18 Apr 2020
Il Mortellito – im Süden des Südens
Die Weine von Il Mortellito gibt es bei https://www.lavaligiadibacco.com/
Hintergrund
Hoch oben, auf gut 500 Metern, wurzeln in kreideweißen Böden die Reben für den Calcareus. Entfernt am Horizont tut sich das Meer auf, Lampedusa ist nicht weit, Tunis näher als Neapel. Es sind alte Kulturlandschaften, die sich hier über die Hügel und Bergrücken spannen. Griechische Siedler hinterließen keine 10 Kilometer entfernt das Valle dei Templi, das Tal der Tempel, die größte archäologische Ausgrabungsstätte Europas. Mit der Errichtung griechischer Kolonien ging auch stets Weinbau einher und fand folglich auch rund um Agrigento schon vor mehr als 2000 Jahren statt. Ob dabei bereits etwas derart Spektakuläres wie der Calcareus der Brüder Gueli dabei herauskam, wagen wir zu bezweifeln. Schon deswegen, weil wir glauben, dass der Wein auch für heutige Maßstäbe die Latte extrem hoch legt und definitiv zu den aufregendsten Rotweinen der Insel zählt.
Grund dafür ist neben der behutsamen und meist manuellen Weingartenarbeit der drei Brüder ein Klima, das Wärme mit Wind kombiniert und den Reben ein balanciertes und langsames Wachstum ermöglicht. Der an manchen Stellen schneeweiße Boden, dem der Wein seinen Namen verdankt und ein ausgeklügeltes Erziehungssystem (Tendone) tun ein übriges.
Der Calcareus wird wie auch der Erbatino über 6-8 Tage spontan in Zementzisternen vergoren und danach noch für weitere 40-50 Tage auf den Schalen belassen. Der Ausbau erfolgt in gebrauchten 220-Liter Fässern über 24-30 Monate. Der Wein wird vor der Füllung weder gefiltert noch geschwefelt, bewahrt sich aber dennoch eine bestechende Klarheit und Präzision.
Stil
Elegant, kühl, präzis: Wer auf die Hitze des sizilianischen Südens hofft, sollte zu einer anderen Flasche greifen. Der Calcareus ist ein Kind seines Terroirs und das vereint Kalk und der Höhe geschuldete Tag-Nacht-Unterschiede, die dazu führen, dass der Wein nicht nur profund und dicht ist, sondern auch noch stringent und kompakt. Die Säure ist wie stets bei gut gemachtem und authentischem Nero d’Avola lebendig, das Finale trotz der straffen und engmaschigen Textur unbeschwert und animierend.
Rebsorte: 100% Nero d’Avola
Bewirtschaftungsart: biologisch
Weingarten: Hanglage auf 450-550 Meter Seehöhe in Scintilìa. Kühle Winde und Tendone, ein Pergola-ähnliches Erziehungssystem relativieren die intensive Sommerhitze. Kalk- Gipsböden.
Pflanzdatum der Reben: 2000
Lese: Per Hand in 25 Kilo fassende Kisten, Ende September
Vergärung: spontan | wilde Hefen in Zementzisternen, 40 tägige Mazeration
Ausbau: 24-30 Monate in zweit- oder drittbefüllten 220-Liter Fässern, 6 Monate Flaschenreife
Filtration: nein
SO₂: ungeschwefelt, unter 20 mg/l Gesamtschwefel
Alkoholgehalt: 13,50 % vol
Verschluss: Naturkorken
Trinktemperatur: 16-18 °C
Perfekte Trinkreife: ab sofort – 2030
28 Aug 2018
Weine erzählen: Gueli, U’russu 2015
U’ Russu 2015
Hintergrund: In den 1990er Jahren hatte Nero d’Avola seinen Popularitätshöhepunkt, der paradoxerweise Hand in Hand mit seinem qualitativen Tiefpunkt einherging. Zu unfassbar niedrigen Preisen überschwemmten Nero d’Avola-Versionen, die sich nicht einmal zum Strecken von Saucen eigneten, die Supermärkte der Welt. Irgendwann hatten das auch die leidenschaftlichsten Billigtrinker verstanden und Nero d’Avola wanderte aus den Aktionsregalen palettenweise zurück nach Sizilien. Und dort blieben sie auch. Damit war es fürs erste vorbei mit dem Boom der Sorte und die Reputation war dermaßen im Eimer, dass man wiederum zwei Jahrzehnte brauchte, um sie wieder einigermaßen geradezubiegen. Mitverantwortlich für die Wiederauferstehung des Nero d’Avola waren unter anderem die Brüder Gueli, die bislang ungekannte Seiten der Rebsorte aufdeckten und zeigten, dass man aus Nero d’Avola auch Weine keltern kann, die elegant, profund und dynamisch erstaunlich präzis von ihrer Herkunft erzählen können.
Der U Russu stammt von diversen Weingärten rund um das Weingut in Grotte, wird per Hand gelesen und über 6-8 Tage spontan in 2000 Liter großen Zementzisternen vergoren. Danach wird er in kleinere Zementbehältnissen umgezogen, wo er bis zum darauffolgenden Mai lagert, ehe er ungefiltert und ungeschwefelt gefüllt wird und für ein halbes Jahr weiterreift.
Stil
Dunkel, lebhaft und intensiv. Mediterran, erdig und dunkelfruchtig. Der U Russu mag zwar der Einstiegswein von Gueli sein, doch lässt er sich das nicht wirklich anmerken. Die Textur ist dicht und stoffig, das Tannin ist samtig, die Säure animierend aber bestens eingebunden.
Datenblatt
Rebsorte: 80% Nero d’Avola + 20% alte autochthone Sorten
Bewirtschaftungsart: biologisch
Weingarten: Diverse leicht abfallende Lagen auf 450-550 Meter Seehöhe rund um Grotte (Provinz Agrigento/Sizilien) Kühle Winde und Tendone, ein Pergola-ähnliches Erziehungssystem relativieren die intensive Sommerhitze. Kalk- und Tonböden.
Lese: Per Hand in 25 Kilo fassende Kisten
Vergärung: spontan | wilde Hefen, in 2000 Liter großen Zementzisternen
Ausbau: 7 Monate in vetrifiziertem Zement
Filtration: nein
SO₂: ungeschwefelt
Alkoholgehalt: 13,50 % vol
Verschluss: Naturkorken
Trinktemperatur: 16-18 °C
Perfekte Trinkreife: ab sofort – 2026
22 Apr 2017
Guelis Nero d’Avola: ein Gegenentwurf
Schonmal vorab. Calogero, Giuseppe und Davide Gueli keltern fantastische Weine. Mit die besten Rotweine Siziliens. Nicht aus Nerello mascalese und folglich nicht vom Ätna, sondern – man mag es kaum glauben – aus Nero d’Avola, einer Sorte, die einen im Normalfall eher zu Wasser als zum Wein greifen lässt. Gründe dafür gibt es gleich einige: drei talentierte Winzer – die Söhne von Vincenzo Gueli, der 1986 das Weingut in Grotte, in der Nähe von Agrigento gründete – die im Weingarten wie im Keller eine Menge richtiger Entscheidungen getroffen haben und treffen. Und ein Terrain, das offensichtlich wie gemacht für Nero d’Avola zu sein scheint. Zwischen 450 und 550 Meter gelegen – angesichts dessen, dass man nicht allzu weit vom Meer entfernt ist, also mitten in den Bergen – baut man auf ein kühles Klima und zwei unterschiedliche Bodenstrukturen, Kalk (Calcareaus) und Gips (Erbatino), die zwei sich deutlich voneinander unterscheidende Weine hervorbringen.
In den Weingärten, die sich in Hängen über das Weingut hochziehen, wird biologisch gearbeitet. Die Reben – eine jener durchdachten Entscheidungen, für die schon Vincenzo verantwortlich war – werden in Tendone, einer Pergolavariante erzogen, was angesichts der Sonneneinstrahlung und Sommertemperaturen im Süden Siziliens definitiv Sinn macht (die Leute, die einem in den diversen Wein-Fortbildungskursen immer wieder eintrichtern wollen, dass man in Pergolen keine ordentlichen Weine machen kann, sollten sich mal mit dem Calcareaus von Gueli auseinandersetzen – oder aber, nur um die Ausnahme der Regel zu bestätigen, mit dem Amarone von Ca‘ la Bionda). Die Pflanzdichte liegt bei 1000 Stöcke am Hektar, der Ertrag – jetzt wird es richtig wild – bei 10 Kilo/Stock. Eine weitere, ganz wesentliche Entscheidung, war und ist die Wahl diverser Nero d’Avola Biotypen im Weingarten, die keine einheitlichen sondern höchst unterschiedliche Rebstöcke und Beeren hervorbringen und folglich für eine entsprechende Diversität innerhalb des Rebmaterials sorgen – das bringt natürlich nur dann was, wenn man seine Rebstöcke bestens kennt.
Im Keller setzt man anfangs auf Zement und wilde Hefen. Nach der Gärung bleiben die Schalen weitere 2-3 Wochen mit dem Wein in Kontakt, ehe bei einem ersten Umzug in kleine Holzfässer das erste und einzige Mal geschwefelt wird. Zwei bis drei Jahre bleiben die Weine im Holz, danach wird ungefiltert und ohne weitere Schwefelzugabe gefüllt.
Der Calcareaus (den ich besser kenne als den Erbatino) öffnet sich für gewöhnlich nur langsam, doch wirft er dann sukzessive würzige, fein fruchtige, rotbeerige und steinige Noten in den Talon, wobei es – und das ist ungewöhnlich für die Sorte – nie aufdringlich wird. Im Gegenteil. Hat man den Wein erstmal im Mund wird es immer geradliniger und präziser. Zwar hat man es mit einem durchaus samtigen Körper zu tun, doch zum einen verleihen ihm ordentlich zupackende Tannine einen guten Gripp, zum anderen ist es die Kombination aus Klima und Kalk, die ihn in ein strukturierendes Korsett schnürt und ihn druckvoll, kompromisslos und ohne Schwenker in Richtung Gaumen befördern. Dort setzen sich dann für die nächste halbe Stunde Aromen fest, die warm, salzig und mediterran ein schlüssiges und saftiges Finale bilden. Viel besser geht es nicht – zumindest für mich. Den Erbatino habe ich zwar ebenfalls in bester Erinnerung, doch trinke ich ihn lieber nochmals bevor ich irgendeinen Unsinn schreibe.
Azienda Agricola Gueli
Via G. Di Vittorio 22, 92020 Grotte (AG) – Italia
Davide Gueli +39 320 2633268
Giuseppe Gueli +39 328 3420183
www.gueli.it
WEINE
Calcareus
Erbatino
Die Preise der Weine liegen bei ca. € 18 (2017)
Im deutschsprachigen Raum hat die Weine meines Wissens niemand, man kann sie aber in Italien via Meteri oder Vini Sud bestellen.
LINKS
Jahresproduktion:
Rebsorten: Nero d’Avola
Rebfläche: 10 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein