09 Nov 2020
Cantina del Castello Conti
Sechs Jahrzehnte ist es hier, dass Ermanno Conti die Idee hatte, sich im historischen Weinbaugebiet Boca, genauer in Maggiora, im Schatten des Monte Rosa, eine Art Burg zu bauen. Dort wollte er zum einen seinen „flüssigen Schatz verteidigen und konservieren“, zum anderen aber auch Menschen beherbergen, die Lust hatten, seine Weine zu probieren und zu trinken. Sein Anliegen führen heute vor allem seine beiden Töchter Elena und Paola fort. Sie begnügen sich allerdings nicht damit den väterlichen Intentionen zu folgen, sondern ihren eigenen Ideen vom Zusammenspiel zwischen Wein und Kultur freien Lauf zu lassen.
Kultur hat dabei sowohl eine landwirtschaftliche wie auch künstlerische Bedeutung. Letztere manifestiert sich in fortwährenden Ausstellungen und Veranstaltungen im Schloss, aber auch an den Etiketten, die von unterschiedlichen Künstlern gestaltet wurden. Erstere in einer Herangehensweise, die kompromisslos der Natur das erste und letzte Wort überlässt und in Rebsorten, die ausnahmslos die Region widerspiegeln: Nebbiolo, Vespolina, Uva rara, Dolcetto und Greco novarese, besser bekannt (wenn auch nicht sehr) als Erbaluce.
Elena und Paola vinifizieren nach klassischen Prinzipien. Die Gärung ist spontan, die Maischestandzeiten sind bei Rot- wie Weißweinen relativ lange, der Ausbau erfolgt in Holzfässern und ohne jegliche Zusatzstoffe, mit der Ausnahme von etwas SO2 vor der Füllung. Alle Weine sind ungeschönt und ungefiltert und gehören zum Besten, was es nördlich von Barbaresco zu trinken gibt.
Cantine del Castello Conti
Die Weine
Boca „Il Rosso delle Donne“: 70% Nebbiolo, 25% Vespolina, 5% Uva Rara (Bonarda Novarese). Birgt in sich das ganze Potenzial und die ganze Geschichte der Region. Er hat Volumen, Kraft und Eleganz und ist doch leuchtend, hell und einladend. Festes Tannin und eine prägende Säure geben den Rahmen, in dem sich florale, erdige und feinfruchtige Noten wiederfinden, die im Laufe der Jahre immer wieder neue Schattierungen annehmen. Großer Wein, mitunter der beste des piemontesischen Nordens. Ab Hof kann man auch Jahrgänge bis in die 1990er Jahre erstehen. (ca. € 50)
Colline Novaresi Doc: Nebbiolo, gemacht, um auch jung getrunken werden zu können. Wobei die Betonung auf auch liegt. Transparent, fruchtig, mineralisch und vital. (ca. € 16)
Colline Novaresi Flores: Der Zwillingsbruder des doc, allerdings ohne zugefügtes SO2. Offen, fruchtbetont, mit kompaktem Tannin, viel Zug zum Gaumen und einem erdigen und vitalen Finish. (ca. € 19)
Origini bianco: Greco novarese. Zwei Wochen auf der Maische vergoren. Welke Blüten, reife Frucht, Orangenschalen. Vereint nicht zu knapp Gerbstoff und Säure. (ca. € 17)
Origine rosso (Cuvée aus autochthonen Rebsorten)
Zingara (Croatina)
05 Okt 2020
Alberto Oggero
Albero Oggero ist ein unruhiger Geist. Geduld ist seine Stärke nicht, weshalb es für ihn anfangs auch nicht ganz einfach war, die langsamen Abläufe innerhalb eines Weingartens zu akzeptieren. Winzer wollte er, seit den Tagen, als er seinem Großvater in die Weinberge folgte, jedoch immer werden. Auf dessen, vor vielen Jahrzehnten gepflanzte Reben, greift er heute noch zurück und damit das noch lange so bleibt, pflegt er sie biologisch und nachhaltig. Abgesehen von geerbten Rebflächen hat er mittlerweile auch noch zwei steinalte Weingärten gepachtet, von deren extrem steilen und nur in Handarbeit zu bewirtschaftenden Hängen er seine Roero Riserva keltert.
Albertos Weinberge befinden sich allesamt in der Nähe von Santo Stefano Roero und basieren recht einheitlich auf Kalk und Sand. Was sich allerdings unterscheidet sind die Expositionen, die sich vom Osten bis in den Westen spannen. Und natürlich die Rebsorten: die sind, wie es im Roero üblich ist, Nebbiolo für die Rotweine und Arneis für die Weißweine.
Weil er sich seiner Ungeduld völlig bewusst ist, weiß er, wie wichtig der Faktor Zeit ist. Weshalb er seinen Weinen – weiß wie rot – oft Jahre gönnt, um ihr Gleichgewicht und ihre Aromen zu finden. Vinifiziert wird ohne technologischen Schnickschnack und unnötige Zusatzstoffe. Alberto Oggero ist Teil der Winzergruppe SoloRoero, deren Ziel es ist, die vitikulturell erstklassige aber etwas verschlafene Region wachzuküssen.
Alberto Oggero
Frazione Santissima Trinità 21, Santo Stefano Roero
Tel: 329 0085648
E-Mail: info@albertooggero.it
Webseite: www.albertooggero.it
Die Weine
Roero Arneis: Wie Luca Faccenda und Enrico Cauda, seine Kumpels von SoloRoero, bringt auch Alberto einen exzellenten Arneis in die Flasche. Die Trauben dafür stammen aus den alten Weingärten seines Großvaters – viel erntet er davon nicht, dafür ist das, was er einbringt ausdrucksstark und gehaltvoll. Nach 10 Monaten in Zementbottichen verströmt sein Arneis Kräuter- und Blütennoten. Er ist strukturiert, saftig und dynamisch.
‚Sandro d’Pindeta’: Eine Nebbiolo wie man ihn eher selten bekommt. Leicht und trinkig, mit viel Fluss und ohne aggressive Tannine. Ein Wein für alle Tage, fruchtig und aromatisch, offen und animierend.
Roero Rosso: Der Klassiker des Hauses. Nebbiolo in purezza. Spontane Vergärung im Stahltank, 25 Tage Maischekontakt. Ungeschönt und ungefiltert. Ausbau über 14 Monate im Tonneaux und zwei Jahre in der Flasche. Kühl & strukturiert. Lakritze, Rosen und ein paar rote Fruchte. Elegant und geradlinig.
Roero Rosso Riserva: Nebbiolo von den 80 Jahre alten Reben ein gepachteten Weingartens. 25 Tage Maischekontakt. Ungeschönt und ungefiltert. Ausbau über zwei Jahre im Tonneaux und zwei Jahre in der Flasche. Hat Grip, Power, Druck und Zug. Offeriert dunkelrote Früchte, erdige Noten und Blüten. Substantiell und eindrücklich. Bleibt lang haften. Very good.
24 Sep 2020
Valfaccenda (Piemont)
Kurzbiographie des Weinguts
Auf Valfaccenda werden exzellente Weine gekeltert. Es ist eines jener Projekte, von denen es viel mehr geben sollte. 2010 von Luca Faccenda und Carolina Roggero ins Leben gerufen, schaut es eigentlich auf eine lange Geschichte zurück. Lucas Familie ist seit dem 18. Jahrhundert im Roero ansässig, das – absolut fantastisch gelegene und vor kurzem großartig renovierte – Weingut, in dem die beiden leben und arbeiten, wurde in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts von Leone, Lucas Großvater, gebaut.
Die Weingärten des Roero generell und die 4 Hektar von Carolina und Luca im besonderen sind steil und auf Sand gebaut. Darin wurzeln Arneis und Nebbioloreben, die die beiden aufgrund der natürlichen Voraussetzungen quasi ausschließlich per Hand bewirtschaften. Die Weingartenarbeit ist traditionell und biologisch zertifiziert, im Keller wird – trotz oder gerade wegen Lucas Hintergrund als diplomierter Önologe – auf allzu viel Önologie verzichtet. Luca und Carolina sind Teil der Gruppe SoloRoero, zu der auch Alberto Oggero und Enrico Cauda (Cascina Fornace) gehören und die es sich zum Ziel gesetzt hat, das historisch bedeutende aber etwas verschlafene Gebiet wachzuküssen
Valfaccenda
Adresse: Loc. Valle Faccenda, fraz. Madonna di Loreto 43, 12043 Canale
Tel: +39 339 7303837
E-Mail: info@valfaccenda.it
www.valfaccenda.it
Die Weine
Roero Arneis Valfaccenda: 100% Arneis. Auf den Steilhängen rund um das Weingut gewachsen. 90% der Trauben wurden direkt abgepresst, 10% mit den Schalen vergoren. Der Ausbau geht teils in Edelstahltanks, teils in gebrauchten Holzfässern vonstatten. Kräuter und Tabak geben den Takt vor, weiße Früchte ergänzen. Der Wein hat Grip und Substanz, vereint Leichtigkeit mit Tiefe und Länge.
Roero Rosso Valfaccenda: 100% Nebbiolo. Perfektes Traubenmaterial minimalinterventionistisch vinifiziert. 12 Monate im gebrauchten Holzfass ausgebaut. Einladend und offen. Kein Nebbiolo, den man frühestens nach 30 Jahren trinken darf. Im Gegenteil. Macht vom ersten Schluck weg Spaß, ohne dabei banal zu sein. Vereint rote Nebbiolofrucht mit Blütenaromen und erdigen Noten. Versprüht trotz seiner präsenten Tannine Leichtigkeit und Frische.
Valmaggiore Nebbiolo
Valmaggiore Arneis
21 Sep 2020
Cascina Roccalini (Barbaresco)
Paolo Veglio ist Jahrgang 1978. Seit 1992 arbeitet er als Weinbauer in den Weingärten der Familie. Bis 2004 lieferte er seine Nebbiolo-Trauben bei Barbaresco-Legende Bruno Giacosa ab, danach wagte er den Sprung ins kalte Wasser und begann seine Trauben selbst zu vinifizieren. Unterstützt wurde er anfangs von Dante Scaglione, dem einstigen Kellermeister von Giacosa. Nach ein paar Jahren begann er dann auch im Keller selbst die Fäden zu ziehen und verpasste seinen Weinen eine eigene, zunehmend raffiniertere und elegantere Handschrift. Mittlerweile produziert er die mitunter besten Barbaresco der Region (und das zu einem nachvollziehbaren Preis). Er schloss sich über einige Jahre der Naturwein-Winzervereinigung ViniVeri an, die seine Herangehensweise entscheidend mitprägte.
Auch wenn er ein paar Tausend Flaschen ganz ordentliche Barbera und Dolcetto abfüllt, ist seine unumschränkte Domäne Nebbiolo. Daraus keltert er drei Weine, einen Langhe Nebbiolo und zwei Barbaresco, die durch die Bank ganz große Klasse sind. Die Kellerarbeit ist traditionell. Er vergärt spontan und ohne Temperaturkontrolle in großen Zementbottichen, setzt auf lange Maischestandzeiten und einen geduldigen Ausbau in großen Holzfässern. Paolos Weine sind ungeschönt und ungefiltert.
Cascina Roccalini
Langhe Nebbiolo: 60 Tage auf der Maische. In Zementzisternen vergoren. Klare Frucht- und Blütennoten. Fordernde Tannine werden in einem kompakten Körper aufgefangen. Mundfüllend. Kraftvoll. Erdig. In Sachen Alkohol eher auf der kräftigen Seite. Ist dennoch ausgewogen. Eindrucksvoller Einstieg.
Barbaresco: Gleiche Vinifizierung wie der Langhe Nebbiolo. Die Trauben stammen diesmal allerdings aus unmittelbar das Weingut umgebende Weingärten. 18-monatige Reifung in großen Holzfässern. Bereits in der Nase erdig, würzig, floral, dicht, lebendig und präzis. Am Gaumen straffer und strukturierter als Langhe N. , frisch, substantiell, lang und mit viel Trinkfluss.
Barbaresco riserva: Gleiche Vinifizierung wie die anderen beiden. 24-monatiger Ausbau im Holzfass, danach nochmals 24 Monate in der Flasche. Vielschichtig wie schon der klassische Barbaresco davor. Vielleicht nochmals komplexer. Am Gaumen tief, dicht und engmaschig. Ist kraftvoll – und eine Eigenheit vieler großer Nebbiolos – gleichzeitig grazil. Great.
15 Sep 2020
Garage dell’Uva (Piemont)
Super-Projekt von drei Freunden aus Ivrea (der Stadt Olivettis), nördlich von Turin. Francesco Comotto, Federico Izzo und Alessandro Trotto Gatta vereint die gemeinsame Leidenschaft für kaum noch auffindbare autochthone Sorten, weshalb sie vor ein paar Jahren beschlossen haben, damit bestockte aber meist bereits aufgelassene Weingärten zu rekultivieren. Zur Verfügung steht ihnen derzeit gerade einmal ein Hektar, in dem allerdings gleich acht verschiedenen Rebsorten bisweilen in wildem Durcheinander wachsen: darunter die fantastische weiße Erbaluce, die roten Neretto gentile und Neretto cuneese, Uva rara (die rare Traube) Freisa und einige mehr. Gearbeitet wird „so natürlich wie möglich“. Die Gärung ist spontan. Die Weine sind ungeschönt und ungefiltert.
Garage dell’Uva
Nach vielen Jahrzehnten harter Arbeit, in denen er fast im Alleingang Bramaterra wieder auf der vitikulturellen Landkarte positioniert hat, hat Odilio Antoniotti mittlerweile die Leitung seines Weinguts an seinen Sohn Mattia übergeben. Der führt den Weg seines Vaters konsequent fort. Zu ändern gibt es wenig. Odilios Weine, die er über Jahren zur ViniVeri-Messe nach Cerea brachte, waren stets ein beeindruckendes Abbild seiner Umgebung – kühle, eindringliche und nachhaltig produzierte Manifeste eines alpinen Terroirs.
Obwohl klimatisch bisweilen grenzwertig, ist die Gegend nordwestlich von Biella historisches Weinland. Angeblich pflanzte man hier anfangs vor allem Reben, um den Jagdpartien der betuchten Turiner Gesellschaft auch Wein bieten zu können. Schnell dürfte man allerdings festgestellt haben, dass diese mit den besten des Piemonts mithalten konnten. Vor allem der regionale Klerus war angetan – so sehr, dass die Weine Bramaterras auch als „vini dei canonici“ in die Annalen eingingen. Bis ins beginnende 20. Jahrhundert gehörte die Gegend zu den renommiertesten der Region. Viel Geld machte man trotzdem nicht damit, sodass viele Bauern in die Turiner Industrien abwanderten. Die Antoniottis blieben.
Basis für ihre Weine sind ein extrem heterogenes vulkanisches Terrain und vier Rebsorten: Nebbiolo, der hier aufgrund des fehlenden Kalks etwas weicher wirkt als in seinen Hochburgen im Süden, Vespolina, Croatina und Uva Rara. Aus ihnen keltern sie drei Weine, die spontan vergoren, ungeschönt und ungefiltert, der Region und ihrer Geschichte den Spiegel vorhalten.
Weine
Pramartel: Ein Vino da Tavola im allerbesten Sinne des Wortes. Erfrischend, kühl, strukturiert, mit einer feiner, nie aufdringlicher Frucht und dezenter Würze. Aus Nebbiolo, Vespolina, Croatina und auch ein bisschen Uva rara gekeltert.
Bramaterra: Aus denselben Rebsorten produziert. Alte Reben. Von Anfang an ein großer Wein. Vielschichtiges Aromaprofil: Unterholz, dunkle Frucht, süße Gewürze, Veilchen – eingebettet in eine pulsierende, von lebendiger Säure und feinkörnigem Tannin geprägte Textur. Dank langer Jahre im gebrauchten Holzfass ausgewogen und harmonisch. Hat Kraft und ist doch schnell weggetrunken.
Coste della Sesia: 90% Nebbiolo, 10% Croatina. Im Durchschnitt 40 Jahre alte Reben. Von einem Wald umgeben. Ausbau in großen Holzfässern. Klassische Nebbiolonase. Am Gaumen jedoch geschmeidiger und wenig fordernd als viele Exemplare aus dem Süden. Frisch, elegant und voller Energie.
Odilio Antoniotti
Die Cantine Valpane ist eine jener Perlen, von denen es im Monferrato einige gibt. Nebbiolo, die alles überstrahlende Sorte des Piemonts, spielt hier keine Rolle. Vielmehr zeigt Pietro Arditi, seit Jahrzehnten die führende Hand am Weingut, welche Qualitäten in Freisa, Grignolino und Barbera stecken. Pietro vinifiziert die drei Sorten in einem Anwesen, dessen Wurzeln im 13. Jahrhundert liegen und in dessen zwar renovierten aber trotzdem steinalten Mauern sich neben seinen Weinen auch Gästebetten befinden.
Innerhalb der langen Geschichte des Guts sieht sich Pietro in einer angenehm bescheidenen Rolle, wenn er meint, dass die Weine hier immer exzellent waren und es seine Aufgabe sei, diese Tradition nicht zu ruinieren. Damit das auch gelingt, macht er viele Sachen wie sein Großvater, der 1902 das Weingut gründete. Er sieht das nicht als unkritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern vielmehr als einen Ansatz, der die Auseinandersetzung mit der Natur in den Mittelpunkt des Interesses rückt.
Im Keller setzt Pietro während der Vergärung auf große Zementzisternen, der Ausbau findet normalerweise in Stahl, Zement und Holz statt und zieht sich über Jahre. Abgesehen von seinem Basisbarbera bleiben alle Weine mindestens drei Jahre im Keller, bevor sie in den Verkauf gehen, bei manchen sind es auch einige Jahre mehr. Zudem legt er immer wieder Flaschen zur Seite, sodass man auch zehn bis fünfzehn Jahre alte Versionen seiner Weine (zu erstaunlich moderaten Preisen) erstehen kann. Alle seine Weine sind ungeschönt und ungefiltert.
Cantine Valpane
Die Weine
Rosso Pietro: Zu 100% Barbera. Über ein Jahr in Zement und Stahl ausgebaut. Genau das, was man sich von einem Einstiegswein erhofft. Er hat klare, kühle Fruchtaromen, ist zudem würzig und ein wenig erdig, hat eine lebhafte, für Barbera typische Säure, einen dahinströmenden Trinkfluss und macht sich bestens zu Wildschwein oder Maroni.
Grignolino Euli: Euli ist ein, aus dem Langobardischen abgeleitet Begriff und für Deutschsprecher recht leicht zu entschlüsseln. Er bedeutet ganz einfach Eule, von denen es im Monferrato angeblich heute noch eine ganze Menge gibt. Einer meiner liebsten Weine: floral, rote Beeren, alles sehr zart und doch einnehmend. Hat erstaunlich viel Tannin. Ist folglich recht geradlinig und direkt und dabei doch stets leichtfüßig.
Freisa Canone Inverso: Pietro meint, dass der Canone Inverso eine musikalische Struktur hat, bei denen sich die Töne überlagern. Er ist definitiv vielschichtig und bietet kräuterige, rotbeerige (Freisa bedeutet in Latein Erdbeere) und süße Gewürzaromen. Das Tannin packt zu, weshalb es Sinn macht auf ältere Jahrgänge (von denen es einige gibt) zurückzugreifen.
Barbera Perlydia: Pietros wichtigster Barbera. Bleibt über mehrere Jahre im Stahltank, ehe er noch für einige Zeit in Holzfässer wandert. Hat Kraft aber auch Säure, um ihr zu kontern. Ist nach Jahren der Reifung jedoch ausgewogen und in perfektem Gleichgewicht. Abermals süße Gewürze und Weichseln. Mundfüllend. Beeindruckend wie auch der Rest des Sortiments.
Rosa Ruske: Cuvée aus alten autochthonen Sorten. Leider nie probiert.
Die Cascina Val Liberata ist eines der unzähligen jungen Weinprojekte, das in den letzten Jahren mit bester Intention und großem Eifer im Piemont gestartet wurden. Es wurde 2014 in Villamiroglio, gut 30 Kilometer westlich von Turin offiziell ins Leben gerufen, wobei Deirdre O’Brien und Maurizio Caffer bereits davor als Landwirte tätig waren. 2014 kamen zu den Nussbäumen und Gemüsegärten dann aber auch noch 3,5 Hektar Weingärten hinzu, bepflanzt mit 1,5 Hektar Nebbiolo, 0,5 Hektar Grignolino und 1,5 Hektar Slarina. Über Letztere würde ich gerne ausführlich berichten, doch ist so gut wie nichts über die Sorte bekannt. Sie hat ihre Heimat im Basso Monferrato – der Gegend, die die Cascina Val Liberata einschließt –, wo sie auch unter dem Namen Cenerina (die Aschfarbige) bekannt ist. Erstmals erwähnt wurde sie im 18. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert wurde sie aufgrund schwacher Erträge kaum noch angepflanzt. In den letzten Jahren beschäftigte sich die Universität in Turin mit ihr und fabrizierte einige Mikrovinifikationen, die auch Deirdre und Maurizio kosteten(und anscheinend auch Ezio Trinchero, der sie gleichfalls kultiviert) und, begeistert vom Ergebnis, auspflanzten.
Die Weingärten befinden sich auf von Wald umgebenen Hängen und fallen relativ steil ab. Die Bewirtschaftung ist offiziell biologisch, inoffiziell borgen sich die beiden auch einige Methoden aus der Biodynamik aus. Mit eigenen Kräuterextrakten probieren sie sich zudem an der Bekämpfung von Peronospora.
Der Wein
Cascina Val Liberata
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10 Sep 2020
Oltretorrente – in den Colli Tortonesi
Oltretorrente, das sind Chiara und Michele, zwei junge Agronomen aus Mailand, die nach ihrem Studium ihrem Wunsch Winzer/in zu werden, Taten folgen ließen. Ohne auf große Reserven oder ein paar geerbte Hektar zurückgreifen zu können, wagten sie 2010 den Sprung ins kalte Wasser und fingen mit eineinhalb Hektar Weingärten in Paderna in der Colli Tortonesi an. Nach absehbar schwierigen ersten Jahren, sind mittlerweile weitere 5,5 Hektar hinzugekommen, genau soviel wie die beiden zu zweit bewirtschaften können. Bestockt sind die insgesamt 10 Parzellen mit den klassischen Rebsorten der Gegend, allen voran Barbera und Timorasso. Die Reben sind größtenteils alt, mache haben 100 Jahre auf dem Buckel.
Die Bewirtschaftung ist seit den Anfängen biologisch, zertifiziert ist man seit 2012. Abgesehen von der grundsätzlichen Notwendigkeit ihren Reben und sich selbst ein möglichst lebenswertes Ambiente zu schaffen, sind die beiden auch felsenfest davon überzeugt, dass sich nur in einem gesunden und biodiversen Umfeld die Geschichte ihrer Region in ihren Weinen nacherzählen lässt. Und genau darum geht es den beiden. Sie wollen mit durchaus zeitgenössischen Methoden, die Traditionen und das Terroir der Colli Tortonesi einfangen. Im Keller vertraut man auf wilde Hefen für die Vergärung und auf große Zementbottiche und alte Barriques für den Ausbau, die ihnen von benachbarten Weinbauern überlassen wurden. Entstanden ist darin ein Sortiment, dass in weiß wie in rot zum spannendsten gehört, was man in der ohnehin umtriebigen und an exzellenten Weinen nicht armen Ecke bekommen kann.
Oltretorrente
Adresse: Via Cinque Martiri, Paderna
Tel: 3484027271 oder 339 8195360
Email: info@otretorrente.com
Webseite: www.oltretorrente.com
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Die Weine
Colli Tortonesi Derthona: 100% Timorasso. Sanfte Ganztraubenpressung. 10-monatiger Ausbau in Zement + weitere 5 Monate in der Flasche. Klassischer Timorasso. Weiße Früchte, weiße Blüten, Stein. Lenkende Säure. Salzig. Lang.
Bianco Colli Tortonesi: weiße Cuvée aus Cortese, Favorita, Timorasso und Moscato. Ausbau über acht Monate im Stahltank und weitere drei in der Flasche. Gleichfalls Blütennoten, generell allerdings aromatischer und auch etwas breiter als der Derthona.
Colli Tortonesi Rosso: Größtenteils Barbera, ein wenig Dolcetto. 30-tägige Mazeration. Über acht Monate in Zement ausgebaut. Lebendig, dicht, saftig. Rotfruchtig und würzig.
Barbera superiore: Trauben von steinalten Reben. Minimaler Ertrag (30hl/ha). Gärung und Mazeration in Zement. Ausbau über 18 Monate in gebrauchten Barriques und sechs Monate in der Flasche. Intensive Aromatik. Vielschichtig. Dunkle rote Frucht, Pfeffer und Gewürze. Knackige Säure trifft auf eine profunde Textur. Bestens strukturiert. Tief. Hat bis zum Ende und darüber hinaus Substanz und Energie. Sehr gut.
Hintergrund
Nach all den Versuchen, Timorasso in allen möglichen Varianten wiederzugeben, war es naheliegend, dass Daniele Ricci auch irgendwann auf die Idee kommen würde, einen Wein in der Amphore zu vinifizieren. Die Trauben dafür stammen von den ältesten Rebstöcken der San Leto Weingärten. Einmal gelesen, werden sie entrappt und danach für 100 Tage in einer verschlossenen Tonamphore vergoren und gelagert. Danach wird abgepresst und weitergereift, wobei für die nächsten 12 Monate statt der Amphore Kastanienfässer als Behältnisse dienen. Mit dem Resultat absolut zufrieden, hat Daniele mittlerweile ein paar weitere Amphoren aus der toskanischen Töpferhochburg Impruneta geordert, was auch vermuten lässt, dass es demnächst ausschließlich in der Amphore ausgebaute Interpretationen geben wird.
Stil
Eine schneidend-klares, kühl-präzises Zusammenspiel aus Kräutern, Frucht, Säure und Gerbstoff treibt den Wein an, gibt ihm feine Konturen, Ecken und Kanten und jede Menge Charakter. Die Textur ist kompakt und fordernd, der Körper straff und robust, das Finish profund, lang und mineralisch.
Datenblatt
Rebsorte: 100% Timorasso
Bewirtschaftungsart: biologisch
Weingarten: San Leto
Lese: Per Hand
Vergärung: spontan | wilde Hefen in der Amphore
Ausbau: 100 Tage in der Amphore und 12 Monate in gebrauchten Kastanienfässern
Filtration: nein
SO₂:< 50mg/l
Verschluss: Naturkork
Trinktemperatur: 10-12 °C
Perfekte Trinkreife: 2018 – 2030
05 Jan 2019
Weine erzählen: Daniele Ricci, Derthona 2016
Hintergrund
Der Derthona ist der Einstieg in Danieles Weißweinwelt. Derthona ist der alte Name für Tortona, dem Hauptort der Colli Tortonesi, die eine Brücke zwischen dem Südpiemont und der Lombardei schlagen. Costo Vescovato, wo Daniele seine Weingärten besitzt, ist von einer leicht hügeligen Topographie mit mittelsteilen Hängen geprägt, die vor allem auf Mergel und Pelit (Tonstein) basieren. Das Klima zeichnet sich durch kalte Winter, nicht wenig Regen und eine gute Thermik aus. Das alles beeinflusst auf die eine oder andere Art den Timorasso, eine notorisch komplizierte Sorte, die vor der Reblaus die wichtigste weiße Sorte des Piemonts war. Aufgrund ihrer unzuverlässigen Erträge, den asynchronen Reifezeiten der Beeren und ihrer Verrieselungs- und Botrytisanfälligkeit wäre sie allerdings beinahe vom Erdboden verschwunden. Heute erfreut sich Timorasso einer erstaunlichen Renaissance. Die daraus gekelterten Weißweine sind fordernd, mineralisch, anspruchsvoll, vielschichtig und langlebig.
Danieles Basisversion stammt von einem 1995 gepflanzten, 1,5 Hektar großen Weingarten, den er für gewöhnlich Mitte September liest und spontan in einem Edelstahltank vergärt und lagert. Die Mazerationszeit beträgt drei Tage, wobei die Traubenhäute des Timorasso sehr dünn sind und folglich nur marginale und sehr feine Gerbstoffe in den Wein abgeben. Der Ausbau dauert, je nach Jahrgang, 12-22 Monate.
Stil
Vibrierend, lebendig und aufgrund des langen Hefekontakts auch fein-cremig. Zitrusnoten werden von kräuterigen und steinigen Aromen begleitet. Elegant und straff. Der Gerbstoff strukturiert und zeichnet für die lineare Ausrichtung zum Gaumen hin verantwortlich. Das Finish ist kühl, lebhaft und animierend.
Datenblatt
Rebsorte: 100% Timorasso
Bewirtschaftungsart: biologisch
Weingarten: verschiedene Terrassen rund um Costo Vescovato
Lese: Per Hand
Vergärung: spontan | wilde Hefen im Stahltank
Ausbau: 18 Monate auf der Hefe im Stahltank
Filtration: nein
SO₂:< 50mg/l
Alkoholgehalt: % vol
Verschluss: Naturkork
Trinktemperatur: 10-12 °C
Perfekte Trinkreife: ab sofort– 2025
HINTERGRUND
Mit dem Giallo di Costa lotet Daniele Ricci aus, was mit Timorasso alles möglich ist. Drei Monate lang mazeriert er den Wein und holt dabei alles an Gerbstoffen, Säuren, Extrakten und Aromen aus den Schalen, was sich das Jahr über darin eingelagert hat. Neben der Gesundheit der Beeren spielt der Lesezeitpunkt naheliegenderweise eine entscheidende Rolle, da sämtliche Komponenten reif sein und sich im Gleichgewicht befinden sollten.
Dass sich der Giallo di Costa dennoch mehr über Eleganz als über Kraft definiert, liegt zum einen an der Erfahrung und Handwerkskunst Danieles, zum anderen aber auch daran, dass Timorassobeeren nur von einer äußerst dünnen Schale ummantelt sind. Das macht die Trauben zwar zu einem prädestinierten Opfer für Pilzkrankheiten, weshalb es den Giallo di Costa auch nicht jedes Jahr gibt; in goldenen Jahren allerdings entsteht so ein Wein, der mit subtilem Gerbstoff, druckvoller Säure und präzisen Aromen punktet und ein fantastisches Beispiel dafür bietet, wie subtil sich auch lange auf der Maische vergorene Weine präsentieren können. Ausgebaut wird der Giallo di Costa – wie schon der San Leto Blu – über ein gutes Jahr in gebrauchten Akazienfässern und danach für weitere zwei Jahre in der Flasche.
STIL & AROMEN
Ich weiß zwar nicht, ob sich Giallo di Costa, das Gelb der Küste, auf die Farbe des Weins bezieht, passen würden es freilich allemal. Gelb sind auch einige der Aromen – Grapefruit und Kamille beispielsweise – doch tut sich hier ein Bogen auf, der auch noch andere Farben inkludiert: weiß (Salz) und grün (Oregano) beispielsweise, orange (Marille) und braun (Nüsse, Karamell). Eingebettet ist das alles in einen dynamischen und kompakten Körper, dessen Rückgrat eine lebhafte Säure und feine Tanninstruktur bildet. Hat Potenzial für die nächsten 20 Jahre.
Datenblatt
Rebsorte: 100% Timorasso
Bewirtschaftungsart: biologisch
Weingarten:
Lese: Per Hand
Vergärung: spontan| wilde Hefen, 100tägige Mazeration ohne Unterstoßen der Trauben
Ausbau: 1 Jahre in gebrauchten Akazienfässern, 2 Jahre in der Flasche
Filtration: nein
SO₂:< 50mg/l
19 Okt 2018
Weine erzählen: Daniele Ricci, San Leto Blu 2013
Hintergrund
Daniele Ricci meinte einmal, dass es besser sei, Timorasso-Weingärten möglichst alleine zu bearbeiten. Die Sorte ist derartig kompliziert in der Bewirtschaftung, dass Erfahrung und das Wissen um die individuellen Eigenheiten der Rebstöcke guttun. Heute hilft ihm meistens sein diesbezüglich bestens geschulter Sohn Mattia, ansonsten aber ist die Pflege der knapp 30000 Timorassostöcke vorwiegend Chefsache. Daniele kennt Timorasso wie kaum ein anderer, weiß um ihre extreme Wüchsigkeit und Fertilität und ihre Botrytisanfälligkeit. Er kennt aber auch Antworten auf diese Herausforderungen und die lassen sich Jahr für Jahr auch im San Leto Blu nachvollziehen.
Die Trauben für den San Leto Blu stammen aus einem, in den späten 80er Jahren bestockten Weingarten. Sie werden spät gelesen und über drei Tage mazeriert, wobei der Tresterhut nie durchbrochen wird, um nicht zu viele Gerbstoffe auszulaugen. Einmal abgepresst, wird der Wein in Akazienfässer umgezogen, wo er für ein Jahr weiterreift, ehe er unfiltriert abgefüllt für zwei weitere Jahre in der Flasche seine endgültige Form findet.
Stil
Vielschichtiges und harmonisches Aromaprofil. Lebhafte aber nie aufdringliche Säure kontert einem mürben und feingliedrigen Gerbstoff. Die Textur ist cremig, saftig und weich (ein Freund meinte einmal, dass ihn der San Leto an elsässische Rieslinge denken ließe, wobei unserer Ansicht nach Danieles Wein direkter und stringenter ist). Lang, kompakt und fokussiert, prägen ihn im Abgang gelber Frucht, Steine und Kräuter.
Datenblatt
Rebsorte: 100% Timorasso
Bewirtschaftungsart: biologisch
Weingarten: San Leto
Lese: Per Hand
Vergärung: spontan| wilde Hefen, dreitägige Mazeration ohne Unterstoßen der Trauben
Ausbau: 1 Jahre in gebrauchten Akazienfässern, 2 Jahre in der Flasche
Filtration: nein
SO₂:< 50mg/l
Alkoholgehalt: % vol
Verschluss: Naturkork
Trinktemperatur: 10-12 °C
Perfekte Trinkreife: 2018 – 2028
Guido Zampaglione stammt ursprünglich aus Kampanien und alle paar Wochen kehrt er auch dorthin zurück – beziehungsweise immer dann, wenn er denkt, dass ihn sein Weingarten, aus dessen Trauben er einen der besten Fianos des Landes, den Sancho Panza keltert, braucht. Den Rest der Zeit verbringt er acht Autostunden entfernt im Basso Monferrato, bewirtschaftet dort die Tenuta Grillo und produziert dort, neben einem Quartett an Rotweinen auch einen Weiβwein, den Baccabianca.
BACCABIANCA 2011
Hintergrund
Cortese einmal anders. Beim Baccabianca wird der Beere alles entnommen, was sie besitzt. Jedes Phenol, jedes Pigment und jeder Aromapartikel der Traubenhaut findet seinen Weg in Guido Zampagliones Wein. Der reift nach spontaner Gärung für Jahre im Stahltank und für noch mehr Jahre in der Flasche. Der gegenwärtige Jahrgang stammt aus dem Jahr 2011 und strotzt vor Frische, Energie und Saftigkeit. Dass ihn dabei gerade einmal 11,5% Alkohol und 12 mg/l Sulfite zur Seite stehen, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Lehrmeinungen (mit derart minimalen Sulfitgehalt und dem geringen Alkohol sollte der Wein längst tot und begraben sein) nicht immer der Realität standhalten.
Stil
Nichts für Anfänger, wobei vermutlich gerade die, einem solchen Wein vorurteilslos gegenüberstehen würden. Die Farbe ist ein herbstliches Orange. Getrockneter Thymian, Steine und Haselnüsse in der Nase stehen handfestem Tannin, enormer Spannung, Länge, Struktur und reifen gelben Früchten im Mund gegenüber.
Datenblatt
Rebsorte: Cortese
Bewirtschaftungsart: biologisch
Weingarten: ein Hochplateau auf 350 m. Böden: Sand & Kalk
Lese: Per Hand
Vinfikation: spontan | wilde Hefen; 40-60 Tage auf den Schalen
Ausbau: 1-2 Jahre im Stahltank, 2-10 Jahre in der Flasche (jahrgangsabhängig)
Filtration: nein
SO₂:< 50mg/l
Alkoholgehalt: ca. 12 % vol.
Verschluss: Naturkorken
Trinktemperatur: 10-12°C
Perfekte Trinkreife: ab sofort – 2030
SANCHO PANZA 2015
Hintergrund
Alle paar Wochen setzt sich Guido Zampaglione in sein Auto und fährt durch die Nacht von Gamalero im südlichen Piemont nach Calitri, in die Hügel östlich von Avellino. 894 Kilometer liegen zwischen den beiden Orten aber was tut man nicht alles für eine große Liebe – und die scheint zwischen Guido und Fiano, der Rebsorten, für die er all die Strapazen auf sich nimmt, bedingungslos vorzuherrschen. Bis vor nicht allzu langer Zeit kelterte er aus ihr zusammen mit seinem Onkel den legendären Don Chisciotte, doch vor ein paar Jahren ging das gemeinsame Projekt in die Brüche. Anstatt alles hinzuwerfen, beschloss er dem Ritter ohne Furcht und Tadel einen neuen Fiano in Gestalt von Sancho Panza entgegenzusetzen. Auf 800 Meter stehen die Rebstöcke, was sich selbst im heißen Zentralkampanien in einer relativ langen Vegetationsperiode und einer kühlen Struktur niederschlägt. Im Keller setzt er auf ähnliche Tugenden wie bei seinen piemontesischen Weinen: Spontane Vergärung, keine Temperaturkontrolle und lange Mazerationszeiten, einzig der Ausbau (in diesem Fall im Stahltank) ist etwas kürzer.
Stil
Glasklar, salzig, Zitrus, Steine, Blüten. Zumindest anfangs. Wie bei jedem guten Wein addieren sich nach einiger Zeit neue Aromen hinzu und subtrahieren sich andere weg, man ist also fortwährend beschäftigt, wobei als einigender Nenner Zitrus- und Blütennoten übrigbleiben. Auch dazwischen wird es nie langweilig. Der Gerbstoff macht Druck, die Säure lenkt und gibt immer mehr Gas je weiter man sich dem Gaumen nähert und insgesamt wirkt der Sancho Panza – anders als es der Namen verspricht – geradlinig, elegant und fokussiert.
Datenblatt
Rebsorte: Fiano
Bewirtschaftungsart: biologisch
Weingarten: auf 800 m. in Calitri
Lese: Per Hand
Vinfikation: spontan | wilde Hefen; Maischegärung Tage
Ausbau: ein Jahr im Stahltank, danach noch für ein gutes Jahr Jahre in der Flasche
Filtration: nein
SO₂:< 30mg/l
Alkoholgehalt: ca. 12 % vol.
Verschluss: Naturkorken
Trinktemperatur: 10-12°C
Perfekte Trinkreife: ab sofort – 2025
Hintergrund: Hoch oben im Norden, dort wo das Piemont langsam an die Schweiz klopft, findet sich Bramaterra, eine steinalte Weinenklave, in der seit vielen Hundert Jahren Weinbau dokumentiert ist. Bevor Bramaterra 1979 zur DOC erklärt wurde, nannte man den Wein der Region „Vino dei Canonici“ und bezog sich damit auf die große Popularität, die er unter Kirchenleuten besaß – nie ein schlechtes Zeichen. Bramaterras Reben – stets eine Kombination aus größtenteils Nebbiolo und ein wenig Croatina und Vespolina – wurzeln in einer hügeligen Topographie auf ca. 400 Metern in stark eisenhaltigem Untergrund, über den sich eine marine Sandschicht gelegt hat. Die Gegend ist relativ kühl, ein Aspekt, der sich dann auch wie ein roter Faden durch die Weine von Carlo, Giacomo und Cristiano zieht.
Der Bramaterra 2014 wurde in Zementzisternen spontan vergoren und danach über zwei Jahre in gebrauchten Barriques gelagert, um letztlich nochmals über vier Monate in Zementzisternen sein Gleichgewicht zu finden.
Stil: Kühl, saftig, animierend und dabei doch kompakt, stoffig und gehaltvoll – im Grunde genau das, was man sich unter einem klassischen und hochklassigen Nebbiolo vorstellt. Die Aromen schlagen einen Bogen von Rosen und Thymian bis zu Kirschen und Gewürznelken. Am Gaumen packt das Tannin zu, doch bleibt der Wein stets zugänglich, mürbe und rund. Lebendigkeit, Geradlinigkeit und nachhallende Frucht- und Pfeffernoten prägen den Abgang.
Datenblatt
Rebsorte: 70% Nebbiolo, 20% Croatina, 10% Vespolina
Bewirtschaftungsart: biologisch
Weingarten: auf ca. 400 Meter in stark eisenhaltigem Untergrund, über den sich eine marine Sandschicht gelegt hat
Lese: per Hand
Vergärung: spontan | wilde Hefen in Zementzisternen
Ausbau: 2 Jahre im gebrauchten Barriques, 6 Monate in Zement
Filtration: nein
SO₂: < 50mg/l
Alkoholgehalt: 12,5 % vol
Verschluss: Naturkork
Trinktemperatur: 15-17 °C
Perfekte Trinkreife: 2020 – 2028
12 Sep 2018
Weine erzählen: Daniele Ricci, Elso 2008
HINTERGRUND
Der Elso ist ein Herzenswein von Daniele Ricci. Er ist Ulisse, dem Großvater mütterlicherseits gewidmet, der von allen Elso genannt wurde. Elso war, laut Daniele, ein Großmeister in der Vinifizierung von Croatina und zeigte dem damals jungen Winzer, wie er mit der notorisch komplizierten Rebe, die stets zu viele Blätter und zu wenige Trauben produziert, umgehen sollte. Er lehrte ihn Geduld: zuerst im Weingarten, wo die Trauben für gewöhnlich erst im späten Oktober reif werden und danach im Keller, wo man am besten nicht in Monaten und auch nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten kalkulieren sollte. Der gegenwärtige Jahrgang des Elso stammt aus dem Jahr 2008 und steht gerade am Anfang seiner Entwicklung.
Croatina ist, wie man sich bereits denken kann, kein Wein für einen Kindergeburtstag. Sie hat Gerbstoffe, die ihre nahe Verwandtschaft mit Nebbiolo ohne Umschweife kundtun. Holz – möglichst 500 oder 1000 Liter-Fässer – steht ihr gut. Da ihre Anthocyane nicht leicht oxidieren, ist ihre Farbe selbst nach Jahren der Fass- und Flaschenlagerung tiefdunkel und da sie – wie Sangiovese – zur Reduktion neigt, tut ihr gelegentlicher Luftkontakt nur gut.
Croatina ist alles andere als eine einfach zu handhabende Sorte, doch kann sie in den richtigen Händen zu wirklich umwerfenden Ergebnissen führen.
STIL
Dicht, kraftvoll und intensiv mit ausdrucksstarken, dunklen Aromen. Im Mund geht es ordentlich zur Sache, der Gerbstoff ist fordernd und macht Druck und auch der Alkohol hat ein gewichtiges Wort mitzureden. Wobei letzterer nicht nur von den Tanninen und der tiefen Frucht, sondern auch von einer pulsierenden Säure aufgefangen wird. Das Finale ist trocken, warm und nachhaltig.
Den Elso von Daniele Ricci gibt es bei vinonudo
Datenblatt
Rebsorte: 100% Croatina
Bewirtschaftungsart: biologisch
Weingarten:
Lese: Per Hand
Vergärung: spontan | wilde Hefen
Ausbau: mehrere Jahre in gebrauchten 500- und 1000 Liter Fässern
Filtration: nein
SO₂:< 50mg/l
02 Sep 2018
Eugenio Bocchino: Best of Barolo
Eugenio Bocchino und Cinzia Pelazza bewirtschaften 5,5 Hektar Weingärten in La Morra, mitten im Herzen des Barologebiets. Einige davon waren einst im Besitz von Cinzias Großvater, andere kamen im Laufe ihrer mittlerweile 20-jährigen Winzerlaufbahn hinzu. Ähnlich klein strukturiert wie das Burgund werden auch im Barolo rigoros Einzellagen vinifiziert, wobei die Hierarchie der Lagen wesentlich demokratischer konzipiert ist. Hier gibt es keine Grand und Premier Crus, allerdings haben sich durch jahrhundertelange Erfahrung dennoch feine Unterschiede zwischen den Dörfern, den einzelnen Lagen, den Expositionen und ihren Reputationen herauskristallisiert.
Die beiden vinifizieren zu 95% Nebbiolo, die große Sorte der Region. Die bekannteste ihrer Crus ist mit Sicherheit die Lage La Serra, deren knapp 14 Hektar Rebfläche sie sich u.a. mit den Roberto Voerzio und der Podere Marcarini teilt. Eugenio und Cinzia besitzen dort alte und junge Rebflächen, die sie separat ausbauen und erst kurz vor der Füllung zusammenführen. Intensität und Kraft stehen beim La Serra im Vordergrund. Ein zweiter Barolo verzichtet auf die Lagenbezeichnung und trägt stattdessen den Namen der Tochter Lu. Hier geht es straffer zur Sache, der Ausbau erfolgt in größeren Eichenfässern und für ein Jahr im Zement, Kraft wird hier durch Eleganz ersetzt, Intensität durch Subtilität. Der dritte große Nebbiolo ist kein Barolo, da sich die Lage La Perucca zwar genau zwischen Barolo und Barbaresco aber eben doch außerhalb der sakralen Nebbiolozonen befindet. Das macht zwar sensorisch kaum einen Unterschied, da La Perucca auf quasi demselben Terroir basiert, preislich schlägt sich ein Verlassen der Zonen allerdings sofort nieder. La Perucca ist straff und saftig, die Erdauflage ein weniger sandiger als die restlichen sechs Parzellen der beiden, doch besteht auch ihr Boden hauptsächlich aus Lehm und Kalk. Ein vierter Nebbiolo, der Roccabella ist elegant, puristisch und geradlinig, feingestrickt und zart und bildet den beeindruckenden Einstieg in Eugenios und Cinzias Nebbiolowelten.
Nach konventionellen Anfängen, stellten die beiden erst auf biologische und 2010 auf biodynamische Bewirtschaftung um. Sie sind Mitglied bei Nicolas Jolys Renaissance de Terroir Gruppe und bei der Naturweinbewegung ViniVeri. Im Weingarten besteht dabei das permanente Bestreben, auch auf Schwefel und vor allem Kupfer soweit wie möglich zu reduzieren. Um das zu erreichen experimentiert Eugenio auch mit diversen Präparaten und Ölen. Im Keller wird durch die Bank spontan vergoren, der Ausbau der Weine findet vor allem auf größeren Holzfässern statt. Gefiltert und geschönt wird nicht und auch sonst verzichtet man mit der Ausnahme von ein wenig Schwefel auf Additiva jedweder Art.
27 Nov 2017
Timorasso – alte Sorte, neu erzählt
Timorasso ist eine alte Sorte und dabei doch ein neues Phänomen. Bevor die Reblaus ihr Unwesen in den Weinbergen Italiens trieb, war sie vor allem im Südpiemont, in der Südlombardei und selbst in der Region um Genua weit verbreitet. Weggefressen von dem mikroskopischen Insekt war ihr danach eine Auferstehung fürs erste nicht gegönnt. Ein Grund dafür wird wohl der gewesen sein, dass sie im Weingarten nicht besonders pflegeleicht war: im Frühjahr verrieselte sie gerne und im Herbst wuchsen in ihren Trauben nicht nur unterschiedlich große Beeren, sie reiften auch oft noch zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Die Reblaus war folglich ein willkommener Anlass sie einfach zu vergessen.
IN DER HEIMAT DES CAMPIONISSIMO Doch passierte das Vergessen glücklicherweise nicht kollektiv: speziell in den Colli Tortonesi, einer bis heute tief bäuerlich geprägten Region und Heimat von Fausto Coppi, dem größten aller großen campionissimi, die Italiens Radsportwelt hervorbrachte, ignorierte man das Ignorieren und setzte weiterhin auf die eigenwillige Sorte. 1929 beispielsweise bestockten Carlo und Clementina Ricci ihre Weingärten in San Leto mit Timorasso, aus denen ihr Enkel Daniele heute einen Weißwein keltert, auf den sie mit Sicherheit stolz sein würde. Die Riccis waren allerdings viel zu leise und bescheiden, um die Sorte auf der Weinlandkarte Italiens zu positionieren. Dieses Verdienst kommt Walter Massa zu, der ein paar Kilometer weiter seit nunmehr zwanzig Jahren ein paar Weine keltert, die mit klarer aber eindringlicher Stimme vom Potenzial des Timorasso erzählen: keine einfachen Weine, doch Weine, die ins Detail gehen und bei aller Stringenz und Geradlinigkeit am Gaumen doch auch Räumlichkeit und Tiefe erzeugen.
SENSORIK: Die stabile Achse des Timorasso ist seine Säure, weshalb ihn manche Kritiker recht voreilig mit Riesling vergleichen. Doch zum einen wirkt die Säure sensorisch anders, zum anderen kann man die fruchtige Aromatik des Rieslings im Timorasso lange suchen (zumindest in den Versionen von Daniele Ricci, Walter Massa, Valli Unite oder Andrea Tirelli). Dafür finden sich Mandeln, weiße Blüten, Kräuter und eine Menge Steine, die pauschal unter dem Schlagwort Mineralität laufen. Gut und behutsam vinifiziert (gesunde Beeeren, spontan vergoren und mit Geduld in großen Holzfässern ausgebaut) reift Timorasso über Jahre und Jahrzehnte – Daniele Riccis 2004er San Leto hatte im Jahr 2017 noch immer eine quasi körperverwandelnde Saftigkeit und Frische.
Ein paar Timorassi:
Daniele Ricci: San Leto (einer der besten Weißweine Italiens)
Daniele Ricci: Terre di Timorasso (einfacher gestrickt aber noch immer exzellent)
Daniele Ricci: Giallo di Costa (auf der Maische vegoren)
Walter Massa: Sterpi (ein bisschen fett für meinen Geschmack)
Walter Massa: Costa del vento (topp)
Andrea Tirelli: Derthona Timorasso
Valli Unite: Dertona Timorasso