Denise Ferretti gehört zur – leider eher kleinen – Fraktion bestens ausgebildeter junger Winzerinnen, die ihr gesamtes vitikulturelles und önologisches Wissen der Idee unterordnen, das kulturelle Erbe einer alten Weinregion weiterzuführen bzw. wiederzubeleben. Nach einem Lebensmittel-Technologie Studium in Parma und einem Master in Önologie in Udine kehrte sie in die oft nebelverhangene, manchmal etwas triste Tiefebene nördlich von Reggio-Emilia zurück und gründete dort, gemeinsam mit ihrer Schwester Elisa, 2015 ihr eigenes Weingut.

Den beiden standen dafür drei Hektar Rebfläche am Bauernhof ihrer Familie zur Verfügung. Zwei alte Weingärten aus den Jahren 1960 und 1972 und zwei, die sie selbst 2012 und 2014 ausgesetzt hatten. Geprägt von viel Lehm und ein wenig Sand in einer völlig platten Landschaft sind sie ein wenig spektakulärer Kontrapunkt zu den meist auf Hügeln und Bergen stehenden und in Kalk und Stein wurzelnden Reben vieler anderer Winzer – doch was Denise und Elisa aus ihrem eher mittelmäßigen Terrain herausholen, kann sich dennoch sehen lassen.

Ganz der Tradition der Region entsprechend produzieren die beiden ausschließlich sprudelnde Weine: ein paar Lambrusco, für die sie nicht nur die klassischen Lambruscosorten Grasparossa, Salamino und Maestri, sondern auch die kaum noch gebräuchlichen Oliva, Barghi und Marani verwenden. Hinzu kommen zwei weiße Frizzante aus Trebbiano, Malvasia, Moscato und Pignoletto und ein Rosato aus der quasi vergessenen Sorte Fortana. Alle ihre Weine sind flaschenvergoren, bleiben mindestens für ein halbes Jahr auf der Hefe, sind gelegentlich ein bisschen rustikal, lohnen sich aber allemal.

Die Weine – eine Auswahl

Alle Weine sind spontan und ohne Temperaturkontrolle vergoren, ungeschönt und ungefiltert. Die Zweitgärung in der Flasche wird durch Süßmost eingeleitet.

Al Cēr: Lambrusco-Rosé (Al Cēr bedeutet im Dialekt Reggios „der Helle“) aus sieben verschiedenen Lambruscosorten plus Ancellotta. Rustikal. Fleischig, animalisch. Walderbeeren. Sehr lebendige Perlage und Säure. 

Al Scur: Lambrusco (Al Scur heißt „der Dunkle“)  aus den gleichen acht Rebsorten. Fleischig. Heidelbeeren. Leder. Floral. Animierende Perlage. Substantiell. Hat Kraft aber auch Trinkfluss.

Al biond: Trebbiano. Auf der Maische vergoren. Kupferfarben. Kräuter und Laub. Kaum spürbares Tannin. Gute Struktur. Lebhaftes aber ausgewogenes Finale.

Nina: 100% Fortana. Alte Rebsorte aus der Emilia. Seit jeher für Rosato verwendet. Erdbeeren, Rosen. Erdig. Leichtfüßig und erfrischend. Ausgewogen und fruchtbetont am Gaumen.

Ferretti Vini – Denise Ferretti
Adresse: Via Giacomo Matteotti 56, Campegine
Tel. +39 0522.676092
info@ferrettivini.it
www.ferrettivini.it

Paulo Ghiddi vereint auf seinem 7 Hektar großen Weingut bei Castelvetro di Modena gleich mehrere Professionen: er praktiziert vorrangig als Winzer, ist aber zudem noch als Hotelier (ein kleiner Agriturismo), Getreide- & Gemüsebauer (Dinkel, Gerste, Artischoken), Essigproduzent (Aceto Balsamico) und Gastwirt tätig. Er arbeitet seit der Steinzeit der offiziellen Zertifizierung biologisch und keltert Weine, die sich zwar vorwiegend lokalen Traditionen gelegentlich aber auch Vorlieben von Paolo verdanken. So hat er neben die in der Zone omnipräsente Lambruscovariante Grasparossa und Trebbiano di Spagna auch ein wenig Cabernet Sauvignon und Chardonnay gepflanzt und dabei den Schmähungen diverser Kollegen widerstanden. Vinifiziert wird allerdings so wie sich das für diesen Teil der Emilia gehört. Einer ersten Gärung in Zement oder Stahl folgt eine Zweitgärung in der Flasche und folglich Weine, die allesamt ordentlich sprudeln und schmecken.

WEINE: Richtig spannend und gut wird es dabei gleich beim ersten Wein, dem Matris Album, einer nach der methode ancestrale vinifizierten Cuvèe aus Trebbiano di Spagna, mit mikroskopischen Anteilen Garganega und Chardonnay. Voluminös, ausladend und üppig kontert sie spät aber dafür nachhaltig mit Säure und punktet am Gaumen wie in der Nase vor allem mit hefigen Noten, Kamille und Minze. Die Nummer zwei der Matris Rubellum, ein ebenfalls flaschenvergorener Rosato, ist straff und zurückhaltend, die ist Textur elegant und kühl, die Hefearomen weichen floralen Noten. Die Nummer drei im Matristrio ist der Matris rubrum, in dem ebenfalls Grasparossa den Ton angibt, allerdings nicht allein – unterstützt wird er von Uva Tosca und dem bereits erwähnten Cabernet Sauvignon – (im einstelligen Prozentbereich). Der hat – zumindest aromatisch – eher wenig zu melden, sorgt allerdings dafür, dass der ohnehin nicht tanninarme Grasparossa nochmals zusätzlich Rückgrat bekommt. Die Aromen sind dunkel und saftig, die Struktur ist, dank einer sehr lebhaften Perlage, animierend und der Körper ist kraftvoll aber elegant.

ps: Paolo Ghiddi hat in Form der Podere Cervarolo quasi einen Untermieter – das kleine, eben erst gegründete Weingut von Andrea della Casa vinifiziert seine Weine im Keller von San Polo. Wer also in die Gegend aufbricht, bekommt am Hof von Paolo die Weine von gleich zwei ausgezeichneten Winzern zu probieren.

Azienda San Polo
Via San Polo 5
Castelvetro di Modena
Tel: +39 348 0738343
info@agrisanpolo.it
www.agrisanpolo.it

WEINE

Matris album
Matris rubellum
Matris rubrum

Die Weine kosten ab Hof um die € 8 (2017).

Jahresproduktion: ca.30000 Flaschen
Rebsorten: Trebbiano di Spagna, Garganega, Lambrusco grasparossa, Uva Tosca, Cabernet sauvignon
Rebfläche: 7 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: ja

Pünktlich zur Weihnachtszeit eine Familiengeschichte.

Lambrusco ist zwar kein Dauerthema auf vino e terra, allerdings zugegebenermaßen eines, das mehr Aufmerksamkeit bekommt, als andere. Das hat gleich mehrere Gründe. Zum einen hat vino e terra sein Hauptquartier in Modena, also im Schnittpunkt der drei wichtigsten Lambruscoappellationen, weshalb es quasi tagtäglich die Möglichkeit gibt, sich damit zu beschäftigen. Zum anderen schlägt sich Lambrusco mit einer desaströsen Reputation herum, die zwar durchaus selbstverschuldet sein mag, der jedoch immer mehr handwerklich und biologisch arbeitende Winzer brillante Interpretationen entgegensetzen. Und die gilt es eben immer wieder vorzustellen.

Dem katastrophalen Ruf mag es auch geschuldet sein, dass sich eigentlich niemand außerhalb der Emilia mit Lambrusco auseinandersetzen will. Das führt fast zwangsläufig zu Überraschungen und Missverständnissen. Denn die Welt des Lambrusco ist nicht wirklich einfach zu verstehen. Was sich als banale und süß-klebrige Einheitsplörre im Unterbewusstsein vieler Weintrinker festgesetzt haben dürfte, hat eine lange und durchaus beachtliche Geschichte und ist zudem wesentlich vielschichtiger als gemeinhin angenommen. Auch die gilt es – ein andermal – nachzuerzählen.

Das Lambrusco, also die geographische Zone zwischen Bologna und Parma, hat seinen Namen von einer Rebsortenfamilie, die in sich nicht nur extrem heterogen ist, sondern auch heute noch aus immerhin 15 Mitgliedern besteht – vor 200 Jahren waren es doppelt so viel. Wie viele es vor 2000 Jahren waren, steht in den Sternen – Fakt ist jedoch, dass es die Lambruscofamilie damals bereits gab, was sie zur vermutlich ältesten unter den oft sehr alten Rebsortenfamilie Italiens macht. Es war also Zeit genug vorhanden, um sich – bei allen genetischen Übereinstimmungen, die es gab und gibt – entsprechend auseinander zu entwickeln. Das Lambrusco ist heute ein Sammelsurium an Rebsorten mit eigenen morphologischen, physiologischen aber auch sensorischen Attributen und wer in die Gegend aufbricht oder zu Hause eine Flasche aufmacht, sollte sich der Tatsache bewusst sein, dass zwischen Lambrusco Grasparosso und Lambrusco Sorbara geschmacklich ungefähr so viel Ähnlichkeit besteht wie zwischen Cabernet Sauvignon und Pinot noir. Es lohnt sich folglich die unterschiedlichen Mitglieder der Familie genauer unter die Lupe zu nehmen.

Die vier Wichtigsten:

Lambrusco di Sorbara

Südlich von Modena beheimatet. Weit und breit keine Erhebung. Dafür flache Sandböden und viel Luftfeuchtigkeit, die ideale Umgebung für Tomaten, Pfirsichbäume und …  Sorbara. Trotz bisweilen tropischer Verhältnisse (es kann im Sommer über Monate hinweg sehr heiß werden) kann man aus Sorbara im Idealfall elegante, zarte, ätherisch-leichte und duftige Weine keltern.

Bergianti produziert einen exzellenten reinsortigen Sorbara, Paltrinieri macht ebenfalls eine gelungene Version.

Lambrusco Salamino: Elegant, cremig, dunkle rote Beeren, Blütennoten, weich, sanft und einnehmend: zumindest würde ich ungefähr so Luciano Saettis Lambrusco Salamino beschreiben: den besten, den ich kenne. Die kurze und zylindrische Form der Traube führte dazu, dass ein paar betrunkene Bauern (oder Ampelographen) darin eine Salami erkannten – womit ihr etymologisches Schicksal besiegelt war.

Salamino findet sich vor allem in der Ebene zwischen Carpi und Modena. Satte 4000 Hektar sind damit bestockt, meist auf Sand, Schlick oder Ton. Es bedarf also viel Feingefühl und Erfahrung auf Seiten der Winzer, um die Finessen der Sorte aufzudecken.

Luciano Saetti produziert neben seinem Lambrusco auch noch einen exzellenten Rosato, den Il Cadetto. Ebenfalls ausgezeichnet ist der Ferrando von Quarticello. Dunkelfruchtigr, kraftvoller aber immerhin gut strukturiert ist der Albone von der Podere Il Saliceto. Bergianti, ein junges Weingut nahe Carpi tendiert mehr in die Richtung Saettis und macht aus Lambrusco Salamino (und 20% Lambrusco di Sorbara) den eleganten, dynamischen und rotbeerigen Bergianti rosso.

Lambrusco Grasparossa: Muskulös, saftig, dunkelfruchtig und kompakt. Grasparossa ist die forderndste und intensivste Lambruscovariante. Sie hat ordentlich Tannin und eine strukturierende Säure und wenn alles richtig gemacht wird (und es gibt eine ganze Menge an Winzern, die mittlerweile genau wissen, was sie tun), bekommt man einen Wein ins Glas, der nicht für ein farbliches Spektakel sorgt (dunkelblau mit violettem Schaum) sondern als Gesamtkunstwerk punktet. Wobei – anders als beim Salamino oder Sorbara – nicht Eleganz sondern Kraft und Konzentration das letzte Wort haben. Ich vermute auch, dass sich Grasparossa über Jahre hinweg sehr positiv entwickelt, weshalb ich erste Flaschen eingemottet habe.  Grasparossa findet man vor allem in den Hügeln südlich von Modena.

Wer Lust hat, sich mit Grasparossa zu beschäftigen, sollte auf jeden Fall Vittorio Grazianos Fonte dei Boschi und Claudio Plessis Tiepido probieren. Ganz fantastisch sind auch der Cenerino von der gerade erst ins Leben gerufenen Podere Cervarolo und der Matris rubrum von San Polo. Alle vier Winzer befinden sich nur ein paar Kilometer von Modena entfernt. Weiter im Westen, in den Hügeln südlich von Reggio Emilia gibt es mit dem Libeccio 225 von Denny Bini ebenfalls eine sehr gelungen reinsortige Versionen. In vielen anderen Lambruschi dient Grasparossa als Cuvèepartner und sorgt darin für Farbe, Gerbstoff und Cremigkeit (Ca‘ de Nocis Sottobosco, Quarticellos Despina, Angol d’Amigs Rosso etc.).

 

Vom Rest der Lambruscofamilie wird dann in den nächsten Tagen erzählt:

Lambrusco Maestri
Lambrusco Marani
Lambrusco Fiorano
Lambrusco Barghi
Lambrusco Montericco
Lambrusco Oliva
Lambrusco di Corbelli
Lambrusco Benetti
Lambrusco Viadanese

Claudio Plessi ist eine der großen Figuren im biologischen Weinbau der Emilia. Das wissen selbst in der Emilia die wenigsten, was vor allem daran liegt, dass Claudio zwar seit den 70er Jahren immer wieder große Projekte initiiert, sich dabei aber selbst weitgehend zurücknimmt. Folglich sind wir uns erst vor kurzem bei einer dem Lambrusco gewidmeten Verkostung in Vignola erstmals über den Weg gelaufen, wo er eine Handvoll sprudelnder Weine ausschenkte, die sich nicht nur qualitativ von denjenigen der anderen unterschieden. Auch was er einschenkte, sprengte den üblichen Kanon.

Wir starteten mit dem Ruzninteina, einem reinsortigen Ruggine, zu Deutsch „Rost“, einer alten Sorte aus dem Modenese, die ihren Namen ihrer tieforangen Farbe verdankt und nach Trockenfrüchten, Heu und Hefe schmeckt; machten mit dem Sparglàta, einem 100%igen Spergola weiter und krönten die erste Runde mit dem Tarbianein, seinem brillanten, ein wenig barocken, duftigen und mundfüllenden Trebbiano di Spagna.

Zwar pflegt Claudio – wie es sich für die Gegend gehört – die Tradition moussierender Weine, doch belässt er es bei all seinen Weinen bei einem feinen Prickeln, das zwar, ähnlich dezent wie der Winzer, im Hintergrund für Struktur sorgt, anderen Attributen (Aroma, Säure & Textur) allerdings die Bühne überlässt.

Die zweite Runde läutete Claudio mit dem Tàsca Rosato ein. In Rebsorten übersetzt bedeutet das Uva Tosca, in Aromen Kirschen und Unterholz. Uva Tosca ist eine seit ein paar hundert Jahren im emilianischen Apennin beheimatete Sorte, die sich kälte- und frostresistent bis auf 700 Meter hinaufzieht und filigrane, unbeschwerte und aromatisch subtile Weine ergibt, vorausgesetzt man keltert sie so wie Claudio (Vittorio Grazianos exzellenter Smilzo ist ein weiteres Beispiel). Danach wurde es dunkelrot und das heißt in dieser Ecke Italiens Lambrusco grasparossa, die intensivste, kräftigste und forderndste der vielen Lambruscovarianten. Claudios Interpretation macht diesbezüglich keine Ausnahme. Das Tannin ist präsent aber fein, die Aromen sind dunkel (Beeren, Balsam, Erde) und die Struktur ist klar und animierend. Der Wein heißt übrigens Tiepido, eine Referenz an den kleinen Bach, der an seinem Weingarten in Castelnuovo Rangone vorbeifließt und dafür mitverantwortlich ist, dass Claudio auch in den heißesten aller Sommer (2017) nicht bewässert.

Die dritte Runde nahmen wir dann bei Flavio Cantelli in Angriff, dem Eigentümer des Weinguts Maria Bortolotti. Claudio und Flavio bilden eine Art Winzerkollektiv, wobei sie nicht nur die gleichen Ideen vertreten (beide haben die Carta degli intenti dei Vignaioli Arigianali Naturali unterzeichnet), sondern sich auch einen Keller teilen. Was sich allerdings unterscheidet sind die Rebsorten und die Region. Flavios Weingut in Zola Pedrosa befindet sich zwar nur 15 Kilometer von Claudios Weingarten entfernt, doch ist man dort bereits in den Colli Bolognesi und folglich in einer zwar topographisch ähnlichen, ampelographisch allerdings völlig anderen Welt. Flavios wichtigste Sorte ist Pignoletto und statt Lambrusco und Uva Tosca hat er Barbera, der in den bolognesischen Hügeln bereits seit dem 12. Jahrhundert dokumentiert ist und aus dem er einen der besten Rotweine der Emilia keltert – doch davon ein andermal.

Die dritte Runde eröffnete Claudio mit dem Tarbian, seines Zeichens Trebbiano modenese und einer seiner allerbesten und den ausnahmslos sehr guten Weinen. Der Tarbian bleibt als einziger Weißwein für ein paar Tage auf der Maische (Claudio meint, die Sorte verlange danach), was ihm – laut Claudio – zusätzlich Struktur, Substanz und Aromen gibt. Er ist weich und rund, mit einer feinen Perlage und einem Aromaprofil, das Platz für Blüten, Zitrusfrüchte, Salz und Hefe lässt. Unter all den raren Sorten, die wir sukzessive durchprobieren, ist dann auch eine dabei, die noch rarer ist, als alle anderen zuvor und von der Claudio meint, dass er wohl weltweit der Einzige wäre, der sie vinifizieren würde. Der Caveriòl ist zu 100% Festasio, Rot und elegant, mit feinen Tanninen, milder Perlage, reifer roter Frucht und, wie so oft bei ihm, einem erdigen Unterton. Das letzte Wort in der dritten Runde gehört aufs Neue einem Lambrusco: diesmal der Spielart aus Fiorano, dem Ort, wo von Zeit zu Zeit Formel I Boliden die Weingärten beschallen. Der Lambruscaun ist dunkel und fleischig, ein wenig bitter und vielleicht der einzige unter Claudios Weinen, der in einer Cuvèe besser aufgehoben wäre. Doch das widerspräche seiner Idee, die Bandbreite und den Charakter marginalisierter Rebsorten aufzuzeigen – wie eigenwillig sie auch bisweilen sein mögen..

Die vierte Runde trugen wir vor kurzem in Claudios Weingarten aus – zwischen dunklen, reifen Trauben und ganz ohne Wein. Dafür erzählte mir Claudio von seinem Leben als Winzer, dass 1958 als Sechsjähriger begann, als seine Eltern einen ersten Weingarten (Belussi) kauften und er in der Bütte mit den Füßen über die Beeren stampfte. Damals verkaufte man den Großteil der Trauben noch an die Genossenschaft in Settecani und kelterte aus dem Rest Flaschen für den Hausgebrauch.

Mit 18 verabschiedete er sich fürs erste vom tagtäglichen Landleben, studierte in Reggio Emilia Landwirtschaft und forschte danach in Parma und Piacenza weiter. Nicht nur über Wein, sondern auch über alte Olivenarten in der Emilia (die ihn bis heute intensiv beschäftigen), autochthone Kirschensorten und über Hühnerrassen rund um Modena. Daneben blieb noch ausreichend Zeit um sich politisch dort zu positionieren, wo das Herz schlägt, aktiv in der Arbeiteravantgarde mitzuarbeiten und Präsident des Radio Cooperativa Modenese, einem Piratensender zu werden. Bereits als Professor für Landwirtschaft wurde er einer der Vorreiter der biologischen Bewegung der emilia und war 1987 einer der Gründerväter von Il Salto, einem Konsortium biologisch und biodynamisch produzierender Landwirte.

1986 übernahm er den 1958 gepflanzten Hektar, 2004 pflanzte er dann in die Ebene rund um sein Elternhaus 3,5 Hektar mit jenen Reben, die heute das Fundament für seine einmalige Serie an Schaumweinen bilden. Sämtliche Reben stehen in der Ebene, auf einem Gemisch aus Ton und Kalk, über das sich eine feine Sandschicht gelegt hat. Zwischen den Rebzeilen wächst, was wachsen will, gewipfelt wird grundsätzlich nicht, das gelegentliche Zuviel an Blätter entfernt er manuell. Die Lese ist für emilianische Verhältnisse spät, doch weiß er um die Qualität und Resistenz seiner Trauben.

Im Keller läuft alles nach eingespielten Regeln ab. Die Weine werden, je nach Sorte, gar nicht, kurz oder etwas länger mazeriert, spontan vergoren und ohne Temperaturkontrolle in Stahltanks ausgebaut. Gefiltert wird nicht, geschwefelt schon (ca. 30mg/l) Die Zweitgärung findet in der Flasche statt, degorgiert wird nicht.

Claudios Mission ist noch nicht zu Ende. In den letzten Jahren pflanzte er noch eine weitere Sorten aus (Grappello), mit der er demnächst sein ohnehin schon imposantes Sortiment weiter vergrößern wird. Einer fünften Runde steht also nichts im Wege.

Ps: Claudio Plessi tritt seit kurzem auch gelegentlich öffentlich in Erscheinung: beispielsweise schenkt er seine Weine bei der großen Kulturweinverkostung in Fornovo und bei den Zusammenkünften von Emilia sur li aus und wer weiß, vielleicht wird es seine Weine auch irgendwann im deutschsprachigen Raum zu kaufen geben. Lohnen würde es sich allemal.

Claudio Plessi
Stradello Monari 11, Castelnuovo R. (MO)
Telefono: 366.3955807
E-mail: claudioplessi@gmail.com

WEINE

Ruzinteina (Ruggine)
Tarbianein (Trebbiano di Spagna)
Tarbian (Trebbiano modenese)
Sparglata (Spergola)
Tàsca rosato (Uva tosca)
Tiepido (Lambrusco grasparossa)
Caveriòl (Festasio)
Lambruscaun (Lambrusco di Fiorano)
Sgavàta (Sgavetta)

Die Preise der Weine liegen zwischen € 9 und € 16 (2017)

Claudio Plessi ist Unterzeichner der Carta d’intenti dei Vignaioli Artigianali Naturali  und Mitglied bei Emilia sur li.

Jahresproduktion: ca.15000 Flaschen
Rebsorten: Trabbiano di Spagna, Trebbiano modenese, Spergola, Ruggine, Lambrusco grasparossa, Lambrusco di Fiorano, Sgavetta, Festasio, Grappello, Uva Tosca
Rebfläche: 4 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja, alle paar Jahre
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja – am Weingut Bortolotti und nach Voranmeldung
Wohnmöglichkeit: nein

Podere Cervarola
Via per Castelvetro/Villabianca

WEINE

Rondinina (rosato frizzante – Lambrusco Grasparossa)
Cenerino (rosso frizzante – Lambrusco Grasparossa)

Jahresproduktion: ca.4000 Flaschen
Rebsorten: Lambrusco Grasparossa, ausgepflanzt wurden zudem Trebbiano modenese, Trebbiano di Spagna und Occhio di gatto
Rebfläche: 1 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: nein
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Andrea della Casa gehört zu jener mutigen Truppe an Winzern, die ihren alten Job an den Nagel gehängt und ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht haben. Nach Jahren als technischer Zeichner hat sich Andrea nochmals auf die Schulbank gesetzt, Landwirtschaft studiert, um sich danach – gemeinsam mit seiner Partnerin Raffaella Caselli einen Hektar Land an der Peripherie von Castelvetro di Modena zu kaufen.

Idee: Bestockt war der Weingarten bereits mit alten Lambrusco-Grasparossa-Reben, neben die die beiden auch noch Trebbiano modenese, Trebbiano di spagna und Occhio di gatto, autochthone Sorten aus der Region gesetzt haben. Zum einen, weil sie von ihrer Qualität überzeugt sind (und wer je die Trebbianoversionen von Vittorio Graziano und Claudio Plessi probiert hat, weiß, dass sie damit nicht falsch liegen), zum anderen, weil sie zu der wachsenden Anzahl von Weinbauern zählen, die Landwirtschaft (und eben auch Weinbau) und die Konservierung und Diversität lokaler Sorten auch als Kulturauftrag verstehen.

Wer mit einer solcher Haltung Reben pflanzt bzw. rekultiviert, arbeitet für gewöhnlich auch im Weingarten bewusst und sorgfältig und folglich wundert es nicht, dass Andrea und Raffaela von Anfang ihre kleine Rebfläche biologisch bewirtschafteten. Auch beim Ertrag setzen die beiden auf Mengen, die ihnen die Möglichkeit geben, hohe Qualitäten zu produzieren. Statt mit den industrieüblichen 15000 Kilo am Hektar begnügt man sich mit 4000-5000. Und das schmeckt man.

Mit dem Jahrgang  2016 gibt es nun die beiden ersten, mit der gleichen Intention vinifizierten Weine: die erste Gärung fand dabei in Zementzisternen statt, die zweite (mit dem noch vorhandenen Restzucker der Erstgärung) in der Flasche (methode ancestrale) – auf das Degorgieren verzichtete man genauso wie aufs Filtern, 5 mg Sulfit auf die Maische sind die einzige Konzession ans italienische Lagerhaus.

WEINE: Der Rondinina ist ein geradliniger, erdiger Rosato, der allerdings schnell auch noch ein paar Beerennoten in den Talon wirft und die zwei, drei Gramm Restzucker zu viel, mit lebhafter Säure auffängt. Richtig Substanz hat dann der Cenerino, der nach 6 Tagen auf den Schalen ausreichend Tannin hat, um dem Wein Struktur, Charakter und Richtung zu geben und außerdem noch einen fleischigen Unterton, der bestens zur dunklen Frucht passt. Da die beiden naheliegenderweise nicht warten wollten, gibt es den Cenerino schon jetzt, wobei man keinen Fehler macht, wenn man ein paar Flaschen davon im Keller verstaut.

Die Weine gibt es meines Wissens nur ab Hof. Das wird sich mit Sicherheit ändern: wer sich aber zurzeit in der Ecke aufhält, sollte die Gelegenheit nutzen und bei den beiden vorbeischauen.


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