DAS WEINGUT

Carlo Deperus und Tatiana Hollers Weingut befindet sich hoch oben im Norden Sardiniens, im Grenzgebiet zwischen den kargen Hügeln Anglonas und den immensen Felsbrocken und schroffen Bergen der Gallura. Letztere ist an der Küste ein Tummelplatz für die Schönen und Reichen dieser Welt, im Landesinneren jedoch weiterhin eine nur sporadisch bevölkerte, tief ländliche und mit vielen Reben bestockte Region der Insel.

Dorthin, genauer nach Perfugas, ist Carlo Deperu im Jahr 2005 zurückgekehrt, nachdem er zuvor in Mailand Landwirtschaft und Önologie studiert und auf diversen Weingütern am Kontinent (die Sarden nennen Italien so) gearbeitet hatte. Mit ihm kam seine Frau Tatiana Holler, eine gebürtige Brasilianerin, ihres Zeichens Marketing & Kommunikationsexpertin und folglich auch beruflich die kongeniale Ergänzung zu Carlo.

Zur Verfügung standen den beiden die leicht zu einem See abfallenden, auf Kalk und Granit basierenden Weingärten der Familie Deperu, die sie komplett neu und dichter als zuvor bepflanzten. Einen Teil mit – wie es sich für die Gallura, der einzigen DOCG Sardiniens gehört – Vermentino, neben die sie allerdings auch andere weiße Rebsorten wie Malvasia, Moscato, Nasco und Arvesionadu setzten. Einen anderen Teil mit roten Rebsorten: Bovale sardo, Cannonau und auch ein wenig Cabernet Sauvignon.  Alles in allem 6 Hektar, genau soviel wie sie glaubten, zu zweit bearbeiten zu können. 

Abgesehen von den kargen und steinigen Böden ist es vor allem der Maestrale, der täglich einfallende Nordwind, der seine Spuren in der Bewirtschaftungskonzeption und auch im Wein hinterlässt.  Auch wenn die beiden nicht biologisch zertifiziert sind, verwenden sie ausschließlich Schwefel und Kupfer, letzteren aufgrund der bestens ventilierten und zudem meist recht trockenen Weingärten allerdings sehr selten. 

Perfektes Traubenmaterial ist die Folge (wobei sie in sehr heißen Jahren bisweilen ein kleines Säureproblem haben und im Fall des Falles auch die Weißweine ein wenig mazerieren), aus denen sie insgesamt vier Weine keltern, die weiß wie rot ganz sicher zu den besten des sardischen Nordens gehören. Die Produktionsschritte unterscheiden sich naheliegenderweise je nach Rebsorte, Lage und Stilistik, allen gemein ist allerdings, dass sie spontan vergoren, nicht geschönt und nicht gefiltert werden.

Die Weine

Fria: 100% Vermentino. Je nach Jahresverlauf eine kürzere (1 Tag) oder längere (ein paar Tage) dauernde Mazeration. Gärung und Reifung im Stahltank. Warme, an Blüten und Heu erinnernde Aromen.  Am Gaumen Kräuter, weiße Frucht, Mandeln und Salz. Weich und aber dank eines Zusammenspiels aus dezentem Tannin und ein wenig Säure bestens strukturiert.  

Prama Dorada: größtenteils Vermentino + Moscato, Malvasia, Nasco,  Arvesionadu. Pied de Cuve. Mindestens sieben Tage in Kontakt mit den Schalen. 9 Monate in Stahl und Zement. Kraftvoll und konzentriert. Leicht oxidativer Ton, gelbe Frucht, Mandeln, Honig, Kräuter. Weich, rund, dicht, ein langer ruhiger Fluss. Intensiv und eindrücklich.

Familia: Bovale Sardo (Muristellu) und andere autochthone Sorten. Ein Wein für alle, ein Tischwein auf hohem Niveau, ein Essensbegleiter zu Schaf & Co – ergo der Name Familia. Eine Woche in Kontakt mit den Schalen.  Ausbau im Stahltank. Balsamisch, rote Frucht, würzig. Ausgewogen, weich, mit sanftem aber steuerndem Tannin. Langes, den Gaumen einhüllendes Finish. Sehr schön.

Oberaia: Cannonau + Cabernet S.: Laut Carlo, ein Wein für Feste und folglich den Menschen der Oberaia de Santu Jurzi-Vereinigung gewidmet, die jedes Jahr am 23. April das Dorffest in Perfugas organisieren. Ausbau in gebrauchten Holzfässern. Kraftvoll, saftig. Rote Frucht. Pfeffer. Kräuter. Ein paar süße Gewürze. Druckvoll. Gehaltvoll. Nachhaltig. Sehr gut.

DEPERU HOLLER

Carlo Deperu und Tatiana Holler
Via Mazzini 80
Perfugas
Telefon: +393332957208
info@deperuholler.com
www.deperuholler.com

Cold Facts

Jahresproduktion: ca.15000 Flaschen
Rebsorten: Vermentino, Nasco, Moscato, Malvasia, Cannonau, Bovale Sardo (Muristellu), Cabernet sauvignon
Rebfläche: 6 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja, organisch
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: nein
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein

Bezugsmöglichkeiten Italien online: inke.it

Bezugsmöglichkeiten AT, DE, CH: –

DAS WEINGUT

Antonio Meles Weingut ist eine Bar. Oder umgekehrt. Je nachdem mit welchen Intentionen man eintritt. Wir dachten, es sei eine Bar, tranken Kaffee und fragten danach nach dem Weg zum Weingut Sedilesu. Das, meinte die ältere Dame am Tresen, befinde sich schräg gegenüber, wir könnten aber, wenn wir wollten, zuerst die Weine von ihrem Sohn Antonio probieren. Der trat, wie bestellt, in diesem Moment durch die Hintertür ein und führte uns eine Minute später durch diese hinunter in einen Keller, in dem sich ein paar  Stahltanks und ein paar Holzfässer aus Eiche und Kastanie befinden. 

Darin liegt Cannonau, die große rote Sorte Mamoiadas. Seit 2017 füllt er selbst ab. Davor verkaufte er, so wie es auch schon seine Eltern und Großeltern getan hatten, seine Trauben an andere Winzer des Ortes. Ein paar Tausend Liter produzierte er allerdings auch selbst – für den Eigenbedarf, die Bar und Freunde, die mit 5-Liter Kanister bei ihm vorbeikamen und den Wein aus dem Fass zapften. Damit ist glücklicherweise auch heute nicht Schluss – ein Tank ist immer noch voll für all jene, die gerade keine Korkenzieher eingesteckt haben oder einfach nur ein paar Liter Rotwein haben wollen ohne dafür tief in die Tasche greifen zu müssen. 

Dazu gibt es aber mittlerweile auch drei Flaschenweine, die sich hinter den besten Mamoiadas nicht verstecken müssen und die er unter dem Namen „Vinera“ – dialektal für guter Wein – vermarktet. 

Sie stammen aus einem Weingarten namens „Su hastru e su orvu“ – zu deutsch „die Festung des Raben“, den er seit jeher traditionell (alberello-Erziehung) und biologisch bewirtschaftet. Vergoren wird spontan, geschönt und gefiltert wird nicht, geschwefelt minimal.

Die Weine

Vino sfuso (der Wein aus dem Tank): Total fein. Weich, rund, mit Körper und Kraft (Cannonau eben) viel Frucht und bestem Trinkfluss. Wir hatten leider keinen Kanister dabei und mussten uns deshalb mit einer 2-Liter-Plastikflasche zufrieden geben.

Vinera:  Antonios wichtigster Wein. Über 10 Monate im großen Holz und danach noch weitere 6 Monate in der Flasche gereift. Dicht und strukturiert. Hat ordentlich Power aber auch die entsprechenden Tannine, um sie zu bündeln. Tiefe dunkle Frucht. Kräuternoten, Pfeffer. Ist für sich zwar exzellent, macht aber mit Lamm, Schaf oder Pecorino noch mehr Spaß.

Vinera Riserva: 12 Monate im Tonneaux und danach nochmals 12 Monate in der Flasche. Wer Zeit und Geduld hat sollte ihm weitere 12 Monate oder mehr gönnen. Opulent und wuchtig, allerdings mit Muskeln. Der Gerbstoff packt zu und die, in Mamoiada stets präsente Säure, lenken den Wein und geben ihm Struktur. Fließt dicht, konzentriert und dunkelfruchtig über den Gaumen und hinterlässt dort eine süße Würze.

Es gibt normalerweise auch noch einen Rosato, doch war der gerade ausverkauft.

ANTONIO MELE

Via V. Emanuele II, 63, 08024 Mamoiada NU
+39 347 0559522
cantinaantoniomele@gmail.com

Cold Facts

Rebsorten: Cannonau
Rebfläche: 6 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja,
Wohnmöglichkeit: nein

DAS WEINGUT

Mamoiada ist ganz tief mit dem Namen Sedilesu verbunden. Ohne Giuseppe und Grazia, die mittlerweile fast so alt sind wie die ältesten Rebstöcke des kleinen Dorfes, wäre Mamoiada vermutlich noch immer ein gottverlassener Ort, ein wenig südlich der Provinzhauptstadt Nuoro. Doch als die beiden im Jahr 2000 anfingen, ihren Wein als erste des Dorfes in Flaschen zu füllen und auch noch erfolgreich zu verkaufen, lösten sie eine zwar langsame aber doch stetige Revolution aus, die Mamoiada heute zum Hotspot sardischer Weinkultur macht. 2001 begann auch Giampietro Puggione mit der Flaschenfüllung, 2004 Giovanni Montisci. 2015 waren es insgesamt sechs Winzer, 2020 – nach der Gründung der lokalen Winzerorganisation Mamoja – stolze 22.

Federführend in der Etablierung des Namen Sedilesu und damit auch Mamoiadas waren dann vor allem Salvatore und Francesco Sedilesu, die Söhne von Giuseppe und Rosalia, die im Weingarten an den Traditionen der Gegend festhielten, sie jedoch in offizielle Bahnen lenkte. Die 22 Hektar Weingärten – mit Abstand die meisten in Mamoiada – sind heute offiziell biozertifiziert, gearbeitet wurde allerdings von keinem Winzer des Ortes je anders: das ist nicht zwingend auf ein ausgeprägteres ethisches Bewusstsein als in anderen Regionen der Welt zurückzuführen, sondern ganz einfach auf die Tatsache, dass Pflanzenschutz aufgrund der extrem trockenen und windigen Bedingungen kaum notwendig ist.

Die Weingärten der Sedilesus liegen zwischen 600 und 850 Meter Seehöhe und sind zum größten Teil mit Cannonau bestockt. Cannonau ist das sardische Synonym für Grenache oder Garnacha und ein Relikt der Spanier, die vom früher 14. Jahrhundert hinweg Sardinien beherrschten. Seit damals dürfte sich die Sorte auch auf der Insel befinden, genug Zeit also, um sich quer durch das Land auszubreiten. In Mamoaida und speziell auch in den Weingärten der Sedilesus zeigt sie ihr ganzes Potenzial. Daneben kultiviert die Familie aber auch noch Granazza, eine autochthone weiße Sorte, die einzig und allein in der Barbagia, dem zentralen Hochland Sardiniens vorkommt. Früher versuchte man damit den Cannonau zu zähmen, heute wird sie jedoch immer öfter reinsortig und im Fall der Sedilesus auch mit längeren Schalenkontakt ausgebaut.

Im Keller des Weinguts, das sich mitten im Zentrum Mamoiadas befindet, ist in den letzten zwei Jahrzehnten einiges passiert. Was nicht bedeutet, dass die Sedilesus die ihnen zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten komplett ausnutzen. Im Gegenteil. Man genießt zwar den Umstand ausreichend Platz zu haben, vinifiziert jedoch großteils so wie es auch schon Giuseppe gemacht hat. Die Gärung startet spontan und ohne Temperaturkontrolle oder sonstige Interventionen. Je nach Weintyp gibt es unterschiedlich lange Maischestand- und Ausbauzeiten. Gereift wird größtenteils in Holz. Geschönt und gefiltert wird grundsätzlich nicht.

Die wichtigsten Weine

Granazza: Das weiße Aushängeschild der Gegend. Profitiert wie auch der Cannonau von den klimatischen Bedingungen. Ergo: tagsüber viel Sonne, kalte Nächte, viel Wind. Über 10 Monate in Zement ausgebaut. Blütenaromen, weiße Fruchtaromen, Kräuter. Nicht zu viel aber doch ausreichend Säure. 

Granazza sulle bucce (Granazza auf den Schalen): Definitiv die spannendere Variante. Vital und druckvoll. Erdig. Tiefe, reife gelbe Frucht. Intensive Blütennoten. Macht Dampf in Richtung Gaumen. Wirkt am Ende warm und doch belebend.

Perda Pintà: 100% Garnazza. Nach einer Großlage in Mamoiada benannt. Im Barrique vergoren und ausgebaut. Meist recht kompromisslos im Alkohol (2018 hatte ich eine Version – ich glaube 2014 – mit 17,3% Alk.). Für klassische Rieslingtrinker gewöhnungsbedürftig. Kräuter & Balsamnoten. Kaum Frucht. Mediterran in jeglicher Hinsicht.

Mamuthone: 100% Cannonau. Der Klassiker des Hauses.

Ballu Tundu: Damit fing im Hause Sedilesu alles an. Cannonau von 100-Jahre alten Reben. Wochenlang auf den Schalen und zwei Jahre im Fass. Opulent, dicht und warm. Unter sardischer Sonne gewachsen. Ein Wein, der zeigt, wo er herkommt. Reife, rote Frucht, süße Gewürznoten. Kraftvoll, konzentriert und ausgewogen.

Sedilesu: 100% Cannonau. Wie schon beim Ballu Tundu Trauben von sehr, sehr alten Reben. Über zwei Jahre im Holz ausgebaut. Üppig und mächtig. Dank präsenter Säure und bündelndem Tannin allerdings auch im Gleichgewicht. Kraftvoll und ausdrucksstark. Konzentrierte Frucht, mediterrane Kräuter, tiefe Würze. Lang. 

GIUSEPPE SEDILESU

Francesco & Salvatore Sedilesu
Via Vittorio Emanuele II
Mamoiada
Telefon: +39078456791
Email: ufficio.sedilesu@gmail.com
www.giuseppesedilesu.it

Cold Facts

Jahresproduktion: ca. 100000 Flaschen
Rebsorten: Cannonau, Granazza
Rebfläche: 22 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja – eigener Verkostungsraum und Shop
Wohnmöglichkeit: nein

DAS WEINGUT

Simone Sedilesu stammt aus dem Clan der Sedilesus, in Sachen Wein seit jeher Vorreiter in Mamoiada, einem kleinen Ort hoch oben in den Bergen Sardiniens, bekannt für die Vielzahl dort herumlaufender 100-jähriger, sein Maskenfest und seine fantastischen, quasi ausschließlich aus Cannonau gekelterten Rotweine. Er ist studierter Önologe, der – anders als die meisten Weinbauern Mamoiadas – sich auch im Ausland umgeschaut und in Südafrika gelernt hat „wie ich Wein nicht machen will.“

Tief mit seiner Familie und den Traditionen Mamoiadas verbunden, nutzte er 2015 die Möglichkeit 3 Hektar Weingärten samt Weinkeller von einem alten Weinbauer mit noch älteren Weinreben zu erstehen und alleine seinen Weg zu gehen.

Knapp 100 Jahre sind seine ältesten Cannonau-Rebstöcke alt, gepflanzt in sandige Böden auf ca. 750 Meter Höhe. Diese vier Komponenten – Rebsorte, Alter der Rebstöcke, der sandige Untergrund und die Höhe – sind, laut Simone, alles entscheidend für das Verständnis und die Identität mamoiadischer Weine. Cannonau, vermutlich besser bekannt als Grenache (franz.) oder Garnacha (span.) tendiert zu hohen Alkoholgradationen und das ist auch in Mamoiada nicht anders. Im Gegenteil. Nirgendwo sonst scheint die Rebsorten so viel Zucker zu akkumulieren wie dort, doch anders als beispielsweise in Chateauneuf-du-Pape oder Navarra behält sie dank der Höhenlage und den damit verbundenen kühlen Nächten auch eine puffernde Säure, die dem Wein auch bei 16% Alkohol Trinkfluss verleiht. Der sandige und staubtrockene Untergrund ist wiederum ideal für die Sorte, die über zu viel Feuchtigkeit nicht allzu glücklich ist.  Die steinalten Rebstöcke wiederum liefern eine immense Vielfalt an unterschiedlichen Cannonau-Biotypen und folglich zwar meist wenige aber dafür umso ausdrucksstärkere Trauben. All das und noch viel mehr weiß Simone natürlich, der schon als kleiner Junge mit seinem Großvater Giuseppe (dem Initiator der mamoiadischen Weinrevolution) durch die Weingärten streifte und das einst Gehörte heute mit seinem, in der Universität angesammelten wissen vereint.

Die Bewirtschaftungsart der Weingärten ist seit Kurzem offiziell biologisch, wobei es, laut Simone, in Mamoiada niemanden gab und gibt, der nicht biologisch arbeiten würde – wobei zumindest derzeit die wenigsten zertifiziert sind. Das liegt nicht an einem besonders ausgeprägten ethischen Verständnis der Bevölkerung, sondern ganz einfach daran, dass es aufgrund der Trockenheit und des stets einfallenden Maestrale kaum Rebkrankheiten gibt.  

Die handgelesenen Trauben werden im Keller spontan in Stahl- und Plastikbehältnissen vergoren und danach fast durchwegs in unterschiedlich großen Holzfässern ausgebaut.

Die Weine

Barbagia IGT: Simones Weißwein. Aus 100% Granazza. Granazza wurde früher dazu verwendet, die Kraft des Cannonau ein wenig zu zügeln. Weshalb sich auch heute noch immer wieder vereinzelt Rebstöcke in den Weingärten finden, die Simone mittlerweile separat vinifiziert. Im Stahltank ausgebaut ist er saftig, lebendig und fein-aromatisch, mit einem zupackenden Säuregerüst und einer, für sardische Verhältnisse, überraschenden Frische. 

Cannonau IGT: Die Basis. Hat für gewöhnlich weniger Alkohol als die meisten anderen Weine aus Mamoiada. Lässt sich also schon am Nachmittag trinken. Bleibt über gut zwei Wochen in Kontakt mit den Schalen und landet danach für ein Jahr in 1000 Liter fassende Tonneaux. Rote Frucht, Kräuter, Pfeffer. Erstaunlich elegant und geradlinig. 

Cannonau Riserva IGT: Stammt von 90 Jahre alten Rebstöcken eines speziellen Weingartens (Garaunele). Spontan vergoren bleibt der Wein über 30 Tage in Kontakt mit den Schalen und verschwindet danach für zwei Jahre in gebrauchten 500-Liter fassenden Holzfässern. Intensiv, kraftvoll, konzentriert. Dunkelfruchtig und würzig. Opulent, doch dank eines zupackendes Gerbstoff- und Säureprofils, ausgewogen. 

CANTINA VIKEVIKE

Simone Sedilesu
Via Marsala, 19/21,
08024 Mamoiada NU, Italia
Telefon: +39 348 229 0179
Email: cantinavikevike@gmail.com
www.vikevike.it

Cold Facts

Jahresproduktion: ca. 120000 Flaschen
Rebsorten: Cannonau, Granazza
Rebfläche: 3 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja
Pflanzenschutz: kaum Kupfer, Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein

Bezugsmöglichkeiten Italien online: inke (spezialisiert auf sardische Produkte)

Bezugsmöglichkeiten AT, DE, CH: nicht, dass ich wüsste

DAS WEINGUT

Giovanni Montisci macht ziemlich sicher den besten Cannonau Sardiniens. 

Zumindest toppt er mit seiner Barrosu Riserva Franzisca meine persönliche Rangliste. Die Reben dafür stehen in einem 0,7 Hektar großen Weingarten in Mamoiada, im Herzen der sardischen Barbagia. Sie wurden dort ungefähr 1935 ausgepflanzt, in einer Zeit also, in der die Barbagia zu den entlegensten Orten Italiens gehörte und ihre Bevölkerung vorwiegend aus Hirten und Banditen bestand. 

Ende der 1990er Jahre erbte Giovanni, der damals mit Wein nichts am Hut hatte und als Mechaniker arbeitete, die kleine, verwilderte Parzelle (und noch 1,3 Hektar mehr), die im Laufe der Zeit sein Leben verändern sollte. Begeistert von der Arbeit im Feld, setzte er den Weingarten wieder instand, hörte sich bei den alten Winzern von Mamoiada um und lernte mit deren Hilfe alles über die vitikulturellen Traditionen der Region.

Da zwei Hektar nicht allzu viel, für ihn allerdings ausreichend sind, kann er sich mit jedem Rebstock einzeln beschäftigen und auf größere Maschinen verzichten. Er macht quasi alles per Hand, für gröbere Arbeiten hat er ein Pferd. 

Seine drei Parzellen sind mittlerweile biologisch zertifiziert, wobei ihm das günstige Klima Mamoiadas zusätzlich in die Karten spielt. Peronospora, das nur mir Kupfer oder Fungiziden zu bekämpfende Damoklesschwert im kontinentalen Weinbau kommt in Mamoiada nur alle heiligen Zeiten vor – der Trockenheit und dem tagtäglich blasenden Maestrale sei Dank. 

Cannonau ist Giovannis unumschränkte Nummer eins. Er keltert daraus die bereits erwähnte Riserva, einen weiteren Wein, den vermutlich jeder andere Winzer als Riserva bezeichnen würde und einen gewichtigen rosato, der zu den besten Italiens gehört. Seit 2019 füllt er auch offiziell einen Weißwein, einen Vermentino mit dem Namen Modestu.

Im Keller setzt Giovanni die Prinzipien, die seine Weingartenarbeit bestimmen, konsequent weiter fort. Er vergärt spontan und ohne Temperaturkontrolle in offenen Gärbottichen, mazeriert für ca. 3 Wochen und lässt seine Weine dann für ein gutes Jahr und ohne weitere Eingriffe (kein Schönen, kein Filtern, kein Schwefeln) reifen.

Die Preise der Weine von Giovanni Montisci schlagen ganz ordentlich nach oben aus, doch gehören sie auch allesamt zum Besten, was man aus Sardinien trinken kann.

Barrosu Rosato: aus 100% Cannonau. Im gebrauchten Barriques über 8 Monate ausgebaut. Sprengt die Erwartungshaltungen, die man gemeinhin mit Rosé verbindet. Hat Power, Substanz, Tiefe und reife Fruchtaromen, dank der ganz speziellen klimatischen Voraussetzungen Mamoiadas  und der Höhenlage seines Weingartens aber auch Säure und Präzision. 

Barrosu: stammt von einem nicht ganz so alten Weingarten (1955 gepflanzt). Über 12 Monate im Tonneaux ausgebaut. Dicht und intensiv. Rote Frucht, Myrte und andere mediterrane Kräuter. Pfeffer. 15,5% Alkohol (der 2018er). Das tut aber nicht viel zur Sache, da die immense Power durch ordentlich Gerbstoff, vor allem aber durch vitale Säure gepuffert wird. Beeindruckend lang. 

Barrosu Riserva Franzisca: Eleganz ist keine Qualität, die man in sardischen Weinen suchen sollte. Und doch vermittelt Giovannis Riserva bei all ihrer monumentalen Kraft doch auch eine gewisse Leichtigkeit – aber vielleicht unterliege ich da auch einer Sinnestäuschung, denn letztlich sprechen 15,5% Alkohol schon eine deutliche Sprache. Wie auch immer. Aromen, Säuren, Tannine, Extrakte & co. stehen in einer perfekten Konstellation zueinander und machen den Wein zu einem, in Worten schwer zu beschreibenden, grandiosen sensorischen Ereignis.

Modestu: 100% Vermentino von einem knapp 1000 Meter hoch gelegenen Weingarten – leider, leider noch nie probiert.

GIOVANNI MONTISCI

Via Asiago, 7B
Mamoiada
Telefon: +39 328 019 3273
Email: giovanni.montisci@tiscali.it

Cold Facts

Jahresproduktion: ca. 5000 Flaschen
Rebsorten: Cannonau, Vermentino
Rebfläche: 2 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein

Bezugsquellen Italien (Online): callmewine, decanto, wineyou

Bezugsquellen (AT/DE/CH): –

DAS WEINGUT

Die Brüder Roberto und Lorenzo Pusole sind die vierte Generation des gleichnamigen Familienbetriebs, in dem zwar Wein den Ton angibt, zudem aber auch noch Schweine gezüchtet, alte Getreidesorten angebaut und Oliven geerntet und zu Öl verarbeitet werden. Eher abseits vom Schuss, an den zum Meer abfallenden Hängen von Baunei und Lotzorai  an der Ostküste Sardiniens gelegen (eine der ruhigsten und gleichzeitig schönsten Küstengegenden der Insel), kultivieren die drei Cannonau, Vermentino, Cannonau Bianco und Monica, wobei der Schwerpunkt ganz eindeutig auf den beiden erstgenannten Sorten liegt. 

Die Bewirtschaftung ist im besten Sinne traditionell und baut grundsätzlich auf den Ideen die schon die Eltern- und Großeltern in die Praxis umsetzten. In wenigen Worten bedeutet das, dass die Weingärten niemals Herbizide, Pestizide und Fungizide gesehen haben und auch nicht bewässert werden, was vor allem dem hohen Alter der meisten Rebstöcke geschuldet ist, deren Wurzeln das Wasser aus der Tiefe aufsaugen und generell mit wenig Feuchtigkeit auskommen. Eine Konsequenz daraus ist auch ein verhältnismäßig niedriger Ertrag pro Rebstock, der oft weniger als 1 Kilo und selten mehr als 1,5 Kilo pro Rebstock ausmacht.

Anstatt selbst zu mähen, überlassen die beiden das Gras zwischen ihren Rebstöcken den Hirten und ihren Schafen, die im Frühling noch immer zu Tausenden durch das Land ziehen. 

Geologie wie auch Klima sind in dieser Zone der Insel, der sogenannten Ogliastra, äußerst heterogen. Das hat seinen Grund vor allem in der extrem steilen Topographie der Gegend, wo zwischen (tatsächlich türkisem) Meer und 1000 Meter hohen Gipfeln nur wenige Kilometer Luftlinie liegen. Weingärten befinden sich unten wie oben, auf Sand, Ton, Granit oder Schiefer, gelegentlich beeinflusst vom Meer, gelegentlich aber auch von Luftmassen, die von den Bergen herabströmen. Die Vielfalt an Einflüssen vermitteln Roberto und Lorenzo in einem halben Dutzend Weinen. Vergoren wird spontan (pied de cuve) und ohne Temperaturkontrolle, wobei die Schalen – egal, ob weiß oder rot – grundsätzlich für einige Tage in Kontakt mit dem Most bleiben. Ausgebaut wird je nach Stilistik in unterschiedlichen Gebinden. Die Weine werden weder geschönt noch gefiltert. 

Pusole gehört definitiv zu den besten Weingütern der Insel. Wer Cannonau in unterschiedlichen Schattierungen kennenlernen will, ist mit ihren Weinen bestens bedient. Dank einer traditionell nachhaltigen Bewirtschaftung und intelligenter Vinifikation haben alle Weine Charakter und Tiefe. 

Die Weine

Pusole Rosso: Einstiegscannonau. Stammt von diversen Weingärten rund Lotzorai. Wird im Stahltank ausgebaut. Ist mit nur 14% Alkohol relativ zahm für einen sardischen Cannonau und wirkt auch erstaunlich frisch. Hat rote Früchte und getrocknete Kräuter im Aromatalon, ist lang und ausgewogen. (online ca. € 12 bei decanto.it, callmewine.it, wineyou.it, enoteca galli)

Ogliastra Bianco: Die weiße Antwort. Zu 100% aus Vermentino. Von jungen Rebstöcken, die großteils in Granit wurzeln. Kurz mazeriert. Ausbau im Edelstahl. Einladend, sympathisch, angenehm. Trocken, weiße Fruchtaromen, Kräuter. Weiche Textur. Guter Grip. 

Karamare: Der zweite Weißwein der Pusoles. Gewichtiger und profunder. Aus Cannonau Bianco, einer Kreuzung aus Galoppo und Cannonau. Länger auf der Maische als der Ogliastra Bianco. Salz und Sonne. Kraftvoll, dicht, intensiv, lang. Ausgewogen und druckvoll. Einer der besten Weißweine der Insel.

Casesparse: Cannonau mit einem mikroskopischem Anteil Monica. Im Stahltank ausgebaut. Intensiv fruchtig. Hat trotz seiner Kraft eine Menge Trinkfluss in sich. Harmonisch. Mit bestens integrierten Tanninen. Bleibt haften. Sehr gut.

Saccarè: Cannonaumonumenta aus einer Einzellage. Steinalte Rebstöcke. Einer der Meilensteine sardischer Rotweinkunst. Ein Jahr in gebrauchtem Holz gereift. Potent und nachhaltig. Nichts für einen Kindergeburtstag. Intensiv und druckvoll. Tiefe Frucht- und Kräuternoten. Pfeffer. Lang und langlebig.

PUSOLE

Località Perda e Cuba
Viua Monte Oro 13
Telefon: + 39 333 404 7219
Email: roberto.pusole@gmail.com

Cold Facts

Jahresproduktion: ca.25000 Flaschen
Rebsorten: Cannonau, Cannonau Bianco, Monica, Vermentino
Rebfläche: 8 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein

Bezugsquellen Italien online: decanto.it, wineyou.it, dolce-vite.com, enoteca galli;

Bezugsquellen (AT, DE, CH): –

Sardinien, meinen die Sarden, sei ein Kontinent für sich. Das mag für all jene, die vom Festland rüber auf die 24000 qkm große Insel schauen, maßlos übertrieben klingen, ist man allerdings erstmal dort, kann man dieser Einschätzung allerdings einiges abgewinnen. Vermutlich war diese Wahrnehmung vor ein paar Jahrzehnten (und Jahrhunderten sowieso) noch wesentlich ausgeprägter, als man sich, fernab vom Festland und vom Fernseher, zumindest in weiten Teilen des Landes auf sardisch unterhielt und ansonsten in Dialekten, die oft mehr französische als italienische Anklänge hatten.

Die geographische Sonderstellung mitten im Mittelmeer und die topographische Konstellation der Insel sorgten jedenfalls dafür, dass es in vielen Teilen der Insel Einflüsse von außen nur selten gab. Setzte sich jedoch irgendwann ein Habitus durch, dann blieb er auch, wurde weiter kultiviert und irgendwann auch Bestandteil sardischer Identität. Kulinarisch spiegelt sich das in einer völlig eigenständigen Esskultur wider, die zwar gelegentliche Überschneidungen mit der italienischen Küche aufweist, meist jedoch ganz eigene Wege eingeschlagen hat (wer wissen will, was es mit Casu marzu, Bottarga, Fregula, Casizol oder Su porceddu auf sich hat, dem sei die exzellente deutschsprachige Seite: www.sardinien-auf-den-tisch.eu empfohlen: HP weiß wirklich, was in Sardinien vor sich geht und vor sich gegangen ist). Vitikulturell sieht das nicht anders aus.

Seit gut 3000 Jahren wird auf Sardinien Wein gekeltert, länger als irgendwo sonst im heutigen Italien. Verantwortlich dafür dürften zuallererst die Phönizier gewesen sein, die nicht nur Cagliari gründeten, sondern auch ein paar Rebstöcke in die Böden der Insel setzten. Sollte es sich dabei tatsächlich um Nuragus und Malvasia gehandelt haben – wie nicht nur eingefleischte Sarden, sondern auch seriöse Ampelographen behaupten –  wären die beiden auch heute noch gerne kultivierte Sorten, die mitunter ältesten der Welt. Etrusker, Punier, Römer, Byzantiner, Araber und Spanier machten damit weiter und sorgten zudem auch immer wieder für neue Anpflanzungen. Auf das Konto der Spanier geht beispielsweise Monica, lokal auch Mora di Spagna genannt, die heute in Punkto Quantität drittwichtigste Sorte der Insel, vor allem aber Cannonau, international besser bekannt unter den Namen Grenache oder Garnacha. Cannonau dürfte im Zuge der Eroberung Algheros 1354 durch Peter IV von Aragon nach Sardinien gebracht worden sein. Im Laufe der Jahrhunderte hat sie dann langsam ihren Siegeszug über die gesamte Insel angetreten; 7700 Hektar Rebfläche legen davon Zeugnis ab.

Auch wenn der Weinbau auf Sardinien aufgrund der meist sandigen Böden und der oft chronischer Trockenheit nie einfach gewesen sein dürfte, gab es abgesehen vom frühen Mittelalter keine Phase in der steinalten Geschichte der Insel, in der Wein nicht eine eminente Rolle gespielt hätte. Das führte neben einer beeindruckenden Bandbreite autochthoner und bis heute angebauter Reben (Pascale, Bovale, Torbato, Nieddera, Cagnulari, Barbera sarda, Girò, Nasco, Granazza – ganz fantastisch ist Giuseppe Sedilesus Perda Pintà, ein 16,5%es Weißweinkoloss, das trotz des atemberaubenden Alkohols unfassbarerweise Spaß macht und sogar Trinkfluss hat – Muristellu, Semidano…) auch zur Etablierung eigener Erziehungssysteme und Weinstilistiken. Vernaccia di Oristano beispielsweise ist ein unter Florhefe reifender sherryähnlicher Wein, dem allerdings kein Alkohol beigesetzt wird und der klassisch oxidative Noten (Mandeln, Trockenfrüchte) mit etwas Restsüße kombiniert. Malvasia di Bosa wird ebenfalls seit Jahrhunderten gekeltert, wobei man sich bei seiner Produktion seit jeher alle stilistische Optionen offen gelassen hat. Das hat dazu geführt, dass jeder Winzer seine eigene Herangehensweise hat  – mit dem einzigen gemeinsamen Nenner, dass Malvasia di Bosa immer süß ist. Den besten keltert übrigens Giovanni Battista Columbu, dem Jonathan Nossiter in seinem Film Mondovino ein kleines Denkmal gesetzt hat und von dem man in Sardinien sagt, dass er, der neben seiner Tätigkeit als Winzer auch für den Partito sardo d’Azione arbeitete, der einzige sardische Politiker war, der nach seiner politischen Karriere noch im selben Haus wohnte wie davor.

Auch wenn rote Sorten in Sardinien mit 69% Rebfläche ganz klar den Ton angeben, ist es doch dem weißen Vermentino di Gallura vorbehalten, als einzigem Wein DOCG-Status zu genießen. Wie auch in anderen Regionen Italiens ist das nur bedingt nachvollziehbar. Zum einen, weil es zumindest meiner Ansicht nach keine wirklich herausragenden Beispiele dafür gibt (wobei ich gestehe, dass ich auch nicht alle relevanten Vermentinos aus der Gallura kenne. Der beste der Insel findet sich übrigens nicht in der Gallura, sondern ganz im Süden, in Villasimius, gekeltert von Meigamma), zum anderen, weil es Regionen gibt, die es sich ebenfalls (oder eben mehr) verdient hätten.

Allen voran die Cannonau-Hochburgen rund um Mamoiada, einem kleinen, auf 650 Metern gelegenem Ort, in dem zwar extrem alkoholische aber eben auch strukturierte, komplexe und ausbalancierte Weine gekeltert werden. Diese Balance zwischen immensem Alkohol und erstaunlichem Trinkfluss, die nicht nur in Mamaoiada sondern auf der ganzen Insel ein einigender Nenner zu sein scheint, hat mehrere Gründe: zum einen verweist man gerne auf die unzähligen alten Rebstöcke, die an die Trockenheit gewöhnt sind, tief wurzeln, für eine ausreichende Nährstoffversorgung und folglich auch für Gleichgewicht sorgen. In vielen Regionen – unter anderem rund um Mamoiada – findet man zudem Weingärten auf 700 Metern und mehr, was zu ordentlichen Tag-Nacht-Unterschieden und weiterführend zu kühl strukturierten Weinen führt. Ein dritter und ebenfalls wesentlicher Faktor ist der Wind – der bläst Tag und Nacht über die Insel und tut das seine, um den Weinen eine erstaunliche Lebendigkeit einzuhauchen.

Wind sollte im Verbund mit der Trockenheit eigentlich auch Anreiz für nachhaltigen Weinbau sein und davon spürt man in letzter Zeit immer mehr. Immer mehr Winzer verschreiben sich biologischer Bewirtschaftung, allen voran in Mamoiada, wo angeblich niemand mehr zu Pestiziden und Fungiziden greift. Weder Giovanni Montisci und Giuseppe Sedilesu, die beiden nicht zu Unrecht bekanntesten Winzer des Ortes, sondern auch Giampietro PuggioniGiampaolo Paddeu, die Cantina Vikevike und die Cantina Canneddu oder Antonio Mele.

Aber auch im Nordwesten und im Süden der Insel trifft man auf Winzer, mit denen man sich genauer beschäftigen sollte. Unter den Radikalen Sardiniens bzw. denjenigen, die im Weingarten auf Kultur statt auf Chemie und im Keller auf Handwerk statt auf Hochtechnologie setzen, gehört die Tenuta Dettori völlig zurecht zu den bekanntesten. Ihre Weine sind komplex und kompromisslos, getreue Abbilder ihrer natürlichen Voraussetzungen und ihrer Sorte. Dieselbe Herangehensweise verfolgt 80 Kilometer nördlich von Cagliari, in Nurri, Gianfranco Manca von Panevino, der wuchtige und oft wilde Weine keltert oder Enrico Esu in Sulcis, dem alten Kohlerevier der Insel, der ungemein kraftvolle und langlebige Weine aus Carignano fabriziert – extreme aber lohnenswerte Gegenentwürfe zu den Weinen vieler Winzer und Genossenschaften, die zwar auf autochthone Sorten setzen, diesen jedoch durch konventionelle Methoden im Weingarten und einem übertechnisierten Ansatz im Keller Charakter und Originalität rauben.

Der Südwesten Sardiniens ist Kohlerevier. Die Gegend heißt Carbonia, womit eigentlich schon alles gesagt ist. Enrico Esus Vater kann ein Lied davon singen. 1953, gerade 18 Jahre alte geworden, steigt er zum ersten Mal in die Dunkelheit hinunter. 5 Jahre später wird die Mine in Cortoghiana, in der er arbeitet, geschlossen und er zieht nach Seruci weiter, wo es ebenfalls eine Mine gibt. Er beschließt zu bleiben und erwirbt Land, in das er noch im gleichen Jahr Reben setzt: Carignano oder – wie man früher sagte – S’axina di Spagna, eine Referenz an die spanische Herkunft der Sorte (die Spanier machten sich ab dem 13. Jahrhundert in Sardinien breit und brachten neben Carignano auch noch Cannonau – Garnacha – nach Sardinien, die nach wie vor wichtigste Sorte der Insel) und Monica (10%). Er betreibt Weinbau im Nebenerwerb, bewirtschaftet die Weingärten, wann immer er Zeit hat und liefert die Trauben bei der Genossenschaft in Santadi ab.

Wurzelechte Reben

Das ändert sich erst 2013, als Enrico das Ruder in die Hand nimmt und anfängt erste Chargen selbst zu vinifizieren. Und er tut gut daran. Denn die natürlichen Voraussetzungen, die sich den Trauben bieten, sind zu außergewöhnlich, um sie in eine x-beliebige Genossenschaftscuvée einfließen zu lassen. Die heute 70-jährigen Rebstöcke wurzeln in Sand und folglich in einem Material, in dem Rebläuse nicht überleben können. Niemals auf Unterlagsreben gepfropft, macht es sie zu seltenen Vertretern wurzelechter Rebstöcke. Im Alberello erzogen – um der Hitze und dem Wind besser standzuhalten – und selbst vermehrt (aus dem um 1900 angelegten Weingarten seines Urgroßonkels Deidda), sind sie repräsentative Zeugen einer jahrhundertealten Weinbautradition. Und da sich Enrico der kulturelle Bedeutung seiner Reben bewusst ist, pflegt er sie entsprechend weiter und arbeitet auch im Keller mit spartanischen Mitteln (er hat daneben mittlerweile einen neuen Weingarten ausgesetzt, der ihm in Zukunft mehr Optionen geben wird).

Sieht man vom Ausbau in den Stahltanks ab, dürfte sich seine Art der Vinifikation kaum von der seiner Vorläufer unterscheiden. Die Gärung startet spontan, gepresst wird im Torchio, einer alten Spindelpresse, geschönt und gefiltert wird nicht.

Das Resultat ist vorerst ein Wein, der Nerominiera, zu dem sich in naher Zukunft noch eine Reserve gesellen wird. Dunkel wie Kohle, würzig, erdig und intensiv, braucht man darin Eleganz nicht lange zu suchen. Der Nerominiera ist – unter sardischer Sonne gewachsen – opulent, saftig und kraftvoll.

ps: Enrico hat mir gerade mitgeteilt, dass es nun auch einen zweiten, ebenfalls aus Carignano gekelterten Wein gibt – den Se Ruci Miniera, über den hier hoffentlich in nächster Zukunft erzählt werden wird.

Adresse

Enrico Esu
Via Vasco da Gama 64
Carbonia
Tel: +39 3478256871
enricoesu@alice.it
www.nerominiera.it

Weine

Nero Miniera
Se Ruci Miniera

Die Preis liegt bei € 18,50 (www.inke.it), zzgl. Versandkosten

Cold facts

Jahresproduktion: derzeit ca.5000 Flaschen
Rebsorten: Carignano, Monica
Rebfläche: 10 ha
Manuelle Lese: ja
Pflanzenschutz: Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Giuseppe Sedilesu und sein Mamuthone 

Mamoiada liegt in der Barbagia, dem alten Banditenland Sardiniens.  In der Zwischenzeit haben Touristen ihren Platz eingenommen, was nicht bedeutet, dass es nicht auch noch Menschen und Phänomene gibt, die sich der Moderne verweigern. Die Hirten beispielsweise, die weiterhin ihre Schafe über die Macchia treiben. Und auch die Weinbauern, die sich trotz der üblichen Avancen der Agroindustrie keinen Giftschrank eingerichtet haben. 

Das ist vermutlich weniger einem heroischen ökologischen Bewusstsein geschuldet, sondern der Tatsache, dass es einfach keine Grund gibt, viel zu spritzen. Die natürlichen Voraussetzungen sind derart perfekt, dass nicht einmal die Notwendigkeit besteht, Kupfer gegen Peronospora auszubringen. Von April bis Oktober regnet es quasi nie und wenn es doch einmal passiert, trocknet ihn der vom Gebirge runterpfeifende Wind sofort wieder auf. 

Mamoiada ist folglich das einzige Dorf in Italien (und in der Welt?), das seine (immerhin 300 ha) Weingärten komplett biologisch bewirtschaftet, auch wenn maximal 25% der Winzer entsprechend zertifiziert sind. Marketingmäßig ausgeschlachtet wurde das bisher genauso wenig, wie die Tatsache, dass die Reblaus nie in die Weingärten Mamoiadas eingeschleppt wurde und folglich ein nicht unbedeutender Teil der Reben zum einen älter als 100 Jahre ist, zum anderen noch immer unveredelt in der Erde steht. 

Die große Rebsorte der Mamoiada ist Cannonau und die ersten, die die daraus gekelterten Weine auch über die Regionsgrenzen hinaus verkauften, waren vor mittlerweile gut zwei Jahrzehnten Giuseppe Sedilesu und seine mittlerweile das Weingut leitende Kinder. Sie begannen im Jahr 2000 als erste Familie in Mamoiada ihre Weine in Flaschen zu füllen (bis vor 5 Jahren gab es ganze drei Weingüter, die nicht nur Fasswein verkauften, mittlerweile ist es ein gutes Dutzend). 

Einer der Meilensteine Sedilesus und auch der erste Cannonau, den ich jemals probierte (Prowein 2007) ist der Mamuthone. Seine Trauben stammen von unterschiedlichsten Weingärten rund um Mamoiada und werden für gewöhnlich Anfang Oktober unter der nicht mehr ganz so heißen Herbstsonne gelesen. Er wird für 12-15 Tage auf der Maische belassen, danach sanft abgepresst und in großen Holzfässern über ein Jahr gereift, ehe er ungefiltert und mit einer kleinen Menge SO2 versehen gefüllt wird.

Stil

Cannonau aus Mamoiada ist, wenn es um den Alkohol geht, eine zutiefst seriöse Angelegenheit. Unter 15 % Alkohol gibt es so gut wie keinen Wein, was ganz einfach damit zu tun hat, dass es in Mamoiada ab Mai tagsüber eigentlich immer heiß ist und Cannonau die Fähigkeit hat, Zucker entsprechend einzulagern. Macht man sich also über eine Flasche her, sollte man das möglichst nicht alleine tun. Dass das dann trotzdem großen Spaß machen kann, liegt daran, dass die Weingärten alle zwischen 500 und 800 Meter hoch liegen, die Nächte also frisch sind und Raum für kühle Noten und Säure im Wein lassen. Der Mamuthone ist also dicht, stoffig und intensiv. Die Frucht ist dunkel, mit süßen Gewürzen im Hintergrund, der Körper kraftvollund strukturiert, das Finish warm und weich. 

Daten & Fakten

Rebsorte: Cannonau Reberziehung: Alberello Ertrag: 5000 kg/ha Säure: 5,5 g/l Lese: Oktober Vergärung: spontan Ausbau: 12 Monate in 4000 l großen Holzfässern Filterung: nein Schwefel: < 50mg/l Alkohol: 14,5%

Weitere Weine im durchwegs exzellenten Sortiment von Sedilesu sind die ausnahmslos auf Cannonau basierenden S’annada, Ballu Tundu, Gràssia und Carnevale und der mächtige, weiße aus Granaccia fabrizierte Perda Pinta (der jedem Trend hin zur Eleganz mit Gradationen bis zu 17% natürlichem Alkohol komplett zuwiderläuft – schmeckt trotzdem super). 

Maurizio Altea und Adele Illotto sind die beiden Köpfe hinter dem nach ihnen benannten Weingut in Serdiana (IGT Sibiola), 20 Kilometer nördlich von Cagliari. Beide sind diplomierte Landwirte und professionelle Verkoster, die ihrer Begeisterung für die Sensorik ab 1992 auch noch die vitikulturelle Praxis folgen ließen. Wurde anfangs lediglich für den Hausgebrauch produziert, füllten die beiden ab dem Jahr 2000 in Flaschen ab und nachdem Adele 2004 ihre Ausbildung in Weinbau und Önologie abgeschlossen hatte, wurde es richtig ernst.

ZWISCHEN WILDEM FENCHEL UND WERMUT

Insgesamt 5 Hektar Rebfläche gehören den beiden heute, hinzu kommen noch 2 Hektar Olivenhaine in Seneghe nahe Oristano. Umzingelt sind die Reben von Hecken aus wildem Fenchel und Wermut, hinter denen sich eine Flora aus Myrten und wilden Pistazien, Korkeichen und Wacholder auftut. Das Land ist sanft gewellt, die Böden bestehen vorwiegend aus tiefen schichten Kalkmergel. Gewirtschaftet wird seit jeher biologisch, wobei man darauf Acht gibt, möglichst wenig Kupfer zu verwenden (was, angesichts der extrem trockenen Bedingungen auf Sardinien zugegebenermaßen einfacher ist, als beispielsweise in Rheinhessen).

Serdiana ist – wie auch der große Rest Sardiniens – steinaltes Rebland, dessen Traditionen sich auch im Sortenspiegel und in den Erziehungssystemen (alberello) von Altea Illotto wiederfindet: Nuragus, Nasco, Moscato, Monica, Carignano, Muristellu führen tief in die vitikulturelle Geschichte Sardiniens zurück und auch Vermentino und Cannonau gibt es auf der Insel seit gut 700 Jahren. Der Ertrag ist sowohl bei Weiß,- wie auch bei Rotweinen niedrig, was  vor allem damit zu tun hat, dass man kaum düngt und nicht bewässert.

DIE WEINE

Nachdem beide (wie auch ich) davon überzeugt sind, dass Hefen eine elementare Rolle in der Repräsentation von Terroir spielen, verzichtet man auf Reinzuchthefen und vergärt spontan. Ausgebaut wird ausnahmslos in Stahl, geschönt und gefiltert wird bei keinem Wein, während sich der Gesamtschwefel meist bei ca. 40g/l befindet.

Der Schwerpunkt von Altea Illotto liegt auf den Weißweinen, in denen man salzig, mandelig, kräuterig und warm die Insel schmeckt. Vor allem im Bianco, der fast zur Gänze aus Nasco gekeltert wird und warm und weich den Prolog für den Papilio gibt, in dem – dicht, kraftvoll und fordernd – Nuragus die Hauptrolle spielt (assistiert von Vermentino & Nasco). Der Altea rosso ist eine Cuvèe aus den oben erwähnten alten autochthonen Sorten der Insel und ein fantastisches Beispiel dafür, dass auch warme und alkoholreiche Weine Balance, Vitalität und Trinkfluss haben können.

Via Don Minzoni, 12 – 09040 Serdiana (CA) Sardegna – Italia
Tel/Fax 0783 70306 – Cell. 339 6773628 – 339 1260519 | Skype: maurizio.altea – Skype: adele.illotto | Mail: info@alteaillotto.it |  www.alteaillotto.it

WEINE

Altea bianco (Nasco (80%), Vermentino, Nuragus)
Papilio (Nuragus (90%), Vermentino, Nasco)
Altea rosso (Cannonau, Monica, Carignano, Muristellu)
In fundo (süß – Moscato)

Die Weine kosten ab Hof zwischen 10 und 15 Euro. Im deutschsprachigen Raum sind sie derzeit nicht erhältlich.

Besuche am Weingut sind nach Voranmeldung jederzeit möglich. Beim Kauf von zwei Flaschen Wein (p.P) ist die Verkostung gratis.

Gemeinde: Serdiana(CA)
Rebfläche: 5 ha
Boden: marne calcaree
Höhe: 150 m
Rebsorten: Nasco, Nuragus, Vermentino,  Cannonau, Carignano, Monica, Muristellu
Reberziehungssysteme: alberello, guyot
Pflanzdichte: 4000 Stöcke/ha
Behandlungen: Kupfer und Schwefel
Dünger: Gründüngung
Art der Lese: Handlese
Zertifizierung: biologisch (ICEA)

Sardinien, meinen die Sarden, sei ein Kontinent für sich. Das mag für all jene, die vom Festland rüber auf die 24000 qkm große Insel schauen, maßlos übertrieben klingen, ist man allerdings erstmal dort, kann man dieser Einschätzung allerdings einiges abgewinnen. Vermutlich war diese Wahrnehmung vor ein paar Jahrzehnten (und Jahrhunderten sowieso) noch wesentlich ausgeprägter, als man sich, fernab vom Festland und vom Fernseher, zumindest in weiten Teilen des Landes auf sardisch unterhielt und ansonsten in Dialekten, die oft mehr französische als italienische Anklänge hatten.

Die geographische Sonderstellung mitten im Mittelmeer und die topographische Konstellation der Insel sorgten jedenfalls dafür, dass es in vielen Teilen der Insel Einflüsse von außen nur selten gab. Setzte sich jedoch irgendwann ein Habitus durch, dann blieb er auch, wurde weiter kultiviert und irgendwann auch Bestandteil sardischer Identität. Kulinarisch spiegelt sich das in einer völlig eigenständigen Esskultur wider, die zwar gelegentliche Überschneidungen mit der italienischen Küche aufweist, meist jedoch ganz eigene Wege eingeschlagen hat (wer wissen will, was es mit Casu marzu, Bottarga, Fregula, Casizol oder Su porceddu auf sich hat, dem sei die exzellente deutschsprachige Seite: www.sardinien-auf-den-tisch.eu empfohlen: HP weiß wirklich, was in Sardinien vor sich geht und vor sich gegangen ist). Vitikulturell sieht das nicht anders aus.

Seit gut 3000 Jahren wird auf Sardinien Wein gekeltert, länger als irgendwo sonst im heutigen Italien. Verantwortlich dafür dürften zuallererst die Phönizier gewesen sein, die nicht nur Cagliari gründeten, sondern auch ein paar Rebstöcke in die Böden der Insel setzten. Sollte es sich dabei tatsächlich um Nuragus und Malvasia gehandelt haben – wie nicht nur eingefleischte Sarden, sondern auch seriöse Ampelographen behaupten –  wären die beiden auch heute noch gerne kultivierte Sorten, die mitunter ältesten der Welt. Etrusker, Punier, Römer, Byzantiner, Araber und Spanier machten damit weiter und sorgten zudem auch immer wieder für neue Anpflanzungen. Auf das Konto der Spanier geht beispielsweise Monica, lokal auch Mora di Spagna genannt, die heute in Punkto Quantität drittwichtigste Sorte der Insel, vor allem aber Cannonau, international besser bekannt unter den Namen Grenache oder Garnacha. Cannonau dürfte im Zuge der Eroberung Algheros 1354 durch Peter IV von Aragon nach Sardinien gebracht worden sein. Im Laufe der Jahrhunderte hat sie dann langsam ihren Siegeszug über die gesamte Insel angetreten; 7700 Hektar Rebfläche legen davon Zeugnis ab.

Auch wenn der Weinbau auf Sardinien aufgrund der meist sandigen Böden und der oft chronischer Trockenheit nie einfach gewesen sein dürfte, gab es abgesehen vom frühen Mittelalter keine Phase in der steinalten Geschichte der Insel, in der Wein nicht eine eminente Rolle gespielt hätte. Das führte neben einer beeindruckenden Bandbreite autochthoner und bis heute angebauter Reben (Pascale, Bovale, Torbato, Nieddera, Cagnulari, Barbera sarda, Girò, Nasco, Granazza – ganz fantastisch ist Giuseppe Sedilesus Perda Pintà, ein 16,5%es Weißweinkoloss, das trotz des atemberaubenden Alkohols unfassbarerweise Spaß macht und sogar Trinkfluss hat – Muristellu, Semidano…) auch zur Etablierung eigener Erziehungssysteme und Weinstilistiken. Vernaccia di Oristano beispielsweise ist ein unter Florhefe reifender sherryähnlicher Wein, dem allerdings kein Alkohol beigesetzt wird und der klassisch oxidative Noten (Mandeln, Trockenfrüchte) mit etwas Restsüße kombiniert. Malvasia di Bosa wird ebenfalls seit Jahrhunderten gekeltert, wobei man sich bei seiner Produktion seit jeher alle stilistische Optionen offen gelassen hat. Das hat dazu geführt, dass jeder Winzer seine eigene Herangehensweise hat  – mit dem einzigen gemeinsamen Nenner, dass Malvasia di Bosa immer süß ist. Den besten keltert übrigens Giovanni Battista Columbu, dem Jonathan Nossiter in seinem Film Mondovino ein kleines Denkmal gesetzt hat und von dem man in Sardinien sagt, dass er, der neben seiner Tätigkeit als Winzer auch für den Partito sardo d’Azione arbeitete, der einzige sardische Politiker war, der nach seiner politischen Karriere noch im selben Haus wohnte wie davor.

Auch wenn rote Sorten in Sardinien mit 69% Rebfläche ganz klar den Ton angeben, ist es doch dem weißen Vermentino di Gallura vorbehalten, als einzigem Wein DOCG-Status zu genießen. Wie auch in anderen Regionen Italiens ist das nur bedingt nachvollziehbar. Zum einen, weil es zumindest meiner Ansicht nach keine wirklich herausragenden Beispiele dafür gibt (wobei ich gestehe, dass ich auch nicht alle relevanten Vermentini kenne), zum anderen, weil es Regionen gibt, die es sich ebenfalls (oder eben mehr) verdient hätten.

Allen voran die Cannonau-Hochburgen rund um Mamoiada, einem kleinen, auf 650 Metern gelegenem Ort, in dem zwar extrem alkoholische aber eben auch strukturierte, komplexe und ausbalancierte Weine gekeltert werden. Diese Balance zwischen immensem Alkohol und erstaunlichem Trinkfluss, die nicht nur in Mamaoiada sondern auf der ganzen Insel ein einigender Nenner zu sein scheint, hat mehrere Gründe: zum einen verweist man gerne auf die unzähligen alten Rebstöcke, die an die Trockenheit gewöhnt sind, tief wurzeln, für eine ausreichende Nährstoffversorgung und folglich auch für Gleichgewicht sorgen. In vielen Regionen – unter anderem rund um Mamoiada – findet man zudem Weingärten auf 700 Metern und mehr, was zu ordentlichen Tag-Nacht-Unterschieden und weiterführend zu kühl strukturierten Weinen führt. Ein dritter und ebenfalls wesentlicher Faktor ist der Wind – der bläst Tag und Nacht über die Insel und tut das seine, um den Weinen eine erstaunliche Leichigkeit einzuhauchen.

Wind sollte im Verbund mit der Trockenheit eigentlich auch Anreiz für nachhaltigen Weinbau sein, doch davon spürt man, zumindest zurzeit noch, sehr wenig. Gerade einmal ein knappes Dutzend Winzer hat sich biologischer Bewirtschaftung verschrieben, wobei sich auch in Mamoiada zwei exzellente Beispiele dafür finden. Giovanni Montisci und Giuseppe Sedilesu setzen nicht nur auf pestizidfreien Weinbau, sie arbeiten auch im Keller entsprechend weiter und machen beide eine Palette an exzellenten Weinen – in ihrem Schatten keltern zudem Giampietro Puggioni und Giampaolo Paddeu erstklassige Cannonau.

Aber auch im Nordwesten und im Süden der Insel trifft man auf Winzer, mit denen man sich genauer beschäftigen sollte. Unter den Radikalen Sardiniens bzw. den wenigen, die im Weingarten auf Kultur statt auf Chemie und im Keller auf Handwerk statt auf Hochtechnologie setzen, gehört die Tenuta Dettori völlig zurecht zu den bekanntesten. Ihre Weine sind komplex und kompromisslos, getreue Abbilder ihrer natürlichen Voraussetzungen und ihrer Sorte. Dieselbe Herangehensweise verfolgt 80 Kilometer nördlich von Cagliari, in Nurri, Gianfranco Manca von Panevino, der wuchtige und oft wilde Weine keltert – extreme aber lohnenswerte Gegenentwürfe zu den Weinen vieler Winzer und Genossenschaften, die zwar auf autochthone Sorten setzen, diesen jedoch durch konventionelle Methoden im Weingarten und einem übertechnisierten Ansatz im Keller Charakter und Originalität rauben.

LINKS

www.sardinien-auf-den-tisch.eu: HP Bröckerhoffs erstklassiger Blog über die kulinarische Seite Sardiniens (deutsch)

WINZER

Tenuta Dettori
Panevino
Giuseppe Sedilesu
Giovanni Montisci
Giovanni Battista Colombu
Paddeu
Giampietro Puggioni
Altea Illotto
Cantina Gostolai
Giuseppe Pusceddu
Pusole
Tanca Gioia

EIN PAAR EMPFEHLUNGEN

Weiß 

Sedilesu: Perda Pintà (Granazza)
Dettori: Dettori bianco (Vermentino)
Panevino: Cacadie (NURAGUS – SEMIDANO – VERMENTINO – VERNACCIA – MALVASIA – NASCO – TZAKKARREDDA)
Panevino: Alvas (Retallada, Vernaccia, Nuragus, Seminano, Vermentino, Malvasia, Nasce)
Altea Illotto: Papilio (Nuragus (90%), Vermentino, Nasce)
Orro: Vernaccia di Oristano
Columbu: Malvasia di Bosa Alvarega

Rot

Sedilesu: Mamuthone (Cannonau)
Sedilesu: S’Annada (Cannonau)
Dettori: Tenores (Retagliadu Nieddu – Cannonau storico)
Dettori: Chimbanta (Monica)
Dettori: Ottomarzo (Pascale)
Montisci: Cannonau Riserva Barrosu
Montisci: Cannonau Riserva Franzisca
Paddeu: Mineddu (Cannonau)
Panevino: Pikadè (Monica-Carignano)
Panevino: Boxi e Croxiu (Monica-Carignano)
Puggione: Mamuthone (Cannonau)
Gostolai: Nepente Riserva d’Annunzio (Cannonau)
Pusceddu: Meigamma Primo (Muristellu 90%, CS 10%)
Pusceddu: Meigamma secondo (Cannonau)
Pusceddu: Meigamma Terzo (Carignano)
Pusole: Cannonau di Sardegna

Sardische Rebsorten

Sardinien verfügt über ein immenses Repertoire an tridtionellen und autochthonen Rebsorten. Im deutschsprachigen Raum hat man es meistens mit Cannonau zu tun, wer allerdings auf der Insel sollte sich auch durch den Rest, allen voran Carignano, Bovale und Monica, probieren.

Rote Sorten

Cannonau
Monica
Pascale
Bovale
Carignano
Barbera sarda
Nieddera
Girò
Cagnaluri
Muristellu
Caddiu
Caricagiola

Weiße Sorten

Vermentino
Nuragus
Vernaccia di Oristano
Malvasia
Semidano
Granazza
Torbato
Nasco
Tzakkarredda
Retallada
Albaranzeuli
Arvesinadu
Alvarega

 

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