21 Jun 2020
Ortrugo – die „andere Traube“
Es gibt Rebsorten, aus denen sich große oder zumindest eindrucksvolle Weine keltern lassen und andere bei denen das nicht geht, die aber trotzdem – sofern sie denn einen Winzer haben, der sie ernst nimmt und versteht – ganz sympathisch sind. Glera, die Rebsorte, aus der Prosecco fabriziert wird, ist dafür vielleicht das beste Beispiel. Grundsätzlich völlig belanglos, bekommt sie in den richtigen Händen, zumindest ein bisschen Charakter. Ortrugo ist auch so eine Sorte. Anders als Glera wollte sie allerdings auch nie im Mittelpunkt stehen, worauf bereits ihr Name verweist: Erstmals erwähnt wurde sie 1881 im ampelografischen Bulletin des italienischen Landwirtschaftsministerium als Altruga, als „altra uva“ – „andere Traube“ – also diejenige, die im Vergleich zu den übrigen Trauben eine Stufe tiefer stand.
Angepflanzt wurde sie trotzdem. Weniger um ganz für sich alleine vinifiziert zu werden, sondern um die Malvasia di Candia Aromatica – ohne wenn und aber eine große Rebsorte – zu unterstützen und ihre Wucht und ausladende Aromatik mit ein wenig Subtilität und Finesse zu kombinieren. Dafür eignet sie sich blendend und so fließt sie, als delikater und filigraner Partner, in die mitunter wichtigsten orangen Cuvées der Emilia mit ein.
Da die Malvasia di Candia Aromatica fast ausschließlich in den vier, in Richtung Apennin abzweigenden Tälern Piacenzas (Nure, Arda, Tidone und Trebbia) vorkommt, findet man auch Ortrugo, dessen Schicksal an sie geknüpft ist, fast nur dort. Und weil nicht alle Winzer fortwährend Lust haben, substantielle und nachdrückliche Weine zu keltern, sondern sich manchmal auch mit etwas weniger zufrieden geben, wird sie mittlerweile auch gelegentlich ganz für sich abgefüllt: Fast immer prickelnd, um ihre Leichtigkeit, Lebendigkeit und delikaten Aromen zusätzlich zu unterstreichen. Und fast immer als emilianische Antwort auf Prosecco, mit dem sie es, in ihren besten – flaschenvergorenen – Varianten, auch locker aufnehmen kann.
Ein paar reinsortige Ortrugos
Croci: Lubigo Frizzante
Saccomani: Ortrugo Frizzante
Marco Cordani: Ortrugo Terzolo Frizzante
Davide Valla: Dieci Lune Frizzante
Solenghi: Ortrugo Frizzante
Lusenti: Ciano Frizzante
Ortugo als Partner
Denavolo: Dinavolo (bei vinonudo)
La Stoppa: Ageno
Cascinotta di Rizzolo: Cascinotta
Casè: Casè Bianco
Lusenti: Azzi frizzante
25 Mai 2020
Grillo – Sizilien in weiß, Teil 2
Grillo ist eine Rebsorte, die man wie kaum eine andere mit Marsala und dem Westen Siziliens verbindet, die aber vermutlich gar nicht von der Insel stammt. Ihre früheste dokumentarisch belegte Erwähnung auf Sizilien stammt erst aus dem 19. Jahrhundert, was nahelegt, dass sie ungefähr zu diesem Zeitpunkt auf die Insel gebracht worden sein dürfte – woher, ist nicht ganz klar, wobei die meisten Experten davon ausgehen, dass sie nach dem Vernichtungsfeldzug der Reblaus von Apulien aus nach Sizilien kam.
Im Westen der Insel hat sie daraufhin zumindest kurzfristig das Kommando unter den weißen Rebsorten der Region übernommen, ehe sie aufgrund ihrer im Vergleich eher geringen Erträgen ab der Mitte des letzten Jahrhunderts wieder seltener ausgepflanzt wurde. Heute beträgt ihre Rebfläche ca. 5000 ha. Sie ist seit über einem Jahrhundert elementarer Bestandteil des Marsala und zudem für einen Gutteil der besten trockenen Weißweine rund um Trapani und Alcamo verantwortlich.
Wie bei kaum einer anderen Rebsorte gibt es allerdings eminente Unterschiede zwischen konventionell vinifizierten und traditionell-handwerklich hergestelltem Grillo. Konventionelle, also mit Reinzuchthefen, bei niedrigen Temperaturen und oft in einem extrem reduktiven Milieu hergestellte Interpretationen riechen und schmecken nicht selten nach Zitrusfrüchten, Cassis und grünem Paprika. Wer an banale (konventionell hergestellte) Sauvignon Blancs denkt, liegt ziemlich richtig.
Ernsthafter, richtig guter Grillo vermittelt dagegen für gewöhnlich Aromen, die an mediterrane Kräuter, Erde und reife Früchte erinnern. Er suggeriert Wärme und Tiefe. Während der Alkohol bei Grillo für gewöhnlich ziemlich hoch liegt, ist die Säure eher niedrig, weshalb einige der besten Versionen eine kurze oder längere Zeit auf der Maische verbringen.
Die besten Weine
Nino Baracco: Grillo (callmewine.com)
Aldo Viola: Egesta (vinonudo.at)
Elios: Modus Bibendi Bianco Macerato (anteilig Grillo)
Manlio Manganaro: Vino bianco (callmewine.com)
Badalucco: Grillo Verde (lavaligiadelbacco.it)
Vite ad Ovest: Vurgo (Grillo + Catarratto) (la valigiadelbacco.it)
Il Mortellito: Calaiancu (Grillo + Catarratto) (lavaligiadelbacco.it)
Marco de Bartoli: Grappoli del Grillo
Marsala oder pre-British Marsala (davon ein andermal)
Marco de Bartoli: Vecchio Sampaio (Marsala)
Badalucco: Pipa 3/4
Baracco: Altogrado
02 Mai 2020
Nerello Mascalese – alte Reben am Ätna
Müsste man eine Rangliste der italienischen Weinregionen anfertigen, die über die letzen 10 Jahren am meisten Reputation dazugewonnen haben, würden die Gegend rund um und am Ätna vermutlich ganz oben stehen – und mit ihm Nerello Mascalese, die allgegenwärtige rote Sorte am Vulkan.
Burton Anderson, der italienische Weine vor allen anderen einem englischen Publikum vorstellte, dürfte das vermutlich mehr als seltsam vorkommen. In seinem 1990 erschienenen Wine Atlas of Italy fällt ihm nichts Positives zu Nerello Mascalese und zum Vulkan ein. Er nennt die aus ihr gekelterten Weine „rarely inspiring“ und stellt desillusioniert fest, dass „the theory that the soil around active volcanoes is ideal for vines gets a tepid endorsement on Etna, where today’s wines never equal the grandeur of its setting.“
Ich gestehe, dass ich Burton Andersons Meinung gut nachvollziehen kann. Mir war auch nicht immer klar, warum Weinen aus Nerello Mascalese derartig applaudiert wurde. Allerdings habe ich dann in den vergangenen Jahren doch auch ein gutes Dutzend Weine probiert, die tatsächlich große Klasse hatten.
Nerello Mascalese verdankt seinen Namen der zwischen Catania und dem Meer liegenden Ebene Mascali. Dort gibt es zwar noch immer einige mit ihr bestockte Weingärten, ihre wichtigsten Anpflanzungen befinden sich allerdings eine gute Autostunde entfernt und ein paar Hundert Höhenmeter weiter oben, an den Hängen des Ätna.
Und zwar schon seit geraumer Zeit, wie eine Vielzahl noch existierender Reben bezeugt, die in der Vorreblausära gepflanzt wurden und heute noch in Ertrag stehen. Die Phylloxera vastatrix, die elende Laus, die sich zwischen 1865 und 1920 durch zigtausende Weingärten fraß und dabei nahezu den kompletten Rebbestand Europas vernichtete, erklomm den Ätna nie – weshalb die Rebanlagen am Vulkan oft uralt sind und zu den wenigen weltweit zählen, die ohne amerikanische Unterlagsreben auskommen (die, in allen anderen Regionen, die finale Lösung des Reblausproblems war).
Im Idealfall sind die aus der Rebsorte und meist mit ein paar Prozent Nerello Cappuccio gekelterten Weine elegant, mineralisch und feingliedrig, kühl-strukturiert, und von glasklaren Aromen getragen, die sich oft aus roten Beeren, Kirschen und Weichseln, Tabak, Leder, Rauch, Blütennoten, Kräutern und Steinen zusammensetzen.
Best of Nerello Mascalese
SRC, Alberello (vielleicht der beste von allen, u.a. www.vinonudo.at)
SRC, Etna Rosso (www.vinonudo.at)
Eduardo Torres Acosta, Versante Nord (callmewine.com)
Enò-trio, Pussenti (www.decanto.it)
I Vigneri, Etna Rosso Vinupetra (www.callmewine.com)
Etnella, Petroso (www.vinifero.at)
I Custodi delle vigne del Etna, Aetneus (www.callmewine.com)
Scirto, A‘ Culonna (www.lavaligiadelbacco.it)
Aldo Viola, Saignée (nicht reinsortig und nicht vom Ätna, trotzdem super)
Vite ad Ovest, Kapo (auch nicht vom Ätna und auch exzellent)
01 Mai 2020
Catarratto – Sizilien in weiß, Teil 1
Die Zahlen lesen sich beeindruckend. Catarratto bianco und Catarratto bianco lucido stehen auf 40.500 Hektar oder 34,3% der sizilianischen Rebfläche. Das bedeutet, dass sie nach Trebbiano Toscano die zweitwichtigste weiße Rebsorte Italiens ist. Wieviel Wein daraus genau gekeltert wird, wissen wir nicht. Geht man allerdings davon aus, dass auch heute noch viele Winzer dem Namen der Rebe alle Ehre erweisen – Cataratto bedeutet Katarakt oder Wasserfall und sein Name verdankt sich tatsächlich den wasserfallartigen Mengen, die aus ihren Weingärten gelesen werden können – dürfte es wohl mehr sein, als Österreichs Rebflächen in ihrer Gesamtheit hergeben.
Catarratto ist seit Urzeiten im Westen Sizilien beheimatet und war seit jeher das Arbeitstier unter den weißen Rebsorten der Insel – und das schmeckte man auch. Erst seit kurzem gibt es eine überschaubare aber wachsende Anzahl an talentierten Winzern, die dem Charakter des Catarratto tatsächlich auf den Grund geht und dabei auch neue Wege beschreitet.
Sie legen zunehmend wert auf die richtigen Lagen, pflanzen bisweilen auch auf hochgelegenen Nordhängen, um die Reifezeit zu verlängern (Aldo Viola), reduzieren die Erträge oft dramatisch, arbeiten im Weingarten biologisch (wobei man aufgrund der extrem trockenen Bedingungen generell auch auf Kupfer verzichten kann) und vergären im Keller mit wilden Hefen und teilweise ausgedehnten Maischestandzeiten.
Die besten Catarrattos sind tiefgründige, warme, salzige und gelbfruchtige Weine mit einer erstaunlich ausgeprägten Säure und einem nicht zu unterschätzenden Reifepotenzial.
Die besten Catarrattos
Aldo Viola, Krimiso (bei vinonudo)
Aldo Viola, Shiva (bei vinonudo)
Guccione, „C“ (bei decanto.it)
Tanca Nica, Kaffefi (bei callmewine)
Nino Barracco, Catarrato (bei vinifero.at)
Sergio Drago, Catarratto (bei decanto.it)
Vite ad Ovest Bianco (bei lavaligiadelbacco.it)
Longarico, Catartico (bei lavaligiadelbacco.it)
Alessando Viola, Le mie origine (bei decanto.it)
Porta del Vento, Mira – Spumante (bei callmewine.it)
De Bartoli, Catarratto Lucido
18 Apr 2020
Il Mortellito – im Süden des Südens
Die Weine von Il Mortellito gibt es bei https://www.lavaligiadibacco.com/