EzioTrinchero.350w_263hAuch wenn Barbera die Nummer eins im Rebsortenaufgebot von Ezio Trinchero ist, lohnt es sich mit einem anderen Wein anzufangen. Der Freisa Runchet ist strukturiert, saftig, floral, vereint Kraft und Lebendigkeit und lässt am Gaumen nicht zu knapp rote, frische Fruchtnoten zum Zug kommen. Die Freisa ist eine jener Sorte, die kaum bekannt, fähig ist, die Basis für ganz fantastische Weine zu liefern. Ihre genetische Verwandtschaft zum Nebbiolo sollte Grund genug sein, sie beizeiten mal auszuprobieren.
Vergoren wird (wie bei allen seinen Weinen und jedem Wein, die hier besprochen werden) spontan, die Mazerationszeiten sind zwar von Jahr zu Jahr unterschiedlich lang, allerdings selten unter 30 Tagen. Ausgebaut wird in großen slawonischen Holzfässern, danach wandert der Wein ungefiltert und ungeschönt und lediglich mit minimalem Schwefel vor der Füllung in die Flasche, wo er in aller Ruhe weiterreifen kann. An Gerbstoff mangelt es in den ersten Jahren nicht (auch das zieht sich – mit Ausnahme des Grignolino – durch sämtliche Weine von Ezio) und wer Geduld hat, wird generell belohnt.
Exzellent sind auch seine einfach(er)en Barberas, die sich 2010 kühl und frisch, strukturiert und engmaschig aber eben auch animierend, lebendig, fruchtbetont und saftig präsentierten.
Der Vigna del Noce 2008 (siehe auch Text zum Weingut) ist das auch, aber was sich nebenbei noch in dem Wein abspielt, entzieht den Vorurteilen, die man dem Barbera gegenüber gelegentlich zum Ausdruck bringen mag, endgültig den Boden unter den Füssen. Substantiell & komplex, ist es ein Wein mit so vielen Schichten und Nuancen, dass man sich dafür wirklich Zeit nehmen sollte. 90 Jahre haben die Rebstöcke auf dem Buckel und sollte man mit 90 ebenfalls so viel Energie und so viel zu erzählen haben, wie dieser Wein, hat man einiges erlebt. Die Nase ist balsamisch, erdig, dunkel, voller Laub und reifer Beeren, am Gaumen jedoch macht sich eine Frische und Saftigkeit breit, die verkündet, dass die Reise erst begonnen hat.
Bleibt der Bianco, dessen Farbe nach 10-12 Tagen auf der Maische eher an Kastanienhonig erinnern. Da sich in der Cuvèe Malvasia di Candia Aromatica befindet, eine Sorte, deren Schalen so dick wie Panzerglas sind und auch ungefähr die gleiche Konsistenz haben, darf man sich auf ordentlich Gerbstoff gefasst machen. Dahinter wird es allerdings spannend: Salbei, Kamille und reife Marillen sorgen für ein angenehme aromatische Antwort aus das Tannin, die Textur ist saftig, streng und konzentriert. Ein Wein, der fordert und dem Luft (und Zeit ) nicht schadet.

[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

Auriel ist ein junges Weingut. 2005 unterschrieben Marta Peloso und Felice Cappa den Kaufvertrag für 65 Hektar Wald in Cascina Boschi, einem vergessenen Ort bei Ponzano Monferrato, unweit von Asti. 2007 setzten sie auf drei Hektar Reben in die Lichtungen. 2010 gab es den ersten Wein und seit damals geht in bei Auriel qualitativ die Post ab. Grignolino und Barbera, die beiden klassischen Rebsorten der Zone werden so puristisch, klar und subtil interpretiert wie nirgendwo sonst im Piemont.

Topographie: Das Gelände rund um das kleine Weingut ist hügelig, die Weingärten stehen folglich durchwegs in Hanganlagen, die auf ca. 350 Meter in Richtung Süden und bisweilen auch Südwesten schauen. Der stete Wind setzt vor allem im Sommer klimatische Kontrapunkte und sorgt zudem dafür, dass die Reben nach Regenfällen rasch abtrocknen. Das ist schon deswegen von entscheidender Bedeutung, da Marta und Felice konsequent biologisch arbeiten und zudem auch von Viticoltura Biodinamica, einer, wenn ich das richtig verstehe, Alternativorganisation zu Demeter biodynamisch zertifiziert sind.

Wie auch immer: die beiden betreiben eine auf Respekt und Nachhaltigkeit basierende Landwirtschaft, die jenseits aller ethischen Prinzipien vor allem auch ihren beiden Sorten ein ideales Umfeld bieten will. Gleichgewicht ist dabei einer der Schlüsselbegriffe, der sich durch die gesamte Konzeption der beiden zieht: große, bisweilen metaphysische Balancen wie jene zwischen Mensch und Natur spielen dabei genauso eine Rolle, wie die wesentlich pragmatischeren zwischen Laubwand und Wetter, Nützlingen und Schädlingen oder jene zwischen Zucker, Gerbstoff und Säure.

Grignolino & Barbera: Gerade letztere haben bei der alles andere als einfachen Sorte Grignolino elementare Bedeutung. Grignolino leitet sich vom piemontesischen Dialektausdruck grignolè ab, was sich – eine onomatopoetische Referenz an die bisweilen krachende Säure und aggressiven Tannine – mit das Gesicht verziehen und mit den Zähne knirschen übersetzen lässt. Luigi Veronelli, der größte unter den vielen großen Kritikern Italiens, meinte sie wäre anarchistisch & individualistisch (was angesichts der Tatsache, dass Veronelli selbst deklarierter Anarchist und berühmt für seine unkonventionellen Meinungen war, ein großes Kompliment darstellt).

In den richtigen Händen allerdings (in diesem Fall die von Marta Peloso), vor allem jedoch in den richtigen Lagen entwickelt Grignolino eine subtile, ausgewogene Textur, dessen feiner Körper unbeschwert und spielerisch Säure und Tannin integriert und neben Blütenaromen und Pfeffer, vor allem rote Beeren und je nach Terroir, steinige, kühle, erdige und salzige Details offeriert. Die Farbe ist selbst bei intensiver Auslaugung der Beerenhaut bestenfalls ein leicht angedunkeltes Rosa, der Alkohol ist auch bei späten Lesen generell niedrig, dass Reifepotenzial trotzdem enorm.

Auch beim Barbera, über den man nur selten lobende Worte verliert, legt Auriel die Latte hoch. Und auch hier dominiert Finesse und Trinkfluss über plumpe Kraft, Eleganz über Muskeln. Die Fruchtaromen sind um einiges intensiver als beim Grignolino, dazu gesellt sich profunde Würze. Ausgebaut wird der Barbera in großen Holzfässern, für den Grignolino zieht man Zement vor. Vergoren wird generell spontan und ohne Temperaturkontrolle, statt Schönen und Filtern setzt man ganz simpel auf die Zeit, die sukzessive die Trubstoffe in Richtung Fass- und Zementboden befördert und zudem auch für sensorische Balancen sorgt.

ps: das Etikett, ein stilisierter Engel (Auriel?) stammt übrigens von Dario Fo, seines Zeichens Literaturnobelpreisträger, der für seine beiden Freunde von Auriel, ausnahmsweise den Pinsel ausgepackt hat.

Die Weine von Auriel gibt es meines Wissens zur Zeit leider nirgendwo im deutschsprachigen Raum

Auriel Società Agricola di Felice Cappa e Marta Peloso
Cascina Boschi – 15020 Ponzano Monferrato (AL) – Piemonte – Italia
Tel:  +39 333 8767975; + 39 335 5940755
email: info@aurielmonferrato.it
http://www.aurielmonferrato.it/

Grignolino del Monferrato Casalese (ca. € 17)
Barbera del Monferrato (ca. € 15)

Jahresproduktion: ca.8000 Flaschen
Rebsorten: Grignolino, Barbera
Rebfläche: 3 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch & biodynamisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Neun Generationen haben den Weg vorgezeichnet, auf dem auch Gianluigi Bera durch sein Leben schreitet. Er ist genau wie seine Vorfahren Weinbauer, hoch oben in den Hügeln bei Asti, genauer in Canelli, einer Zone, die vor allem für seinen Moscato berühmt ist. Seit 1758 pflanzen die Beras dort Reben aus. Heute sind es insgesamt 12 Hektar die damit bestockt sind. Vor allem Moscato (mit Abstand der beste den ich jemals getrunken habe) aber auch Favorita, Arneis und Vermentino für den Arcese, einem brillanten sprudelnden allerdings trockenen Gegenentwurf zum Moscato sowie Barbera und Dolcetto für die drei Rotweine.

Die Weingärten spannen sich über gut zwei Hektar rund um das Weingut und decken alle möglichen Expositionen ab – die Parzellen spannen sich von Süden nach Norden und steuern damit ihren Part zur Persönlichkeit der Wein bei. Ein weiterer Stein im komplexen Mosaik des Bera’schen Terroirs sind die steil abfallenden, kalkdurchzogenen Böden, die seit 1964 (!) biologisch bewirtschaftet werden. Wobei in den späten 90er Jahren, die natürliche Herangehensweisen zusätzlich vertieft wurde. Wesentlich verantwortlich dafür war der Besuch einer Handvoll Winzer aus dem Beaujolais, die – angeführt vom großen Marcel Lapierre – inmitten der Moscato-Industrie auf der Suche nach einem Handwerker alten Schlages war. Gianluigi muss damals knapp über 20 gewesen sein, alt genug, um zum alten Schlag zu gehören und den vinologischen Traditionen der Regionen verbunden zu sein. Und jung genug, um die Ideen und Methoden der französischen Naturweincombo zu verinnerlichen und umzusetzen.

Im Weingarten wird weiterhin rigoros biologisch gearbeitet, wobei er seit ewigen Zeiten nicht mehr düngt und letztlich auf den sukzessiven Humusaufbau vertraut, der sich durch die jahrzehntelange Begrünung ergeben hat. Im Keller arbeitet er konsequent ohne den Einsatz von Chemikalien (ausnahme Schwefel vor der Füllung) oder hochgezüchteter Hefen. Vergoren und ausgebaut wird in Stahl und Zement, wobei er den Weinen , die erforderliche Zeit gibt, um ihr natürliches Gleichgewicht zu finden. Seine fünf Weine zahlen ihm diese Sorgfalt auf filigrane, lebendige, originelle, unaufdringliche und doch extrem nachhaltige Art und Weise zurück. Jenseits der Welten des Nebbiolo (neben denen fast alles verblasst) gehört Gianluigi Bera definitiv zu den ganz großen Winzern des Piemont.


Newsletter