07 Dez / 2020
Vini Pietra (slowenischer Karst)
Vini Pietra – Biographie des Weinguts
Marko Tavcars exzellente Weine entstehen auf der slowenischen Seite des Karsts: in Kreplje, was auf Deutsch „Stein“ und auf Italienisch „Pietra“ bedeutet, womit sich auch der Name des Weinguts erklärt. Die Gegend rund um sein Dorf ist uraltes Weinland. Seit Menschengedenken geben darin Vitovska, Malvasia Istriana und Teran den Ton an. Drei Hektar Weingärten sind ihnen gewidmet. Zwei davon – jene für die weißen Sorten – befinden sich unweit des Weinguts. Sie basieren auf „pokarbonata“ (Kalkstein), der dritte, für den Teran, ist auch nicht viel weiter entfernt, fußt jedoch auf Ton.
Alle drei bewirtschaftet er mit maximalem Respekt. Laut Marko hat Wein „keine Relevanz, wenn er nicht sein Umfeld kontextualisiert“. Das bedeutet in wenigen Worten, dass die traditionelle Weinbaukultur und die alten Techniken der Gegend ebenso Bedeutung haben wie die gezielte Förderung der Biodiversität und eine pestizidfreie Landwirtschaft. Besonders deutlich wird dieser Ansatz auch in einem kleinem Projekt in Gorjansko, wo sich Marko 400 steinalten, in der traditionellen Liera erzogenen Reben angenommen hat.
Der Ausbau im Keller folgt den Prinzipien, die ihn auch im Weingarten leiten. Er verfolgt ein paar dezidierte Grundsätze (einen für die Region kurzen ca. dreitägigen Maischekontakt bei den Weißweinen, spontane Vergärung in Edelstahltanks und Ausbau in Zement (Weißweine) und Holz (Teran). Er lässt den Wein in aller Ruhe werden, beobachtet viel und folgt ansonsten den Grundsätzen von vinnatur. Alle Weine von Vini Pietra sind ungeschönt und ungefiltert und gehören zu den besten, die sich im Karst finden lassen.
Marco Tavcar
Adresse: Kreplje 2a, 6221 Dutovlje, Slowenien
Tel. + 38641546927
Die Weine
Malvazija: Basiert auf bis zu 35-Jahre alten Reben, die in kalkgeprägten Böden wurzeln. Bleibt drei Tage auf der Maische, ehe er zur Reifung in Zementgefäße gepumpt wird. Frisch, glasklar und präzis. Saftige und reife Fruchtnoten. Dicht, kompakt und fokussiert. Vereint Substanz mit Geradlinigkeit und Trinkfluss. Ausgewogen und nachhaltig am Gaumen. Sehr gut. (ca. € 15)
Vitovska: Stammt von einer kühlen, von Wald umschlossenen Randlage. Wurde wie der Malvazija vinifiziert. Hell und klar. Mediterrane Aromen, Kräuter, Pfirsich. Hat Kraft, wird jedoch von einem bestens eingespielten Gerbstoff-Säure-Duo gebündelt. (ca. € 15)
Gorjanka: Wein von über hundert Jahre alten Reben. Üppiger, wärmer und konzentrierter als die beiden anderen Weißweine. Reife gelbe Frucht, weiße Blüten. Stoffig, ausladend und weit über den Gaumen hinaus spürbar.(ca. € 30)
Teran: Auf Ton gewachsen und in Holz gereift. Teran ist kein Kind von Traurigkeit. Er fordert immer und das trifft auch auf Markos Interpretation zu. Die Säure gibt den Protagonisten, wird jedoch von einem festen und konzentrierten Körper gepuffert. Tiefe dunkle Frucht dominiert das Aromaprofil, ergänzt von fleischig-erdigen Noten. Das Finish ist stringent, druckvoll und eindrücklich. Wer sich dazu ein Stück Fleisch oder Salami auf den Teller legt, macht keinen Fehler. (ca. € 20)
Rebsorten: Vitovska, Malvazija; Teran
Rebfläche: 3 Hektar
Pflanzenschutz: Kupfer & Schwefel
Biologisch zertifiziert: –
Wohnmöglichkeit: nein
On the road: vinnatur
09 Nov / 2020
Cantina del Castello Conti
Sechs Jahrzehnte ist es hier, dass Ermanno Conti die Idee hatte, sich im historischen Weinbaugebiet Boca, genauer in Maggiora, im Schatten des Monte Rosa, eine Art Burg zu bauen. Dort wollte er zum einen seinen „flüssigen Schatz verteidigen und konservieren“, zum anderen aber auch Menschen beherbergen, die Lust hatten, seine Weine zu probieren und zu trinken. Sein Anliegen führen heute vor allem seine beiden Töchter Elena und Paola fort. Sie begnügen sich allerdings nicht damit den väterlichen Intentionen zu folgen, sondern ihren eigenen Ideen vom Zusammenspiel zwischen Wein und Kultur freien Lauf zu lassen.
Kultur hat dabei sowohl eine landwirtschaftliche wie auch künstlerische Bedeutung. Letztere manifestiert sich in fortwährenden Ausstellungen und Veranstaltungen im Schloss, aber auch an den Etiketten, die von unterschiedlichen Künstlern gestaltet wurden. Erstere in einer Herangehensweise, die kompromisslos der Natur das erste und letzte Wort überlässt und in Rebsorten, die ausnahmslos die Region widerspiegeln: Nebbiolo, Vespolina, Uva rara, Dolcetto und Greco novarese, besser bekannt (wenn auch nicht sehr) als Erbaluce.
Elena und Paola vinifizieren nach klassischen Prinzipien. Die Gärung ist spontan, die Maischestandzeiten sind bei Rot- wie Weißweinen relativ lange, der Ausbau erfolgt in Holzfässern und ohne jegliche Zusatzstoffe, mit der Ausnahme von etwas SO2 vor der Füllung. Alle Weine sind ungeschönt und ungefiltert und gehören zum Besten, was es nördlich von Barbaresco zu trinken gibt.
Cantine del Castello Conti
Die Weine
Boca „Il Rosso delle Donne“: 70% Nebbiolo, 25% Vespolina, 5% Uva Rara (Bonarda Novarese). Birgt in sich das ganze Potenzial und die ganze Geschichte der Region. Er hat Volumen, Kraft und Eleganz und ist doch leuchtend, hell und einladend. Festes Tannin und eine prägende Säure geben den Rahmen, in dem sich florale, erdige und feinfruchtige Noten wiederfinden, die im Laufe der Jahre immer wieder neue Schattierungen annehmen. Großer Wein, mitunter der beste des piemontesischen Nordens. Ab Hof kann man auch Jahrgänge bis in die 1990er Jahre erstehen. (ca. € 50)
Colline Novaresi Doc: Nebbiolo, gemacht, um auch jung getrunken werden zu können. Wobei die Betonung auf auch liegt. Transparent, fruchtig, mineralisch und vital. (ca. € 16)
Colline Novaresi Flores: Der Zwillingsbruder des doc, allerdings ohne zugefügtes SO2. Offen, fruchtbetont, mit kompaktem Tannin, viel Zug zum Gaumen und einem erdigen und vitalen Finish. (ca. € 19)
Origini bianco: Greco novarese. Zwei Wochen auf der Maische vergoren. Welke Blüten, reife Frucht, Orangenschalen. Vereint nicht zu knapp Gerbstoff und Säure. (ca. € 17)
Origine rosso (Cuvée aus autochthonen Rebsorten)
Zingara (Croatina)
27 Okt / 2020
Ferretti Vini (Emilia Romagna)
Denise Ferretti gehört zur – leider eher kleinen – Fraktion bestens ausgebildeter junger Winzerinnen, die ihr gesamtes vitikulturelles und önologisches Wissen der Idee unterordnen, das kulturelle Erbe einer alten Weinregion weiterzuführen bzw. wiederzubeleben. Nach einem Lebensmittel-Technologie Studium in Parma und einem Master in Önologie in Udine kehrte sie in die oft nebelverhangene, manchmal etwas triste Tiefebene nördlich von Reggio-Emilia zurück und gründete dort, gemeinsam mit ihrer Schwester Elisa, 2015 ihr eigenes Weingut.
Den beiden standen dafür drei Hektar Rebfläche am Bauernhof ihrer Familie zur Verfügung. Zwei alte Weingärten aus den Jahren 1960 und 1972 und zwei, die sie selbst 2012 und 2014 ausgesetzt hatten. Geprägt von viel Lehm und ein wenig Sand in einer völlig platten Landschaft sind sie ein wenig spektakulärer Kontrapunkt zu den meist auf Hügeln und Bergen stehenden und in Kalk und Stein wurzelnden Reben vieler anderer Winzer – doch was Denise und Elisa aus ihrem eher mittelmäßigen Terrain herausholen, kann sich dennoch sehen lassen.
Ganz der Tradition der Region entsprechend produzieren die beiden ausschließlich sprudelnde Weine: ein paar Lambrusco, für die sie nicht nur die klassischen Lambruscosorten Grasparossa, Salamino und Maestri, sondern auch die kaum noch gebräuchlichen Oliva, Barghi und Marani verwenden. Hinzu kommen zwei weiße Frizzante aus Trebbiano, Malvasia, Moscato und Pignoletto und ein Rosato aus der quasi vergessenen Sorte Fortana. Alle ihre Weine sind flaschenvergoren, bleiben mindestens für ein halbes Jahr auf der Hefe, sind gelegentlich ein bisschen rustikal, lohnen sich aber allemal.
Die Weine – eine Auswahl
Alle Weine sind spontan und ohne Temperaturkontrolle vergoren, ungeschönt und ungefiltert. Die Zweitgärung in der Flasche wird durch Süßmost eingeleitet.
Al Cēr: Lambrusco-Rosé (Al Cēr bedeutet im Dialekt Reggios „der Helle“) aus sieben verschiedenen Lambruscosorten plus Ancellotta. Rustikal. Fleischig, animalisch. Walderbeeren. Sehr lebendige Perlage und Säure.
Al Scur: Lambrusco (Al Scur heißt „der Dunkle“) aus den gleichen acht Rebsorten. Fleischig. Heidelbeeren. Leder. Floral. Animierende Perlage. Substantiell. Hat Kraft aber auch Trinkfluss.
Al biond: Trebbiano. Auf der Maische vergoren. Kupferfarben. Kräuter und Laub. Kaum spürbares Tannin. Gute Struktur. Lebhaftes aber ausgewogenes Finale.
Nina: 100% Fortana. Alte Rebsorte aus der Emilia. Seit jeher für Rosato verwendet. Erdbeeren, Rosen. Erdig. Leichtfüßig und erfrischend. Ausgewogen und fruchtbetont am Gaumen.
Ferretti Vini – Denise Ferretti
Adresse: Via Giacomo Matteotti 56, Campegine
Tel. +39 0522.676092
info@ferrettivini.it
www.ferrettivini.it
20 Okt / 2020
Luciano Capellini (Cinque Terre – Ligurien)
„La nostra cantina ha il dovere di mantenere quelli che sono i legami con il passato“ (Unser Weingut hat die Pflicht, die Verbindung mit der Vergangenheit zu erhalten.) – Luciano Capellini
Die wildesten Weinberge, die ich kenne, befinden sich in den Cinque Terre: unter einem liegt das Meer, über einem ist der Himmel und man selbst steht in einem quasi senkrechten Hang dazwischen. Erstaunlicherweise kam schon den Etruskern die aberwitzige Idee, dort Reben hinzusetzen. Das mag an der unmittelbaren Nähe zum Meer gelegen haben oder aber auch am ewigen Wunsch, die Natur zu besiegen. Oder an beidem.
Jedenfalls riss die Bewirtschaftung der Cinque Terre mit Reben nie wieder ab. Es etablierten sich Sorten, die es kaum sonstwo gibt und die längst zur Identität der Region beitragen: allen voran Bosco, aber auch Albarola oder Buonamico. Und mit dem Sciacchetrà hat man aus luftgetrockneten Trauben einen ganz eigenen Süßwein kreiert, der zum besten gehört, was Italien diesbezüglich zu bieten hat.
All diese Dinge beschäftigen Luciano Capellini. Mittlerweile in seinen 60ern versucht er seit Jahrzehnten mit bravouröser Energie die Weinkultur der Cinque Terre am Leben zu erhalten. Viele Winzerfamilien haben das Handtuch geworfen, fokussieren sich auf die Bewältigung der Touristenhorden oder sind in die Städte abgewandert. Luciano ist geblieben. In den Steillagen über Manarola pflegt er zwei Hektar Reben, die allesamt mit Seilzügen ausgestattet sind. Zudem nimmt er sich immer wieder Mikroparzellen vor und restauriert ihren alten Rebbestand und ihre Trockensteinmauern. Gut 7000 Liter Wein bekommt er so jedes Jahr in die Flasche, jede einzelne davon ein klassisches aber gleichsam auch formidables Beispiel einer Weinkultur, die sich über Generationen entwickelt hat.
Cinque Terre Bianco: Cuvée aus Bosco, Albarola und Vermentino. Nach 24-stündiger Maischestandzeit sanft abgepresst. Ausbau im gebrauchten Holzfass. Trocken, salzig, kräuterig, mediterran, warm. Dezente Fruchtaromen. Angenehm bitterer Nachgeschmack. Dichte Textur. Eine weiche aber tragende Säure. Ruhig. Lang. (ca. € 22)
Cinque Terre Macerato: die gleiche Cuvée allerdings mazeriert. Ein Tribut an die klassische Vinifizierungsmethode der Cinque Terre. Gibt es meines Wissens nur Ab-Hof.
Sciacchetrà: Hauptsächlich Bosco, ein wenig Vermentino und Albarola. Wird bis in den November hinein luftgetrocknet, danach abgepresst und über drei Wochen vergoren und in Holz ausgebaut. Eine Essenz aus Blüten, Nüssen und Früchten, cremig, salzig, elegant, mit lebhafter Säure und erstaunlichem Trinkfluss.
Vin de Gussa: Steinalte Technik. Gussa steht dialektal für buccia, Schale. Beim Vin de Gussa werden die, nach der Vinifizierung noch immer aromatischen Schalen des Sciaccetrà in ein Fass transferiert, das daraufhin mit Wein aufgefüllt wird. Nach 24 Stunden wird abgepresst. In dieser Zeit nimmt der Wein zusätzliche Aromen auf, gewinnt an Intensität und schlägt eine Brücke zwischen dem Cinque Terre und dem Sciacchetrà.
Luciano Capellini
15 Okt / 2020
Vigne di San Lorenzo (Romagna)
Vigne di San Lorenzo – Biographie des Weinguts
Filippo Manetti kam über Umwege zum Weinbau. Er studierte Elektrotechnik und danach Philosophie, ehe er aus seiner Liebe zum Gärtnern heraus, sich an der Peripherie Brisighellas ansiedelte. Er pflanzte Tomaten, Obstbäume und eine erste Reihe Sangiovese. Bei Letzterer sollte es nicht bleiben. Heute bewirtschaftet er 4 Hektar Weingärten nahe der schönen, kleinen Stadt in den romagnolischen Hügeln. Er ist ist Mitglied der Bioviticultori, einer sechsköpfigen Gruppe, die es sich zum Ziel gesetzt hat, von biologisch zertifizierten Rebflächen hochwertige und repräsentative Weine aus – zumeist – autochthonen Rebsorten zu produzieren. In Filippos Fall sind das vor allem Sangiovese, Malbo Gentile, Albana und Trebbiano, ergänzt von ein wenig Merlot und Cabernet.
Die Rebzeilen beginnen auf knapp 200 Metern – es ist dort vor allem sandig – und ziehen sich über 150 Höhenmeter den Monte Bicocca hinauf. Dort oben ist dann nicht nur das Klima ein anderes, auch der Boden hat sich verändert. Gipsartige Mineralien dominieren dort und mit ihnen der Sangiovese. Filippos Zugang ist dezidiert chemiefrei, er spritzt weder Herbizide noch Fungizide und setzt auf die selbstregulierenden Fähigkeiten seiner Rebstöcke.
Im Keller tut er das, was er tun muss. Minimalintervention ist das Grundprinzip. Die Gebinde sind größtenteils aus Holz, wobei Filippo in den letzten Jahren sukzessive von Barriques auf große Holzfässer umgestiegen ist. Zudem hat er ein paar Stahltanks und eine Amphore, in der er seit einigen Jahren den Menis, seinen exzellenten Albana, vinifiziert.
Früher waren Filippos Weine immer ein wenig zu sehr vom Alkohol getragen. Diesem Umstand hat er in den letzten Jahren erfolgreich entgegengearbeitet. Die Weine sind zwar immer noch dicht und kraftvoll, doch mittlerweile auch harmonisch und elegant.
Filippo Manetti
Via della Resistenza, 56, Fognano di Brisighella
mobil 0039 339 1137070
http://www.vignedisanlorenzo.it
info@campiume.it
Die Weine – eine Auswahl
Alle Weine sind ohne Temperaturregulierung spontan vergoren. Er schönt und filtert nicht, schwefelt wenig und räumt dem Faktor Zeit ausreichend Platz ein.
Gea: 100% Albana. Fünf Tage in Kontakt mit den Schalen. Im Stahltank vinifiziert. Zitrus- und exotische Noten, Laub und Kräuter. Saftig, dicht und druckvoll. Zieht wie auf Schienen in Richtung Gaumen. Sehr gut.
Campiglione Bianco: 100% Trebbiano. Viertägiger Schalenkontakt. Simpler gestrickt als der Gea. Spielerisch und leicht. Pfirsich und Blüten geben den Ton an.
Menis: 100% Albana. Über neun Monate in der Amphore ausgebaut. Einer der besten Interpretationen der Rebsorte. Intensiv, eindrücklich. Warme Aromen. vielschichtig. Mit einer prägender und richtungsweisenden Struktur. Energetisch. Vollmundig. Sehr gut.
Campiume: 100% Sangiovese. Relativ lange Mazeration (40 Tage). Zwei Jahre im Holzfass ausgebaut. Veilchen, Kirschen, Erde. Kompakt, dicht und saftig. Profund aber nie schwer. Eine lenkende aber nie aufdringliche Säure. Gut eingebundener Gerbstoff. Lang.
San Lorenzo: Cabernet Sauvignon & Merlot. Im Holzfass ausgebaut. Kräuter, Tabak, Fleisch und dunkle Beeren. Hat Körper und Kraft. Ausgewogen. Dicht und saftig.
Fieni: Hauptanteilig Malbo Gentile, unterstützt von Cabernet Sauvignon, Sangiovese und Merlot. Im Holz ausgebaut. Gewichtig und gehaltvoll. Dunkle Aromen: Rauch, Leder, Brombeeren. Hat trotz seiner Substanz Trinkfluss. Sehr gut.
Bezugsquellen
Ab Hof-Verkauf: ja, nach Voranmeldung
Aus Italien online: decanto.it
Im deutschsprachigen Raum: –
12 Okt / 2020
Ronco Severo (Friaul – Collio Orientale)
In einem kurzen Video auf seiner Webseite meint Stefano Novello von Ronco Severo, dass „du nur die Weine probieren musst, um den Charakter eines Winzers zu verstehen.“ Da hat er vermutlich recht. So wichtig das Terroir und die Rebsorte auch sein mögen (und Stefano spricht auch kurz davon), so entscheidend ist doch auch die Geisteshaltung, Herangehensweise und Handschrift des Winzers – im Weingarten wie im Keller.
Im gleichen Video meint er auch, dass ihn sein Vater vor 15 Jahren fragte, warum er eine Sache ändern wolle, die gut funktioniere und damit auf Stefanos Wunsch anspielte, seine Weingärten auf biologische Bewirtschaftung umzustellen. Antworten darauf fand Stefano genug, woraufhin die Art der Produktion verändert wurde und Pestizide und systemische Chemikalien aus den Weingärten verschwanden.
Die befinden sich allesamt in Prepotto, der inoffiziellen Weinkapitale der friulanischen Colli Orientali und wurzeln im dort omnipräsenten Ponka, einem porösen Kalkmergel, der seinen Weinen „Rückgrat und Substanz verleiht.“
Im Keller geht es Stefano darum, all das, was in seinen Trauben steckt, auch Wein werden zu lassen. Weshalb er sie bisweilen über lange Zeit in Kontakt mit ihren Schalen belässt und lieber auf den Faktor Zeit und eine natürliche Klärung setzt als sie zu schönen und zu zu filtern. So entstehen ein halbes Dutzend Weine, die beredt und facettenreich von ihrer Herkunft und ihrem Winzer erzählen.
Sie sind offen, warm und einladend, ruhig und ausgewogen, sympathisch und vielschichtig, anfangs ein wenig zurückhaltend, am Ende jedoch voller Energie und Tiefe.
Alle Weine von Ronco Severo sind spontan und ohne Temperaturkontrolle in Holzgärständern vergoren, nicht geschönt und nicht gefiltert.
Pinot Grigio: Grauburgunder aus spät gelesenen Trauben. Einmonatiger Schalenkontakt. Ausbau über 23 Monate in 20hl großen Holzfässern. Akazienblüten und Akazienhonig. Orangenschalen, trockenes Heu. Trocken, weich und einnehmend. Sehr gut. (ca. € 25)
Severo Bianco: Ein gemischter Satz aus gleichzeitig gelesenen und gemeinsam auf der Maische vergorenen Friulano, Chardonnay, Picolit und Chardonnaytrauben. Ausbau über 23 Monate in großen Holzfässern. Duftig und einladend. Etwas Vanille, Bratapfel und Blütennoten. Harmonisch. Einen Tick straffer als der Pinot Grigio.
Friulano: Auf den Schalen vergoren. Über 23 Monate in 30hl großen Holzfässern gereift. Wiesenblumen, reife gelbe Frucht, mediterrane Kräuter. Dicht, saftig und intensiv. Lang und nachdrücklich.
Ribolla Gialla: Spät und in perfekter Reife gelesen. Auf den Schalen vergoren. Über 23 Monate in 30hl großen Holzfässern gereift. Trockenfrüchte, Zitrus- und Blütenaromen. Straff, geradlinig, profund. Mit einer konzentrierten Textur. Kraftvoll und dynamisch. Einer der besten Ribolla Gialla, die ich kenne.
Schioppettino: Gehaltvolle Version der großen friulanischen Rotweinsorte. Lange mazeriert, danach Ausbau über 30 Monate in großen Holzfässern. Dunkelfruchtig, Brombeeren, Pfeffer, Unterholz. Mürbes Tannin, weiche Textur. Tief und lang.
Refosco dal peduncolo rosso
Artiûl (Merlot)
Ronco Severo – Stefano Novelli
Adresse: Via Ronchi 93, Prepotto
Tel. +39 0432 713340
info@roncosevero.it
www.roncosevero.it
05 Okt / 2020
Alberto Oggero
Albero Oggero ist ein unruhiger Geist. Geduld ist seine Stärke nicht, weshalb es für ihn anfangs auch nicht ganz einfach war, die langsamen Abläufe innerhalb eines Weingartens zu akzeptieren. Winzer wollte er, seit den Tagen, als er seinem Großvater in die Weinberge folgte, jedoch immer werden. Auf dessen, vor vielen Jahrzehnten gepflanzte Reben, greift er heute noch zurück und damit das noch lange so bleibt, pflegt er sie biologisch und nachhaltig. Abgesehen von geerbten Rebflächen hat er mittlerweile auch noch zwei steinalte Weingärten gepachtet, von deren extrem steilen und nur in Handarbeit zu bewirtschaftenden Hängen er seine Roero Riserva keltert.
Albertos Weinberge befinden sich allesamt in der Nähe von Santo Stefano Roero und basieren recht einheitlich auf Kalk und Sand. Was sich allerdings unterscheidet sind die Expositionen, die sich vom Osten bis in den Westen spannen. Und natürlich die Rebsorten: die sind, wie es im Roero üblich ist, Nebbiolo für die Rotweine und Arneis für die Weißweine.
Weil er sich seiner Ungeduld völlig bewusst ist, weiß er, wie wichtig der Faktor Zeit ist. Weshalb er seinen Weinen – weiß wie rot – oft Jahre gönnt, um ihr Gleichgewicht und ihre Aromen zu finden. Vinifiziert wird ohne technologischen Schnickschnack und unnötige Zusatzstoffe. Alberto Oggero ist Teil der Winzergruppe SoloRoero, deren Ziel es ist, die vitikulturell erstklassige aber etwas verschlafene Region wachzuküssen.
Alberto Oggero
Frazione Santissima Trinità 21, Santo Stefano Roero
Tel: 329 0085648
E-Mail: info@albertooggero.it
Webseite: www.albertooggero.it
Die Weine
Roero Arneis: Wie Luca Faccenda und Enrico Cauda, seine Kumpels von SoloRoero, bringt auch Alberto einen exzellenten Arneis in die Flasche. Die Trauben dafür stammen aus den alten Weingärten seines Großvaters – viel erntet er davon nicht, dafür ist das, was er einbringt ausdrucksstark und gehaltvoll. Nach 10 Monaten in Zementbottichen verströmt sein Arneis Kräuter- und Blütennoten. Er ist strukturiert, saftig und dynamisch.
‚Sandro d’Pindeta’: Eine Nebbiolo wie man ihn eher selten bekommt. Leicht und trinkig, mit viel Fluss und ohne aggressive Tannine. Ein Wein für alle Tage, fruchtig und aromatisch, offen und animierend.
Roero Rosso: Der Klassiker des Hauses. Nebbiolo in purezza. Spontane Vergärung im Stahltank, 25 Tage Maischekontakt. Ungeschönt und ungefiltert. Ausbau über 14 Monate im Tonneaux und zwei Jahre in der Flasche. Kühl & strukturiert. Lakritze, Rosen und ein paar rote Fruchte. Elegant und geradlinig.
Roero Rosso Riserva: Nebbiolo von den 80 Jahre alten Reben ein gepachteten Weingartens. 25 Tage Maischekontakt. Ungeschönt und ungefiltert. Ausbau über zwei Jahre im Tonneaux und zwei Jahre in der Flasche. Hat Grip, Power, Druck und Zug. Offeriert dunkelrote Früchte, erdige Noten und Blüten. Substantiell und eindrücklich. Bleibt lang haften. Very good.
02 Okt / 2020
La Poiesa (Emilia-Romagna)
La Poiesa ist eines der vielen, verhältnismäßig jungen Weingüter in der extrem umtriebigen Region rund um Piacenza. Es geht auf das Konto von Roberto Cristi, der nach seinem Diplom zum Landvermesser der Idee sein Leben in den Büros von Turin zu fristen nichts abgewinnen konnte und in die Heimat seiner Urgroßeltern Livio und Filomena zurückgekehrt ist. Die bewirtschafteten schon vor gut 100 Jahren einen Flecken Erde in Carpaneto Piacentino, wo auch Roberto heute lebt und arbeitet. Er übernahm den Namen ihres Weinguts, der kein Buchstabensalat aus dem Wort Poesia (Poesie) ist, sondern sich von Poiana ableitet, dem lokalen Namen für den Mäusebussard, der noch immer gelegentlich über die Weingärten schwebt.
Auch wenn er die Gerätschaften modernisiert hat, die das Leben am Feld und im Keller vereinfachen, ist die Herangehensweise weiterhin traditionell und von den Rebsorten der Vergangenheit geprägt. Aus Barbera und Bonarda fabriziert er einen in der Flasche vergorenen Frizzante, der in der Region Gutturnio genannt wird und stilistisch Lambrusco ähnelt. Und aus Ortrugo und Malvasia di Candia Aromatica keltert er zwei maischevergorene Rifermentati: gleichfalls flaschenvergorenen Sprudel, der allerdings mit etwas weniger Druck als beispielsweise ein Franciacorta oder Champagner und ohne Degorgement (Entfernen des Hefesatzes) vinifiziert wird.
La Poiesa ist Mitglied bei Emilia sur li.
Die Weine
Filòm: Frizzante aus 100% Malvasia di Candia Aromatica. Über vier Wochen mit den Schalen in Zementzisternen vergoren. Ungefiltert zur Zweitgärung in die Flasche gefüllt. Hat die Farbe eines Sonnenuntergangs. Reife Zitrusaromen, warme, gelbfruchtige Noten, welkes Laub. Forsch und rustikal, mit Grip und Druck am Gaumen. Hat Charakter. Seht gut. (ca. € 10)
Burbero: Frizzante aus 100% Ortrugo. Über vier Wochen mit den Schalen in Zementzisternen vergoren. Ungefiltert zur Zweitgärung in die Flasche gefüllt. Kräuterig, subtiler und heller in der Aromatik als der Filòm. Spielerisch, leicht aber doch eindrücklich. (ca. € 10)
Livione: Frizzante aus 60% Barbera und 40% Bonarda. Über drei Wochen mit den Schalen in Zementzisternen vergoren. Ungefiltert zur Zweitgärung in die Flasche gefüllt. Dunkel im Auge und in der Nase. Beeren und Pfeffer. Würzig. Straff (dank der Barbera) und doch mit Körper (danke der Bonarda). Brillanter Essensbegleiter zu deftigen Gerichten. (ca. € 10)
Azienda Agricola La Poiesa
Adresse: Strada Poiesa, 50 – Carpaneto Piacentino
Tel. +39 347 0697858
info@lapoiesa.it
www.lapoiesa.it
28 Sep / 2020
Stefano Legnani (Ligurien) – Meister des Vermentino
Kurzbiographie des Weinguts
Stefano Legnani war erst Konsument bevor er sich ab 2004 als Winzer probierte. In seinem früheren Leben als Versicherungsvertreter in Vicenza gründete er einen Stammtisch, an dem man sich nicht nur die üblichen Verdächtigen aus der Toskana und dem Piemont, dem Bordeaux und dem Burgund einschenkte, sondern sich auch in die Nischen der Weinwelt begab. So entdeckte er schon früh die Weine von Stanko Radikon und entwickelte eine Leidenschaft für die maischevergorenen Interpretationen aus dem friulanisch-slowenischen Grenzland. Anfang der 2000er Jahre zog er aus dem Veneto ins ligurische Sarzana, in die Heimat seiner Frau Monica. Die beiden kauften sich einen Hektar Land und bestockten ihn mit 3600 Vermentino-Reben – einen genauen Plan, was aus ihnen und ihren Trauben werden sollte, gab es am Anfang nicht. Er kultivierte sie rigoros biologisch und nachdem die erste Ernte zwar klein war aber gesunde Trauben hervorbrachte, entschloss er sich, sie künftig in Wein zu verwandeln.
Er entsann sich seiner Affinität für maischevergorene Weine und startete in den darauffolgenden Jahren erste Vinifikationen. Leidenschaft kombinierte sich sukzessive mit Wissen und Erfahrung und so entstanden langsam aber sicher Weine, die nicht nur Anhänger unter seinen Stammtischfreunden fanden, sondern weit über die Grenzen Liguriens und Italiens hinaus – seine größte Fangemeinde hat er seit einiger Zeit in Japan, wo er bei Verkostungen wie ein Popstar gefeiert wird.
Seiner anfänglichen Konzeption ist er bis heute treu geblieben. Im Weingarten pflegt er seine „Signorine“, wie er seine Reben liebevoll nennt, größtenteils per Hand. Die Lese ist relativ spät. Indikator für den richtigen Zeitpunkt sind sein Gaumen und das vermehrte Auftreten von Wespen, die der süße Saft der Trauben anzieht.
Im Keller entstehen mittlerweile insgesamt drei Weine, die auf mit den Schalen vergorenen weißen Trauben basieren, wobei sich die Mazerationszeiten auf ca. 5 Tage eingependelt haben (nicht länger, um Rebsorte und Herkunft nicht zu überdecken). Der Ausbau vollzieht sich über ein knappes Jahr in Stahltanks. Alle Weine sind ungeschönt, ungefiltert und sehr gut.
Die Weine
Ponte di Toi: 100% Vermentino. Sein erster, selbstproduzierter Wein. Floral, salzig, gelbfruchtig. Klassische Kräuternoten. Ist relativ weich und mürb. Verjüngt sich zum Gaumen und gewinnt zum Ende hin Druck und Zug.
Loup Garou: 100% Vermentino. Einem Album von Willy DeVille gewidmet. Entsteht nur in besonderen Jahren (bisher 2012, 2013, 2016). Die Zeit auf den Schalen kommt hier deutlicher zum Tragen als beim Ponte di Toi, der Loup Garou hat mehr Grip und Struktur. Reife Zitrusaromen, Blütennoten, Kräuter (Tee). Dynamisch und mit ordentlich Spannung. Mundfüllende Textur. Im Finish erfrischend und eindrücklich.
Bamboo Road: Eine old-style Cuvée aus Vermentino, Trebbiano, Albana und Malvasia di Candia und ein zweites Tribut an Willy DeVille. Reife Fruchtaromen, sonnig, hell. Warm und weich. Mediterran. Kräuter. Säure sucht man hier vergeblich. Dass der Wein dennoch Richtung und Trinkfluss hat, verdankt sich einem lenkenden Gerbstoff. Sehr gut.
Stefano Legnani
24 Sep / 2020
Valfaccenda (Piemont)
Kurzbiographie des Weinguts
Auf Valfaccenda werden exzellente Weine gekeltert. Es ist eines jener Projekte, von denen es viel mehr geben sollte. 2010 von Luca Faccenda und Carolina Roggero ins Leben gerufen, schaut es eigentlich auf eine lange Geschichte zurück. Lucas Familie ist seit dem 18. Jahrhundert im Roero ansässig, das – absolut fantastisch gelegene und vor kurzem großartig renovierte – Weingut, in dem die beiden leben und arbeiten, wurde in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts von Leone, Lucas Großvater, gebaut.
Die Weingärten des Roero generell und die 4 Hektar von Carolina und Luca im besonderen sind steil und auf Sand gebaut. Darin wurzeln Arneis und Nebbioloreben, die die beiden aufgrund der natürlichen Voraussetzungen quasi ausschließlich per Hand bewirtschaften. Die Weingartenarbeit ist traditionell und biologisch zertifiziert, im Keller wird – trotz oder gerade wegen Lucas Hintergrund als diplomierter Önologe – auf allzu viel Önologie verzichtet. Luca und Carolina sind Teil der Gruppe SoloRoero, zu der auch Alberto Oggero und Enrico Cauda (Cascina Fornace) gehören und die es sich zum Ziel gesetzt hat, das historisch bedeutende aber etwas verschlafene Gebiet wachzuküssen
Valfaccenda
Adresse: Loc. Valle Faccenda, fraz. Madonna di Loreto 43, 12043 Canale
Tel: +39 339 7303837
E-Mail: info@valfaccenda.it
www.valfaccenda.it
Die Weine
Roero Arneis Valfaccenda: 100% Arneis. Auf den Steilhängen rund um das Weingut gewachsen. 90% der Trauben wurden direkt abgepresst, 10% mit den Schalen vergoren. Der Ausbau geht teils in Edelstahltanks, teils in gebrauchten Holzfässern vonstatten. Kräuter und Tabak geben den Takt vor, weiße Früchte ergänzen. Der Wein hat Grip und Substanz, vereint Leichtigkeit mit Tiefe und Länge.
Roero Rosso Valfaccenda: 100% Nebbiolo. Perfektes Traubenmaterial minimalinterventionistisch vinifiziert. 12 Monate im gebrauchten Holzfass ausgebaut. Einladend und offen. Kein Nebbiolo, den man frühestens nach 30 Jahren trinken darf. Im Gegenteil. Macht vom ersten Schluck weg Spaß, ohne dabei banal zu sein. Vereint rote Nebbiolofrucht mit Blütenaromen und erdigen Noten. Versprüht trotz seiner präsenten Tannine Leichtigkeit und Frische.
Valmaggiore Nebbiolo
Valmaggiore Arneis
21 Sep / 2020
Cascina Roccalini (Barbaresco)
Paolo Veglio ist Jahrgang 1978. Seit 1992 arbeitet er als Weinbauer in den Weingärten der Familie. Bis 2004 lieferte er seine Nebbiolo-Trauben bei Barbaresco-Legende Bruno Giacosa ab, danach wagte er den Sprung ins kalte Wasser und begann seine Trauben selbst zu vinifizieren. Unterstützt wurde er anfangs von Dante Scaglione, dem einstigen Kellermeister von Giacosa. Nach ein paar Jahren begann er dann auch im Keller selbst die Fäden zu ziehen und verpasste seinen Weinen eine eigene, zunehmend raffiniertere und elegantere Handschrift. Mittlerweile produziert er die mitunter besten Barbaresco der Region (und das zu einem nachvollziehbaren Preis). Er schloss sich über einige Jahre der Naturwein-Winzervereinigung ViniVeri an, die seine Herangehensweise entscheidend mitprägte.
Auch wenn er ein paar Tausend Flaschen ganz ordentliche Barbera und Dolcetto abfüllt, ist seine unumschränkte Domäne Nebbiolo. Daraus keltert er drei Weine, einen Langhe Nebbiolo und zwei Barbaresco, die durch die Bank ganz große Klasse sind. Die Kellerarbeit ist traditionell. Er vergärt spontan und ohne Temperaturkontrolle in großen Zementbottichen, setzt auf lange Maischestandzeiten und einen geduldigen Ausbau in großen Holzfässern. Paolos Weine sind ungeschönt und ungefiltert.
Cascina Roccalini
Langhe Nebbiolo: 60 Tage auf der Maische. In Zementzisternen vergoren. Klare Frucht- und Blütennoten. Fordernde Tannine werden in einem kompakten Körper aufgefangen. Mundfüllend. Kraftvoll. Erdig. In Sachen Alkohol eher auf der kräftigen Seite. Ist dennoch ausgewogen. Eindrucksvoller Einstieg.
Barbaresco: Gleiche Vinifizierung wie der Langhe Nebbiolo. Die Trauben stammen diesmal allerdings aus unmittelbar das Weingut umgebende Weingärten. 18-monatige Reifung in großen Holzfässern. Bereits in der Nase erdig, würzig, floral, dicht, lebendig und präzis. Am Gaumen straffer und strukturierter als Langhe N. , frisch, substantiell, lang und mit viel Trinkfluss.
Barbaresco riserva: Gleiche Vinifizierung wie die anderen beiden. 24-monatiger Ausbau im Holzfass, danach nochmals 24 Monate in der Flasche. Vielschichtig wie schon der klassische Barbaresco davor. Vielleicht nochmals komplexer. Am Gaumen tief, dicht und engmaschig. Ist kraftvoll – und eine Eigenheit vieler großer Nebbiolos – gleichzeitig grazil. Great.
17 Sep / 2020
Rosmarinus (Ligurien)
Mitte der 1990er Jahre krempelte Marco Blancardi die Ärmel hoch und begann damit, verwildertes Terrain im Hinterland von Dolceacqua, im äußersten Westen Ligurien, freizulegen. Er befreite jahrzehntelang brachliegende Olivenhaine und typisch mediterrane Kräuter wie Rosmarin (ergo der Name) Thymian und Lavendel von Gestrüpp und begann daraus Öle und Essenzen herzustellen. 2005 weitete er sein Projekt um einen ersten Weingarten aus, dem er 2009 noch einen weiteren, mit damals 90-jährigen Reben, hinzufügte.
In einem Kurs über biodynamischen Weinbau lernte er seine heutige Frau Francesca kennen. Sie zog zu ihm nach Perinaldo, wo sie nunmehr gemeinsame Sache machen. Die ist auch zu zweit anstrengend genug. Speziell die Lage Pinella, die Marco 2009 erworben hat, ist steil und mühsam zu bewirtschaften. Trockensteinmauern ermöglichen überhaupt erst Weinbau, müssen aber auch immer wieder gepflegt und ausgebessert werden. Doch lohnt sich der Aufwand auch. Nicht nur, weil die beiden daraus die Basis für einen formidablen Rossese, der großen roten Rebsorte Liguriens, lesen, sondern weil der Weingarten per se alles bietet, was man sich von einem Arbeitsplatz wünschen kann. In ihm wachsen neben Trauben auch Birnen-, Zitronen- und Mandarinenbäume, Rosen, Wildblumen und Kräuter.
Die Arbeit im Keller, wo sie insgesamt zwei Rotweine aus Rossese keltern, findet ohne jegliche Zusatzstoffe, außer ein wenig SO2 statt. Beide Weine sind weder geschönt noch gefiltert.
Rossese di Dolceacqua Albicella: 15 Jahre alter Weingarten auf Kalkboden in 450 Metern Höhe. Der kühlere Wein von den beiden. Duftig, zart und einladend. Frische rote Frucht, Rosen, Macchia. Reife, mürbe Tannine. Animierend und elegant.
Rossese di Dolceacqua Pinella: 100 Jahre alte Reben auf Flysch in 200 Metern Höhe. Dunkler, weicher, Waldbeeren, Rosen, Pfeffer. Elegant und samtig. Säure und Tannin geben dem Wein Richtung, stehen allerdings nie im Vordergrund. Endet würzig und nachhaltig.
Rosmarinus
16 Sep / 2020
Ilenia Spagnoli (Ligurien)
Ilenia Spagnoli ist in Masignano zwischen Reben aufgewachsen. Durch sie hindurchschauend sah sie keine fünf Kilometer entfernt das Meer, während sich hinter ihr die Marmorsteinbrüche von Carrara auftaten. Nach einem Studium in Pisa kehrte sie zurück auf das Weingut und übernahm dort langsam aber sicher das Kommando.
Inspiriert von einer Zeile aus Mario Soldatis großartigem Weinbuch „Vino al Vino“, in dem er von einem „kleinen, subtilen und staubtrockenen Wein aus Masignano“ schreibt, genau das, „was ich suchte“, beschloss sie 2014 genau so einen Wein wieder keltern zu wollen. Von den insgesamt vier Hektar Weingärten, die ihr dafür zur Verfügung standen, wählte sie den ältesten, in dem in wildem Durcheinander Trebbiano, Albarola und Vermentino wachsen.
Schon der erste Jahrgang wies in die richtige Richtung. Sie beließ die Trauben für kurze Zeit auf den Schalen, vergärte sie daraufhin spontan, schönte und filterte nicht. Schwefel gab es nur vor der Abfüllung und nachdem das alles blendend funktionierte, der Wein (mit dem Namen Pan), ihre Erwartungen eher übertraf als nur erfüllte, machte sie einfach weiter. Und setzte mit dem „Extreme“ noch ein zweites Ausrufezeichen. Basierend auf dem gleichen Rebsortencuvée wird er länger mazeriert und sieht zum Schluss gar keinen Schwefel. Beide Weine sind große Klasse und eindrückliche Beispiele dafür, wie spannend Interpretation aus weißen Trauben aus dieser Ecke des Landes sein können, wenn die richtige Ideen im Weingarten wie im Keller dahinterstecken (siehe auch La Felce und Il Torchio).
Pan: Vermentino, Trebbiano, Albarola. Alte Reben. Drei Tage auf der Maische. Temperaturkontrolliert vergoren. Ungeschönt und ungefiltert. Delikat und subtil. Mit Grip und Energie, viel Druck und Zug. Profund und lebendig. Exzellent.
Extreme: Vermentino, Trebbiano, Albarola. 14 Tage auf der Maische. Ungeschönt, ungefiltert und ungeschwefelt. Floral, vor allem aber reifer, gelber Pfirsich. Salz. Warme Aromen. Von einer vitalen Säure gesteuert. Kompakt. Saftig. Lang. Hat Charakter. Einer der besten maischevergorenen Weine Liguriens.
Ilenia Spagnoli
15 Sep / 2020
Garage dell’Uva (Piemont)
Super-Projekt von drei Freunden aus Ivrea (der Stadt Olivettis), nördlich von Turin. Francesco Comotto, Federico Izzo und Alessandro Trotto Gatta vereint die gemeinsame Leidenschaft für kaum noch auffindbare autochthone Sorten, weshalb sie vor ein paar Jahren beschlossen haben, damit bestockte aber meist bereits aufgelassene Weingärten zu rekultivieren. Zur Verfügung steht ihnen derzeit gerade einmal ein Hektar, in dem allerdings gleich acht verschiedenen Rebsorten bisweilen in wildem Durcheinander wachsen: darunter die fantastische weiße Erbaluce, die roten Neretto gentile und Neretto cuneese, Uva rara (die rare Traube) Freisa und einige mehr. Gearbeitet wird „so natürlich wie möglich“. Die Gärung ist spontan. Die Weine sind ungeschönt und ungefiltert.
Garage dell’Uva
14 Sep / 2020
Terrazze Singhie (Ligurien): die Kraft der Schnecke
Terrazze Singhie ist eines jener spannenden Projekte, von denen es in Italien glücklicherweise viele gibt – das von Sara Polo und Maurizio Migliavacca gehört dabei ganz sicher zu den spektakulärsten. Die beiden haben 2017 einen steinalten, von Wald umgebenen Weingarten in Orco Feglino in der Nähe von Savona (Ligurien) wieder instand gesetzt, wertvollste Kulturarbeit geleistet und einen Wein in die Flasche gebracht, den man nicht alle Tage bekommt.
Wobei Weingarten den Terrassen nicht gerecht wird. Es ist ein quasi senkrecht abfallender Weinberg, eine mit Reben bepflanzte Steilwand, die von insgesamt 29 Trockensteinmauern gehalten wird. Sie zu pflegen ist Knochenarbeit, sie biologisch zu bewirtschaften verlangt mehr Liebe und Überzeugung als ich mir vorstellen kann. Um die Monokultur zu brechen, stehen innerhalb des Weingarten auch Pfirsich-, Marillen-, Zwetschken- und Kirschbäume. Insgesamt wachsen zwischen den Rebreihen über 200 Pflanzenarten, die zum einen die Aufgabe haben, den Boden zu beleben und ihn andererseits vor Erosion zu schützen.
Bestockt sind die Parzellen mit uralten Lumassina-Reben. Die Lumassina verdankt ihren Namen dem Umstand, dass die aus ihr gekelterten Weine angeblich ganz exzellent zu Schnecken (Lumache) passen, denen in der Gegend um Savona wiederum eigene Feste gewidmet sind. Die Lese zieht sich aufgrund des Höhenunterschieds über mehrere Wochen – das hat zur Folge, dass die Trauben in mehreren Mikrovinifikationen verarbeitet, erst zum Ende der Gärung miteinander cuvetiert werden.
Der Lumassina del Bosco bleibt für einige Tage auf der Maische und wird danach für ein knappes Jahr in 225- und 500 Liter Fässern gereift. Er ist ungeschönt und ungefiltert.
Lumassina del Bosco: Kristallin, steinig und glockenklar. Blüten und Kräuter geben den Ton an, ergänzt von gelber Frucht. Vereint Tiefe mit einer spielerischen Leichtigkeit. Erfrischend und saftig. Die Säure ist forsch aber im grünen Bereich und ohnehin bestens eingebettet in eine konzentrierte und engmaschige Textur.
Terrazze Singhie
13 Sep / 2020
Odilio Antoniotti (Piemont) – hoch oben im Norden
Nach vielen Jahrzehnten harter Arbeit, in denen er fast im Alleingang Bramaterra wieder auf der vitikulturellen Landkarte positioniert hat, hat Odilio Antoniotti mittlerweile die Leitung seines Weinguts an seinen Sohn Mattia übergeben. Der führt den Weg seines Vaters konsequent fort. Zu ändern gibt es wenig. Odilios Weine, die er über Jahren zur ViniVeri-Messe nach Cerea brachte, waren stets ein beeindruckendes Abbild seiner Umgebung – kühle, eindringliche und nachhaltig produzierte Manifeste eines alpinen Terroirs.
Obwohl klimatisch bisweilen grenzwertig, ist die Gegend nordwestlich von Biella historisches Weinland. Angeblich pflanzte man hier anfangs vor allem Reben, um den Jagdpartien der betuchten Turiner Gesellschaft auch Wein bieten zu können. Schnell dürfte man allerdings festgestellt haben, dass diese mit den besten des Piemonts mithalten konnten. Vor allem der regionale Klerus war angetan – so sehr, dass die Weine Bramaterras auch als „vini dei canonici“ in die Annalen eingingen. Bis ins beginnende 20. Jahrhundert gehörte die Gegend zu den renommiertesten der Region. Viel Geld machte man trotzdem nicht damit, sodass viele Bauern in die Turiner Industrien abwanderten. Die Antoniottis blieben.
Basis für ihre Weine sind ein extrem heterogenes vulkanisches Terrain und vier Rebsorten: Nebbiolo, der hier aufgrund des fehlenden Kalks etwas weicher wirkt als in seinen Hochburgen im Süden, Vespolina, Croatina und Uva Rara. Aus ihnen keltern sie drei Weine, die spontan vergoren, ungeschönt und ungefiltert, der Region und ihrer Geschichte den Spiegel vorhalten.
Weine
Pramartel: Ein Vino da Tavola im allerbesten Sinne des Wortes. Erfrischend, kühl, strukturiert, mit einer feiner, nie aufdringlicher Frucht und dezenter Würze. Aus Nebbiolo, Vespolina, Croatina und auch ein bisschen Uva rara gekeltert.
Bramaterra: Aus denselben Rebsorten produziert. Alte Reben. Von Anfang an ein großer Wein. Vielschichtiges Aromaprofil: Unterholz, dunkle Frucht, süße Gewürze, Veilchen – eingebettet in eine pulsierende, von lebendiger Säure und feinkörnigem Tannin geprägte Textur. Dank langer Jahre im gebrauchten Holzfass ausgewogen und harmonisch. Hat Kraft und ist doch schnell weggetrunken.
Coste della Sesia: 90% Nebbiolo, 10% Croatina. Im Durchschnitt 40 Jahre alte Reben. Von einem Wald umgeben. Ausbau in großen Holzfässern. Klassische Nebbiolonase. Am Gaumen jedoch geschmeidiger und wenig fordernd als viele Exemplare aus dem Süden. Frisch, elegant und voller Energie.
Odilio Antoniotti