Das Weingut

Das erste Mal hörte ich von Gianluca Bergianti 2017 bei einer Verkostung in Vignola, der Stadt mit den besten Kirschen der Emilia Romagna. Luciano Saetti, seines Zeichens eine unumstößliche Größe unter den Lambruscowinzern der Region, machte mich auf ihn aufmerksam und meinte, dass ich unbedingt seine Weine probieren sollte. Gesagt, getan – und seither auch immer wieder mit großer Freude und immer neuem Interesse, da Gianluca seinem 2017 noch sehr kleinem Sortiment mittlerweile noch einige Weine mehr hinzugefügt hat.

Gianlucas Familie stammt ursprünglich aus Carpi, einer kleinen Stadt im ebenen Kernland des Lambrusco. Mit Wein hatte die Familie nie wirklich zu tun. Auch Gianluca anfangs nicht, der nach dem Liceo Ingenieurswissenschaften zu studieren begann. Nach einem Jahr sah er jedoch ein, dass Ingenieur nichts für ihn war und beschloss erstmal durch Italien zu reisen, sich umzuschauen und über seinen künftigen Weg nachzudenken. Ein halbes Jahr später schrieb er sich an der Uni Pisa in den Fächern Agrarwissenschaften und Önologie ein und dabei blieb es dann auch. Glücklicherweise, denn Gianluca ist heute einer der interessantesten (im absolut im positiven Sinne des Wortes) und besten Winzer der Emilia. Gemeinsam mit seiner Frau Simona, gleichfalls Agrarwissenschaftsabsolventin und verantwortlich für die landwirtschaftliche Produktion des insgesamt 16 Hektar großen Hofes in Gargallo (man kann ihr Gemüse Freitag nachmittag direkt ab Hof oder am Samstag am Markt in Carpi kaufen). Die Bewirtschaftung basiert seit den Anfängen auf biodynamischen Prinzipien, wobei Gianluca und Simona den Begriff traditionell bevorzugen. Der ampelographische Fokus liegt auf Salamino und Sorbara, den beiden Lambruscosorten der Gegend, die von der weißen Pignoletto und demnächst auch noch von ein wenig Trebbiano Modenese ergänzt werden.

Der Keller von Gianluca ist inspiriert von einem unweit entfernten „Kühlhaus“ aus dem 16. Jahrhundert – einem aufgeschütteten kuppelförmigen Hügel, in dem es stabil zwischen 14 und 16°C hat. Darin vinifiziert er mittlerweile insgesamt sieben Weine, fünf sprudelnde Frizzante & Spumante und zwei weiße Stillweine, mehrere davon in Betoncleyver. Die Gärung ist durch die Bank spontan, die Eingriffe sind minimal (keine Schönung und Filterung, wenig Schwefel). Generell sind die Weine extrem elegant, griffig, mit knackiger Säure, ordentlich Druck in Richtung, filigraner Frucht und einer Menge Charakter.

Il Bianco: Nicht mein Lieblingswein von Gianluca. Pignoletto gehört eigentlich in die Colli Bolognesi und als Grecchetto Gentile nach Umbrien und ich bin mir nicht so sicher, ob er dort nicht besser aufgehoben ist. Breit, weich und doch säurebetont, floral, gelbe Frucht, aber irgendwie unrund.

Perfranco: Einer der Klassiker des Hauses. 100% Lambrusco Salamino di Santa Croce. Nach einer spontanen Erstgärung im Cleyver, fand eine Zweitgärung und nachfolgende zweijährige Lagerung in der Flasche statt. Saftig, kernig und vital. Blüten und Grapefruit in der Nase. Hat Substanz und Tiefe, bereitet aber doch auf unkomplizierte Weise Spaß.

Bergianti Fine: Nochmals Rosato, diesmal allerdings aus Lambrusco di Sorbara. Kein Rifermentato, sondern ein metodo classico (methode champenois). Knochentrocken, vertikal, voller Spannung, und Energie. Beeren und Zitrusfrüchte auf der Zunge. Sehr gut.

Bergianti rosso: Mix aus Salamino und Sorbara, wobei der Salamino klar den Ton angibt. Klassischer Lambrusco, allerdings als metodo classico vinifiziert. Rotbeerig, Waldfrüchte, Kirschen, Kräuter. Staubtrocken wie immer bei Gianluca. Mit ordentlich Rückgrat. Vertikal, linear und belebend.

Weitere Weine von Gianluca Bergianti sind der Rosato Frizzante Saint Vincent und der Primo, die allerdings immer ausverkauft sind, wenn ich ihn treffe.

Zudem vinifiziert er den Stiolorosso (Lambrusco di Sorbara, Oliva und Ancelotta – sehr gut) und den Resmaior (Lambrusco di Sorbara – solala – fein, filigran aber ein bisschen zu mager) von Casalpriore und ist nach dem Tod von Eigentümer Gabriele Ronzoni auch für die Bewirtschaftung verantwortlich.

Bergianti - Terrevive

Via Paganelle Guerri 15
41012 Gargallo di Carpi (MO
simonazerbinati80@gmail.com
g.bergianti@gmail.com
Cell: (+39)349-5227337 Gianluca
Cell: (+39)338-6382870 Simona
www.terrevive.net

Datenblatt

Rebsorten: Pignoletto, Trebbiano modenese, Lambrusco Sorbara, Lambrusco Salamino
Rebfläche: 5 ha
Reberziehung: Guyot
Manuelle Lese: ja
Pflanzenschutz: Kupfer & Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung
Wohnmöglichkeit: nein

Pünktlich zur Weihnachtszeit eine Familiengeschichte.

Lambrusco ist zwar kein Dauerthema auf vino e terra, allerdings zugegebenermaßen eines, das mehr Aufmerksamkeit bekommt, als andere. Das hat gleich mehrere Gründe. Zum einen hat vino e terra sein Hauptquartier in Modena, also im Schnittpunkt der drei wichtigsten Lambruscoappellationen, weshalb es quasi tagtäglich die Möglichkeit gibt, sich damit zu beschäftigen. Zum anderen schlägt sich Lambrusco mit einer desaströsen Reputation herum, die zwar durchaus selbstverschuldet sein mag, der jedoch immer mehr handwerklich und biologisch arbeitende Winzer brillante Interpretationen entgegensetzen. Und die gilt es eben immer wieder vorzustellen.

Dem katastrophalen Ruf mag es auch geschuldet sein, dass sich eigentlich niemand außerhalb der Emilia mit Lambrusco auseinandersetzen will. Das führt fast zwangsläufig zu Überraschungen und Missverständnissen. Denn die Welt des Lambrusco ist nicht wirklich einfach zu verstehen. Was sich als banale und süß-klebrige Einheitsplörre im Unterbewusstsein vieler Weintrinker festgesetzt haben dürfte, hat eine lange und durchaus beachtliche Geschichte und ist zudem wesentlich vielschichtiger als gemeinhin angenommen. Auch die gilt es – ein andermal – nachzuerzählen.

Das Lambrusco, also die geographische Zone zwischen Bologna und Parma, hat seinen Namen von einer Rebsortenfamilie, die in sich nicht nur extrem heterogen ist, sondern auch heute noch aus immerhin 15 Mitgliedern besteht – vor 200 Jahren waren es doppelt so viel. Wie viele es vor 2000 Jahren waren, steht in den Sternen – Fakt ist jedoch, dass es die Lambruscofamilie damals bereits gab, was sie zur vermutlich ältesten unter den oft sehr alten Rebsortenfamilie Italiens macht. Es war also Zeit genug vorhanden, um sich – bei allen genetischen Übereinstimmungen, die es gab und gibt – entsprechend auseinander zu entwickeln. Das Lambrusco ist heute ein Sammelsurium an Rebsorten mit eigenen morphologischen, physiologischen aber auch sensorischen Attributen und wer in die Gegend aufbricht oder zu Hause eine Flasche aufmacht, sollte sich der Tatsache bewusst sein, dass zwischen Lambrusco Grasparosso und Lambrusco Sorbara geschmacklich ungefähr so viel Ähnlichkeit besteht wie zwischen Cabernet Sauvignon und Pinot noir. Es lohnt sich folglich die unterschiedlichen Mitglieder der Familie genauer unter die Lupe zu nehmen.

Die vier Wichtigsten:

Lambrusco di Sorbara

Südlich von Modena beheimatet. Weit und breit keine Erhebung. Dafür flache Sandböden und viel Luftfeuchtigkeit, die ideale Umgebung für Tomaten, Pfirsichbäume und …  Sorbara. Trotz bisweilen tropischer Verhältnisse (es kann im Sommer über Monate hinweg sehr heiß werden) kann man aus Sorbara im Idealfall elegante, zarte, ätherisch-leichte und duftige Weine keltern.

Bergianti produziert einen exzellenten reinsortigen Sorbara, Paltrinieri macht ebenfalls eine gelungene Version.

Lambrusco Salamino: Elegant, cremig, dunkle rote Beeren, Blütennoten, weich, sanft und einnehmend: zumindest würde ich ungefähr so Luciano Saettis Lambrusco Salamino beschreiben: den besten, den ich kenne. Die kurze und zylindrische Form der Traube führte dazu, dass ein paar betrunkene Bauern (oder Ampelographen) darin eine Salami erkannten – womit ihr etymologisches Schicksal besiegelt war.

Salamino findet sich vor allem in der Ebene zwischen Carpi und Modena. Satte 4000 Hektar sind damit bestockt, meist auf Sand, Schlick oder Ton. Es bedarf also viel Feingefühl und Erfahrung auf Seiten der Winzer, um die Finessen der Sorte aufzudecken.

Luciano Saetti produziert neben seinem Lambrusco auch noch einen exzellenten Rosato, den Il Cadetto. Ebenfalls ausgezeichnet ist der Ferrando von Quarticello. Dunkelfruchtigr, kraftvoller aber immerhin gut strukturiert ist der Albone von der Podere Il Saliceto. Bergianti, ein junges Weingut nahe Carpi tendiert mehr in die Richtung Saettis und macht aus Lambrusco Salamino (und 20% Lambrusco di Sorbara) den eleganten, dynamischen und rotbeerigen Bergianti rosso.

Lambrusco Grasparossa: Muskulös, saftig, dunkelfruchtig und kompakt. Grasparossa ist die forderndste und intensivste Lambruscovariante. Sie hat ordentlich Tannin und eine strukturierende Säure und wenn alles richtig gemacht wird (und es gibt eine ganze Menge an Winzern, die mittlerweile genau wissen, was sie tun), bekommt man einen Wein ins Glas, der nicht für ein farbliches Spektakel sorgt (dunkelblau mit violettem Schaum) sondern als Gesamtkunstwerk punktet. Wobei – anders als beim Salamino oder Sorbara – nicht Eleganz sondern Kraft und Konzentration das letzte Wort haben. Ich vermute auch, dass sich Grasparossa über Jahre hinweg sehr positiv entwickelt, weshalb ich erste Flaschen eingemottet habe.  Grasparossa findet man vor allem in den Hügeln südlich von Modena.

Wer Lust hat, sich mit Grasparossa zu beschäftigen, sollte auf jeden Fall Vittorio Grazianos Fonte dei Boschi und Claudio Plessis Tiepido probieren. Ganz fantastisch sind auch der Cenerino von der gerade erst ins Leben gerufenen Podere Cervarolo und der Matris rubrum von San Polo. Alle vier Winzer befinden sich nur ein paar Kilometer von Modena entfernt. Weiter im Westen, in den Hügeln südlich von Reggio Emilia gibt es mit dem Libeccio 225 von Denny Bini ebenfalls eine sehr gelungen reinsortige Versionen. In vielen anderen Lambruschi dient Grasparossa als Cuvèepartner und sorgt darin für Farbe, Gerbstoff und Cremigkeit (Ca‘ de Nocis Sottobosco, Quarticellos Despina, Angol d’Amigs Rosso etc.).

 

Vom Rest der Lambruscofamilie wird dann in den nächsten Tagen erzählt:

Lambrusco Maestri
Lambrusco Marani
Lambrusco Fiorano
Lambrusco Barghi
Lambrusco Montericco
Lambrusco Oliva
Lambrusco di Corbelli
Lambrusco Benetti
Lambrusco Viadanese


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