielle Variante der Sorte – ein Einstiegswein der besonderen Art. Der Rest geht in den Granato (Ausbau im Holz), einen der großen Klassiker der italienischen Rotweinwelt. Profund, dicht, beharrlich, komplex und langlebig – wobei er gerade in kühlen Jahren die besten Ergebnisse zeitigt, da in warmen Jahren die Konzentration und Kraft bisweilen den Trinkfluss hemmt. Der Incrocio Manzoni wird nach einer kurzen Mazeration im Akazienfass ausgebaut, Zitrus & Kräuteraromen verbinden sich mit einem geradlinigen, nie ausladenden Körper, dem ein paar Jahre Flaschenreife immer wieder erstaunlich neue sensorische Dimensionen verleihen.

Fontanasanta (Nosiola)

Dichtung: Ein Wein der Luft braucht und zwar viel. Ähnliches lässt sich über die Zeit sagen. Ein paar Jahre Geduld und man hat einen der besten Weißweine Italiens im Glas (oder ein paar Stunden in der Karaffe) – weiße Blüten, filigran und wirklich komplex. Nasse Steine, ein Andeutung von Steinobst und Rauch, am Gaumen geht es anspielungsreich und detailliert weiter, Kräuter gesellen sich dazu, fantastischer Trinkfluss, nie ausladend, lang, elegant, strukturiert.

Wahrheit: Nosiola ist seit jeher im Trentino beheimatet. Die vielleicht brillanteste Interpretation der Sorte liefert Elisabetta F. mit ihrem, in der Amphore ausgebauten, Fontansanta. Letztere ist die zwei Hektar große Lage in der sich Elisabettas Nosiola befindet, der Boden ist karg und kalkig, die Rebstöcke sind nicht mehr die jüngsten. Wie Zeugnisse der Vergangenheit belegen, wurde Nosiola immer wieder auf den Schalen vergoren. Elisabetta macht das auch und geht mit dem Ausbau in der Amphore noch einen Schritt weiter. Dabei findet über acht Monate eine extrem langsame und feine Auslaugung der Traubenhäute statt, die zudem in völlig reduktivem Milieu abläuft. Der Wein braucht deshalb in jungen Jahren viel Luft und eignet sich nebenbei blendend für jahrelange Kellerreife.

Sgarzon (Teroldego)

Dichtung: Präzise, puristisch und nuanciert. Intensive aber frische rote Frucht, danach wird es komplexer: Gewürze, Pfeffer vor allem, und eine schon in der Nase belebende Frische. Kein Gramm Speck an den Hüften. Knackig, elegant, strukturiert, streng (in einem sehr positiven Sinne). Belebend und bekömmlich – verlangt definitiv nach mehr als nur einer Flasche. Auch weil er sich fortlaufend entwickelt; im Glas und in der Flasche.

Wahrheit: Elisabettas Teroldego ist Legende. In der Zwischenzeit gibt es dankenswerterweise gleich vier davon, Sgarzon und Morei sind dabei Wiederauflagen schon einst produzierter Einzellagen allerdings mit neuem Gesicht. Sgarzon ist eine kühle Lage, dort, wo das Campo Rotaliano langsam in den alpinen Bereich des Val di Non übergeht. 2,5 Hektar hat Elisabetta dort stehen, die Böden sind sandig und von Schwemmland geprägt, die Rebstöcke eng gesetzt (6000/ha) und nicht mehr jung. Der Ausbau des Sgarzon findet in der Amphore statt, ganze 8 Monate reift er interventionsfrei in spanischen Tinajas. Wie schon mehrfach erwähnt, brauchen konsequent produzierte Amphorenweine Zeit und/oder Luft, wer es eilig hat, sollte unbedingt dekantieren.

Morei (Teroldego)

Dichtung: Morei = moro = die dunkle, in dem Fall die Farbe des Teroldego, zumindest der Traube, der Wein ist eher ein filigranes, transparentes rot und Filigranität und Transparenz sind dann wiederum Eigenschaften eines Weins, der dem Begriff Eleganz eine neue Dimension verleiht. Erdigkeit vermag das nicht im Geringsten zu stören, vielmehr entwickelt sich daraus ein feiner puristischer Duft. Will man das Spiel der Kontinuitäten fortsetzen, dann kann man die puristische Karte gleich wieder am Gaumen spüren, das Tannin packt an, gibt dem Morei die richtige Form, die Frucht ist ziseliert und präzis, die Länge lang und die Textur dicht und kompakt.

Wahrheit: Die beiden Teroldego Einzellagen sind letztendlich die Frucht jahrelanger intensiver und akribischer biodynamischer Weingartenarbeit, die sich nun in all ihren Details in den beiden Weinen spiegelt. Jahrelang war auch die Beschäftigung mit den spanischen Tinajas ehe sie die darin vinifizierten Weine auch abfüllte. So leicht ist es nicht mit einem exakten Verständnis der Amphoren, doch weiß man erstmal wie es geht, ergeben sich vielfältige Vorteile. Man hat ein völlig neutrales Gefäß zur Verfügung, das Material ist zudem organisch und mit der Erde verbunden und durch den direkten Kontakt mit der Schale kommt es zu einer feinen, sehr langsamen Mazeration, die zudem maximalen Schutz vor Oxidation bietet. Das Fazit ist mehr als beeindruckend: ein mineralisches und puristisches Spiegelbild eines idealen Teroldego-Terroirs, interpretiert von einer ganz großen Winzerin.

monte-di-graziaMan sollte sich ein Jahr lang freinehmen und all die fantastischen Projekte abklappern, die es in Italien derzeit gibt. Eines davon findet sich in Tramonti, in Kampanien und geht auf die Kappe von Alfonso Arpino, der auf seinem Weingut Monte di Grazia, seit 2004 Reben kultiviert. Was neu klingt, hat steinalte Wurzeln (100 Jahre alte Rebstöcke) und die offenzulegen, ist dezidierte Ziel von Alfonso

Der Weinbau ist archaisch, die meisten Parzellen sind lediglich ein paar Quadratmeter groß, dazwischen geht es rauf oder runter. An ihrem Ende stehen Mauern, die Hänge halten und Grenzen bilden. In den nivellierten Flächen wachsen ganz poetisch Ginestra, Pepella und Biancatenera (weiße Rebsorten), Tintore und Piedirosso (rot). Aus letzteren keltert Alfonso einen Rosso und einen exzellenten Rosato, über den es sich lohnt, ein paar Worte zu verlieren.

Seine Basis ist Tintore und wie es der Name schon andeutet, gehört Tintore in die seltene Kategorie derjenigen Trauben, die dunkle Haut mit dunklem Fruchtfleisch kombinieren. In Frankreich hat man dafür den Namen Teinturiers geprägt und dazu gehören so große Namen wie Grand Noir de la Calmette, Morrastel Bouschet, Petit Bouschet und in Deutschland der phänomenale Dunkelfelder. Am bekanntesten dürfte allerdings – dank des Booms georgischer Weine – Saperavi sein.

In Italien sind es – nomen est omen – Colorino und ihre verschiedenen Spielarten (ihre Weine sind so intensiv, dass man sie lange Zeit als Farbstoff benutzt hat) und eben Tintore. Tinto bedeutet im südlichen Italien „gefärbt“, der Tintore ist ein „Färber“ und Tintoretto (*1519 – †1594) hat sich seinen Namen nicht, wie man naheliegenderweise vermuten könnte, dank seiner Fähigkeiten als Maler erarbeitet, sondern aufgrund der Tatsache, dass er den Sohn eines Tintore, eines Färbers, war (wer sich nur ein wenig für die Vielfalt und Eigenheiten italienischer Weine interessiert, sollte sich unbedingt Ian d’Agatas großartiges Buch Native Wine Grapes of Italy zulegen, aus dem auch diese Information stammt).

Alfonsos Rosato braucht folglich keinen Schalenkontakt und wird auch sofort gepresst – er ist also quasi ein roter Weißwein – da Alfonso allerdings nicht verwirren will, bleibt es beim Rosato! Er würde auch locker als Rosso durchgehen: jeder Nebbiolo oder Pinot Nero würde sich so viel Farbe wünschen. Am Gaumen allerdings spricht er dann allerdings eine andere Sprache – da schlägt dann die Lebendigkeit durch und mit ihm mehr Blüten- als Fruchtaromen.

Die Lese ist in den Hügeln um Tramonti übrigens erst Anfang November, kühle Winde prägen das ganze Jahr über die Region (Tramonti leitet sich wiederum von triventum, den drei Winden ab) und diese Frische (und Säure) vermittelt dann auch der Wein. Alfonso hat davon gerade mal ein paar hundert Flaschen, von denen es bislang leider keine über den Brenner geschafft hat. Also: Hinfahren und kaufen oder mich anrufen (00393292811061).

ps: weil wir gerade dabei waren. Die Piedirosso, eine der ältesten italienischen Traubensorten, die immerhin 20% des Rosato ausmacht, verdankt ihren Namen ebenfalls ihrer Farbe, die M. Carlucci, ihren Namensgeber offenbar frappant an die rote Füße (piedi rossi) von Tauben erinnert hat.

sollte sich ein Jahr lang freinehmen und all die fantastischen Projekte abklappern, die es in Italien derzeit gibt. Eines davon findet sich in Tramonti, in Kampanien und geht auf die Kappe von Alfonso Arpino, der auf seinem Weingut Monte di Grazia, seit 2004 Reben kultiviert. Was neu klingt, hat steinalte Wurzeln (100 Jahre alte Rebstöcke) und die offenzulegen, ist dezidierte Ziel von Alfonso

Der Weinbau ist archaisch, die meisten Parzellen sind lediglich ein paar Quadratmeter groß, dazwischen geht es rauf oder runter. An ihrem Ende stehen Mauern, die Hänge halten und Grenzen bilden. In den nivellierten Flächen wachsen ganz poetisch Ginestra, Pepella und Biancatenera (weiße Rebsorten), Tintore und Piedirosso (rot). Aus letzteren keltert Alfonso einen Rosso und einen exzellenten Rosato, über den es sich lohnt, ein paar Worte zu verlieren.

Seine Basis ist Tintore und wie es der Name schon andeutet, gehört Tintore in die seltene Kategorie derjenigen Trauben, die dunkle Haut mit dunklem Fruchtfleisch kombinieren. In Frankreich hat man dafür den Namen Teinturiers geprägt und dazu gehören so große Namen wie Grand Noir de la Calmette, Morrastel Bouschet, Petit Bouschet und in Deutschland der phänomenale Dunkelfelder. Am bekanntesten dürfte allerdings – dank des Booms georgischer Weine – Saperavi sein.

In Italien sind es – nomen est omen – Colorino und ihre verschiedenen Spielarten (ihre Weine sind so intensiv, dass man sie lange Zeit als Farbstoff benutzt hat) und eben Tintore. Tinto bedeutet im südlichen Italien „gefärbt“, der Tintore ist ein „Färber“ und Tintoretto (*1519 – †1594) hat sich seinen Namen nicht, wie man naheliegenderweise vermuten könnte, dank seiner Fähigkeiten als Maler erarbeitet, sondern aufgrund der Tatsache, dass er den Sohn eines Tintore, eines Färbers, war (wer sich nur ein wenig für die Vielfalt und Eigenheiten italienischer Weine interessiert, sollte sich unbedingt Ian d’Agatas großartiges Buch Native Wine Grapes of Italy zulegen, aus dem auch diese Information stammt).

Alfonsos Rosato braucht folglich keinen Schalenkontakt und wird auch sofort gepresst – er ist also quasi ein roter Weißwein – da Alfonso allerdings nicht verwirren will, bleibt es beim Rosato! Er würde auch locker als Rosso durchgehen: jeder Nebbiolo oder Pinot Nero würde sich so viel Farbe wünschen. Am Gaumen allerdings spricht er dann allerdings eine andere Sprache – da schlägt dann die Lebendigkeit durch und mit ihm mehr Blüten- als Fruchtaromen.

Die Lese ist in den Hügeln um Tramonti übrigens erst Anfang November, kühle Winde prägen das ganze Jahr über die Region (Tramonti leitet sich wiederum von triventum, den drei Winden ab) und diese Frische (und Säure) vermittelt dann auch der Wein. Alfonso hat davon gerade mal ein paar hundert Flaschen, von denen es bislang leider keine über den Brenner geschafft hat. Also: Hinfahren und kaufen oder mich anrufen (00393292811061).

ps: weil wir gerade dabei waren. Die Piedirosso, eine der ältesten italienischen Traubensorten, die immerhin 20% des Rosato ausmacht, verdankt ihren Namen ebenfalls ihrer Farbe, die M. Carlucci, ihren Namensgeber offenbar frappant an die rote Füße (piedi rossi) von Tauben erinnert hat.

Neun Generationen haben den Weg vorgezeichnet, auf dem auch Gianluigi Bera durch sein Leben schreitet. Er ist genau wie seine Vorfahren Weinbauer, hoch oben in den Hügeln bei Asti, genauer in Canelli, einer Zone, die vor allem für seinen Moscato berühmt ist. Seit 1758 pflanzen die Beras dort Reben aus. Heute sind es insgesamt 12 Hektar die damit bestockt sind. Vor allem Moscato (mit Abstand der beste den ich jemals getrunken habe) aber auch Favorita, Arneis und Vermentino für den Arcese, einem brillanten sprudelnden allerdings trockenen Gegenentwurf zum Moscato sowie Barbera und Dolcetto für die drei Rotweine.

Die Weingärten spannen sich über gut zwei Hektar rund um das Weingut und decken alle möglichen Expositionen ab – die Parzellen spannen sich von Süden nach Norden und steuern damit ihren Part zur Persönlichkeit der Wein bei. Ein weiterer Stein im komplexen Mosaik des Bera’schen Terroirs sind die steil abfallenden, kalkdurchzogenen Böden, die seit 1964 (!) biologisch bewirtschaftet werden. Wobei in den späten 90er Jahren, die natürliche Herangehensweisen zusätzlich vertieft wurde. Wesentlich verantwortlich dafür war der Besuch einer Handvoll Winzer aus dem Beaujolais, die – angeführt vom großen Marcel Lapierre – inmitten der Moscato-Industrie auf der Suche nach einem Handwerker alten Schlages war. Gianluigi muss damals knapp über 20 gewesen sein, alt genug, um zum alten Schlag zu gehören und den vinologischen Traditionen der Regionen verbunden zu sein. Und jung genug, um die Ideen und Methoden der französischen Naturweincombo zu verinnerlichen und umzusetzen.

Im Weingarten wird weiterhin rigoros biologisch gearbeitet, wobei er seit ewigen Zeiten nicht mehr düngt und letztlich auf den sukzessiven Humusaufbau vertraut, der sich durch die jahrzehntelange Begrünung ergeben hat. Im Keller arbeitet er konsequent ohne den Einsatz von Chemikalien (ausnahme Schwefel vor der Füllung) oder hochgezüchteter Hefen. Vergoren und ausgebaut wird in Stahl und Zement, wobei er den Weinen , die erforderliche Zeit gibt, um ihr natürliches Gleichgewicht zu finden. Seine fünf Weine zahlen ihm diese Sorgfalt auf filigrane, lebendige, originelle, unaufdringliche und doch extrem nachhaltige Art und Weise zurück. Jenseits der Welten des Nebbiolo (neben denen fast alles verblasst) gehört Gianluigi Bera definitiv zu den ganz großen Winzern des Piemont.

Mit ein Grund, warum sich Goethe in Sizilien so wohl fühlte, ist neben den Zitronen (kennst du das Land, wo die Zitronen blühn…) und Orangen (… im dunklen Laub die Gold-Orangen glühn uswusf) eventuell dem Inzolia zuzuschreiben. Angeblich war der Dichterfürst der Rebsorte während seiner sizilianischen Episode alles andere als abgeneigt, in welcher Version er ihn auch getrunken haben mag – zur Auswahl standen damals klassisch weiße Versionen und Marsala, dessen Geburtsstunde 1773 schlug und in dem Inzolia einen nicht unbedeutenden Part spielt. Inzolia ist ebenfalls ein Kind Siziliens, doch hat sich die Rebsorte teils anonym teils synonym auch über andere Inselwelten Italiens ausgebreitet – zuerst war es Sardinien (Ansonica), später dann Elba (Ansonica) und Giglio, wo heute die vermutlich spektakulärste Version eines „Ansonaco“ gekeltert wird (Altura-Carfagna)).

Auch an der toskanischen Küste hat Ansonica/Inzolia eine zweite Heimat gefunden, wobei sich speziell im Val di Cornia ein paar exzellente Beispiele finden. In den letzten Jahren hat Ansonica/Inzolia zunehmend für Furore gesorgt, was vor allem mit seinen maischevergorenen Versionen zu tun hat. Die Rebsorte hat generell wenig Säure und musste – um sie frisch und lebendig in die Flasche zu kriegen – meistens vor der physiologischen Reife gelesen werden. Mazeriert man den Wein schafft man ein zusätzliches strukturgebendes Element und kann folglich auf die perfekte Reife der Sorte warten. Tut man das bekommt man zum ein Potpourri aus verschiedensten Aromen (von Kräuter über Mandeln bis Steinobst) und Weine, denen es weder an Körper noch an Trinkfluss und Struktur mangelt.

Maddalena Pasquetti

Maddalena Pasquetti

Maddalena Pasquetti ist eine lebhafte, lustige und enthusiastische Frau. Zwar war ich noch nie bei ihr in Suvereto (das wird sich demnächst ändern), allerdings habe ich sie so oft auf Verkostungen und Messen getroffen, dass ich glaube, sie zumindest ein wenig zu kennen. Jenseits ihrer Ausgelassenheit ist sie allerdings auch von Prinzipien getrieben, die sie an den Mann bringen will und dafür bin ich stets ein bereitwilliges Opfer.

Während sie mir letztens (Fornovo 2015) einschenkte, erklärte sie mir parallel dazu auch nochmals die Eckdaten des Weins, Sangiovese in purezza, 100% Vigna alla Sughera, spontanvergoren, keine Enzyme, keine Stabilisatoren, kein Konzentratoren, keine Schönungen, keine Filtration, kein Schwefel – ein großes Nichts also bzw. Sangiovese in purezza eben. Gebrauchte Holzfässer für ein paar Monate sind die logische Konsequenz für den Ausbau. Danach wird er in völlig neutrale Zementtanks umgefüllt, die der Unverfälschtheit und aromatischen Neutralität ihres Ansatzes entsprechen.

Unverfälschtheit oder um es positiver auszudrücken Natürlichkeit ist dann auch das große Schlagwort, das Maddalena gemeinsam mit Andrea Bargiacchi in ihren Weinen verwirklicht sehen will. Dabei hatten sie bei der Planung ihres Weinguts – I Mandorli (die Mandelbäume) gibt es erst seit 2003 – ein akribisches Konzept im Kopf. Sie wollten neue Rebstöcke setzen und zwar auf jahrzehntelang brachliegendem Land, auf unkontaminiertem Territorium, in einer lebendigen, von Mikroorganismen und Biodiversität geprägter Erde.

Der Vigna alla Sughera, benannt nach den Steineichen, die den Weingarten umschließen, ist für seine jungen Jahre ein kräftiger Zeitgenosse, doch rücken ihn klassische Sangiovesesäure, feines Tannin und erdige Aromen ins rechte Lot. Alles in allem ist das alles dicht und druckvoll aber eben auch elegant. Maddalena scheint zudem mit den mineralischen Noten glücklich zu sein und als ich einmal fragte, ob das Val di Cornia, so eine Art Brücke zwischen der Straffheit des Chianti Classico und der Opulenz der Maremma darstellt, findet sie das auch ganz gut. Weil Bolgheri nahe und die Maremma nicht viel weiter entfernt ist, gibt es konsequenterweise auch einen zweiten Weingarten, der ausschließlich aus internationalen Rebsorten besteht, 70% Cabernet Sauvignon und 30% Cabernet Franc, der von Jahr zu Jahr ziselierter, filigraner und geradliniger wird. Die Opulenz der Anfangsjahre weicht stets präziserer und eleganterer Textur.

Dass die Weingarten biodynamisch bewirtschaftet werden sollen, war wesentlicher Bestandteil von Maddalenas Idee und da sich die Rebfläche auf wenige Weingärten beschränkt (der Sangiovese schaut nach Süd-Osten, direkt hinein in die Morgensonne, der Cabernet nach Süd-Westen, hinaus aufs tyrrhenische Meer, zwei kleine Anlagen mit Aleatico und Vermentino ergänzen) hat man auch die Zeit wichtige Arbeiten entsprechend den kosmologischen Konstellationen zu gestalten. Das gehört eben dazu, meint sie und wenn es nichts hilft, schadet es ganz sicher nichts.

Sie verwendet die klassischen 500er Präparate: Kamille, Baldrian, Löwenzahn etc. und reichert damit den jungen Boden an, denn und das ist wohl der wichtigste Aspekt in Maddalenas Konzeption, sie glaubt an die Diversität und Naturbelassenheit des Bodens. Und sonst? Sonst beobachtet sie, meint sie. Das ist das wichtigste. Sehen, was passiert – mit den Rebstöcken, den Trauben, dem Boden, dem Laub, mit allem, was den natürlichen Zyklus beeinflusst. Und sie hat den Kopf voll neuer Pläne. 2015 gab es das erste Mal einen Weißwein. Vermentino & Trebbiano, wie es sich für die Region gehört und so erfolgreich bei den lokalen Wirten, dass er auch schon wieder weg ist. Ein rotes Süßweinprojekt ist ebenfalls gelungen (es wird Zeit die Lanze für rot und süß zu brechen – doch davon ein andermal), während ein reinsortiger trockener Aleatico darauf wartet, gefüllt zu werden.

Vigna alla Sughera (2010)

Dichtung: lebendige und frische Nase – kühle Noten kombinieren sich mit Substanz und Subtilität – die Aromen befinden sich in waldigen Tiefen, Unterholz und Erde, Laub und ein paar Blüten werden ergänzt von ein wenig Frucht und pfeffrigen Noten. Das Spektakel beginnt aber erst so richtig am Gaumen, wo der 2010 Jahrgang seine ganze Kühle und Frische ausspielt, sein Tannin und seine Säure publik macht und von Maddalena perfekt ins Glas übersetzt wird.

Wahrheit: Die Vigna alla Sughera (der Weingarten der Korkeichen) ist keine 10 Jahre alt und mit 100% Sangiovese bestockt. Was passiert, wenn die Weingärten älter sind, kann man nur vermuten, Fakt ist jedoch, dass Maddalena mit der gegenwärtigen Version definitiv schon zu den besten Sangiovesewinzerinnen der Region gehört. Die Weingärten sind in mehrfacher Weise geschützt: zum einen durch die Korkeichen, zum anderen aufgrund ihrer Isolation vor konventionell arbeitenden Winzern. Gearbeitet wird biodynamisch und schaut man sich Bilder vom Weingarten an, hat man das Gefühl, dass Biodiversität auch nicht nur ein hingeschupftes Wort ist. Die Gärung ist spontan und findet in Zementtanks statt, der Ausbau erfolgt über 1 Jahr in großem Holz und Zement und dann über 6 Monate in der Flasche. Filtriert und geschönt wird nicht, die SO₂ Beigaben liegen bei 30mg/l.

Vigna al Mare (2009)

Dichtung: Muskulös, massiv, engmaschiges Tannin, ein paar dunkle Beeren, die dann Kräutern Platz machen, elegant, druckvoll, jung toll, älter ganz sicher noch toller, straff, mineralisch, kompakt, elegant, salzig, klar und präzis; lang und durchaus für die Zukunft konzipiert.

Wahrheit: Eine klassische Maremma-Combo, wobei Maddalena allerdings auf den Merlot verzichtet hat – derart kommt der Cabernet Franc besser zu Geltung. Der Weingarten selbst befindet sich auf mit Schiefer durchsetztem Ton auf 280 Metern und schaut in Richtung Sonnenuntergang. Die Erträge sind niedrig – ca. 3000 Kilo am Hektar – die Lese ist manuell, die Gärung spontan… der Ausbau beginnt in französischer Eiche (Allier) und endet in Zementtanks.

Heydi Samuele Bonanini liebt sein Land. Ohne jeden stumpfen Chauvinismus. Heydi ist jung und doch scheint es so, als würde er in seinen Erzählungen in eine weit vergangen Zeit zurückblicken. Eine Zeit, in der die Bewohner seines Dorfes noch in die Steilhänge der Cinque Terre aufbrachen, um dort alte, fast vergessene Rebsorten zu pflegen, ihre Trauben in der Luft zu trocknen und daraus Sciacchetrà zu keltern. Die Gegenwart sieht anders aus. Längst hält der Massentourismus die Cinque Terre in seinem Würgegriff und bietet den meisten Dorfbewohnern alternative Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten.

Heydis Entscheidung ein Weingut zu gründen und alte Weingärten zu rekultivieren, fiel aus dem Rahmen, doch war sie, hört man ihm genauer zu, naheliegend und konsequent. Wein steht dabei im Mittelpunkt, doch wäre es viel zu kurz gegriffen, lediglich ein paar Worte über ein paar neue Weingärten zu verlieren. La Possa – der Name ist eine Referenz an die Possaitara, das zum Meer hin abfallende Tal, in dem seine Rebflächen stehen – ist vor allem auch eine Hommage an die Vergangenheit der Cinque Terre und an die Personen, die an ihr beteiligt waren. Es ist eine Kulturleistung, ein Weckruf, ein Versuch, einer einst großen Weinbauregion wieder Leben einzuhauchen.

Man kann sich kaum spektakulärere Weingärten als diejenigen der Cinque Terre vorstellen: oben der Himmel, unten das Meer und dazwischen Klippen und Hänge, in denen sich – extrem dicht gepflanzt – abertausende Rebstöcke wiederfinden. Teils ist es überwuchertes, uraltes Rebmaterial, teils sind es aber auch in mühseliger Handarbeit freigelegte Mikroflächen, in denen Heydi wirtschaftet. Canaiolo ist dabei noch seine bekannteste Sorte. Gemeinsam mit der großartigen Bonamico („guter Freund“) keltert er daraus den U Neigru, einen saftigen, erdigen & kräuterigen Rotwein, in dem sich am Gaumen erstmals das manifestiert, was seine Weine absolut einzigartig macht: Salz. Viel Salz. Das Meer hinterlässt nicht nur im Rotwein seine Spuren, noch ausgeprägter findet es sich im Sciacchetrà, einem Süßwein aus im Wind und in der Sonne getrockneten Boscotrauben (ebenfalls eine alte autochthone Sorte), das fast alles, was es an Süßwein gibt in tiefsten Schatten stellt. Jenseits klassischer Süßweinaromen macht sich aufs Neue das Meer im Mund breit und zwar für Minuten und Stunden – sollte man je in die Verlegenheit kommen einem Wein irgendein Punktemaximum geben zu müssen, der Sciacchetrà von La Possa würde sich anbieten.

Die Bewirtschaftung ist – das sei kurz noch erwähnt – biologisch und zertifiziert. Die Lese wird, aufgrund der Steilheit und Unwegsamkeit, teils mit einer Art Zahnradbahn abtransportiert. Früher, und das ist auch das finale Ziel Heydis – wurde sie in Boote und mit ihnen über das Meer in den Keller gebracht.

siehe auch – die Weine von La Possa

fabbrica di san martino 2Die Vermentinostöcke von Giuseppe Ferrua sind biodynamisch bewirtschaftet und erstrecken sich vom Anwesen (wer in der Nähe von Lucca eine Unterkunft sucht, sollte unbedingt in der Fabbrica absteigen) bis hinunter an die Waldgrenze. Giuseppes Rebzeilen sind isoliert (weit und breit nur Wald und Oliven) und schauen in Richtung Süden. Das – könnte man befürchten – hat keinen negativen Einfluss auf die Struktur des Weines: der Weingarten liegt relativ hoch und ist nebenbei bestens durchlüftet von Winden, die den Apennin runterpfeifen. Zwar findet sich der Vermentino in sandigem Untergrund, doch wurzeln die alten Stöcke tief und haben folglich kein Problem, Wasser und Nährstoffe aufzunehmen. Insgesamt resultiert das in einem Wein, der unaufgeregt und ruhig, Substanz und Tiefe mit Saftigkeit und einer cremigen Textur verbindet. Der Alkohol ist generell gemäßigt – auch bei seinen anderen Weinen. Gelbe Fruchtnoten und Kräuternoten komplettieren das Bild.

Ps: weitere zwei bis drei Jahre im Keller schaden nicht; dann sollte man langsam daran denken, den Bianco auch zu trinken.

Zu kaufen gibt es den Bianco in der Casa Caria, Schottenfeldgasse, 1070 Wien

Die angestammte Heimat der Ansonica sind zwar die beiden toskanischen Inseln Elba und Giglio (wo Francesco Carfagna mit dem Altura – nicht in unseren Breiten erhältlich – die beste Variation der Rebsorte überhaupt keltert), allerdings hat die Rebsorte in den letzten Jahrzehnten auf dem gegenüberliegenden Küstenstreifen ebenfalls wurzeln geschlagen. Der Untergrund ist ähnlich sandig, das darunterliegende Gestein vor allem vulkanisch. Carlo Parentis Interpretation liegt fünf Tage auf der Maische, was schon deswegen Sinn macht, da die Ansonica notorisch mit Säureproblemen zu kämpfen hat und der derart akkumulierte Gerbstoff den Wein in die richtigen Bahnen lenkt, ihm also Struktur und Geradlinigkeit verleiht. Und Aromen: die manifestieren sich vor allem in mediterranen Kräutern, Salzigkeit und intensiver gelber Frucht. Balanciert, lebendig und saftig. Vergoren wird spontan, der Ausbau findet über 8 Monate zu 50% in Tonneaux und zu weiteren 50% in Edelstahltanks statt.

ps: der 2014 sollte aufgrund der grundsätzlich hohen Säure des Jahrgangs noch mehr Spannung und Energie haben.

Hard Core. Malbo Gentile gehört zu der illustren Runde an Rebsorte, die eine Schale haben, die auch als Baumrinde durchgehen könnten (Malvasia di Candia Aromatica, Aglianico und natürlich auch Nebbiolo sind ein paar mehr). Woher das gentile (freundlich, nett) im Namen stammt, steht in den Sternen, aber es gab ja auch Claudio Gentile (der Eisenfuß von Juventus) und der strafte seinen Namen auch Lügen.

Malbo Gentile ist eine alte Sorte, die doch erst in jüngster Zeit langsam wieder Fuß fasst. Zwar gibt es Aufzeichnungen über ihren Anbau aus dem 18. Jahrhundert, doch verschwand sie danach völlig von der Bildfläche, ehe sie 1960 im Istituto di Stato per l’agricoltora e l’Ambiente – Persolino wiederentdeckt wurde.

Hinter einem verdreckten alten Schild mit dem Namen „Amabile di Genova“ (ein weiterer Euphemismus) fand sich eine Sorte, die sich nach genauerer Überprüfung als Malbo Gentile herausstellen sollte. Es vergingen weitere 30 Jahre, ehe man eine erste Vinifikationen mit getrockneten Trauben durchführte und feststellte, dass sich hinter der Sorte immenses Potenzial befand. Danach ging es zwar nicht Schlag auf Schlag, doch fanden sich immerhin eine Handvoll Winzer, die sich an der Rebe probieren wollten und zwar sowohl in der Emilia wie in der Romagna (insgesamt gibt es heute 10 ha), wobei sich schnell herausstellte, dass sich die Rebsorte in den beiden Regionen am Stock völlig unterschiedlich entwickelte. Üppig und dicht in der Emilia, rachitisch und lose in der Romagna. Ian d’Agata, Verfasser der italienischen Rebsortenbibel Native Grapes of Italy (die wirklich jeder, der sich nur irgendwie für Wein, Italien oder beides interessiert, besitzen sollte) führt das auf die unterschiedlichen Böden zurück, die in der Emilia üppig und fruchtbar und in der Romagna karg und kalkig sind. Resistent und robust ist sie da wie dort. Als es 2002 vom Sommer bis in den Herbst hinein in Strömen regnete, faulten sämtliche Weingärten weg, einzig die mit Malbo bestockten, fühlten sich selbst im Regen wohl.

Neben immensem Tannin hat die Rebsorte auch ordentliche Säure und definiert sich vor allem über dunkle Aromen. Die Voraussetzungen für eine große Sorte sind folglich vorhanden, wobei es in letzter Instanz dann vor allem um die Handschrift des Winzers geht. Vergärt man temperaturunkontrolliert und lässt somit eine volle Extraktion der Gerbstoffe zu oder greift man vorsichtshalber ein. Wie lange lässt man den Wein in Kontakt mit den Schalen und welche Gebinde wählt man? Fragen, die glücklicherweise völlig unterschiedlich beantwortet werden und folglich eine erstaunliche Bandbreite an Stilen offerieren. Jenseits reinsortiger Vinifikationen gibt es gerade in der Emilia auch einige exzellente Lambruschi, die durch ein paar Prozent Malbo immens an Struktur, Saftigkeit und Gerbstoff gewinnen.

Die besten:

Vittorio Graziano: Sassocuro (ein Monument, dunkel, dicht & steinig und doch mit einem immensen Trinkfluss versehen. Kostet ab Hof um die € 15 – rar; wo es ihn sonst noch gibt, weiß ich nicht)

Cinque Campi: Le Marcone (dunkel, pfeffrig, offen und unheimlich vital – der zugänglichste Malbo, den ich kenne – in Wien, in der Casa Caria erhältlich)

Denny Bini La Cipolla: Grecale 45 (ordentlich Gerbstoff aber auch viel Frucht, intensiv und kraftvoll – Ausbau im Stahl)

Vigne dei Boschi: Settepievi (eine Herausforderung. Hier wird der Sorte ihr ganzes Potenzial entlockt. Schwierig, da der Gerbstoff ordentlich Dampf macht. Warten wird wohl das Beste sein.)

 

Daneben lohnen sich die Lambruschi (mit ein wenig Malbo) von La Collina (Fermente – super), Denny Bini, Cinque Campi & Vittorio Graziano.

Im Jahr 2006 starteten Ernesto Cattel und Mauro Lorenzon gemeinsam mit ein paar Partnern auf sieben Hektar das Projekt Costadilà. Dafür suchten sie sich mit dem Prosecco eine Region aus, in der es einiges zu beweisen galt: vor allem, dass es möglich ist, dort wirklich guten Wein zu keltern. Costadilà bedeutet übersetzt „der Hang da drüben“, womit Tarzo, ein Dorf mit 50 Einwohnern gemeint war. In den Hängen um und über dem Weingut begannen die beiden sich auf die „Neuentdeckung eines alten Geschmacks“ zu machen. Dafür pflanzten sie neben die im Prosecco omnipräsente Glera auch noch die kaum kultivierten Bianchetta und Verdizo und setzten zudem mit ihrer Herangehensweise einen radikalen Gegenentwurf zu den ansonsten im Prosecco praktizierten Ansätzen.

Von Beginn an bewirtschaftete man die Weingärten nach biodynamischen Prinzipien, konterte der allgegegenwärtigen Monokultur mit üppiger Biodiversität und schloss durch den Anbau anderer landwirtschaftlicher Produkte (die u.a. in der Osteria San Baldo, die ebenfalls auf die Kappe der beiden geht, verwendet werden) und der Haltung von Nutztieren den angestrebten biodynamischen Kreislauf. Die drei zur Zeit bepflanzten Parzellen selbst sind die Basis für drei Weine, die nach der Höhe der jeweiligen Weingärten benannt sind und nicht nur unterschiedlich vinifiziert werden, sondern auch unterschiedlich Terroirs aufweisen. So wachsen der 280sml und der 330sml auf Mergel und Ton, während der 450sml Moränengestein als Basis hat – die Leichtigkeit, Frische, Säure und Lebendigkeit, die ihre bergige Herkunft mit sich bringt, adäquat in die Flasche zu bekommen und dabei möglichst natürliche und authentische Weine zu produzieren, ist das eine Ziel der beiden, durch traditionelle Methoden und eine eigene Handschrift, die vor allem auf einer nicht-interventionistischen Kellerarbeit beruht, ein weiteres.

Ps: Ernesto Cattel hat – nach dem Erfolg von Costadilà – ein weiteres Projekt ins Leben gerufen. Auf der kroatischen Insel Susak (Sansego) ein paar Seemeilen südlich von Triest, ist er gerade (mit den gleichen Methoden wie schon auf Costadilà) dabei den einst regen Weinbau der Insel wieder wachzuküssen.

Im Keller: Wie schon im Weingarten wird auch im Keller vor allem Verzicht geübt. Die Trauben werden per Hand gelesen, gerebelt und gequetscht. Danach wird spontan und ohne Temperaturkontrolle vergoren, wobei die Weine die ganze Zeit über keinen Schwefel sehen. Nach 5 Monaten auf der Hefe, wird der Wein wiederum in Flaschen gefüllt und mit dem Most getrockneter Beeren (desselben Weingartens) wird die Zweitgärung eingeleitet . Degorgiert wird danach nicht mehr, was generell ein wenig Hefetrub (Col Fondo erfreut sich im Prosecco in der Zwischenzeit einer immer grösser werdenden Beliebtheit) in der Flasche verursacht – das sollte niemanden irritieren, eröffnet laut Ernesto Cattel vielmehr die Möglichkeit Prosecco auf drei unterschiedliche Arten zu trinken. 1 LIMPIDO – sauber: dafür muss man den Wein lediglich dekantieren. 2. Der Kompromiss: Man kann die ersten Gläser denjenigen servieren, die den Wein klar trinken wollen und die restlichen Gläser, denjenigen die kein Problem mit ein wenig Trub haben -man kann das natürlich auch allein machen und schauen wie sich der Wein verändert. 3. TORBIDO – trüb (vorher möglichst vorsichtig schütteln).

Generell hat man es bei den Schaumweinen von Costadilà mit puristischem, subtilem und überaus lebendigem Prosecco zu tun, der mit seinem steinigen Unterton und kühlen Blütenaromen, die Möglichkeiten der Region nicht nur auslotet sondern neu definiert.

 

450 sml.: Drei Tage auf der Maische verleihen dem 450er eine griffige und stringente Textur, wie man es von klassischen Prosecco kaum gewohnt ist. Schlecht tut ihm das freilich nicht. Jenseits der tragenden Gerbstoffstruktur – die auch das Manko an Säure kompensiert – gesellen sich derart auch noch Aromen hinzu, die das Bild, wie Prosecco sein kann, dramatisch erweitern. Intensive und profunde Frucht kombinieren sich mit steinigen und subtilen Kräuternoten. Trotz all dieser Innovationen bewahrt sich der 450sml seine Leichtigkeit (11,5%) und seinen Trinkfluss.

11 Okt / 2015

Garganega

Filippo Filippi bei der Garganegalese

Filippo Filippi bei der Garganegalese

In Italien gibt die Region den Protagonisten und die Rebsorte ist lediglich Bestandteil des restlichen Ensembles. Ruhm und Renomèe gebühren folglich vor allem Barolo und Montalcino und nicht Nebbiolo und Sangiovese, die ihren Part allerdings meist exzellent spielen.

Manchmal ist es aber auch besser sich als Sorte hinter einer Region verstecken zu können, vor allem dann, wenn die Region unter Weinkritikern ungefähr denselben Ruf genießt wie Ed Wood unter Filmkritikern. Setzt man einem Kenner des Fachs einen Soave vor, kann man sich fast sicher sein, dass er das als Affront auffassen wird – Ausnahmen bestätigen freilich die Regel. Schenkt man dagegen Garganega ein, wird er eventuell sogar Interesse heucheln, da man unbekannten Dingen zumindest kurzfristig Aufmerksamkeit schenken sollte, bevor man über sie herzieht. Nun ist Soave eben immer auch Garganega, meist zu 100% und wer sich die Mühe macht, sich durch das erstaunlich breite Repertoire der Lagensoaves (der alten Kernzone des Soave) zu trinken, wird schnell feststellen, dass das keine Mühe macht und erst recht kein Affront ist. Guten Winzern und der Garganega sei Dank – die sollte man halt möglichst nicht in die fruchtbare Ebene setzen, kunstdüngen, totspritzen und 15000 Kilo Ertrag/Hektar davon erwarten (was leider viel zu oft getan wurde), sondern in vulkanische oder Kalkböden und mit 10000 Kilo weniger Ertrag rechnen. Tut man das und verfügt man nebenbei noch über alte Rebstöcke – was gerade in der klassischen 1000 Hektar umfassenden Kernzone über Soave oft der Fall ist – bekommt man Qualitäten in die Flasche, die nicht nur verblüffen sondern auch verdeutlichen, warum das Soave vor nicht einmal 70 Jahren als Chablis Italiens bezeichnet wurde.

Garganega reift spät und je höher oben man sich befindet desto später wird es. Lange Vegetationsphasen bauen zusätzliche Aromen auf, hinzu kommt ein natürlicher Säuregehalt, der näher am Riesling als am Veltliner liegt. In Italien ist man sich zumindest in Winzerkreisen über die Qualitäten der Sorte im klaren, weshalb sie nicht nur in Soave sondern auch in Gambellara und im Bianco di Custoza die erste Geige spielt. In Sizilien fungiert die Garganega als Grecanico und hat dabei durchaus Bedeutung – gleich vier Appellationen (Alcamo, Delia Nivolelli, Contessa Entellina und Contea di Scalafani) probieren das beste aus der Sorte rauszuholen.

Soave classico wird für gewöhnlich im Edelstahl oder Zementzisternen ausgebaut, die gehaltvolleren Lagenvarianten landen ganz gerne in gebrauchten Holzfässern. Ernsthafte Soave reifen zudem blendend und sollten – will man wirklich der Essenz der Weine nahekommen für 5-7 Jahre (je nach Jahrgang) weggelegt werden. Für die Interpretationen aus Gambellara gilt übrigens Gleiches, wobei dort noch ein paar exzellente maischevergorene Versionen hinzukommen (Maule, Spillare), die zeigen, dass ein wenig Gerbstoff der Sorte zusätzliche Dimensionen (und Aromen) verleihen kann. In beiden Orten – den Hochburgen der Sorte – wird übrigens auch Recioto, eine Süßweinvariante aus traditionellerweise im Wind getrockneten Trauben hergestellt.

Garganega sind ihrer miesen Reputation wegen viel zu billig.

10 Garganega, die man probieren sollte.

Cantina Filippi: Castelcerino (Soave)

Cantina Filippi: Vigne di Bra (Soave)

Corte Zanuso: Soave classico

La Capuccina: San Brizio (Soave)

Balestri Valda: Sengialta (Soave)

Suavia: Monte Carbonare (Soave)

La Biancara: Pico (Gambellara)

La Biancara: Sassaia (Gambellara)

Davide Spillare: Bianco Rugoli Vecchie Vigne (Gambellara)

Giovanni Menti: Monte del Cuco (Gambellara)


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