Der Name ist Programm. Alla Costiera, Filippo Gambas Weingut, mag sich zwar im Jahr 2016 im Herzen des Veneto befinden, vor 30 Millionen Jahren, als sich die Colli Euganei, die topographischen Manifestationen vulkanischer Eruptionen erstmals (eine zweite Eruption folgte ein paar Millionen Jahre später) aus dem Meer erhoben, wäre es wohl ungefähr an deren Küste gelegen.

Heikles Terroir: Heute finden sich die das Weingut umgebenden Weingärten von Filippo im äußersten Westen der offiziellen DOC Colli Euganei. Ein paar Meter weiter und man würde in die Zone der Colli Berici fallen, die, auch wenn nur eine 5 Kilometer breite Ebene zwischen den beiden Regionen liegt, doch auf erstaunlich unterschiedliche Traditionen und Rebsorten baut.

Die Weingärten von Filippo liegen fast zur Gänze in dieser Ebene und insgesamt könnten die Bedingungen für hochqualitative Weine definitiv besser und einfacher sein. Anders als in der Hügelwelt der Colli fehlt es an einer, die Weine strukturierenden Thermik: die Tagestemperaturen im Sommer kratzen oft an der 40°C Grenze und – was schwerer wiegt – es kühlt auch nachts nicht richtig ab. Vulkanische Böden, die den Weinen hoch über Vò, Filippos Heimatgemeinde, den Stempel aufdrücken, gibt es bei ihm unten an der Küste nicht. Die Böden sind tiefgründig und fruchtbar, nicht seicht und karg.

Old but gold: Filippo Gamba ist sich der Summe an Negativa durchaus bewusst, fokussiert sich allerdings auf die positiven Faktoren seiner Weingärten. So hat man statt vulkanischen Untergrund ein vor allem auf Kalk basierendes Terrain, was den Weinen selbst in warmen Jahren Straffheit und Strenge mit auf den Weg gibt. Und, für ihn noch wichtiger: ein guter Teil seiner Reben ist alt, bisweilen sehr alt. 70 Jahre und mehr haben diverse Cabernet und Tokaj-Stücke auf dem Buckel und das, meint Filippo völlig zurecht, schmeckt man. Die Beeren der alten Stöcke sind kleiner und die Schalen sind dicker. Die aus dem Boden und der Luft akkumulierten Nährstoffe verteilen sich auf weniger Trauben und intensivieren ihre sensorischen Attribute.

BIO seit 2000 + die Weine: Damit die Stöcke ein entsprechendes Alter erlangen (und vor allem, weil er sich und seiner Familie ein gesundes Umfeld bieten will), arbeitet Filippo seit 2000, seit er die Weingärten von seinem Eltern übernommen hat, zertifiziert biologisch. Seit 2005 verwendet er zudem biodynamische Präparate (nicht zertifiziert). Die roten Rebsorten sind, so wie es die Tradition der Hügel seit knapp 200 Jahren verlangt, international: Merlot, Cabernet & Carmenere bilden das Dreigestirn aus dem Filippo stolze vier Weine keltert, allen voran den Vò Vecchio, einen reinsortigen Merlot, der nach 12 Monaten im großen Holzfass Saftigkeit, Wärme und Substanz mit Pfeffer und roter Frucht vereint. Vergoren wird generell spontan, filtriert wird weder die Basis noch die Spitze der Sortimentspyramide. Tribut an seinen Vater Gerardo zollt er im gleichnamigen Wein, der nach 14 Monaten im Zement fruchtbetont, lebendig und dabei doch kompakt und ausreichend konzentriert daherkommt. Cabernet Sauvignon landet ebenfalls im Zementbottich und wer sich Tabak, Waldbeeren, Pfeffer & Kräuter darin wünscht, wird nicht enttäuscht.

Ergänzt wird das rote Sortiment durch zwei Frizzante (hefig, nussig, gelbe Früchte, animierend) und drei Weißweine. Nach dem Tribut an den Vater gibt es mit dem Agnese auch das entsprechende Pendant für die Mutter: Moscato, glücklicherweise trocken vinifiziert und erstaunlich delikat & subtil, mit einem zwar reichen aber nie ausladenden Spektrum an Aromen. Dichter, profunder und insgesamt substantieller und komplexer ist der Biancone, ein reinsortiger Tai Bianco (ehemals Tokaj) aus den alten Weingärten der Familie, der ebenfalls und für ein knappes Jahr in Zementgebinden ruht und reift.

Filippo Gambas Weine sind zwar nicht Weltklasse aber durch die Bank sehr gut und sie kosten auch nicht die Welt. Im Gegenteil. Wer sich also den Kofferraum mit exzellenten Essensbegleitern für alle Tage vollbunkern will, sollte – sofern er/sie sich denn in der Gegend aufhaltet – auf einen Sprung bei Filippo vorbeischauen.

Ps: mit dem Jahr 2017 wird es einen weiteren Rotwein geben, der anders als seine übrigen Weine nicht aus der Ebene, sondern von einem mit steinalten Rebstöcken bestockten, 400 Meter hoch gelegenen Hang auf vulkanisch geprägten Böden direkt aus den Colli stammt. Man darf und sollte darauf gespannt sein.

WEINE

Agnese Moscato Secco igt del Veneto
Biancone igt Bianco del Veneto
Colli Euganei doc Cabernet Sauvignon
Colli Euganei doc Carmenere
Colli Euganei Rosso doc Gerardo
Colli Euganei Rosso doc Vò Vecchio
Il Fiore della Costiera Passito di Moscato Giallo igt del Veneto
Serprino doc
Spumante Fior d’Arancio docg

Die Preise der Weine liegen zwischen € 6 und € 10 (2016)

Filippo Gamba ist Mitglied bei Vinnatur, GrUVE und nimmt außerdem alljährlich an der Manifestation von La Terra Trema teil

Jahresproduktion: ca.50000 Flaschen
Rebsorten: Moscato, Tai Bianco, Garganega, Merlot, Carmenere, Cabernet Sauvignon
Rebfläche: 7 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

In Baone, dort wo die Hänge der Colli Euganei, jener Hügelkette aus 55 kleinen und größeren Vulkanen, langsam in die Pianura Padana übergehen, steht das Anwesen Ca’Orologio. Es ist Agriturismo und Weingut in einem und beide könnte man völlig skrupellos mit einem Potpourri aus Superlativen beschreiben. Der Agriturismo befindet sich in einer der unzähligen venezianischen Villen, von denen es in den Colli mehr gibt als Casinos in Las Vegas. Alles perfekt restauriert und mit einem ausladenden Garten als Hinterhof, der von einem Weingarten abgeschlossen wird, über den man weiter auf den Monte Cecilia sieht. In dessen Kalkböden wurzeln die mitunter besten Weine der Hügel (siehe auch Vignale di Cecilia) und auch Ca’Orologio bewirtschaftet an seinen Hängen ein paar Parzellen.

Ca’Orologio, das ist vor allem Maria Gioia Rossellini. Eigentlich aus Treviso stammend, entwickelte sie schon in jungen Jahren eine Leidenschaft für das Landleben. Sie zog in den 1990er Jahren in die Hügel und nachdem sie die Villa renoviert und den Agriturismo etabliert hatte, begann sie sich zunehmend mit Weinbau zu befassen. Von der erste Sekunde an biologisch wirtschaftend, erschloss sie sich sukzessive die Welt des Weins und setzte sich immer höhere Ziele. Heute träumt sie vom idealen Wein, aus dem man ihre Ideen, das mediterrane Klima, die Vulkane, der Kalk & die Sorte schmecken kann, kurz all das spricht, was sie umgibt und beschäftigt.

Dafür stehen ihr eine Handvoll Rebsorten zur Verfügung, die zwar allesamt seit Jahrhunderten in den Colli Euganei ihre Heimat haben, deren Herkunft allerdings – mit einer Ausnahme – mit völlig anderen Weinbauregionen gleichgesetzt werden. Der Relogio, mit dem sie seit Jahren an ihrem Traum kratzt und der sich längst als einer der bester Rotweine der Colli Euganei und des Veneto etabliert hat, besteht beispielsweise aus gut 80% Carmenere und knapp 20% Cabernet Franc, der Calaone ist eine Cuvèe aus Merlot, Cabernet und einem Schuss Barbera.

Über die Gründe für die Omnipräsenz französischer Sorte scheiden sich die Geister. Die einen meinen, sie wären vor 150 Jahren von italienischen Landarbeitern aus dem Bordeaux mitgebracht worden, andere meinen, dass sie auf der Freundschaft der Conti Corinaldi, den einstigen Besitzern des Castello di Lispida mit Bordelaiser Gutsbesitzern zurückgehen. Fakt ist, dass Merlot heute mit über 500 Hektar Rebfläche quer durch die Hügel,   eindeutig den Ton in den Hügeln angibt.

Zu den internationalen Sorten gesellen sich auch noch Moscato Giallo, die klassische weiße Sorte in den Hügeln und als regionales Aushängeschild Raboso, dessen Etymologie schon das andeutet, was die meisten Rabosos ausmacht. Raboso leitet sich vermutlich von dem Wort rabbioso ab, was wiederum übersetzt wütend, zornig und ungezügelt bedeutet (andere meinen, es stamme von einem gleichnamigen Nebenfluss des Piave, in der Heimatregion des Raboso ab). Grund dafür sind wirklich zupackendes Tannin und eine Säure, die auch Riesling nicht schlecht stehen würde (und vor allem Veltliner). Die Tatsache, dass Maria Gioias neueste Abfüllung aus dem Jahr 2007 stammt, zeigt schon, dass man die Drohung, die dem Namen entspringt, auch bei Ca’Orologio ernst nimmt. Säure und Tannin dominieren dennoch und auch wenn Frucht und florale Noten stützen, ist der Cao definitiv vor allem ein idealer ein Essensbegleiter; ein Wein mit dem man sich alleine schwer tut, der allerdings mit Eselragout und Entenpasta – beides Spezialitäten aus der Ecke – bestens funktioniert.

Vergoren wird spontan und abgesehen vom Salarola, der weißen Cuvèe, die im Edelstahltank ausgebaut wird, landen alle anderen Weine über Jahre hinweg in Holzfässern. Geschönt und gefiltert wird nie, geschwefelt erst am Ende vor der Abfüllung. Gelagert wird übrigens direkt im Agriturismo, in einem Raum der bis obenhin mit Holzfässern angefüllt ist und dessen Organisation eine logistische Meisterleistung darstellt.


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