Andrea Zanfei ist zwar kein Winzer klassischen Schlags, das ändert aber nichts daran, dass er Weine keltert, die klassisch und paradigmatisch für eine Region stehen. In seinem Fall und in dem seiner Frau Valeria Baldini Libri, der eigentlichen Besitzerin des Weinguts ist das das Chianti Rufina, jener Hügelkette im Osten von Florenz, das heute (und eigentlich immer schon) eindeutig im Schatten des Chianti Classico steht. Der große Unterschied zwischen Rufina und dem Classico ist – laut Andrea – das spezielle Mikroklima in Rufina, das eminent durch den Sieve, den die ganze Region durchziehenden Fluss geprägt ist. Zum einen ist es dadurch meistens recht feucht, zum anderen, ergeben sich daraus, ziemlich spürbare Tag-Nacht Unterschiede. Die kommen im Fall von Andrea und Valeria vor allem Canaiolo (ihre Lieblingssorte), Sangiovese, Colorino, Trebbiano und Malvasia zu Gute, die seit über 40 Jahren in den insgesamt 10 Hektar Weingärten wurzeln und seit 20 Jahren biodynamisch bewirtschaftet werden. Seit 1997, dem Jahr als Valeria das Weingut übernahm und Andrea seinem Job als Geschichts- und Philosophieprofessor auch noch den des Winzers hinzufügte. Anfangs half ihnen Leonello Anello, ein Önologe, später wussten sie auch selbst, was wann und warum zu tun ist. Im Weingarten sowieso, aber auch im Keller.

Dort setzen die beiden auf a. wilde Hefen & spontane Vergärung, b. den Verzicht von jeglichen Additiven außer SO₂ vor der Füllung, c. Zement und d. Holz. Mehr Zement als Holz. Letzteres sehen einzig der Chianti Rufina, dem 90% Sangiovese feine Blüten und Fruchtaromen verleihen und der Padronale, ebenfalls hauptanteilig Sangiovese, doch ein wenig fülliger, runder und ausladender. Im Zement landet dagegen der Podernovo, den 40% Canaiolo in eine fleischige und saftige Richtung lenken und der Canestrino, eine Cuvèe aus Trebbiano und Malvasia, die wieder einmal zeigt, warum es Sinn macht, gewisse Weißweine auf den Schalen zu vergären. Speziell der Trebbiano gewinnt dadurch an Substanz und Tiefe, an Aromintensität und Dynamik.

ps: Cerreto Libri ist Mitglied bei Renaissance del Terroir Italia.

pps: bei Cerreto Libri weiß man auch ganz genau, wie man Grappa brennt und Olivenöl herstellt

ppps: Außerdem kann man bei Cerreto Libri wohnen, was angesichts der Tatsache, dass man es mit einer 220 Jahre alten toskanischen Villa zu tun hat, ein Erlebnis sein sollte.

Fattoria Cerreto Libri

Valentina Baldini Libri
Via Aretina 96
50065 Pontassieve (FI)
Tel. 055/8314528
Fax 055/3909840
fattoria@cerretolibri.it
www.cerettolibri.it

WEINE

Chianti Rufina
Padronale
Podernovo
Canestrino

Die Preise der Weine liegen zwischen € 12 und € 18 (2017)

Ceretto Libri ist Mitglied bei Renaissance del Terroir 

Jahresproduktion: ca.15000 Flaschen
Rebsorten: Sangiovese, Colorino, Canaiolo, Malvasia, Trebbiano
Rebfläche: 10 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: ja

Manfredis Paradies ist klein. Aber das haben Paradiese vermutlich so an sich. Das erste Paradies war ja auch nur für zwei Personen, eine Schlange und einen Apfelbaum (eine Feigenbaum muss es auch gegeben haben) konzipiert. Manfredis Paradies umfasst 2,5 Hektar. Anstatt des Apfelbaums pflanzte er Sangiovese Grosso, den speziellen Sangiovese-Biotypus, der im nördlichen Teil von Montalcino für die feine, ziselierte Textur und die roten Fruchtaromen (im Süden wird es opulenter und dunkler) mitverantwortlich ist. Statt ein paar Schlangen und Feigen gibt es eine üppige Flora und Fauna und im Gegensatz zum ursprünglichen Paradies ist es bestens lokalisierbar – Via Canalicchio 305, Montalcino.

Das Weingut – dessen Mauern seit dem 8. Jahrhundert bestehen – erwarben Manfredi Martini und seine Frau Fortunata (ein Name, der ins Paradies passt) Anfang der 1950er Jahre und aus dieser Zeit stammen auch noch immer viele Rebstöcke, die heute von der zweiten (Florio und Rosella) und dritten Generation (Gioia und Silvia) so akribisch weitergepflegt werden, wie Manfredi es vorlebte. Die Bewirtschaftung basiert auf Handarbeit und auch wenn nicht zertifiziert biodynamisch gearbeitet wird, integriert man doch diverse Prinzipien. Ansonsten geht man extrem selektiv und penibel vor und versucht den Weingarten vom Rebschnitt bis zur Lese in perfekter Balance zu halten – viel Arbeit, weshalb man auch nicht vorhat, das Paradies zu vergrößern.

Das Terroir ist anspruchsvoll: die Topographie ist hügelig und steil, die Exposition nordöstlich, der Boden von unzähligen Fossilien und viel Konglomerat geprägt und das Klima ist – dank der Lage in den Hügeln – immer wieder von kühlen Nächten beeinflusst. All das wirkt sich auf die Weine aus, die zweifellos zum besten gehören, was Italien an puristischen, filigranen, leicht ätherischen, eleganten und auch komplexen Rotweinen zu bieten hat. Alle drei Weine (Rosso, Brunello & Brunello Riserva) entstammen derselben Vinifikation – sie unterscheiden sich lediglich durch die Länge des Ausbaus.

Keller & Weine: Die Akribie der Weingartenarbeit findet im Keller ihre Fortsetzung, wobei das nicht bedeutet, dass hier groß eingegriffen wird. Im Gegenteil. Man schuf einzig das ideale Umfeld, um Weine zu keltern, die sowohl Herkunft wie auch Sorte bis ins Detail wiedergeben. Die Gärung findet in Zementbottichen statt, die innen mit einer Keramikschicht ausgekleidet sind: ideale Voraussetzungen für einen langsamen und relativ kühlen Verlauf. Danach wird der Wein (es ist immer noch ein Wein, der erst durch den Ausbau seine Verwandlung in Rosso, Brunello & Riserva di Brunello erfährt) in große Holzfässer aus slawonischer Eiche (25-30hl) gefüllt. Und danach wird gewartet: 12 Monate auf den Rosso, der filigran, belebend und animierend ist und rote Früchte, ein wenig Zitrus, florale und erdige Noten und erste Anzeichen eines großen Weins in sich trägt.

36 Monate (+ Flschenreife/je nach Jahrgang) auf den Brunello, einem der großen Meisterwerke der italienischen Rotweinwelt: ähnlich filigran, elegant und dynamisch ist er – anders als der Rosso – doch in sich ruhend (drücke ich mich klar aus?), gelassen & entschleunigt, ein Wein, der sich prinzipiell ein wenig Beschäftigung verdienen würde und doch soviel Trinkfluss besitzt, dass man aufpassen muss, ihn nicht in einer Viertelstunde auszutrinken. Die ätherische Textur ist bestens und völlig unaufdringlich von lebendiger Säure und griffigem Gerbstoff gepuffert. Die Aromenvielfalt ist groß, wobei es Sinn macht, hier jeden für sich auf die sensorische Reise zu schicken – zwischen Rosen, Laub, Erde, roten Beeren, Steinen usw. kann jeder seine eigene Auswahl treffen.

Auf die Brunello Riserva muss man 48 Monate (+Flaschenreife) warten und vermutlich lohnt sich das auch – ich würde es auch gerne wissen.

Alle drei Weine sind ungefiltert und nicht geschönt.

Il Paradiso di Manfredi

Via Canalicchio 305
53024 Montalcino
Tel: 0039 0577848478
www.ilparadisodimanfredi.com

Jahresproduktion: 9000 Flaschen
Rebsorten: Sangiovese
Rebfläche: 2,5 Hektar
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer, Schwefel
Biodynamisch: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein
On the road: selten, mit TRIPLE A

WEINE

Rosso
Brunello di Montalcino
Riserva di Brunello

Ganze 2,2 Hektar bewirtschaften Giuseppe Ferrua und seine Frau Giovanna Tronci in den Hügeln nördlich von Lucca (DOC Colline Lucchesi), wobei Wein nur ein kleiner Bestandteil des 20 Hektar großen Anwesens ist – Olivenöl kommt ein ähnlicher Stellenwert zu, der Rest ist Wald und ein Agriturismo, dessen Zimmer in dicken, altehrwürdigen Mauern aus dem 18. Jahrhundert untergebracht sind. Die Fabbrica di San Martino ist ein Rückzugsort, eine Enklave der Ruhe, die neben Giuseppe Ferruas Familie auch noch ein paar Esel, Bienen, Katzen und Rinder beherbergt.

Weingärten: Letztere haben auch für die Weingärten Bedeutung, liefern sie doch den Dung für das Präparat 500, das den biodynamischen Prinzipien gemäß zur Aktivierung der Bodenfruchtbarkeit eingesetzt wird. Und biodynamische Prinzipien werden auf San Martino intensiv gelebt. So verwendet man zum einen die diversen Präparate zur Stärkung der Pflanzen und des Bodens, zum anderen arbeitet man im Garten wie im Keller auch nach den kalendarischen Vorgaben der Biodynamik. Das kommt den bisweilen sehr alten Rebstöcken zu Gute, die in sandig geprägten Böden wurzeln und trotz der eher geringen Speicherfähigkeit ausreichend Nährstoffe akkumulieren können. Das Klima ist mediterran geprägt, wobei es an Regen nicht mangelt, ein Umstand, der die Hänge von Giuseppe oft in ein dunkles Grün verwandelt. In den Gärten wachsen – oft durchbrochen von Olivenbäumen – durchwegs autochthone Sorten, allen voran, wie könnte es anders sein, Sangiovese. Der bildet die Basis für die beiden Rotweine, den Arcipressi Rosso, der zudem Ciliegiolo, Colorino, Canaiolo, Malvasia Nera, Aleatico enthält.

Keller & Weine: Gelesen wird stets per Hand, wobei unreifes oder faules Material direkt am Stock selektiert wird, vergoren wird spontan, der Ausbau passiert im Edelstahl mit der Intention einen leichten und lebendigen Wein zu keltern. Der macht Spaß, liefert jedoch nur die Einleitung für den Fabbrica di San Martino Rosso, der strukturiert, dicht, fokussiert und vielschichtig sicher zu den besten roten Interpretationen der nördlichen Toskana gehört. Ausgebaut wird über 2 Jahre in 1000 Liter Holzfässern, gefiltert und geschönt wird gar nicht, geschwefelt kaum.

Dieser Ansatz minimalster Interventionen lässt sich auch auf die beiden Weißweine übertragen, den Arcipressi Bianco (saftig, bekömmlich, vital) und den Fabbrica di San Martino Bianco, mit dem Giuseppe, die Möglichkeiten von Vermentino und Trebbiano auslotet. Die Textur ist dabei eher weich, saftig und konzentriert, die Aromen sind vor allem gelben Früchten und von Kräutern geprägt.

Abgerundet wird das Sortiment von einem mehr als ernsthaften Rosé (reinsortig Sangiovese), dessen einziger Nachteil darin besteht, dass ihn meistens die Gäste des Agriturismo mehr oder weniger paritätisch unter sich aufteilen. Die Fabbrica di San Martino ist demeterzertifiziert und Mitglied bei Renaissance del Terroir und Lucca biodinamica.

Fabbrica di San Martino

Frazione San Martino/Lucca
Via Pieve Santo Stefano 2511
Tel:+39 0583 394284
E-Mail: info@fabbricadisanmartino.it
www.fabbricadisanmartino.it

Weine

Arcipressi bianco
Arcipressi Rosso
Fattoria di San Martino Bianco
Fattoria di San Martino Rosso
Rosé

Jahresproduktion: 12000 Flaschen
Rebsorten: Sangiovese, Canaiolo, Ciliegiolo, Malvasia Nera, Aleatico; Vermintino, Trebbiano Toscano
Rebfläche: 2,5 Hektar
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja
Pflanzenschutz: biodynamisch, Kupfer und Schwefel
Biodynamisch zerifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: ja

Die Cantina del Barone befindet sich in Cesinali, im Hoheitsgebiet des Fiano, im Süden Avellinos. Ein paar Kilometer weiter im Norden gibt rund um Tufo Greco den Ton an, ein paar Kilometer weiter im Osten übernimmt Aglianico das Kommando. Insgesamt sind das ein paar tausend Hektar Wein, auf denen zwei der wichtigsten weißen Sorten und eine der wichtigsten roten Sorten Italiens ihr Epizentrum haben – bekannt ist das kaum.

Weingut: Die Cantina del Barone ist ein relativ neues Projekt  einer Familie, die seit Generationen Felder rund um Cesinali bewirtschaftet. Antonio Sarno kaufte das Stück Land, in dem seine Reben stehen, in den neunziger Jahren von einem neapolitanischen Baron – was schon mal den Namen erklärt. Insgesamt drei Hektar, die heute vor allem von Luigi, seinem Sohn bearbeitet werden und die ausschließlich mit Fiano bestockt sind, einer Sorte, von der nicht nur Ian d’Agata, der beste Kenner italienischer Rebsorten meint, sie würde die vielleicht beste weiße Sorte Italiens sein – eine Meinung, die ich nicht teile (aber er hat sicher mehr davon getrunken als ich). Wie auch immer.

Fiano: Die Hügel südlich von Avellino sind ideales Territorium für die Sorte, vor allem dann, wenn man straffe, geradlinige, steinige Weine mag, die ohne allzu viel Fruchtbrimborium auskommen. Wurzeln tun die Stöcke in vulkanischen Böden, die zudem von Kalk durchsetzt – eine doppelte Grundvoraussetzung für stringente, aufs Wesentliche reduzierte Weine. Hinzu kommt ein Klima, das auch richtig kalt werden kann und folglich zum einen eigentlich immer ordentliche säurewerte garantiert und zum anderen eine späte Lese.

Die Cantina del Barone ist zwar nicht biologisch zertifiziert, arbeitet aber laut Luigi nach biologischen Richtlinien. Im Keller setzt man erst seit kurzem auf spontane Vergärung aber besser spät als nie. Luigi presst sofort und baut in Stahl aus – was ich bei Fiano nicht zwingend verstehe. Luigi meint, er macht das, um die Frucht zu erhalten – die sich allerdings bei beiden Weinen, dem Fiano di Avellino Paone und auch dem Particella 928 ohnehin eher im Hintergrund aufhält.

Die Weine: Den Paone (nach den Pfauen benannt, die sich der Baron auf den Feldern hielt – was auch sonst?) prägen florale Aromen und Orangennoten und dazu die schon erwähnte geradlinige und kühle Textur, beim Particella, dem anspruchsvolleren der beiden kombinieren sich noch steinige Noten und ein bisschen mehr Körper dazu. Zeit tut beiden Weinen gut und auch wenn ich sie nicht im Olymp italienischer Weißweine ansiedeln würde, sind sie doch allemal ihr Geld (10-15 €) wert.

Zur Cantina del Barone gehört auch ein Bed & Breakfast.

Luigi Sarna
Via Provinciale S. Michele, 87,
83020 Cesinali
Tel: 0039 320 6981706
www.cantinadelbarone.it

WEINE

Fiano Paone
Fiano Particella 928

Die Preise der Weine liegen zwischen € 10 und € 15 (2017)

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Luigi Sarna ist Mitglied der Gruppe 100%

Jahresproduktion: ca.15000 Flaschen
Rebsorten: Fiano
Rebfläche: 3 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: nein
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Marano ist neben Fumane, zumindest in meiner Wahrnehmung, das spannendste Terroir des klassischen Valpolicella. Die Böden basieren größtenteils auf Kalk und die Wärme der Ebene um San Pietro in Cariano weicht kühleren Zonen, die zunehmend von den im Hintergrund langsam sichtbar werdenden Monte Lessini beeinflusst werden. Ein spannendes Terroir ist natürlich noch längst nicht alles, es braucht auch Leute, die es entsprechend interpretieren und die Essenz des Ortes auch in die Flasche bringen.

Alessandro Castellari von Ca‘ la Bionda gelingt das wie kaum einem anderen. Seine Weine sind konzentriert, klar, saftig und dicht aber eben auch strukturiert, kühl und fordernd und – eine gloriose Ausnahme im Valpolicella – teilweise sogar elegant. Gründe gibt es dafür, laut Alessandro, gleich mehrere. Das sind zum einen die Böden. Stark kalkdurchsetzt sorgen sie für ein Grundgerüst, das niedrige pH-Werte und damit eine stringente Textur fördert (die Weine haben nach dem biologische Säureabbau pH-Werte um 3,3, was ihre Bekömmlichkeit und den Trinkfluss definitiv fördert). Zudem öffnen sich die meisten seiner Weingärten in Richtung Osten, was ihnen zwar schon früh viel Sonne beschert, sie allerdings auch früher abkühlen lässt und den Trauben grundsätzlich eine entsprechende Balance verleiht. Die Tatsache, dass sich die Weingärten zudem in Richtung Monte Lessini öffnen und die Reben den durch das Tal strömenden Winden aus den Bergen aussetzen, ist ebenfalls alles andere als ein Nachteil.

Dazu kommen Entscheidungen, die vom Winzer gefällt werden. Rebschnitt (kurz), Laubarbeit (je nach Jahr) und Lesezeitpunkt (lieber zu früh als zu spät), vor allem aber die vor Jahren getroffene Entscheidung seine 29ha komplett biologisch zu bewirtschaften (zertifiziert) sind elementare Komponenten, um die natürlichen Voraussetzungen auch adäquat in die Weine zu transportieren.

Im Keller passiert das, was im Valpolicella generell passiert. Und dabei ist doch vieles anders. Da ist zum einen sein Valpolicella Casalvegri, einer der wenigen Valpolicella, die mit dem Anspruch, einen großen, dabei aber gleichzeitig der Region und Tradition verpflichteten Wein keltern zu wollen, konzipiert sind. Casalvegri ist eine Einzellage, deren Trauben ohne Wenn und Aber in den Valpolicella fließen. Und weil Alessandro von deren Qualität (völlig zurecht) völlig überzeugt ist, kommen auch keine Amaronetrester dazu – das macht den Valpolicella mit seiner fordernden aber griffigen und dichten Textur, den kompaktenTanninen und den von Würze durchsetzten Beerenaromen zu einem der zwei richtig großartigen (mir bekannten) Valpolicellainterpretationen (der zweite ist der Valpolicella Camporenzo von Monte dall’Ora).

Den Ripasso kenne ich nicht, dafür beide Amarone – und beide sind absolut bemerkenswert. Getrocknet wird – auch das ist außergewöhnlich – in traditionellen Holzkassetten, mit den eigentlich üblichen Plastikkisten kann Alessandro nichts anfangen. Die Zusammensetzung der beiden wird, wie eigentlich immer, von der Corvina dominiert, unterstützt von Corvinone, Rondinella und – ein weiterer Mosaikstein, der die Ausnahmestellung von Cà la Bionda zementiert – Molinara. Letztere ist fast überall zugunsten der anderen Sorten ausgerissen worden, gibt den Weinen aber, laut Alessandro, Säure, Gerbstoff und Eleganz. All diese Eigentümlichkeiten summieren sich letztlich in den beiden Amarone, die nicht nur mit Würze, Kraft, Frucht, Pfeffer und Intensität punkten, sondern eben auch mit Eleganz, Vitalität, Geradlinigkeit und Trinkfluss. Balance und Druck sind allgegenwärtig.

Dass das alles nebenbei vermutlich blendend reift, ist dann noch ein zusätzlicher positiver Aspekt. Ausgebaut wird durch die Bank in kleinen, großen und bisweilen sehr großen Holzfässern (zwischen 225 und 3000 Liter), vergoren wird spontan, gefiltert wird nicht – das regelt bei Ca‘ la Bionda die Zeit – der Valpolicella Casalvegri liegt 18 Monate im Fass, der Amarone Classico 30 Monate und der Amarone Ravezzol 48 Monate (um danach noch für ein paar Jahre in der Flasche zu verschwinden).

Immer Schwefel. Er verfolgt einen durch konventionelle und durch biologische Welten und ist fortwährender Diskussions- und Streitpunkt. An ihm scheiden sich die Geister, die selbst bei Maischegärungen, Ganztraubenpressung oder Amphorenausbau noch Konsensfähigkeit demonstriert haben. Umso erfreulicher, dass sich bei Angelo Muto zwar auch vieles um Schwefel dreht, allerdings in einem wesentlich entspannteren Diskurs. Seine Reben wurzeln darin. Seit drei Generationen bewirtschaftet seine Familie fünf Hektar Weingärten in Tufo und zwar genau über einer Mine, in der im 19. Jahrhundert bis zu 900 Menschen beschäftigt waren und Schwefel abbauten.

War Tufo früher für seinen Schwefel bekannt, punktet die kleine Stadt heute mit Greco, einer weißen Rebsorte, die zu den spannenderen Süditaliens zählt und offensichtlich bestens mit den eigenwilligen geologischen Bedingungen umgehen kann. Greco ist im Grunde genommen keine einzelne Sorte, sondern eine Sortenfamilie, die zum einen so kompliziert miteinander vernetzt ist und zum anderen so viele Unterschiede innerhalb der Familie aufweist, dass es sich lohnt ihr (demnächst) einen eigenen Artikel zu widmen. In aller Kürze lässt sich allerdings sagen, dass manche (aber beim besten Willen nicht alle) Greco-Sorten wahrhaftig griechischen Ursprungs sind und die meisten davon (aber beim besten Willen nicht alle) in Kalabrien ihren Ursprung und ihr Hauptausbreitungsgebiet haben. Tufo ist nicht nur eine solche Ausnahme, es ist gleichzeitig auch das bekannteste aller Greco-Anbaugebiete und erfreut sich seit 2003 über DOCG Status.

Angelo Muto und seine Vorgängergenerationen setzen seit jeher einzig und allein auf Greco. Angebaut wird in zwei unterschiedlichen Weingärten, wobei beide steil & spektakulär sind und an manchen Stellen über 500 Meter hoch. Drei Hektar umfasst die Lage rund ums Weingut, die, einem Amphitheater ähnlich, von früh bis spät Sonne abbekommt; der zweite Weingarten ist älter, von Wald umgeben, noch ein wenig höher und folglich mikroklimatisch anders (weniger Wind, noch mehr Sonne). In beiden wird, trotz der in Richtung Süden schauenden Lage nicht  vor Mitte Oktober gelesen, in kühlen Jahren kann es auch November werden. Greco reift spät, ohne dabei zu viel an Alkohol aufzubauen oder Säure zu verlieren (das sind übrigens mit zwei Gründe, warum man die Sorte mittlerweile auch gerne in Kalifornien und Australien anbaut). Die Bewirtschaftung ist biologisch.

Im Keller macht man das Notwendigste und hat zudem ein paar grundsätzliche Entscheidungen gefällt. Seit ein paar Jahren vergärt man spontan, reguliert allerdings die Temperatur, um laut Angelo, die Klarheit der Aromen zu erhalten. Vergoren werden ganze Trauben und zwar generell in Stahltanks, ausgebaut ebenfalls, und zwar für gewöhnlich über ein knappes Jahr auf der Hefe. Danach geht es in die Flasche, wo der Wein noch vier Monate weiterreift.

Aus dem Amphitheater stammt der Miniere, der in der Nase wie am Gaumen deutlich von Kräutern und Steinen geprägt ist, Heuaromen ergänzen dezent. Die Frucht bleibt im Hintergrund, wobei sich das im Laufe der Jahre vermutlich ändern wird. Richtig spannend wird es am Gaumen, wo zum einen die Säure zupackt, zum anderen aber auch der Boden seine Spuren hinterlässt und dem Wein eine vertikale, dynamische und nie ausladende Richtung gibt. Dem gegenüber steht ein Körper, der durchaus Kraft besitzt und Zug und Druck in Richtung Gaumen aufbaut. Der Torrefavale unterschiedet sich von den Aromen nicht allzu sehr. Zu den Kräutern und Steinen kann man diesmal eher Blütenaromen dazu addieren, die Frucht spielt auch hier eine untergeordnete Rolle. Am Gaumen allerdings wirkt er runder, saftiger und weicher, ohne allerdings an Säure und Druck zu verlieren. Ein wenig Luft schadet beiden Weinen nicht.

WEINE

Miniere
Torrefavale

Die Preise der Weine liegen zwischen € 15 und € 20 (2016)

LINKS

Kampanien

Angelo Muto
Via Santa Lucia 32
Tufo
Tel. 0039 0825998073
oder 338 4512965
email: info@cantinedellangelo.com
www.cantinedellangelo.com

Jahresproduktion: ca.20000 Flaschen
Rebsorten: Greco
Rebfläche: 5 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Im Schlagschatten des Piz Bernina, am Fuße der Alpe retiche, der rhätischen Alpen wurzeln die Nebbiolo-Stöcke von Ar.Pe.Pe, benannt nach Arturo Pelizzati Peregodas, dem Vater der gegenwärtigen Besitzer Isabella und Emanuele. 1984 schied er aus einem Konsortium an Winzern aus, das diverse Weinkeller in Italien umfasste und machte sich auf seinen eigenen Weg. Der war im wahrsten Sinne des Wortes steinig, lagen doch die meisten seiner Weingärten in Grumello (einer Subzone des Valtellina) in unwegsamem gebirgigem Gelände, einzig gehalten von einer Unmenge an wild in den Berg gebauten Steinterrassen.

Was in den folgenden 30 Jahren entstand gehört zu den großen Leistungen im italienischen Weinbau. Ar.Pe.Pe ist in dieser Zeit zu einer der wenigen Alternativen großer Baroli aufgestiegen. Die Voraussetzungen sind hart und doch brillant. Karge Bergböden machen quasi überall Handarbeit notwendig. 10 Hektar werden so bewirtschaftet, allesamt steile und steilste Hanglagen. Gelesen wird in 10 Kilo Rucksäcken, die beim Abstieg nicht behindern, und das zumeist in praller Sonne, da fast alle Lagen nach Süden ausgerichtet sind.

Sind die Hänge dem Nebbiolo und einzig dem Nebbiolo vorbehalten, so gehört das Innere des Berges dem Weinkeller. Der wurde in monatelanger Arbeit in den Berg gegraben und beinhaltet heute alles was ArPePe für die Weinherstellung braucht. Das sind Eichen- und vor allem Kastanienfässer, die an die lange Geschichte des Valtellina anknüpfen. Der Ausbau ist lang, oft vergeht ein knappes Dutzend Jahre bis die Weine das Licht der Welt erblicken. Und so ist es nichts Ungewöhnliches, wenn Ar.Pe.Pe auch heute noch Weine aus den den frühen 2000er Jahren anbietet. Der Stil hat sich dabei in all diesen Jahren nicht wirklich geändert. Die Nebbioli sind elegant, mineralisch, komplex, fruchtpräzis, lebendig und über die Jahre meist geprägt von feiner Würze und Erdigkeit. Sie sind in all ihrer Frische und Strenge auch große Repräsentanten einer viel zu unbekannten Bergweinregion.

Ar.Pe.Pe – Isabella, Manuele und Guido Pelizzatti Perego
Via del Buon Consiglio, 4, 23100 Sondrio SO
Tel +39.0342.214120
Fax +39.0342.050412
arpepe@fastwebnet.it; info@arpepe.com
www.arpepe.com

WEINE

Rosso di Valtellina
Sassella Ultimi Raggi
Sassella Vigna Regina
Sassella Rocce Rosse
Grumello Buon Consiglio
Il Pettirosso
Inferno Fiamme Antiche
Sassella Stella Retica
Grumello Rocca De Piro

Jahresproduktion: 50000 Flaschen
Rebsorten: 100% Nebbiolo
Rebfläche: 10 ha
Reberziehung: Guyot
Rebstockalter: bis zu 50 Jahre
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja; Kuhmist
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Bio-biodynamisch zertifiziert: nein
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Olevano Romano ist einer jener Orte, für die man gerne nach Italien aufbricht. Über Jahrhunderte hinweg spektakulär in einen Hang gebaut, besteht er aus einer Ansammlung handgemauerter, vermutlich erdbebengefährdeter Gebäude, die sich in wilden Winkeln in einem labyrinthischen Straßengewirr den Hügel hinaufzieht. Stadtplanung sieht definitiv anders aus. Die Peripherie von Olevano Romano gehört dem Wein, eine gleichnamige DOC unterstreicht dessen lange Tradition in der Region. Damiano Ciolli kultiviert dort Cesanese auf vulkanisch geprägten Böden. Vor ihm war es sein Vater Costantino und davor sein Großvater Tito.

Cesanese – eine der größeren Erfolgsgeschichten der jüngeren italienischen Weingeschichte – ist bis heute Damianos einzige Rebsorte geblieben. Genauer Cesanese d’Affile, die qualitativ höherwertige der beiden Cesanese- Varianten, die in der Region angebaut werden (die andere ist Cesanese Commune). Sechs Hektar sind damit vollgepflanzt, die allesamt biologisch bewirtschaftet werden. Seit 2001 liefert er die Trauben nicht mehr an die Genossenschaft ab, sondern vinifiziert selbst.

Die Bedingungen scheinen – und das ist bei Cesanese d’Affile beim besten Willen nicht immer der Fall – perfekt. Die Sorte hat es zum einen gerne kühl, reift aber andererseits eher ungern aus, stellt also gewisse Ansprüche an ihren Ort. 450 Meter hoch liegen die Weingärten von Damiano, hoch genug, um in der Nacht entsprechend abzukühlen. Die Thermik des angrenzenden Apennins sorgt zudem für einen Frischefaktor, der wiederum durch die südseitige Lage der Weingärten relativiert wird. Erzogen wird nicht mehr im klassischen Tendone-System der Region (eine Art Pergola) sondern in einem doppelten Cordon, was wiederum den Lichteinfall verbessert und die Böden leichter erwärmt.

Alles in allem also ideale Voraussetzungen für die Sorte, deren Weine angeblich schon von den Römern gerne weggetrunken wurde. Dokumente dafür gibt es zwar keine, aber zum einen erzählt der Volksmund davon und zum anderen weiß man immerhin, dass sich Nerva, der römische Kaiser nach der Ermordung Domitians, in Piglio, einer weiteren Bastion des Cesanese, einen Palast bauen ließ (angeblich – auch hier fehlt die Originalquelle und ich gehe sie auch nicht suchen – weil der Wein dort so gut schmeckte).

Silene & Cirsium: Damiano keltert zwei unterschiedliche Versionen, Silene & Cirsium, benannt nach zwei im südlichen Latium beheimateten Pflanzen. Silene ist die Basis. Spontan vergoren wird er über ein Jahr in Zement ausgebaut, unfiltriert abgefüllt und dann noch für weitere sechs Monate in der Flasche gelagert. Die Struktur erinnert frappant an kühle und puristische Pinot Noirs, die Aromen wiederum setzen sich aus einer Mischung aus Kräutern und Beeren zusammen und alles in allem macht das viel mehr als nur Spaß. Der Cirsium ist potenter, kraftvoller und dichter aber – zumindest meiner Ansicht nach – nicht unbedingt besser. Die Trauben stammen aus einem von Nonno Tito 1953 gepflanzten Weingarten. Ausgebaut wird über 18 Monate in Barriques. Nach der Füllung geht es noch für ein paar Jahre in den Keller. Insgesamt ist alles mehr als nur einen Versuch wert.

Damiano Ciolli gehört definitiv zu den besten Interpreten einer der besten roten Rebsorten Süditaliens, die über kurz oder lang nicht nur in Rom und Umgebung getrunken werden wir

CASÈ

Die Idee Winzer zu werden, kam Alberto Anguissola im Jahr 1992. Sechs Jahre später setzte er sie in die Tat um, als er hoch oben im Val Trebbia 3200 qm Pinot Nero aussetzte. Ein erstes Experiment, dem im Jahr 2000 weitere 7500 qm folgen sollten. Die Wahl der Rebsorte war dabei genauso ungewöhnlich wie der Ort, den er sich für sein Projekt ausgesucht hatte. Das Val Trebbia liegt im nördlichen Apennin. Es beginnt bei Piacenza und endet ziemlich genau dort, wo sich die Emilia mit Ligurien trifft. Alberto wählte für seine Rebflächen brachliegendes Territorium auf fast 600 Meter Höhe, das zum einen von Ton, viel mehr allerdings von Kalk geprägt ist. Weiter unten im Tal finden sich mit La Stoppa und Denavolo zwei weitere exzellente Winzer, so hoch oben wie er hat allerdings keiner der beiden Weingärten. Neben Pinot Nero, der in der Emilia zwar keine Tradition hat, allerdings bestens in diese Ecke passt, setzte er ein paar Jahre später mit Malvasia di Candia Aromatica und Ortrugo auch noch ein paar weiße Sorten, vor kurzem kamen auch noch Bonarda und Barbera hinzu, die beiden Traditionssorten der Colli Piacentini.

Von der ersten Sekunde weg verfolgte Alberto – der in der Zwischenzeit von Diego Ragazzi unterstützt wird – einen kompromisslos biologische Arbeitsweise. Vorrangiges Ziel war es, seinen jungen Reben ein ökologisches Gleichgewicht zu bieten, in dem sie sukzessive natürliche Resistenzen gegen potenzielle Parasiten ausbilden konnten. Er förderte die Biodiversität, in dem er a.) auf Herbizide und Pestizide verzichtete und b.) das wachsen ließ, was ohnehin gewachsen wäre, hätten sich keine Rebstöcke in den Böden befunden. So hat sich im Laufe der Jahre eine Umgebung geformt, die Kräuter und Gräser, Insekten, Vögel und anderes Kleingetier integriert.

Gelesen wird per Hand und in kleinen Kassetten, um die Trauben nicht zu beschädigen, vinifiziert wird spontan, ergo mittels wilder Hefen. Während der Gärung bleibt der Most/Wein ausnahmslos in ständigem Kontakt mit den Schalen – beim Pinot Nero sind das ca. 40 Tage, bei den weißen Sorten 8-10, wobei es dafür traditionelle und praktische Gründe gibt. Zum einen, meint Alberto, wurden die weißen Trauben der Region früher immer mit den Schalen vergoren, zum anderen bildet Gerbstoff auch einen natürlichen Oxidationsschutz, was angesichts der Tatsache, dass Alberto entweder gar nicht oder nur marginal schwefelt, elementare Bedeutung hat. Zu guter Letzt ist vor allem Malvasia di Candia Aromatica maischevergoren auch qualitativ interessanter als sofort abgepresst.

Die beiden wichtigsten Weine von Alberto sind allerdings seine beiden Pinots, der Riva del Ciliegio und der Casè , die, erst einmal fertigvergoren, für 18 Monate in 500 Liter Tonneaux oder gebrauchte Barriques wandern und sukzessive Aromen und Strukturen entwickeln, die alle Attribute großer Cool Climate Pinots in sich tragen.

In letzter Zeit erweiterte Alberto mit dem Casè harusame, einem Spumante Rosato, dem berbéch, einem Rosso frizzante und dem calcaròt, einem einfachen Rotwein sein Sortiment.

Auriel ist ein junges Weingut. 2005 unterschrieben Marta Peloso und Felice Cappa den Kaufvertrag für 65 Hektar Wald in Cascina Boschi, einem vergessenen Ort bei Ponzano Monferrato, unweit von Asti. 2007 setzten sie auf drei Hektar Reben in die Lichtungen. 2010 gab es den ersten Wein und seit damals geht in bei Auriel qualitativ die Post ab. Grignolino und Barbera, die beiden klassischen Rebsorten der Zone werden so puristisch, klar und subtil interpretiert wie nirgendwo sonst im Piemont.

Topographie: Das Gelände rund um das kleine Weingut ist hügelig, die Weingärten stehen folglich durchwegs in Hanganlagen, die auf ca. 350 Meter in Richtung Süden und bisweilen auch Südwesten schauen. Der stete Wind setzt vor allem im Sommer klimatische Kontrapunkte und sorgt zudem dafür, dass die Reben nach Regenfällen rasch abtrocknen. Das ist schon deswegen von entscheidender Bedeutung, da Marta und Felice konsequent biologisch arbeiten und zudem auch von Viticoltura Biodinamica, einer, wenn ich das richtig verstehe, Alternativorganisation zu Demeter biodynamisch zertifiziert sind.

Wie auch immer: die beiden betreiben eine auf Respekt und Nachhaltigkeit basierende Landwirtschaft, die jenseits aller ethischen Prinzipien vor allem auch ihren beiden Sorten ein ideales Umfeld bieten will. Gleichgewicht ist dabei einer der Schlüsselbegriffe, der sich durch die gesamte Konzeption der beiden zieht: große, bisweilen metaphysische Balancen wie jene zwischen Mensch und Natur spielen dabei genauso eine Rolle, wie die wesentlich pragmatischeren zwischen Laubwand und Wetter, Nützlingen und Schädlingen oder jene zwischen Zucker, Gerbstoff und Säure.

Grignolino & Barbera: Gerade letztere haben bei der alles andere als einfachen Sorte Grignolino elementare Bedeutung. Grignolino leitet sich vom piemontesischen Dialektausdruck grignolè ab, was sich – eine onomatopoetische Referenz an die bisweilen krachende Säure und aggressiven Tannine – mit das Gesicht verziehen und mit den Zähne knirschen übersetzen lässt. Luigi Veronelli, der größte unter den vielen großen Kritikern Italiens, meinte sie wäre anarchistisch & individualistisch (was angesichts der Tatsache, dass Veronelli selbst deklarierter Anarchist und berühmt für seine unkonventionellen Meinungen war, ein großes Kompliment darstellt).

In den richtigen Händen allerdings (in diesem Fall die von Marta Peloso), vor allem jedoch in den richtigen Lagen entwickelt Grignolino eine subtile, ausgewogene Textur, dessen feiner Körper unbeschwert und spielerisch Säure und Tannin integriert und neben Blütenaromen und Pfeffer, vor allem rote Beeren und je nach Terroir, steinige, kühle, erdige und salzige Details offeriert. Die Farbe ist selbst bei intensiver Auslaugung der Beerenhaut bestenfalls ein leicht angedunkeltes Rosa, der Alkohol ist auch bei späten Lesen generell niedrig, dass Reifepotenzial trotzdem enorm.

Auch beim Barbera, über den man nur selten lobende Worte verliert, legt Auriel die Latte hoch. Und auch hier dominiert Finesse und Trinkfluss über plumpe Kraft, Eleganz über Muskeln. Die Fruchtaromen sind um einiges intensiver als beim Grignolino, dazu gesellt sich profunde Würze. Ausgebaut wird der Barbera in großen Holzfässern, für den Grignolino zieht man Zement vor. Vergoren wird generell spontan und ohne Temperaturkontrolle, statt Schönen und Filtern setzt man ganz simpel auf die Zeit, die sukzessive die Trubstoffe in Richtung Fass- und Zementboden befördert und zudem auch für sensorische Balancen sorgt.

ps: das Etikett, ein stilisierter Engel (Auriel?) stammt übrigens von Dario Fo, seines Zeichens Literaturnobelpreisträger, der für seine beiden Freunde von Auriel, ausnahmsweise den Pinsel ausgepackt hat.

Die Weine von Auriel gibt es meines Wissens zur Zeit leider nirgendwo im deutschsprachigen Raum

Auriel Società Agricola di Felice Cappa e Marta Peloso
Cascina Boschi – 15020 Ponzano Monferrato (AL) – Piemonte – Italia
Tel:  +39 333 8767975; + 39 335 5940755
email: info@aurielmonferrato.it
http://www.aurielmonferrato.it/

Grignolino del Monferrato Casalese (ca. € 17)
Barbera del Monferrato (ca. € 15)

Jahresproduktion: ca.8000 Flaschen
Rebsorten: Grignolino, Barbera
Rebfläche: 3 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch & biodynamisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Antonio Perrino ist eine jener mythischen Figuren im italienischen Weinbau, die jeder kennt, von der jedoch nur die wenigsten jemals einen Wein getrunken haben. Gründe dafür gibt es gleich mehrere: zum einen hat er gerade einmal sieben kleine Fässer, in denen seine komplette Produktion lagert. Anders ausgedrückt sind das 2100 Flaschen, was selbst für einen Garagenwinzer eine mikroskopische Menge ist.

Winzer seit 1961: Perrino, der seine Weine unter dem Label Testalonga verkauft (womit auch geklärt sein dürfte, woher Craig Hawkins den Namen für seine exzellente Weinserie hat), hat nie Anstalten gemacht, daran etwas zu ändern. Er keltert seit 1961 Wein. Den einen Hektar Weingarten, den er in der Arcagna, einer wild abfallenden Lage in der Nähe von Dolceacqua, bewirtschaftet, hat er seit damals nicht vergrößert. Womit man beim zweiten Grund wäre: Dolceacqua ist zwar wunderschön, liegt aber völlig abseits vitikultureller Trampelpfade oder (wein)kritischer Aufmerksamkeiten im äußersten Nordwesten Liguriens, gerade einmal einen Steinwurf von der französischen Grenze entfernt. Die beiden Rebsorten, die er dort bewirtschaftet, sind Vermentino und Rossese. Ihre Reputation ist überschaubar, ihre Popularität ebenfalls.

Zwei Weine: Was doppelt schade ist. Vermentino, die wesentlich bekanntere der beiden, entfaltet im Idealfall (Antonio) ein Aromasprektrum, das vor allem mediterrane Kräuter (Thymian, Salbei, Rosmarin) und florale Noten (Ginster, Akazien) in die Nase befördert. Bei Antonios Testalonga-Interpretation kann man auch noch salzige Noten dazuaddieren, Terroiraromen, die sich den steinalten (zwischen 50-100 Jahren) Reben verdanken, die ihre Wurzeln vor allem durch dicke Kalkschichten gesprengt haben.

Den 4000 Hektar Vermentino (3300 Hektar davon in Sardinien) stehen ganze 80 Hektar Rossese gegenüber, die sich allesamt in und um Dolceacqua befinden. Louis Dressner, amerikanischer Importeur mit einem profunden Wissen über italiensiche Nischenweine, nannte Rossese einmal, „the most exciting grape I have never heard of“, und tatsächlich gehört Rossese zu jenem Sammelsurium italienischer Sorten, die es wert sind, (wieder)entdeckt zu werden.

Rossese ist sensibel und kompliziert. Erfahrung und alte Stöcke tun folglich gut – Antonio hat beides. Sein Rossese, den er seit nunmehr 55 Jahren vinifiziert, ist ein Manifest für seine kontinuierliche Pflege und – zumindest meiner Ansicht nach – einer der besten unter den filigranen Rotweinen Italiens: Steine & Salz und dazwischen Pfeffer, Thymian, rote Beeren, eine lebendige aber extrem feine und filigrane Textur, Trinkfluss und eine unglaubliche Länge machen klar, warum der betagte Mann völlig zurecht Kultstatus genießt.

ps: Antonio Perrinos Weine entstehen seit seiner ersten Lese in seiner Garage. Anders als seine Bordelaiser Pendants, hat er immer darauf verzichtet, diesen Umstand marketingmäßig auszuschlachten und ist auch preislich stets in Bereichen geblieben, die seine Weine für jeden erschwinglich machen.

 

Beide Weine gibt es in limitierter Menge bei vino nudo in Wien.

Antonio Perrino “Testalonga”
Via Monsignor Laura 2
Dolceacqua (IM)
Tel. 349 3186881
perrino.testalonga@gmail.com

Rebsorten: Vermentino, Rossese
Rebfläche: 1 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ?
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

WEINE

Bianco (Vermentino).. ca.€20
Rossese di Dolceacqua.. ca.€23

Der Name ist Programm. Alla Costiera, Filippo Gambas Weingut, mag sich zwar im Jahr 2016 im Herzen des Veneto befinden, vor 30 Millionen Jahren, als sich die Colli Euganei, die topographischen Manifestationen vulkanischer Eruptionen erstmals (eine zweite Eruption folgte ein paar Millionen Jahre später) aus dem Meer erhoben, wäre es wohl ungefähr an deren Küste gelegen.

Heikles Terroir: Heute finden sich die das Weingut umgebenden Weingärten von Filippo im äußersten Westen der offiziellen DOC Colli Euganei. Ein paar Meter weiter und man würde in die Zone der Colli Berici fallen, die, auch wenn nur eine 5 Kilometer breite Ebene zwischen den beiden Regionen liegt, doch auf erstaunlich unterschiedliche Traditionen und Rebsorten baut.

Die Weingärten von Filippo liegen fast zur Gänze in dieser Ebene und insgesamt könnten die Bedingungen für hochqualitative Weine definitiv besser und einfacher sein. Anders als in der Hügelwelt der Colli fehlt es an einer, die Weine strukturierenden Thermik: die Tagestemperaturen im Sommer kratzen oft an der 40°C Grenze und – was schwerer wiegt – es kühlt auch nachts nicht richtig ab. Vulkanische Böden, die den Weinen hoch über Vò, Filippos Heimatgemeinde, den Stempel aufdrücken, gibt es bei ihm unten an der Küste nicht. Die Böden sind tiefgründig und fruchtbar, nicht seicht und karg.

Old but gold: Filippo Gamba ist sich der Summe an Negativa durchaus bewusst, fokussiert sich allerdings auf die positiven Faktoren seiner Weingärten. So hat man statt vulkanischen Untergrund ein vor allem auf Kalk basierendes Terrain, was den Weinen selbst in warmen Jahren Straffheit und Strenge mit auf den Weg gibt. Und, für ihn noch wichtiger: ein guter Teil seiner Reben ist alt, bisweilen sehr alt. 70 Jahre und mehr haben diverse Cabernet und Tokaj-Stücke auf dem Buckel und das, meint Filippo völlig zurecht, schmeckt man. Die Beeren der alten Stöcke sind kleiner und die Schalen sind dicker. Die aus dem Boden und der Luft akkumulierten Nährstoffe verteilen sich auf weniger Trauben und intensivieren ihre sensorischen Attribute.

BIO seit 2000 + die Weine: Damit die Stöcke ein entsprechendes Alter erlangen (und vor allem, weil er sich und seiner Familie ein gesundes Umfeld bieten will), arbeitet Filippo seit 2000, seit er die Weingärten von seinem Eltern übernommen hat, zertifiziert biologisch. Seit 2005 verwendet er zudem biodynamische Präparate (nicht zertifiziert). Die roten Rebsorten sind, so wie es die Tradition der Hügel seit knapp 200 Jahren verlangt, international: Merlot, Cabernet & Carmenere bilden das Dreigestirn aus dem Filippo stolze vier Weine keltert, allen voran den Vò Vecchio, einen reinsortigen Merlot, der nach 12 Monaten im großen Holzfass Saftigkeit, Wärme und Substanz mit Pfeffer und roter Frucht vereint. Vergoren wird generell spontan, filtriert wird weder die Basis noch die Spitze der Sortimentspyramide. Tribut an seinen Vater Gerardo zollt er im gleichnamigen Wein, der nach 14 Monaten im Zement fruchtbetont, lebendig und dabei doch kompakt und ausreichend konzentriert daherkommt. Cabernet Sauvignon landet ebenfalls im Zementbottich und wer sich Tabak, Waldbeeren, Pfeffer & Kräuter darin wünscht, wird nicht enttäuscht.

Ergänzt wird das rote Sortiment durch zwei Frizzante (hefig, nussig, gelbe Früchte, animierend) und drei Weißweine. Nach dem Tribut an den Vater gibt es mit dem Agnese auch das entsprechende Pendant für die Mutter: Moscato, glücklicherweise trocken vinifiziert und erstaunlich delikat & subtil, mit einem zwar reichen aber nie ausladenden Spektrum an Aromen. Dichter, profunder und insgesamt substantieller und komplexer ist der Biancone, ein reinsortiger Tai Bianco (ehemals Tokaj) aus den alten Weingärten der Familie, der ebenfalls und für ein knappes Jahr in Zementgebinden ruht und reift.

Filippo Gambas Weine sind zwar nicht Weltklasse aber durch die Bank sehr gut und sie kosten auch nicht die Welt. Im Gegenteil. Wer sich also den Kofferraum mit exzellenten Essensbegleitern für alle Tage vollbunkern will, sollte – sofern er/sie sich denn in der Gegend aufhaltet – auf einen Sprung bei Filippo vorbeischauen.

Ps: mit dem Jahr 2017 wird es einen weiteren Rotwein geben, der anders als seine übrigen Weine nicht aus der Ebene, sondern von einem mit steinalten Rebstöcken bestockten, 400 Meter hoch gelegenen Hang auf vulkanisch geprägten Böden direkt aus den Colli stammt. Man darf und sollte darauf gespannt sein.

WEINE

Agnese Moscato Secco igt del Veneto
Biancone igt Bianco del Veneto
Colli Euganei doc Cabernet Sauvignon
Colli Euganei doc Carmenere
Colli Euganei Rosso doc Gerardo
Colli Euganei Rosso doc Vò Vecchio
Il Fiore della Costiera Passito di Moscato Giallo igt del Veneto
Serprino doc
Spumante Fior d’Arancio docg

Die Preise der Weine liegen zwischen € 6 und € 10 (2016)

Filippo Gamba ist Mitglied bei Vinnatur, GrUVE und nimmt außerdem alljährlich an der Manifestation von La Terra Trema teil

Jahresproduktion: ca.50000 Flaschen
Rebsorten: Moscato, Tai Bianco, Garganega, Merlot, Carmenere, Cabernet Sauvignon
Rebfläche: 7 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Simona de Vecchis und Giuliano Salesi pflanzten 2007 ihre ersten Rebstöcke in die Erde der Alta Tuscia, einen umwerfend schönen Landstrich, der sich noch in Lazio und fast schon in der Toskana und Umbrien befindet. Davor betrieben die beiden in Rom ein Übersetzungsbüro, doch irgendwann hatten sie von der Stadt, dem Verkehr, den Touristen, dem Lärm und was es sonst noch alles gegen Rom anzuführen gibt die Schnauze voll und zogen hinauf an die Grenze und auch hinauf in die Hügel (ein paar Jahre früher als die beiden, schlugen Gian Marco Antonuzzi und Clementine Bouveron vom heute zu Kultstatus gekommenen Weingut Le Coste fast denselben Weg ein – sie zogen von Rom nach Gradoli und keltern dort seither Weine, die in ihrer radikal interventionsfreien Herangehensweise neue Maßstäbe für die Region setzten, an denen sich auch Simona und Giuliano orientieren).

Auf 602 Meter liegt ihr neues Domizil, die Podere Orto die bis ins 18. Jahrhundert hinein als Rinderfarm für das nahegelegene Castello di Trevinano fungierte und von den beiden über Jahre hinweg restauriert wurde. Hinter dem Haus, auf einem leicht abfallenden, einen einzigen Hektar umfassenden Hang, stehen heute allerdings keine Kühe mehr rum, sondern Reben, um genauer zu sein, Moscato Bianco, Procanico, Verdello,  Greco, Grecchetto, Romanesco, Malvasia, Roscetto, Sangiovese, Greghetto Rosso und Ciliegiolo, Klassiker der Region, allesamt in albarello erzogen. Ein Teil des Hanges exponiert sich nach Norden, was sich definitiv positiv auf den Trinkfluss der Weißweine auswirkt, der andere Teil mit den roten Sorten schaut nach Süden. Die Böden basieren auf Quarz. Gewirtschaftet wird ökologisch, traditionell, biodynamisch und hauptsächlich per Hand. Der Moscato und die roten Sorten werden separat gelesen, die übrigen 6 weißen Sorten dagegen liefern die Basis für einen Gemischten Satz.

Man keltert insgesamt drei Weine, wobei die Prinzipien grundsätzlich ähnlich sind. Die Trauben der beiden Weißweine werden im  Keller nochmals durchselektiert und danach abgepresst. Die Gärung startet spontan, Temperaturkontrolle gibt es keine. Der biologische Säureabbau findet meist im Frühjahr statt, danach bleibt der Wein noch ein paar Monate auf der Hefe, ehe sowohl der reinsortige Moscato wie auch die weiße Cuvèe nach ca. 1 Jahr unfiltriert gefüllt werden. Vergoren und ausgebaut wird in Stahl, wobei vor allem der Moscato schwer beeindruckt. Die Aromen sind filigran und ehe von Kräutern als von tiefer Frucht geprägt, die Struktur ist glasklar, druckvoll, saftig, der Stil puristisch und streng. Die rote Cuvèe gärt spontan für gewöhnlich zehn bis 15 Tage, danach geht es in Stahl oder Glasbehältnisse – es wird wie schon bei den weißen Weinen ein Jahr lang gewartet und dann unfiltriert gefüllt. Sulfitbeigaben gibt es nur dann, wenn es Simona und Giuliano notwendig erscheint. Anders als beim Moscato, dominiert beim Rosso die Frucht: rote Beeren & Kirschen, die aber sukzessive von Pfeffer und Blütenaromen aufgepeppt werden. Der Wein ist geradlinig, dicht, saftig, lebendig und spiegelt die Höhe und Topographie der Alta Tuscia wieder.

Zum Weingut gehört auch ein kleines Bed & Breakfast und wenn man den Bildern und den Erzählungen von Simona glauben darf, lohnt es sich allemal dort abzusteigen, um ein paar Tage die Gegend und die Weine zu erkunden.

Novaia, das Weingut von Marcello Vaona und seiner Cousine Cristina, schlägt einen gelungenen Spagat zwischen vitikultureller Moderne und Tradition. Wobei der erste Eindruck ganz auf Vergangenheit gepolt ist, was vor allem an dem beeindruckenden alten Gemäuer liegt, in dem sich früher das ganze Weingut befand und heute das Lager und der Verkostungsraum untergebracht sind.

Die Villa stammt aus dem 15. Jahrhundert, die Familie von Marcello und Cristina hat sich im 18. Jahrhundert in Marano niedergelassen: das kleine Dorf ist eine der kühlsten Ecken im Valpolicella, dass hier auf bis zu 500 Meter ansteigt und aufgrund der kühlen Nächte und der frischen Winde, die aus den Monte Lessini durchblasen, ideale Bedingungen für strukturierte Weine bietet.

Der erste Vaona, der das erkannte, war Paolo, der Ende des 19. Jahrhunderts damit begann, seine Weingärten mit Corvina & Corvinone, Oseleta, Molinara, Rondinella und Turchetta vollzupflanzen. Damals noch in der traditionellen Pergola Veronese, die später teilweise von seinen Enkeln, Cesare und Gianpaolo, den Eltern der heutigen Besitzer durch moderne Guyot-Erziehungen ersetzt wurde.

Trotz des sukzessive wachsenden Erfolges dehnten die Vaonas die Rebflächen nie sonderlich aus. Man setzte auf die Familie und beließ es bei sieben Hektar. Die drei Crus, aus denen Marcello und Cristina ihre Lagenamarone keltern, befinden sich allesamt in unmittelbarer Umgebung des Weinguts – und weisen dabei doch völlig unterschiedliche mikroklimatische und geologische Charakteristika auf. Folgerichtig keltert man auch drei unterschiedliche Weinstile von den drei Lagen, wobei Le Balze, der kalkreichste der drei Weingärten, dem Amarone gewidmet ist. Erfreulich und gleichzeitig erstaunlich ist die Tatsache, dass man auch dem oft geschmähte Valpolicella mit der vulkanisch geprägte Riede I Cantoni eine singuläre Lage widmet und diese auch separat vinifiziert. Der dritte Cru, Le Novaje, ist für Recioto reserviert, der – wie so oft im Valpolicella – zwar einer der großen Weine des Weinguts istund doch, aufgrund seiner Süße, von niemanden gekauft wird (was Marcello zwar bedauert, andererseits aber auch meint, dass man ohnehin so wenig davon produziert, dass er auch so, bei Familienfesten und Feiern, ausgetrunken wird.)

Die große Zäsur, die von der bisher letzten Generation der Vaona-Familie getätigt wurde, war die konsequente und kompromisslose Umstellung auf biologischen Weinbau, den man (Marcello ist treibende Kraft des Veroneser Vereins TerraViva) auch zunehmend in der Umgebung zu propagieren versucht und der Bau eines modernen und ausladenden Kellers, in dem man auch ausreichend Platz für die diversen Trocknungsprozesse der Trauben hat.

Neben den drei Einzellagen vinifiziert Novaia auch noch einen einfachen Valpolicella, der jede Pasta aufwertet. Einen strukturierten, lebhaften aber doch profunden Ripasso, der viel Frucht mit noch mehr Würze vereint. Und den Corte Vaona, einen Amarone, dessen Trauben aus den unterschiedlichsten Weingärten von Novaia stammen und der zwar nicht die Konzentration und Intensität des Le Balze teilt, dafür mehr Trinkfluss besitzt.

I Clivi ist ein relativ neues Projekt auf alter Erde. Als Ferdinando Zanusso und sein Sohn Mario 1994 beschlossen sich in den Colli Orientali niederzulassen, bekamen sie mit einem prächtigen Steinhaus auch gleich noch acht Hektar Weingärten dazu, die das Anwesen umgeben. Die Konsequenzen waren weitreichend.

Schnell stellten die beiden fest, dass die Rebstöcke (vor allemTokai, Malvasia, Verduzzo und MerlotRibolla setzte er später selbst dazu) steinalt (bis zu 80 Jahre) und nebenbei in guter Verfassung waren. Damit sich das nicht änderte, im Gegenteil das natürliche Gleichgewicht für die Stöcke sich zusätzlich verbessern würde, stellten sie sofort auf biologischen Weinbau um und entwickelten sehr früh ein gedankliches Fundament für die Konzeption ihr Weine. Dabei ging es ihnen von Anfang um die Spiegelung einer jahrhundertealten Weinbautradition, die seit jeher den Collio entscheidend prägte. Um das Terroir so sprechen zu lassen, wie sie sich das vorstellten, minimierten sie die ohnehin durch die alten Rebstöcke niedrigen Erträge (selten mehr als 2000 kg/Hektar), verzichteten auf jede Form chemischer Spritzmittel, und setzten dafür naheliegenderweise auf wilde Hefestämme bzw. Spontanvergärung, Minimalstintervention und vor allem viel Zeit. Ihre Weine liegen normalerweise zwei Jahre auf der Feinhefe im Edelstahltank (er möchte keinen „manipulierenden“ Holzeinfluss), wo sie in aller Ruhe ihre Aromaketten bilden und sonst nichts tun. Geschönt wird nicht, gefiltert genauso wenig, jegliche Art von Additiva mit Ausnahme einer Minimenge SO₂ sind verpönt.

Nachdem Ferdinando und Mario erste erfolgreiche Schritte in ihren Weingärten in Brazzano di Cormons gesetzt hatten, kamen noch ein paar Hektar in Corno di Rossazo dazu, die zwar nur ein paar Kilometer Luftlinie entfernt sind und doch ganz andere Weine liefern – es ist kühler und steiler dort oben und das wirkt sich auch auf die 70-Jahre alten Tokai-Stöcke aus, von denen Mario meint, dass ihre aromatische Basis vor allem auf Lakritze und Petrol beruht während die Weine in den Colli Oriental Anis und Kräuter vermitteln. Allen gemein ist allerdings extremePräzision, Klarheit, eine natürliche Dichte (zwei Jahre auf der Hefe) und Bekömmlichkeit, die Ferdinandos und Marios Intention optimaler Essensbegleiter absolut gerecht werden.

brazanI CLIVI FRIULANO BRAZAN: Der Friulano (Tocai) Brazan stammt von der gleichnamigen drei Hektar großen Riede, die sich zwar nur ein paar Kilometer vom Weingut aber doch in einer anderen Weinbauregion – dem Collio – befindet. Laut Mario Zanussi gibt es keine geologischen, sehr wohl allerdings klimatische Unterschiede zu seiner anderen Lage, Galea, die sich rund um das Weingut im Collio Orientale del Friuli befindet. Fundament für beide ist Flysch, ein marines Sedimentgestein, das – so zumindest meine Vermutung – ein wesentlicher Grund für die strenge und geradlinige Textur ist. Asketisch sind beide Weine, wobei der Brazan in Sachen Kühle, Präzision und Klarheit Alleinsteinungsstatus genießt (nicht nur gegenüber dem Galea sondern gegenüber allen friulanischen Weinen, die ich kenne). Die Nase suggeriert Kräuter, Gras, Koriander, weißer Pfeffer und Kreide, alles Mögliche, nur keine Frucht. Die kann man auch am Gaumen lange suchen und eventuell wird man am Ende auch ein paar Grapefruit – und Zitrusnoten wahrnehmen. Die Textur ist direkt, dynamisch und druckvoll, das Aromaprofil subtil und komplex. Wer auf der Suche nach mineralischen Weinen ist, wird definitiv fündig. Der Körper vermittelt Leichtigkeit ohne dabei schlank zu sein, der Abgang ist lang, kühl und stringent. Das Potenzial ist, trotz stets niedriger Gradation, mit Sicherheit enorm.

Maurizio Donadi war einmal ein junger talentierter Önologe. Heute ist er noch immer ziemlich jung, talentiert sowieso, nur den Önologen hat er über Bord geworfen. Es hat einige Zeit gedauert, um sich der Dogmen zu entledigen, die man ihm über Jahre hinweg eingetrichtert hat. Auslöser für seine Metamorphose war ein halbtägiger Lehrgang  über biodynamische Landwirtschaft, ein weiteres Schlüsselerlebnis seine konsultative Tätigkeit für Alessandro Sgaravatti vom Castello di Lispida, wo biodynamischer Weinbau mit den Methoden Masanobu Fukuokas kombiniert wird, was in wenigen Worten darauf hinausläuft, dass der Natur das erste und letzte Wort überlassen wird.

Er adaptierte diese Methoden auf eine Handvoll alter Familien-Weingärten, deren Überreste er in San Polo di Piave langsam wieder rekultivierte und begann dort Weine zu keltern, die zwar jeder Lehrmeinung widersprechen (er nennt sie önologische Katastrophen), dafür extrem gut schmecken. Ein paar Kilometer südlich des Prosecco-Kernlandes gelegen, nahm er sich eines Weinstils an, bei dem Lehrmeinungen ohnehin schonungslos demonstieren, was passiert, wenn man ihnen blind folgt, und interpretierte ihn völlig neu.

Sein erster Wein war naheliegenderweise ein Prosecco, Methode ancestral, und wie der Name schon andeutet, meilenweit von den Autoenklaven der regionalen Industrieproduktion entfernt. Das führt – da der Wein nicht degorgiert wird und sich die Hefen letzten Endes am Flaschengrund wiederfinden (colfòndo) – zwar zu einer für alle sichtbaren Trübung, doch eben auch zu einem einladenden Aromaprofil (Äpfel, weiße Blüten) , das man in den gängigen Prosecchi der Region lange suchen kann.

Maurizios großes Meisterwerk und der zurzeit vielleicht beste Prosecco überhaupt ist sein Prosecco Anfora, den er in kleinen Mengen in großen Flaschen abfüllt – es gibt ihn nur in Magnums, was dezent darauf verweist, dass man ihn reifen lassen sollte. 15 Tage auf der Maische in einer 4000 Liter Amphore bilden die Basis, danach wird gepresst und in kleinen Amphoren ausgebaut. Der Rest läuft wie schoon beim Prosecco colfòndo ab, das Resultat ist allerdings um einiges profunder: neben Blüten, Salz, Brot und Zitrusfrüchten hat man es vor allem mit einer Textur zu tun, die dicht, konzentriert und saftig ist und mächtig Druck in Richtung Gaumen macht.

Neben den beiden weißen Schaumweinen, gibt es auch noch – der Tradition des Piave folgend – eine rote Version, die zu hundert Prozent auf Raboso beruht. Blüten und rote Frucht kontern dabei einer der Rebsorte immanenten Säure, die sie für Schaumweine prädestiniert und sie zudem zu einem exzellenten Essensbegleiter rustikaler Gerichte macht. Abgerundet wird das sprudelnde Repertoire von einem simplen Rosso, der dank fünfzigprozentigem Cabernet Sauvignon Anteil Kräuter- und Johannisbeeren in den Aromatalon beisteuert, der zudem von den klassischen Blütennoten des Raboso geprägt ist (die anderen fünfzig Prozent).

VilàrKnapp vier Hektar nennt Luigi Spagnoli (der Name ist Programm: er hat auch eine Mikrofläche Tempranillo, so ziemlich die einzige zwischen den spanischen Pyrenäen und den Dolomiten) sein Eigen, doch stehen auf dieser überschaubaren Fläche erstaunliche 11 Rebsorten. Da er früher Kellermeister und Önologe in der Cantina d´Isera war, hatte er keinen eigenen Besitz und kaufte deshalb quer um Rovereto herum seine verstreut liegenden Parzellen. Das bedeutet zwar ein fortwährendes Pendeln zwischen den Weingärten, liefert ihm aber neben dem immensen Spektrum an Rebsorten auch ein entsprechend divergentes Bild an Böden, Kleinklimata und Expositionen. Den sicheren Job in der Cantina hängte er an den Nagel, um seine eigenen Ideen zu verwirklichen. Und die drehten sich zum einen um eine andere Beziehung zwischen Mensch und Natur, zum anderen aber auch um andere Formen der Vinifikation, kurz: es ging ihm darum seinen individuellen, eigentümlichen und unabhängigen Ansatz auch entsprechend in die Flasche zu bekommen. Luigi ist seit jeher biologisch zertifiziert, arbeitet bisweilen auch mit Tees und Präparaten, auch wenn der letzte Schritt einer biodynamischen Zertifizierung noch aussteht.

Die Weingärten decken, wie schon erwähnt, die unterschiedlichsten Terroirs ab und sind auch keineswegs einheitlich gesetzt oder erzogen. Der Marzemino zum Beispiel wurzelt auf knapp 200 Metern Seehöhe in Basalt, die 3000 Stock sind nichtsonderlichviel am Hektar, die Pergola-Erziehung ist traditionell. Der Nosiola dagegen steht auf 400 Metern Höhe, der Boden ist vorwiegend Lehm, die 5500 Stöcke sind dichtgedrängt und die Rebe ist im Guyot erzogen. Und so divers geht es weiter, bis auf 680 Meter Höhe, wo Müller-Thurgau den Abschluss bildet.

Den unterschiedlichen Rebsorten und Terrains wird im Keller Tribut gezollt. Zwar greift Luigi nicht allzu oft ein – die Gärung beginnt bei jedem Wein spontan – doch kühlt er zum Beispiel beim Traminer auf ca. 19°C, um Frische und Frucht zu erhalten, während der Nosiola tun kann, was er will. Die Weißweine werden allesamt kurz mazeriert (10-20 Stunden je nach Jahr und Sorte) und im Stahltank vinifiziert und ausgebaut. Die Rotweine wiederum landen nach kürzeren (Marzemino) oder längeren Mazerationszeiten (der Morela: eine Cuvée aus den drei Bordeauxsorten + drei autochthone Sorten + Tempranillo) in Stahltanks (Marzemino) oder in Holtzfässern unterschiedlicher Façon (Morela).

Luigi Spagnoli und seine Frau Ivana haben eine kleinen Verkostungsraum in Villa Lagarina.

VILÀR ist Mitglied der DOLOMITICI.

Fanti

Fanti

Pressano ist einer dieser netten Flecken im Trentino, die sich dann auftun, wenn man das EtschtaIs verlässt und in die Hügel hinauffährt. Gar nicht hoch und in Schlagdistanz zu den Obst-und Weinplantagen in der Ebene tun sich da oben plötzlich gänzlich andere Dorfstrukturen und auch unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema Wein auf. Alessandro Fanti, der Sohn von Giuseppe, dem Namensgeber des Weinguts, ist einer der 10 Köpfe der Dolomitici und wie die anderen einer individuellen und innovativen Weinkultur verpflichtet, deren Konzept dem industrialisiert geprägten Weinbau der Ebene diametral entgegengesteht. Neben einem respektvollen Umgang mit seinen Böden setzt er vor allem auch zunehmend auf die singuläre Vinifizierung seines autochton geprägten Rebmaterials. Nosiola und Incrocio Manzoni (einer seit Jahrzehnten im Trentino angebauten Kreuzung) geben bei den Weißweinen den Ton an Teroldego macht den schon vor langer Zeit ausgesetzten Merlot und Cabernet S. zumindest Konkurrenz.

Da Alessandro fast nur im Garten und weniger im Keller zu finden ist, macht es Sinn kurz auf ein paar Eckdaten zu ersterem einzugehen. Die Gärten ziehen sich über fast 600 Meter die Hänge hinauf, entsprechend heterogen präsentieren sich die Böden, wobei der Megaanteil der Rebstöcke in mit Kalk durchsetzter Tonerde wurzelt. Die Arbeit auf seinen 4 Hektar läuft manuell ab, gedüngt wird gar nicht und gespritzt wird nur im äußersten Notfall ein wenig Kupfer und Schwefel. Der Vitalität der Pflanze wird größte Aufmerksamkeit geschenkt, alte Rebstöcke für die Zukunft sind ein angestrebtes Ziel. Gelesen wird spät und selektiv,die Erträge sind niedrig und mehr als durchschnittlich 16000 Flaschen springen dabei nicht raus. Im Keller wird minimalst interveniert. Angestrebt wird ein kühler, nordischer, mineralischer Stil, lebendig, präzis und langlebig, wobei der Isidor, sein reinsortiger Incrocio Manzoli eine Messlatte für sämtliche Weißweine des Trentino darstellt und auch der Nosiola zeigt, was man aus einer allgemein unterschätzten Rebsorte alles rausholen kann.

fattoria san lorenzoVerdicchio gehört definitiv zu den großen weißen Rebsorten Italiens und die Fattoria San Lorenzo zu ihren besten Interpreten. In den Tiefen des Hinterlandes von Ancona und Jesi (der eigentlichen Kapitale des Verdicchio) gelegen, wird hier seit Generationen Wein gekeltert. Richtig interessant wurde es diesbezüglich allerdings erst in den letzten paar Jahrzehnten, zuerst unter Gino, der viele der heute noch bestehenden Verdicchio-Weingärten pflanzte und vor allem als Natalino das Ruder in die Hand nahm und 1995 die ersten Flaschen füllte.

Ein paar kurze Erklärungen zur Verdicchio schaden nicht also sei hier schnell erklärt: sie ist die klassische Rebsorte der Marken (die unter dem Namen Trebbiano di Soave gerade auch eine kleine Renaissance im Veneto erlebt), spätreifend, also mit ziemlich langer Vegetationszeit, dünner Traubenhaut (nicht besonders geeignet für orange Versionen), gutem Säure-Zucker Gleichgewicht und einer Affinität für längere Ausbauzeiten. Diese Faktoren kennt natürlich auch Natalino Crognaletti und noch viele mehr und deshalb schöpft er das ganze Potenzial des Verdicchio auch in diversen Experimenten aus. Sandige Böden, niedrige Erträge und biologische Bewirtschaftung schaffen die dafür notwendige Basis und was danach passiert hängt von der jeweiligen Interpretationsart ab. Vier Verdicchi entstehen in den Kellern von Natalino: eine einfache, leichte, sehr frische Variante, die nichtsdestotrotz mit wilden, autochthonen Hefen vergoren und temperaturkontrolliert (bei 20°C) und filtriert wird. Darauf folgen die beiden Verdicchi vom Vigne delle Oche (vom „Gänseweingarten, dem auch auf dem Gut Tribut gezollt wird – überall wetzen Gänse durch die Gegend), beeindruckende Beispiele beide, der → Classico, vor allem aber die → Riserva.

Dabei belässt es Natalino allerdings nicht er experimentiert und riskiert. Sein letztes Machwerk war der „Il San Lorenzo“ 2001, ebenfalls 100% Verdicchio, der 110 Monate, also 11 Jahre in einem Zementbottich verbrachte, ehe er nach einem weiteren Jahr Flaschenreife das Licht der Welt erblickte.

Auch Rotes hat die Fattoria zu bieten und auch da lässt man sich nicht lumpen. Gleich vier verschiedene Cuvées aus den Klassikern Montepulciano und Sangiovese bereichern das Sortiment, ein reinsortiger Montepulciano zeigt das ganze Potenzial der Rebsorte, Höhepunkt allerdings ist eine spektakuläre Version der Lacrima, eine autochthonen Sorte, die einzig in dem Dorf Morro d´Alba angebaut wird und den normalerwiese dünnen Versionen der Rebsorte, dichte, saftige, tiefe Frucht entgegensetzt.

Unter den Vulkanen

Alles Quereinsteiger. Winzer wie Reben. Die Colli Euganei sind eine steinalte Weinbauregion, in der schon die Römer zechten – und doch sind sie nach einer ausgiebigen Tiefschlafphase gerade erst in den letzten Jahren wiederentdeckt worden.

Paolo Brunello steht in seinem Weingarten am Monte Cecilia und sammelt Muscheln auf. Gelegentlich fänden sich auch Seepferdchen, meint er. Und Haifischzähne. Der Monte Cecilia ist einer von gut 50 grünen Kegeln, den topographischen Manifesten vulkanischer Eruptionen, die einst wie Inseln aus dem Meer geragt haben müssen. Heute hat sich das Meer an die Küste bei Chioggia und Venedig zurückgezogen, die Colli Euganei, die Euganeischen Hügel, tauchen jedoch weiterhin inselgleich und ähnlich unverhofft aus der völlig platten Ebene ein paar Kilometer südlich von Padua auf. Sie liefern das Heilwasser für die Thermalquellen von Abano und Montegrotto und immer öfter auch den Wein für deren Bars und Hotels.

„Früher haben uns die Hoteliers ignoriert“, erzählt Paolo, „die Restaurants haben Weine aus dem Piemont und der Toskana auf die Karte gesetzt und wenn Gäste nach venetischen Weinen gefragt haben, hat man ihnen Soave und Amarone eingeschenkt.“ Das hat sich in den letzten Jahren zunehmend geändert. Verantwortlich dafür sind ein gutes Dutzend Winzer, die ihrem einmaligen Terroir auf den Grund gehen und die Wahrnehmung der lokalen Gastronomie auf ihr unmittelbares Hinterland gelenkt haben.

Paolo Brunellos Weingut, die Vignale di Cecilia, liegt eingekesselt zwischen zwei Hängen hinter der kleinen Ortschaft Baone. Reben setzte hier erstmals sein Großvater. Paolo selbst hatte mit Weinbau vorerst nichts zu tun, war Cellist und tourte mit Orchestern rund um den Globus.  „Da ich allerdings nicht die ganze Zeit unterwegs war, beschloss ich die ruhigeren Phasen zu nutzen, um mich als Winzer zu versuchen. Ich begann mich sukzessive mit der Geologie der Hügel auseinanderzusetzen, versuchte die Auswirkungen der unterschiedlichen Kalkarten auf meine Weine zu verstehen und herauszufinden, wie sich vulkanische Einschlüsse mit meinen Reben vertrugen.“ Gut, wie es scheint. Die Rotweine, meist Cuvèes aus Sorten französischer Provenienz, sind druckvoll, konzentriert und dunkelfruchtig. Die Weißweine – Tokaj, Garganega und Moscato – vermitteln trotz der bisweilen tropischen Temperaturen in den Hügeln eine ausgeprägte Aromatik, Kühle und Geradlinigkeit – Attribute, die Paolo vor allem seinem speziellen Untergrund zuschreibt. Aus der nebenberuflichen Episode entwickelte sich sukzessive eine Leidenschaft, die 2006 dazu führte, dass die Welt um einen talentierter Musiker ärmer wurde, dafür einen exzellenten Winzer dazugewann.

Die Colli Euganei sind ein geologisches und ästhetisches Ereignis. Vor dreißig Millionen entstanden waren sie in jüngerer Vergangenheit Rückzugsort gestresster venezianischer Dogen und Händlerfamilien, die sich imposante Villen an ihre Hänge bauten. Kühle Winde aus den Hügeln bildeten eine wohltuende Alternative zum sumpfigen Klima der Lagune. Sie streifen auch den Monte Lispida hinunter, dessen vulkanischer Kern das Basismaterial für unzählige Straßen und Plätze Venedigs bildete.

„Doch das war später“, erklärt Alessandro Sgaravatti, der heutige Besitzer des Berges  und des am Fuße gelegenen Castello di Lispida, als sich Venedig langsam dem Festland zuwandte. Davor war das Schloss ein Kloster. Die Mönche widmeten ihre Stunden jenseits des Gebets dem Weinbau, bepflanzten die Ebene und Hänge und dürften recht schnell verstanden haben, dass sie es mit einmaligen Voraussetzungen zu tun hatten. 500 Jahre lang explorierten die Brüder das Gelände, ehe 1792 die Familie Corinaldi, Alessandros Vorfahren, die Zügel in die Hand nahmen. An der vinophilen Ausrichtung des einstigen Klosters änderte sich wenig. Im Gegenteil. Die Corinaldis nutzten ihre weitreichenden Verbindungen und Freundschaften und importierte Edelreiser aus dem schon damals tonangebende Bordeaux. Seit über 200 Jahren wurzeln deshalb quer über die Hügel Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc und erzählen ihre eigenen, euganeischen Geschichten von den mitunter berühmtesten Rebsorten des Welt.  Die sind aufs tiefste mit Trachyt und Basalt verbunden. Das vulkanische Fundament setzt bis heute nicht nur einen geologischen sondern auch sensorischen Kontrapunkt zu den großen Weinen aus Frankreichs Südwesten. Zwar finden sich auch in Alessandros Weinen oft  mediterran-kräuterige und rotbeerige Aromen, doch sind sie zudem von einem rauchigen Unterton geprägt.

Um seinen einmaligen natürlichen Voraussetzungen auf den Grund zu gehen, beschloss der gelernte Mediziner Sgaravatti, völlig neue Wege einzuschlagen. Er adaptierte die landwirtschaftliche Philosophie Masanobu Fukuokas in seinen Weingärten, was in wenigen Worten darauf hinausläuft, dass er der Natur das erste und letzte Wort lässt, Mischkulturen forciert und Schädlinge auf Nützlinge treffen lässt, die ihnen überlegen sind. Er pflanzte Bäume zwischen die Rebreihen, installierte Lebensnischen für Fledermäuse und Nester für Vögel, die sich über potenzielle Insekten hermachen. Er bedient sich Techniken, die sich nicht allzu sehr von denen der mittelalterlichen Mönche unterscheiden dürften. Um seinem ultimativen Ziel, die Boden so deutlich wie möglich sprechen zu lassen, noch näher zu kommen,  ging er auch noch ein paar Schritte weiter zurück in der Geschichte des Weinbaus. So landet ein Teil der Tokajernte in unterschiedlich großen Amphoren, die Alessandro schon 2001 im Schlossboden versenkte, in einer Zeit also, in der man alternativen Ausbaumethoden noch äußerst skeptisch gegenüberstand. Der große Vorteil der Tonamphoren besteht vor allem darin, dass man den Wein völlig unmanipuliert durch seine Reifezeit führt und trotzdem einen natürlichen Luftaustausch zulässt  – und so die Nuancen der Geologie und der Sorte noch klarer einfängt.

Durch winzige Orte und über Serpentinen, vorbei an Olivenbäumen, Petrarcas Grab, blühenden Gärten und alten Kirchen kommt man weiter nach Norden, genauer nach Teolo, wo sich mit der Trattoria dal Sasso eines der besten Restaurants des Veneto befindet. Man kann dort auch die Merlots der Azienda Farnea ordern, dem Weingut von Marco Buratti, der durch seine gelebte Radikalität Alleinstellungsstatus in den Hügeln genießt.

Marco Buratti ist ein Winzer, der Kompromissen kompromisslos gegenübersteht. Er lehnt sie ab. Genauso wie Eingriffe während der Weinwerdung. Er ist da recht dezidiert – so vertritt er die These, dass man das in Weinkreisen zunehmend populäre Wort Naturwein nur dann in den Mund nehmen sollte, wenn sich außer Trauben nichts, aber auch gar nichts anderes im Wein befindet. Marco ist ein Solitär in den Hügeln und doch Teil einer kleinen italienischen Gruppe, die die Grenzen dessen, was ohne Eingriffe im Keller möglich ist, sukzessive auslotet. „Ich verwende meine Trauben. Basta.“ Die Hefen für den Gärstart fänden sich ohnehin im Weingarten oder Keller und den Rest erledigt die Zeit. Zusatzstoffe verwendet er nie und „das schließt auch Sulfite aus.“

Vom ersten Wein vor 10 Jahren bis heute, war die einzige größere Anschaffung für den Keller, jenseits der Fässer und Betonzisternen, eine Pumpe, mit der er die verschiedenen Chargen seiner Weine zusammenführt. Allzu oft muss der einstige Koch auch die nicht verwenden, da er auf zwei Hektar maximal 5000 Kilo Trauben liest. Seine Weine sind extrem individuell, die Aromen oft schwer zuzuordnen und bisweilen mögen sie auch klassischen Erwartungshorizonten zuwiderlaufen. Sie sind aber auch vital und voller Trinkfluss und zudem ein weiterer Puzzlestein im komplexen Terroir der Euganischen Hügel.

Deren Eigenheiten lotet Alfonso Soranzo auf wieder neue Art und Weise aus. Biologisch zertifiziert ist er ebenfalls, doch gilt sein Fokus seit einigen Jahren den Rebsorten, die in den Hügeln wuchsen als hier noch die Mönche schufteten. In einem gemeinsamen Projekt mit der Universität Padua hat er Pattaresca, Turchetta, Corbinona, Marzemina Nera, und Cavrara in die Hänge gesetzt. Die Beschäftigung mit autochthonen Sorten gründet nicht nur in dem Bewusstsein einem kulturellen Auftrag nachzukommen. Sie beruht vor allem auf der Überzeugung aus ihnen Weine keltern zu können, die besser als alle anderen die Beziehung zwischen Geologie, Klima und tradiertem Wissen vermitteln können. Doch was tun, wenn kein tradiertes Wissen mehr vorhanden ist?

„Wir hatten keine Ahnung. Wir wussten weder wie die alten Sorten wachsen würden, noch auf welche Krankheiten sie anfällig sein könnten. Wir probierten aus, kosteten, versuchten im Keller hinter ihren Charakter zu kommen. Der erste Jahrgang war ein Desaster. Der zweite schon ein wenig besser.“ In der Zwischenzeit sind sieben Jahrgänge in der Flasche und jedes Jahr rückt man den Eigenheiten der Sorten ein Stück näher. Rustikale, oft erdige Anklänge finden sich zwar noch immer, doch scheinen sie dem Charakter der Sorten immanent zu sein. Sie werden zudem durch subtile Frucht- und Blütenaromen und von einer Handvoll weiterer Weine ergänzt, die elegant und straff, nicht nur von den Böden sondern auch von der windigen und kühlen Kammlage der Weingärten Zeugnis ablegen.  Der Zufall will es übrigens, dass auch Alfonso Soranzo in seinem vorigen Leben Musiker war. „Französisches Horn“, erzählt er. Gespielt, gearbeitet und gelebt wurde in der Nacht, der Tag gehörte dem Schlaf; das machte er so lange bis er keine Lust mehr auf diesen Rhythmus hatte und sich der Wunsch bildete, statt Hörnern Töne, Trauben Aromen zu entlocken.

Die anfängliche Hilfe eines Önologen braucht er schon lange nicht mehr, auf den Rat älterer Winzer aus der Nachbarschaft hört er allerdings noch immer. Die sind in der Zwischenzeit der Meinung, dass seine Weine so schmecken würden wie sie sie aus ihren Jugend kannten. Nach Erde. Gestein. Mineralisch und salzig. Dem Meer und den Vulkanen entsprungen.

INFOS WINZER – um Voranmeldung wird gebeten

Alfonso Soranzo – Monteforche

Vò, Franzione Zovon

Via Rovarolla, 2005

Tel: +39 333 2376035

soranzo1968@gmail.com

Paolo Brunello – Vignale di Cecilia

Via Croci 14, Baone

Tel: +39 349 3323586

www.vignaledicecilia.it

vignaledicecilia@vignaledicecilia.it

Alessandro Sgaravatti – Castello di Lispida

Via IV Novembre 4

IT- 35043 Monselice

Tel: + 39 0429 780530

www.lispida.com

infos@lispida.com

Marco Buratti – Farnea

Via Farnea, 26

35037 Villa di Teolo

Tel: +39 348 2011919

farnea@hotmail.it

 

TRATTORIA AL SASSO

 

Via Ronco, 11

35037 Castelnuovo, Teolo PD

Telefono: 049 992 5073

 


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