Agnanum

Raffaele Moccia gehört zu jenen Winzern, für die die Italiener den Begriff „viticoltura eroica“ geprägt haben. Tag für Tag erklimmt er wild abfallende Weinterrassen aus vulkanischem Staub und Sand, um sie in Handarbeit zu bepflanzen, zu schneiden, zu pflegen und ihre Trauben zu ernten.

Eine Heidenarbeit, die vor ihm auch schon sein Vater betrieben hat, dessen drei Hektar Weingärten er mittlerweile um einen weiteren Hektar erweitert hat. Womit auch tatsächlich die Grenzen dessen erreicht sind, was ein Mensch in diesem Umfeld alleine bewerkstelligen kann.

Raffaeles Reben befinden sich übrigens nicht in alpinen Gefilden, sondern in den Campi Flegrei, in unmittelbarer Meeresnähe, keine fünf Kilometer von der Stadtgrenze Neapels  entfernt. Weinbau wird hier schon seit den Zeiten von Plinius dem Älteren betrieben, der ihn auch dokumentierte und später beim Ausbruch des Vesuvs ums Lebens kam.

Heute gibt es nicht mehr viele Winzer, die sich in dem bisweilen aberwitzig steilen Gelände herumschlagen. Vielmehr werden Weingärten aufgelassen, sofern sich nicht Personen wie Raffaele ihrer annehmen. Dass er all das ohne den Einsatz von Pestiziden & Co. schafft, gereicht ihm zusätzlich zur Ehre. Die Arbeit wird dadurch nicht weniger, doch gelingt es ihm dadurch auch tatsächlich, die Quintessenz seines extremen Terroirs nachvollziehbar zu machen.

Seine handgelesenen Trauben (Falaghina & Piedirosso) vinifiziert sein Sohn Gennaro ohne viel Schnickschnack zu insgesamt fünf Weinen, die quer durch die Bank beeindrucken und angesichts des immensen Aufwands verhältnismäßig günstig sind.


Raffaele Moccia
Adresse: Via Vicinale Abbandonata degli Astroni, 3, 80125 Napoli
Telefon:  +39 081 2303507
E-mail: info@agnanum.it
Webseite: www.agnanum.it

 

Weine – eine Auswahl

Falanghina Campi Flegrei: Im Stahl vergorener Falanghina. Kräuter, getrocknetes Heu, weiße Frucht. Linear und vertikal, mit einer substantiellen Textur. (ca. € 14)

Sabbia Vulcanum: Piedirosso, in Basalt und feinem Sand gewachsen und in Stahl ausgebaut. Die Basisversion. Fruchtbetont. Blütennoten. Ausgewogen. Bestens eingewobenes Tannin. Weich, rund, harmonsich. (ca. € 11)

Per’e Palumm: Per’e Palumm ist der lokale Ausdruck für Piedirosso, aus dem der Wein zu 100% besteht. Ist – wie alle Pedirosso – intensiv-aromatisch. Riecht und schmeckt nach roten Früchten, süßen Gewürzen, Blüten. Ist einnehmend, weich und samtig. (ca. € 20)

Vigna delle Volpi: Agnanums Top-Piedirosso. Über acht Monate im kleinen Holzfass gereift. Dunkle Fruchtaromen, Pfeffer, Lavendel und Rosen – Piedirosso gilt als rote Antwort auf den Gewürztraminer und das schmeckt man hier. Korpulent, geradlinig und substantiell. Sehr gut (ca. € 30)


Rebsorten: Falanghina, Piedirosso
Rebfläche: 4 Hektar
Manuelle Lese: ja
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Wohnmöglichkeit: nein


Bezugsquellen:

Ab Hof: ja, nach Voranmeldung

Aus Italien online: callmewine

AT/DE/CH: –

 

Aglianico

Wie so oft, wenn es um italienische Rebsorten geht, ist alles ganz anders als man denkt. Selbst ohne Studium der Altphilologie oder Linguistik liegt es nahe, die Herkunft von Aglianico in Griechenland zu verorten. Noch dazu, wo die Rebsorte nahezu ausschließlich in der Basilicata und in Kampanien zu finden ist, einstigen Hotspots der griechischen Besiedlung Italiens. Allerdings finden sich diesbezüglich tatsächlich recht wenig Belege und auch die Linguisten meinen, dass die laienhafte Ableitung von Elleniko zu Aglianico keine wirkliche Grundlage hat.

Es scheint vielmehr wahrscheinlicher, dass die große rote Rebsorte Süditaliens via Spanien in Kampanien eingetroffen ist. Erste Dokumente über die Rebsorte stammen erst aus dem frühen 16. Jahrhundert, einer Zeit als die spanischen Bourbonen bereits ihre lange Herrschaft über die Gegend angetreten hatten. Doch letzten Endes bewegt man sich auch diesbezüglich auf unsicherem Terrain, sodass der tatsächliche Ursprung der Sorte diffus bleibt.

Fester wird der Boden, wenn man behauptet, dass Aglianico zu den allerbesten roten Rebsorten Süditaliens gehört. Manche gehen soweit sie ganz oben auf dem Podest zu platzieren. Ian d’Agata, Autor von „Native Wine Grapes“, dem Standardwerk über italienische Rebsorten, geht noch einen Schritt weiter und stellt Aglianico auf dieselbe Stufe wie Nebbiolo und Sangiovese („It’s one of the world’s dozen or so best wine grapes.“)

Heute wird Aglianico in ganz Süditalien angebaut, wobei es mit Taurasi, Taburnio (beide Kampanien) und Vulture (Basilicata) drei große Zentren dafür gibt. Alle drei basieren auf vulkanischem Terrain, dem unbestritten besten Untergrund für Aglianico (wobei im kampanischen Cilento auch einige exzellente Version auf kalkdominierten Böden wachsen). Aglianico hat generell kleine Beeren mit dicken Schalen, die wenig fäulnisanfällig sind und eine lange Vegetationsperiode ermöglichen. Er wird selten vor Mitte Oktober gelesen, in manchen höhergelegenen oder nordwärts ausgerichteten Weingärten kann es auch später November werden. Ziemlich widerstandsfähig gegen herbstliche Wetterkapriolen und die meisten Pilzkrankheiten, machen ihm eher zu hohe Temperaturen zu schaffen – weshalb er nicht selten in erstaunlich hoch gelegenen Weingärten zu finden ist.

Anders als Nebbiolo oder Sangiovese ist Aglianico nur selten ein Wein, der von seinem Terroir erzählt, sondern selbst gerne im Mittelpunkt steht. Aglianico ergibt fast immer üppig-kräftige Weine, die von tiefer Frucht dominiert, oft einen erdig-steinigen Unterton haben und immer wieder auch von floralen Noten begleitet werden. Er hat viel Gerbstoff und noch mehr Säure, was ihn – sofern die Winzer es darauf anlegen – für eine lange Reifezeit prädestiniert. Im Optimalfall gehört Aglianico tatsächlich zu den besten Rebsorten des Südens. Der tritt allerdings seltener als erhofft ein. Viel zu oft hat man es leider mit zwar potenten aber dann eben doch nur erschlagenden und wenig nuancierten Weinen zu tun.

Eine Auswahl

Kampanien

La Cantina di Enza: Aglianico Passione
Luigi Tecce: Satyricon
Cantina Giardino: Nude
Cantina Giardino: Drogone
Casa Brecceto: Pitatza Aglianico
Contrada di Taurasi: Taurasi
Michele Perillo: Taurasi
Primalaterra: Primalaterra
Masseria Starnali: Conte di Galluccio
I Cacciagalli: Phos

Basilicata

Musto Carmelitano: Serra del Prete
Musto Carmelitano: Pian del Moro
Camerlengo: Camerlengo
Camerlengo: Antelio
Aglianico del Vulture „Grifalco“ Grifalco della Lucania

Apulien

L’Archetipo: Aglianico

Cantina Giardino

Die Cantina Giardino ist eines der legendären Projekte der italienischen Naturweinwelt. Offiziell ins Leben gerufen wurde sie 2003, doch startete Antonio di Gruttola, der einzige Önologe im 10-köpfigen Team bereits fünf Jahre früher mit ersten experimentellen Vinifizierungen, bei denen er auf jede Art von Zusatzstoffen verzichtete. Er folgte 1998 naturgemäß keiner Mode, sondern wies damals selbst den Weg.

Die Ausgangsidee für die Gründung der Cantina Giardino war allerdings nicht die, die ersten Naturweine Kampaniens in die Flasche zu bringen, sondern die ampelographische Vielfalt und Biodiversität in den Weingärten der Irpinia (der berühmtesten Weinbauregion Kampaniens) zu bewahren. Mitte der 1990er Jahre war das leichter gesagt als getan. Man befand sich damals in den Boomjahren internationaler Rebsorten. Allerorten wurden Cabernet & Co. ausgepflanzt. Die Arbeit an austauschbaren Klonselektionen wurde vorangetrieben. Selbst in den hintersten Winkeln Italiens predigten Vertreter der „schönen neuen Weinwelt“ deren Vorzüge und prophezeiten denjenigen den Untergang, die dieses Spiel nicht mitmachen wollten.

Antonio und seine Freunde spielten nicht mit. Im Gegenteil. Sie starteten mit ihrem Projekt, alte Weingärten vornehmlich alter Winzer ausfindig zu machen und ihnen ihre Trauben abzukaufen. Dafür reisten sie quer durch die Gegend und wurden immer wieder fündig. Sie stießen auf Weingärten mit alten Fiano- oder Coda di Volpe-Reben, auf Parzellen mit Piedirosso, Greco und vor allem Aglianico, der Königin unter den süditalienischen Rebsorten.

Diesem sozial-kulturellen Ansatz ließen sie einen ökologischen folgen. Sie bewirtschafteten ihre eigenen Rebflächen biologisch und überzeugten die Weinbauern, von denen sie Trauben bezogen, es ihnen gleichzutun. So entstand sukzessive eine immer intensivere und gleichzeitig sensiblere Beziehung zu ihrem Territorium, ihren Winzern und ihren Reben. Anfangs extrem kritisch beäugt, kapierten über die Jahre immer mehr Menschen die damit verbundenen positiven Konsequenzen: die Aufwertung autochthoner Rebsorten und Kulturtechniken und die Bewahrung ökologischer Inseln dank einer durchdachten und nachhaltigen Landwirtschaft.

Das Rebmaterial vinifizierten sie in der Folge wie bereits oben kurz erwähnt und bauten es in Hölzern der Umgebung aus. In den letzten Jahren kamen auch mehrere Amphoren hinzu, die aus eigenem Ton von einem befreundeten Töpfer hergestellt werden. Das Resultat sind heterogene und oft brillante Weine, die viel von ihrer Region aber auch von ihren Schöpfern erzählen.


Antonio/Daniela di Gruttola
Adresse: Via Petrara 21b, Ariano Irpinia
Telefon: +39 0825 873084
E-mail: info@cantinagiardino.com
Webseite: www.cantinagiardino.com

 

Weine – eine Auswahl

Coda di Volpe rosa: Ein ganz großer Rosato aus Coda di Volpo rosso, einer raren Rebsorte mit dicker Schale und ausgeprägter Aromatik. Wird über zwei Tage mazeriert und danach für ein Jahr im Kastanienholz ausgebaut. Dichter, stoffiger und aromatischer als nahezu alle anderen Rosati, die ich kenne. Hat Zug und Druck, Körper und Vitalität, Energie und Trinkfluss. Exzellent. (€ 23)

Paski: Coda di Volpe gibt es auch in weiß, tatsächlich ist er in weiß wesentlich bekannter. Wächst auf 450 Metern Höhe in Kalk, die Reben sind 60 Jahre alt. 30% der Charge werden kurz im Kastanienfass ausgebaut und danach mit den restlichen Trauben für ein weiteres im Stahltank vereint. Spielerisch, unbeschwert, feingliedrig, dank einer kurzen Mazeration auch griffig, und strukturiert, mit Blüten- und Steinobstnoten. (€ 22)

Le Fole: Aglianico aus Montemarano, auch Heimat der Cantina di Enza. Wird über in gut 40 Tage mazeriert und in Holz und Stahl ausgebaut. Dunkel. Frisch, saftig, strukturiert. Hat Kraft und energie. Bleibt auch am Gaumen dunkel und intensiv. (€ 18)

Drogone: Abermals Aglianico, allerdings von älteren Reben und einem sich über drei Jahre hinziehenden Ausbau. Riecht nach mediterranen Kräutern und reifen Beeren. Macht Druck. Hat Substanz, spürbar präsente Tannine und einen nachhaltigen Abgang.   

Nude: Aglianico zum Dritten. Das rote Opus Magnum der Cantina Giardino. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der wein noch produziert wird. Das Sortiment fluktuiert fortwährend. Jedenfalls gibt es noch diverse ältere Jahrgänge auf dem Markt. Der jüngste scheint 2011 zu sein. Im Nude wird Aglianico komplett ausgereizt. Die Lese ist spät, der Kontakt mit den Schalen lang, der Ausbau zieht sich über Jahre, der Alkohol ist hoch und die Aromen intensiv und eindrücklich. In der Mitte des Gaumens befindet sich ein profunder Säurekern, der dem Wein Struktur gibt. Alles hier ist kraftvoll und mächtig und doch dynamisch und voller Spannung. Kein Wein für alle Tage. Gelegentlich macht sowas aber schon Spaß.


Rebsorten: Coda di Volpe bianco und rosso, Fiano, Greco, Aglianico, Piedirosso
Rebfläche: 7 Hektar
Manuelle Lese: ja
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Wohnmöglichkeit: nein


Bezugsquellen:

Ab Hof: ja, nach Voranmeldung

Aus Italien online: decanto, callmewine, wineyou

AT/DE/CH: –

 

Primalaterra

Primalaterra – zuerst das Land – heißt das Weingut von Salvatore Magnoni. Entstanden ist der Name nicht, wie man annehmen könnte, aus der Bedeutung, die das Land und alles was dazugehört für ihn hat, sondern als Antwort auf eine Frage.

Die stellte sich, als Salvatore nach Jahren als DJ und Plattenverkäufer sich ins Cilento, genauer nach Rutino zurückzog und dort einen restaurierungswürdigen Hof mit 35 Hektar verwilderter Oliven- und Weingärten übernahm. Er machte sich Gedanken darüber, womit er eigentlich anfangen sollte und entschied sich letztlich dafür, prima la terra, zuerst das Land, wieder instandzusetzen.

Das steigt im Cilento erst sachte und dann rapide vom Meer bis auf 2000 Meter an. Salvatores Weingärten befinden sich ca. auf 300 Metern, ohne dabei je allzu steil zu werden. Bepflanzt sind sie mit Aglianico, Kampaniens wichtigster Sorte, von der einige meinen, dass sie neben Nebbiolo Italiens beste rote Rebsorte sei. Anders als im Rest der Region basieren Stefanos Weingärten nicht auf vulkanischem Untergrund, sondern einem Ton-Kalk-Gemisch, was für die notorisch opulente Sorte alles andere als ein Nachteil ist, macht es sie doch ein wenig straffer und geradliniger – wobei sich auch Stefanos Interpretationen mit ihren 14-15% Alkohol für keinen Kindergeburtstag eignen.

Nachdem er mit dem Land fertig war, hat sich Stefano dem Hof gewidmet und auch diesen, mitsamt seinem alten Keller, restauriert. Darin entstehen gegenwärtig lediglich zwei Weine – beide aus Aglianico – die er in Stahltanks vergärt und danach in Holz ausbaut. Auf Zusatzstoffe verzichtet er komplett (auch auf Schwefel), allerdings filtert er die Weine grob (damit sich keine Insekten oder Schmutz im Wein wiederfinden). Primalaterra befindet sich zwar abseits der üblichen kampanischen Weinpfade, seine Weine gehören allerdings zu den besten der Region.


Salvatore Magnoni
Adresse: Via Fratelli Magnoni, 11, 84070 Rutino
Telefon: 329 8125129
E-mail: info@primalaterra.it
Webseite: www.primalaterra.it

 

Weine – eine Auswahl

Rosso del Ciglio: Aglianico von 20 Jahre alten nach Süden schauenden Reben. Über 10 Tage auf der Maische belassen und danach sanft abgepresst. In Tonneaux und gebrauchten Barriques ausgebaut. Wirkt trotz seiner 14,5% Alkohol bekömmlich und ausgewogen, mit Trinkfluss und einem spürbaren, lenkenden Säurekern. Wirft sensorisch rote Beeren, Pfeffer, Tabak und mineralische Nuancen in die Waagschale. Reift mit Sicherheit blendend. (ca. € 15)

Primalaterra: Salvatore Magnonis Flaggschiff. Wird etwas später als der Rossi del Ciglio gelesen. Bleibt für 20 Tage auf der Maische und wird danach über 22 Monate in 1000 Liter Fässern gereift. Vereint Power mit Energie und Dynamik. Hat wie auch sein kleiner Bruder einen strukturierenden Säurekern und keine allzu fordernden Tannine. Wirkt trotz seiner Wärme und den üppig, reifen Aromen fokussiert und kompakt. Fließt lang und weich über den Gaumen. Brillant. (ca. € 24)


Rebsorten: Aglianico
Rebfläche: 8 Hektar
Manuelle Lese: ja
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Wohnmöglichkeit: nein


Bezugsquellen:

Ab Hof: ja, nach Voranmeldung

Aus Italien online: vinisud, si-wine

AT/DE/CH: –

 

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Podere Veneri Vecchio

Raffaello Annicchiarico gehört zu den interessantesten Persönlichkeiten im kampanischen Weinbau. Eigentlich diplomierter Mikrobiologie hat er 1999 sein Lager in Castelvenere im Norden Kampaniens aufgeschlagen und seither mit seinen Weinen und Ideen vielen jungen Winzern, die sich der Naturweinbewegung nahe fühlen, den Weg gewiesen.

Anfangs lediglich als Traubenproduzent tätig, fing er schnell Feuer für den kompletten Herstellungsprozess (wer kann das einem Mikrobiologen verdenken). Er baute sich einen Keller und begann mit ersten Vinifikationen, die im Laufe der Zeit zu immer erstaunlicheren Weinen führten. Basis dafür sind vier Hektar Weingärten, die er in blühende Ökosysteme verwandelt hat und eine Handvoll Rebsorten, die es bisweilen nur noch in seinen Weingärten und sonst nirgendwo mehr auf der Welt gibt: die extrem raren Cerreto, Grieco und Agostinella werden von den gleichfalls nicht allzu oft anzutreffenden Sciascinoso, Piedirosso und Barbera del Sannio ergänzt. Deren Pflege ist konsequent biologisch, belässt es aber nicht dabei. Zur Stärkung der Reben arbeitet Raffaello mit Essenzen aus fermentierten Brennnesseln und Schachtelhalm – er versucht derart auch den Einsatz von Kupfer und Schwefel zu reduzieren.

Als Mitglied von vinnatur ist Raffaello im Keller dessen Regulativ verpflichtet. In wenigen Worten bedeutet das, dass er auf alle Zusatzstoffe außer ein wenig SO2 vor der Füllung verzichtet. Der Ausbau findet in Hölzern der Region (Akazie, Kirsche, Kastanie) statt. Er schönt und filtert nicht.


Raffaello Annicchiarico
Adresse: Via Veneri Vecchio 1, Castelvenere
Telefon: 340 5869048
E-mail: venerivecchio@libero.it
Webseite: www.venerivecchio.com

 

Weine – eine Auswahl

Wer sich für die Nischen italienischer Rebsortenwelten interessiert, ist bei Raffaello Annicchiarico bestens aufgehoben. Die Reben sind zwischen 30-60 Jahre alt. 

Tempo dopo Tempo: Cuvée aus Grieco und Cerreto, zwei traditionellen und extrem raren Sorten des Sannio Benevento. Auf den Schalen vergoren. In Stahl und Kastanienfässern gereift. Leicht und frisch. Fruchtig und floral. Zitrus, Bananen. Von einer vitalen Säure getragen. Straff und stringent.

Bella Ciao Agostinella: 100% Agostinella; 40 Jahre alte Reben auf vulkanischem Untergrund gewachsen. 25 Tage auf der Maische. In Kirsch- und Kastanienfässern vergoren und im Stahltank ausgebaut. Zitrus und frisch geschnittene Kräuter, Blüten. Im Mund saftig, fast fleischig, jedenfalls dicht und substantiell. Endet weich, mineralisch und rauchig.

Frammenti di Terra: 100% Sciascinoso. Super Sorte. Zumindest in Raffaellos Händen. Lange Mazeration. Erst in Stahl, danach in gebrauchten Barriques ausgebaut. Erdig, Unterholz, Veilchen, Pilze. Rote Früchte. Hat Substanz, bleibt aber stets elegant. Hat eine durchaus präsente Säure, die ihm Richtung gibt. Dynamisch. Balsamischer Abgang. Sehr gut. 

Perdersi e Ritrovarsi: Cuvée aus Barbera del Sannio, Aglianico, Piedirosso. Ganz ähnlich wie der Frammenti di Terra vinifiziert. Hat Kraft und Energie. Ist von einer tiefen Frucht geprägt. Addiert im Laufe der Zeit auch noch balsamische Noten und eine leichte Würze hinzu. Fließt ruhig und ausgewogen über den Gaumen. Endet weich und intensiv. 

Rebsorten: Grieco, Cerreto, Agostinella, Falanghina; Sciascinoso, Barbera del Sannio, Piedirosso, Aglianico, Sangiovese
Rebfläche: 4 Hektar
Manuelle Lese: ja
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel, Pfalnzenessenzen
Biologisch zertifiziert: ja
Wohnmöglichkeit: nein


Bezugsquellen:

Ab Hof: ja, nach Voranmeldung

Aus Italien online: decanto, wineyou

AT/DE/CH: –

 

Tintore

Tintore gehört in die seltene Kategorie jener Trauben, die dunkle Haut mit dunkelrotem Fruchtfleisch kombinieren. In Frankreich hat man dafür den Namen Teinturiers geprägt. In diese Gruppe gehören so große Namen wie Grand Noir de la Calmette, Morrastel Bouschet, Petit Bouschet und in Deutschland der phänomenale Dunkelfelder. Am bekanntesten dürfte allerdings tatsächlich – dank des Booms georgischer Weine – Saperavi sein.

In Italien sind es – nomen est omen – Colorino und seine verschiedenen Spielarten (die aus ihnen gekelterten Weine sind so intensiv, dass man sie lange Zeit als Farbstoff benutzt hat) und eben Tintore. Tinto bedeutet im südlichen Italien „gefärbt“, der Tintore ist ein „Färber“ und Tintoretto (*1519 – †1594) hat sich seinen Namen nicht, wie man naheliegenderweise vermuten könnte, dank seiner Fähigkeiten als Maler erarbeitet, sondern aufgrund der Tatsache, dass er den Sohn eines Tintore, eines Färbers, war (wer sich nur ein wenig für die Geschichte italienischer Weine interessiert, sollte sich unbedingt Ian d’Agatas großartiges Buch Native Wine Grapes of Italy zulegen, aus dem auch diese Information stammt).

Tintore wächst ausschließlich in der Gegend rund um Tramonti, ein wenig südlich des Vesuvs, in Kampanien. Eine seine weiteren Besonderheiten ist, dass seine Reben oft schon vor Jahrzehnten und teils auch Jahrhunderten gepflanzt wurden, weshalb man es in Tramonti bisweilen noch mit Rebmaterial zu tun hat, dass ungepfropft in der Erde wurzelt (angeblich sind die ältesten Rebstöcke in Tramonti über zweihundert Jahre alt).

Tintore funktioniert sowohl Rosé wie auch als Rotwein ganz exzellent, wobei ersterer ganz einfach wie Weißwein abgepresst wird, dank seines roten Fruchtfleischs aber dennoch eine Farbintensität hat, um den ihn so mancher Pinot Nero beneiden würde.

Die Rotweine haben für gewöhnlich eine tiefe rote Kirschfrucht und eine süße Gewürznote und wirken aufgrund ihrer lebhaften Säure stets frisch und einladend.

Die Weine

Viel gibt es davon nicht. Ein paar Hektar und ein paar Tausend Flaschen. Alles, was ich bisher davon probiert habe, lohnt sich, insbesondere die Weine von Monte di Grazia.

Monte di Grazie: Rosato

Monte di Grazia: Rosso

Reale: Borgo di Gete

Tenuta Francesca: È Iss

DAS WEINGUT

Kampanien ist Vulkanland. Mit Ausnahme der südlichen Küstenregionen wachsen die Reben quasi ausnahmslos auf Basalt, Tuff und Asche. In den Campi Flegrei genauso, wie in Ischia, am Vesuv, in Taurasi, Irpinia und Roccamonfina. Letztere bezeichnet eine Gruppe erloschener Vulkane an der Grenze zwischen Latium und Kampanien mit dem kleinen Ort Galluccio als Zentrum, der gleichzeitig eine eigene DOC ist.

Genau dort hat die 1965 gegründete Masseria Starnali ihre Weingärten. Seit jeher biologisch bewirtschaftet, ruht die Philosophie von Maria Teresia di Biasio, der Besitzerin des Weinguts, auf drei stabilen Säulen: zum einen geht es ihr darum, den vulkanischen Ursprung auch in den Weinen wahrnehmbar zu machen, zum zweiten um die adäquate Interpretation ihrer drei Rebsorten – Aglianico, Piedirosso & Falanghina und zu guter Letzt um das Thema Nachhaltigkeit. Und da Maria  Teresia eine energische und ihren Prinzipien treue Person ist, setzt sie alle drei Grundsätze auch konsequent um. 

Die Kellerarbeit ist wie auch die im Weingarten auf größtmögliche Nichtintervention und präzise Beobachtung fokussiert. Die Gärung startet spontan und läuft sowohl bei den Weißweinen wie auch den Rotweinen ohne Temperaturkontrolle ab. Es wird nicht geschönt, gelegentlich grob gefiltert und der Einsatz von SO2 reduziert sich auf eine Minimum. 

Maria Teresia keltert (mittlerweile unterstützt von ihrem Sohn Luigi) insgesamt nur drei Weine, die ich immer sehr mochte. Sie haben alle eine, vermutlich auch dem Terrain geschuldete Stoffigkeit und Weichheit und entwickeln doch zum Gaumen hin Druck und Elan. Der Aglianico ist weniger intensiv als seine wesentlich berühmteren Interpretationen aus Taurasi, was ich eher als Vorteil ansehe.

Die Weine

Maresa: 100% Falanghina, einer steinalten, wenn richtig verarbeitet richtig guten Rebsorte. Das passiert zugegebenermaßen selten. Maria Teresa verwandelt sie in einen einfachen aber lebhaften und doch auch stoffigen Wein, bei dem gelbe Fruchtaromen und delikate florale Noten den Ton angeben. 

Santo Sano: 85% Aglianico, 15% Piedirosso. Wie auch der Maresa im Stahltank ausgebaut. Der Inbegriff dessen, was man gemeinhin als ehrlichen Wein versteht, der allerdings, im Gegensatz zu diesem, so gut wie nie ehrlich ist. Kombiniert ohne Fehl und Tadel Frucht, Säure und Tannin zu einem ausgewogenen Ganzen. Der ideale vino da tavola.

Conte di Galluccio: 100% Aglianico. Das unbestrittene Meisterwerk von Maria Teresa und Luigi und dabei auch eine vergleichsweise günstige Version der besten süditalienischen Sorte (ohne die Inseln). Massiv und vibrierend. Hat die Statur eines großen Weines. Duftig, dicht und druckvoll. Mit zupackendem Gerbstoff, einem festen Körper, einer ausladenden Aromatik und ordentlich Zug über den Gaumen. 

Masseria Starnali

Via Masseria Starnali, fraz. Sipicciano
81044 Galluccio (CE).
Tel: 333 9830957.
e-mail: masseriastarnali@libero.it
www.masseriastarnali.it

Cold Facts

Jahresproduktion:
Rebsorten: Aglianico, Piedirosso, Falanghina
Rebfläche: ein paar Hektar
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja, organisch
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein

Die Weine der Masseria Starnali gibt es meines Wissens nirgendwo im deutschsprachigen Raum. Online (aus Italien) erhält man sie bei si-wines.

 

Guido Zampaglione stammt ursprünglich aus Kampanien und alle paar Wochen kehrt er auch dorthin zurück – beziehungsweise immer dann, wenn er denkt, dass ihn sein Weingarten, aus dessen Trauben er einen der besten Fianos des Landes, den Sancho Panza keltert, braucht. Den Rest der Zeit verbringt er acht Autostunden entfernt im Basso Monferrato, bewirtschaftet dort die Tenuta Grillo und produziert dort, neben einem Quartett an Rotweinen auch einen Weiβwein, den Baccabianca.

BACCABIANCA 2011

Hintergrund

Cortese einmal anders. Beim Baccabianca wird der Beere alles entnommen, was sie besitzt. Jedes Phenol, jedes Pigment und jeder Aromapartikel der Traubenhaut findet seinen Weg in Guido Zampagliones Wein. Der reift nach spontaner Gärung für Jahre im Stahltank und für noch mehr Jahre in der Flasche. Der gegenwärtige Jahrgang stammt aus dem Jahr 2011 und strotzt vor Frische, Energie und Saftigkeit. Dass ihn dabei gerade einmal 11,5% Alkohol und 12 mg/l Sulfite zur Seite stehen, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Lehrmeinungen (mit derart minimalen Sulfitgehalt und dem geringen Alkohol sollte der Wein längst tot und begraben sein) nicht immer der Realität standhalten.

Stil

Nichts für Anfänger, wobei vermutlich gerade die, einem solchen Wein vorurteilslos gegenüberstehen würden. Die Farbe ist ein herbstliches Orange. Getrockneter Thymian, Steine und Haselnüsse in der Nase stehen handfestem Tannin, enormer Spannung, Länge, Struktur und reifen gelben Früchten im Mund gegenüber.

Datenblatt

Rebsorte: Cortese
Bewirtschaftungsart: biologisch
Weingarten: ein Hochplateau auf 350 m. Böden: Sand & Kalk
Lese: Per Hand
Vinfikation: spontan | wilde Hefen; 40-60 Tage auf den Schalen
Ausbau: 1-2 Jahre im Stahltank, 2-10 Jahre in der Flasche (jahrgangsabhängig)
Filtration: nein
SO:< 50mg/l
Alkoholgehalt: ca. 12 % vol.
Verschluss: Naturkorken
Trinktemperatur: 10-12°C
Perfekte Trinkreife: ab sofort – 2030

SANCHO PANZA 2015

Hintergrund

Alle paar Wochen setzt sich Guido Zampaglione in sein Auto und fährt durch die Nacht von Gamalero im südlichen Piemont nach Calitri, in die Hügel östlich von Avellino. 894 Kilometer liegen zwischen den beiden Orten aber was tut man nicht alles für eine große Liebe – und die scheint zwischen Guido und Fiano, der Rebsorten, für die er all die Strapazen auf sich nimmt, bedingungslos vorzuherrschen. Bis vor nicht allzu langer Zeit kelterte er aus ihr zusammen mit seinem Onkel den legendären Don Chisciotte, doch vor ein paar Jahren ging das gemeinsame Projekt in die Brüche. Anstatt alles hinzuwerfen, beschloss er dem Ritter ohne Furcht und Tadel einen neuen Fiano in Gestalt von Sancho Panza entgegenzusetzen. Auf 800 Meter stehen die Rebstöcke, was sich selbst im heißen Zentralkampanien in einer relativ langen Vegetationsperiode und einer kühlen Struktur niederschlägt. Im Keller setzt er auf ähnliche Tugenden wie bei seinen piemontesischen Weinen: Spontane Vergärung, keine Temperaturkontrolle und lange Mazerationszeiten, einzig der Ausbau (in diesem Fall im Stahltank) ist etwas kürzer.

Stil

Glasklar, salzig, Zitrus, Steine, Blüten. Zumindest anfangs. Wie bei jedem guten Wein addieren sich nach einiger Zeit neue Aromen hinzu und subtrahieren sich andere weg, man ist also fortwährend beschäftigt, wobei als einigender Nenner Zitrus- und Blütennoten übrigbleiben. Auch dazwischen wird es nie langweilig. Der Gerbstoff macht Druck, die Säure lenkt und gibt immer mehr Gas je weiter man sich dem Gaumen nähert und insgesamt wirkt der Sancho Panza – anders als es der Namen verspricht – geradlinig, elegant und fokussiert.

Datenblatt

Rebsorte: Fiano
Bewirtschaftungsart: biologisch
Weingarten: auf 800 m. in Calitri
Lese: Per Hand
Vinfikation: spontan | wilde Hefen; Maischegärung Tage
Ausbau: ein Jahr im Stahltank, danach noch für ein gutes Jahr Jahre in der Flasche
Filtration: nein
SO:< 30mg/l
Alkoholgehalt: ca. 12 % vol.
Verschluss: Naturkorken
Trinktemperatur: 10-12°C
Perfekte Trinkreife: ab sofort – 2025

Die Cantina del Barone befindet sich in Cesinali, im Hoheitsgebiet des Fiano, im Süden Avellinos. Ein paar Kilometer weiter im Norden gibt rund um Tufo Greco den Ton an, ein paar Kilometer weiter im Osten übernimmt Aglianico das Kommando. Insgesamt sind das ein paar tausend Hektar Wein, auf denen zwei der wichtigsten weißen Sorten und eine der wichtigsten roten Sorten Italiens ihr Epizentrum haben – bekannt ist das kaum.

Weingut: Die Cantina del Barone ist ein relativ neues Projekt  einer Familie, die seit Generationen Felder rund um Cesinali bewirtschaftet. Antonio Sarno kaufte das Stück Land, in dem seine Reben stehen, in den neunziger Jahren von einem neapolitanischen Baron – was schon mal den Namen erklärt. Insgesamt drei Hektar, die heute vor allem von Luigi, seinem Sohn bearbeitet werden und die ausschließlich mit Fiano bestockt sind, einer Sorte, von der nicht nur Ian d’Agata, der beste Kenner italienischer Rebsorten meint, sie würde die vielleicht beste weiße Sorte Italiens sein – eine Meinung, die ich nicht teile (aber er hat sicher mehr davon getrunken als ich). Wie auch immer.

Fiano: Die Hügel südlich von Avellino sind ideales Territorium für die Sorte, vor allem dann, wenn man straffe, geradlinige, steinige Weine mag, die ohne allzu viel Fruchtbrimborium auskommen. Wurzeln tun die Stöcke in vulkanischen Böden, die zudem von Kalk durchsetzt – eine doppelte Grundvoraussetzung für stringente, aufs Wesentliche reduzierte Weine. Hinzu kommt ein Klima, das auch richtig kalt werden kann und folglich zum einen eigentlich immer ordentliche säurewerte garantiert und zum anderen eine späte Lese.

Die Cantina del Barone ist zwar nicht biologisch zertifiziert, arbeitet aber laut Luigi nach biologischen Richtlinien. Im Keller setzt man erst seit kurzem auf spontane Vergärung aber besser spät als nie. Luigi presst sofort und baut in Stahl aus – was ich bei Fiano nicht zwingend verstehe. Luigi meint, er macht das, um die Frucht zu erhalten – die sich allerdings bei beiden Weinen, dem Fiano di Avellino Paone und auch dem Particella 928 ohnehin eher im Hintergrund aufhält.

Die Weine: Den Paone (nach den Pfauen benannt, die sich der Baron auf den Feldern hielt – was auch sonst?) prägen florale Aromen und Orangennoten und dazu die schon erwähnte geradlinige und kühle Textur, beim Particella, dem anspruchsvolleren der beiden kombinieren sich noch steinige Noten und ein bisschen mehr Körper dazu. Zeit tut beiden Weinen gut und auch wenn ich sie nicht im Olymp italienischer Weißweine ansiedeln würde, sind sie doch allemal ihr Geld (10-15 €) wert.

Zur Cantina del Barone gehört auch ein Bed & Breakfast.

Luigi Sarna
Via Provinciale S. Michele, 87,
83020 Cesinali
Tel: 0039 320 6981706
www.cantinadelbarone.it

WEINE

Fiano Paone
Fiano Particella 928

Die Preise der Weine liegen zwischen € 10 und € 15 (2017)

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Kampanien

Luigi Sarna ist Mitglied der Gruppe 100%

Jahresproduktion: ca.15000 Flaschen
Rebsorten: Fiano
Rebfläche: 3 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: nein
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Immer Schwefel. Er verfolgt einen durch konventionelle und durch biologische Welten und ist fortwährender Diskussions- und Streitpunkt. An ihm scheiden sich die Geister, die selbst bei Maischegärungen, Ganztraubenpressung oder Amphorenausbau noch Konsensfähigkeit demonstriert haben. Umso erfreulicher, dass sich bei Angelo Muto zwar auch vieles um Schwefel dreht, allerdings in einem wesentlich entspannteren Diskurs. Seine Reben wurzeln darin. Seit drei Generationen bewirtschaftet seine Familie fünf Hektar Weingärten in Tufo und zwar genau über einer Mine, in der im 19. Jahrhundert bis zu 900 Menschen beschäftigt waren und Schwefel abbauten.

War Tufo früher für seinen Schwefel bekannt, punktet die kleine Stadt heute mit Greco, einer weißen Rebsorte, die zu den spannenderen Süditaliens zählt und offensichtlich bestens mit den eigenwilligen geologischen Bedingungen umgehen kann. Greco ist im Grunde genommen keine einzelne Sorte, sondern eine Sortenfamilie, die zum einen so kompliziert miteinander vernetzt ist und zum anderen so viele Unterschiede innerhalb der Familie aufweist, dass es sich lohnt ihr (demnächst) einen eigenen Artikel zu widmen. In aller Kürze lässt sich allerdings sagen, dass manche (aber beim besten Willen nicht alle) Greco-Sorten wahrhaftig griechischen Ursprungs sind und die meisten davon (aber beim besten Willen nicht alle) in Kalabrien ihren Ursprung und ihr Hauptausbreitungsgebiet haben. Tufo ist nicht nur eine solche Ausnahme, es ist gleichzeitig auch das bekannteste aller Greco-Anbaugebiete und erfreut sich seit 2003 über DOCG Status.

Angelo Muto und seine Vorgängergenerationen setzen seit jeher einzig und allein auf Greco. Angebaut wird in zwei unterschiedlichen Weingärten, wobei beide steil & spektakulär sind und an manchen Stellen über 500 Meter hoch. Drei Hektar umfasst die Lage rund ums Weingut, die, einem Amphitheater ähnlich, von früh bis spät Sonne abbekommt; der zweite Weingarten ist älter, von Wald umgeben, noch ein wenig höher und folglich mikroklimatisch anders (weniger Wind, noch mehr Sonne). In beiden wird, trotz der in Richtung Süden schauenden Lage nicht  vor Mitte Oktober gelesen, in kühlen Jahren kann es auch November werden. Greco reift spät, ohne dabei zu viel an Alkohol aufzubauen oder Säure zu verlieren (das sind übrigens mit zwei Gründe, warum man die Sorte mittlerweile auch gerne in Kalifornien und Australien anbaut). Die Bewirtschaftung ist biologisch.

Im Keller macht man das Notwendigste und hat zudem ein paar grundsätzliche Entscheidungen gefällt. Seit ein paar Jahren vergärt man spontan, reguliert allerdings die Temperatur, um laut Angelo, die Klarheit der Aromen zu erhalten. Vergoren werden ganze Trauben und zwar generell in Stahltanks, ausgebaut ebenfalls, und zwar für gewöhnlich über ein knappes Jahr auf der Hefe. Danach geht es in die Flasche, wo der Wein noch vier Monate weiterreift.

Aus dem Amphitheater stammt der Miniere, der in der Nase wie am Gaumen deutlich von Kräutern und Steinen geprägt ist, Heuaromen ergänzen dezent. Die Frucht bleibt im Hintergrund, wobei sich das im Laufe der Jahre vermutlich ändern wird. Richtig spannend wird es am Gaumen, wo zum einen die Säure zupackt, zum anderen aber auch der Boden seine Spuren hinterlässt und dem Wein eine vertikale, dynamische und nie ausladende Richtung gibt. Dem gegenüber steht ein Körper, der durchaus Kraft besitzt und Zug und Druck in Richtung Gaumen aufbaut. Der Torrefavale unterschiedet sich von den Aromen nicht allzu sehr. Zu den Kräutern und Steinen kann man diesmal eher Blütenaromen dazu addieren, die Frucht spielt auch hier eine untergeordnete Rolle. Am Gaumen allerdings wirkt er runder, saftiger und weicher, ohne allerdings an Säure und Druck zu verlieren. Ein wenig Luft schadet beiden Weinen nicht.

WEINE

Miniere
Torrefavale

Die Preise der Weine liegen zwischen € 15 und € 20 (2016)

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Kampanien

Angelo Muto
Via Santa Lucia 32
Tufo
Tel. 0039 0825998073
oder 338 4512965
email: info@cantinedellangelo.com
www.cantinedellangelo.com

Jahresproduktion: ca.20000 Flaschen
Rebsorten: Greco
Rebfläche: 5 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Wer wissen will, was italienischen Wein ausmacht, sollte nach Kampanien aufbrechen. In Neapel kann man neben all dem, was man sonst so in Neapel machen kann, auch mal einen Tag an der Peripherie und also die Campi Flegrei einplanen und sich durch Piedirosso und Falanghinaversionen trinken, die einem die Rückkehr in die Stadt nicht erleichtern werden. Und nachdem der Vesuv ohnehin obligatorisches Ausflugsziel für alle Neapelbesucher ist, braucht man nur den Blick etwas in die Weite schweifen lassen, um auch an seinen Hängen Weingärten und Weingüter zu entdecken.

Richtig spannend wird es allerdings, wenn man sich ein Auto mietet und nach Norden, Osten  oder Süden aufbricht. Wein findet man dabei überall, die besten und spannendsten Appellationen liegen freilich knapp eine Stunde entfernt rund um Avellino. Taurasi, Greco di Tufo und Fiano di Avellino sind drei DOCGs, deren Vergangenheit in die frühesten Stunden des italienischen Weinbaus zurückreicht, deren Zukunft allerdings weiterhin spektakuläre Weine verspricht. Grund dafür ist ein seit jeher selbstbewusster Umgang mit den eigenen Rebsorten, auf die man selbst in Zeiten stumpfsinniger und kurzsichtiger Internationalisierung kompromisslos setzte. Bei kürzlich durchgeführten Studien zur Bestimmung des Alters diverser Rebstöcke, stieß man auf Exemplare, die in einer Zeit gepflanzt wurden, in der Carolus Franciscus Josephus Wenceslaus Balthasar Johannes Antonius Ignatius Habsburg alias Karl VI noch König von Neapel war.

Das Festhalten an alten Sorten trifft übrigens nicht nur auf die Ecke um Avellino sondern auf ganz Kampanien zu. Die in der Toskana, dem Friaul oder Veneto immer wieder präsente Merlot führt mit ganzen 300 auf den insgesamt 22200 Hektaren ein Schattendasein; Chardonnay, Cabernet oder Sauvignon Blanc tauchen in der Liste der wichtigsten 20 Sorten der Region gar nicht erst auf. Mit 34,1% und insgesamt 7600 Hektar gibt die Aglianico den Ton an und jeder, der sich schon mal mit der Sorte beschäftigt hat, weiß, auf welchen Schatz die Kampanier da sitzen. Ian d’Agata, die profundeste Stimme, wenn es um italienische Rebsorten geht, meint, dass Aglianico zu den großen roten Rebsorten der Welt gehört und in einem Atemzug mit Nebbiolo und Sangiovese genannt werden sollte. Vor allem mit Nebbiolo, mit dem sie aromatische und stilistische Ähnlichkeiten teilt, wobei Aglianico zwar nicht vielschichtiger aber variabler erscheint. Während einfache Nebbioli nicht so recht funktionieren wollen, kann man mit Aglianico jenseits dichtgewobener Meisterwerke auch simple Tischweine keltern, die Spaß machen und doch Tiefe haben.

Epizentrum der Aglianico ist Taurasi, wie schon der Vesuv und die Campi Flegrei davor, altes Vulkanland, das aber immer wieder durch Kalkhügel und Flyschformationen durchbrochen wird und der Geologie und damit auch den Weinen eine gewisse Diversität verleiht.  Die Topographie ist meist sanft hügelig, bisweilen jedoch auch steil und steinig und genau dort, wo es auch nachts entsprechend kühl wird, sind dann auch die mitunter besten Interpretationen der Sorte (Luigi Tecce – sehr kräftig, die Contrade de Taurasi – die elegantere Variante) zu finden. Direkt an Taurasi schließen die beiden Weinenklaven Tufo und Avellino und mit ihnen Greco und Fiano an, zwei weißen Sorten, die sich längst aus dem Schatten der großen roten Sorte verabschiedet haben und seit einiger Zeit ebenfalls im Rampenlicht italienischer Weintrinker stehen – die besten oder zumindest die am besten vermarkteten Exemplare haben auch den Sprung über die Grenze geschafft.

Das kann man von den übrigen Weinen Kampaniens kaum sagen. Die Weine rund um Amalfi und Salerno kennen zumindest diejenigen, die dort Urlaub gemacht haben, während Sannio, das Cilento oder Aversano weiterhin vitikulturelle Terra Incognita sind. Zu entdecken gäbe es allerdings mehr als genug. Allen voran wiederum ein Rebsortenensemble, das mit der Falanghina (vor allem in Sannio), der originell benannten Coda di Volpe (Fuchsschwanz) und der  Asprinio (auch kein idealer Name) drei weitere weiße Trümpfe aus dem ampelographischen Talon hervorzaubert, die man beizeiten kosten sollte: Ergänzt wird das Trio von den roten Piedirosso, Sciscinoso, Tintore (der daraus gekelterte Rosè von Monte di Grazia ist eines der unbekannten Meisterwerke Kampaniens), Casavecchia, Barbera del Sannio und noch eine ganze Menge anderer Sorten, die leider nur selten ihre lokalen Welten verlassen.

Wer nach all den Exkursionen durch das kampanischen Festland noch immer nicht genug hat, kann von Neapel aus nach Ischia oder Capri übersetzen und dort mit Meerblick weitermachen. Während der Capri Bianco sich der Falanghina und der Greco bedient, hat Ischia mit der Biancolella sogar eine eigene Rebsorte zu bieten.

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monte-di-graziaMan sollte sich ein Jahr lang freinehmen und all die fantastischen Projekte abklappern, die es in Italien derzeit gibt. Eines davon findet sich in Tramonti, in Kampanien und geht auf die Kappe von Alfonso Arpino, der auf seinem Weingut Monte di Grazia, seit 2004 Reben kultiviert. Was neu klingt, hat steinalte Wurzeln (100 Jahre alte Rebstöcke) und die offenzulegen, ist dezidierte Ziel von Alfonso

Der Weinbau ist archaisch, die meisten Parzellen sind lediglich ein paar Quadratmeter groß, dazwischen geht es rauf oder runter. An ihrem Ende stehen Mauern, die Hänge halten und Grenzen bilden. In den nivellierten Flächen wachsen ganz poetisch Ginestra, Pepella und Biancatenera (weiße Rebsorten), Tintore und Piedirosso (rot). Aus letzteren keltert Alfonso einen Rosso und einen exzellenten Rosato, über den es sich lohnt, ein paar Worte zu verlieren.

Seine Basis ist Tintore und wie es der Name schon andeutet, gehört Tintore in die seltene Kategorie derjenigen Trauben, die dunkle Haut mit dunklem Fruchtfleisch kombinieren. In Frankreich hat man dafür den Namen Teinturiers geprägt und dazu gehören so große Namen wie Grand Noir de la Calmette, Morrastel Bouschet, Petit Bouschet und in Deutschland der phänomenale Dunkelfelder. Am bekanntesten dürfte allerdings – dank des Booms georgischer Weine – Saperavi sein.

In Italien sind es – nomen est omen – Colorino und ihre verschiedenen Spielarten (ihre Weine sind so intensiv, dass man sie lange Zeit als Farbstoff benutzt hat) und eben Tintore. Tinto bedeutet im südlichen Italien „gefärbt“, der Tintore ist ein „Färber“ und Tintoretto (*1519 – †1594) hat sich seinen Namen nicht, wie man naheliegenderweise vermuten könnte, dank seiner Fähigkeiten als Maler erarbeitet, sondern aufgrund der Tatsache, dass er den Sohn eines Tintore, eines Färbers, war (wer sich nur ein wenig für die Vielfalt und Eigenheiten italienischer Weine interessiert, sollte sich unbedingt Ian d’Agatas großartiges Buch Native Wine Grapes of Italy zulegen, aus dem auch diese Information stammt).

Alfonsos Rosato braucht folglich keinen Schalenkontakt und wird auch sofort gepresst – er ist also quasi ein roter Weißwein – da Alfonso allerdings nicht verwirren will, bleibt es beim Rosato! Er würde auch locker als Rosso durchgehen: jeder Nebbiolo oder Pinot Nero würde sich so viel Farbe wünschen. Am Gaumen allerdings spricht er dann allerdings eine andere Sprache – da schlägt dann die Lebendigkeit durch und mit ihm mehr Blüten- als Fruchtaromen.

Die Lese ist in den Hügeln um Tramonti übrigens erst Anfang November, kühle Winde prägen das ganze Jahr über die Region (Tramonti leitet sich wiederum von triventum, den drei Winden ab) und diese Frische (und Säure) vermittelt dann auch der Wein. Alfonso hat davon gerade mal ein paar hundert Flaschen, von denen es bislang leider keine über den Brenner geschafft hat. Also: Hinfahren und kaufen oder mich anrufen (00393292811061).

ps: weil wir gerade dabei waren. Die Piedirosso, eine der ältesten italienischen Traubensorten, die immerhin 20% des Rosato ausmacht, verdankt ihren Namen ebenfalls ihrer Farbe, die M. Carlucci, ihren Namensgeber offenbar frappant an die rote Füße (piedi rossi) von Tauben erinnert hat.

sollte sich ein Jahr lang freinehmen und all die fantastischen Projekte abklappern, die es in Italien derzeit gibt. Eines davon findet sich in Tramonti, in Kampanien und geht auf die Kappe von Alfonso Arpino, der auf seinem Weingut Monte di Grazia, seit 2004 Reben kultiviert. Was neu klingt, hat steinalte Wurzeln (100 Jahre alte Rebstöcke) und die offenzulegen, ist dezidierte Ziel von Alfonso

Der Weinbau ist archaisch, die meisten Parzellen sind lediglich ein paar Quadratmeter groß, dazwischen geht es rauf oder runter. An ihrem Ende stehen Mauern, die Hänge halten und Grenzen bilden. In den nivellierten Flächen wachsen ganz poetisch Ginestra, Pepella und Biancatenera (weiße Rebsorten), Tintore und Piedirosso (rot). Aus letzteren keltert Alfonso einen Rosso und einen exzellenten Rosato, über den es sich lohnt, ein paar Worte zu verlieren.

Seine Basis ist Tintore und wie es der Name schon andeutet, gehört Tintore in die seltene Kategorie derjenigen Trauben, die dunkle Haut mit dunklem Fruchtfleisch kombinieren. In Frankreich hat man dafür den Namen Teinturiers geprägt und dazu gehören so große Namen wie Grand Noir de la Calmette, Morrastel Bouschet, Petit Bouschet und in Deutschland der phänomenale Dunkelfelder. Am bekanntesten dürfte allerdings – dank des Booms georgischer Weine – Saperavi sein.

In Italien sind es – nomen est omen – Colorino und ihre verschiedenen Spielarten (ihre Weine sind so intensiv, dass man sie lange Zeit als Farbstoff benutzt hat) und eben Tintore. Tinto bedeutet im südlichen Italien „gefärbt“, der Tintore ist ein „Färber“ und Tintoretto (*1519 – †1594) hat sich seinen Namen nicht, wie man naheliegenderweise vermuten könnte, dank seiner Fähigkeiten als Maler erarbeitet, sondern aufgrund der Tatsache, dass er den Sohn eines Tintore, eines Färbers, war (wer sich nur ein wenig für die Vielfalt und Eigenheiten italienischer Weine interessiert, sollte sich unbedingt Ian d’Agatas großartiges Buch Native Wine Grapes of Italy zulegen, aus dem auch diese Information stammt).

Alfonsos Rosato braucht folglich keinen Schalenkontakt und wird auch sofort gepresst – er ist also quasi ein roter Weißwein – da Alfonso allerdings nicht verwirren will, bleibt es beim Rosato! Er würde auch locker als Rosso durchgehen: jeder Nebbiolo oder Pinot Nero würde sich so viel Farbe wünschen. Am Gaumen allerdings spricht er dann allerdings eine andere Sprache – da schlägt dann die Lebendigkeit durch und mit ihm mehr Blüten- als Fruchtaromen.

Die Lese ist in den Hügeln um Tramonti übrigens erst Anfang November, kühle Winde prägen das ganze Jahr über die Region (Tramonti leitet sich wiederum von triventum, den drei Winden ab) und diese Frische (und Säure) vermittelt dann auch der Wein. Alfonso hat davon gerade mal ein paar hundert Flaschen, von denen es bislang leider keine über den Brenner geschafft hat. Also: Hinfahren und kaufen oder mich anrufen (00393292811061).

ps: weil wir gerade dabei waren. Die Piedirosso, eine der ältesten italienischen Traubensorten, die immerhin 20% des Rosato ausmacht, verdankt ihren Namen ebenfalls ihrer Farbe, die M. Carlucci, ihren Namensgeber offenbar frappant an die rote Füße (piedi rossi) von Tauben erinnert hat.


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