Die Cantine Valpane ist eine jener Perlen, von denen es im Monferrato einige gibt. Nebbiolo, die alles überstrahlende Sorte des Piemonts, spielt hier keine Rolle. Vielmehr zeigt Pietro Arditi, seit Jahrzehnten die führende Hand am Weingut, welche Qualitäten in Freisa, Grignolino und Barbera stecken. Pietro vinifiziert die drei Sorten in einem Anwesen, dessen Wurzeln im 13. Jahrhundert liegen und in dessen zwar renovierten aber trotzdem steinalten Mauern sich neben seinen Weinen auch Gästebetten befinden. 

Innerhalb der langen Geschichte des Guts sieht sich Pietro in einer angenehm bescheidenen Rolle, wenn er meint, dass die Weine hier immer exzellent waren und es seine Aufgabe sei, diese Tradition nicht zu ruinieren. Damit das auch gelingt, macht er viele Sachen wie sein Großvater, der 1902 das Weingut gründete. Er sieht das nicht als unkritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern vielmehr als einen Ansatz, der die Auseinandersetzung mit der Natur in den Mittelpunkt des Interesses rückt.

Im Keller setzt Pietro während der Vergärung auf große Zementzisternen, der Ausbau findet normalerweise in Stahl, Zement und Holz statt und zieht sich über Jahre. Abgesehen von seinem Basisbarbera bleiben alle Weine mindestens drei Jahre im Keller, bevor sie in den Verkauf gehen, bei manchen sind es auch einige Jahre mehr. Zudem legt er immer wieder Flaschen zur Seite, sodass man auch zehn bis fünfzehn Jahre alte Versionen seiner Weine (zu erstaunlich moderaten Preisen) erstehen kann.  Alle seine Weine sind ungeschönt und ungefiltert.

Cantine Valpane

Adresse: Cascina Valpane 10/1, Ozzano Monferrato
Telefon: +39 0142 486713, -335 5478607
E-mail: info@cantinevalpane.com

Die Weine

Rosso Pietro: Zu 100% Barbera. Über ein Jahr in Zement und Stahl ausgebaut. Genau das, was man sich von einem Einstiegswein erhofft. Er hat klare, kühle Fruchtaromen, ist zudem würzig und ein wenig erdig, hat eine lebhafte, für Barbera typische Säure, einen dahinströmenden Trinkfluss und macht sich bestens zu Wildschwein oder Maroni.  

Grignolino Euli: Euli ist ein, aus dem Langobardischen abgeleitet Begriff und für Deutschsprecher recht leicht zu entschlüsseln. Er bedeutet ganz einfach Eule, von denen es im Monferrato angeblich heute noch eine ganze Menge gibt. Einer meiner liebsten Weine: floral, rote Beeren, alles sehr zart und doch einnehmend. Hat erstaunlich viel Tannin. Ist folglich recht geradlinig und direkt und dabei doch stets leichtfüßig.

Freisa Canone Inverso:  Pietro meint, dass der Canone Inverso eine musikalische Struktur hat, bei denen sich die Töne überlagern. Er ist definitiv vielschichtig und bietet kräuterige, rotbeerige (Freisa bedeutet in Latein Erdbeere) und süße Gewürzaromen. Das Tannin packt zu, weshalb es Sinn macht auf ältere Jahrgänge (von denen es einige gibt) zurückzugreifen.

Barbera Perlydia: Pietros wichtigster Barbera. Bleibt über mehrere Jahre im Stahltank, ehe er noch für einige Zeit in Holzfässer wandert. Hat Kraft aber auch Säure, um ihr zu kontern. Ist nach Jahren der Reifung jedoch ausgewogen und in perfektem Gleichgewicht. Abermals süße Gewürze und Weichseln. Mundfüllend. Beeindruckend wie auch der Rest des Sortiments.

Rosa Ruske: Cuvée aus alten autochthonen Sorten. Leider nie probiert.

Die Cascina Val Liberata ist eines der unzähligen jungen Weinprojekte, das in den letzten Jahren mit bester Intention und großem Eifer im Piemont gestartet wurden. Es wurde 2014 in Villamiroglio, gut 30 Kilometer westlich von Turin offiziell ins Leben gerufen, wobei Deirdre O’Brien und Maurizio Caffer bereits davor als Landwirte tätig waren. 2014 kamen zu den Nussbäumen und Gemüsegärten dann aber auch noch 3,5 Hektar Weingärten hinzu, bepflanzt mit 1,5 Hektar Nebbiolo, 0,5 Hektar Grignolino und 1,5 Hektar Slarina. Über Letztere würde ich gerne ausführlich berichten, doch ist so gut wie nichts über die Sorte bekannt. Sie hat ihre Heimat im Basso Monferrato – der Gegend, die die Cascina Val Liberata einschließt –, wo sie auch unter dem Namen Cenerina (die Aschfarbige) bekannt ist. Erstmals erwähnt wurde sie im 18. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert wurde sie aufgrund schwacher Erträge kaum noch angepflanzt. In den letzten Jahren beschäftigte sich die Universität in Turin mit ihr und fabrizierte einige Mikrovinifikationen, die auch Deirdre und Maurizio kosteten(und anscheinend auch Ezio Trinchero, der sie gleichfalls kultiviert) und, begeistert vom Ergebnis, auspflanzten.

Die Weingärten befinden sich auf von Wald umgebenen Hängen und fallen relativ steil ab. Die Bewirtschaftung ist offiziell biologisch, inoffiziell borgen sich die beiden auch einige Methoden aus der Biodynamik aus. Mit eigenen Kräuterextrakten probieren sie sich zudem an der Bekämpfung von Peronospora.

Der Wein

Cenerina: Meines Wissens der bisher einzige Wein der beiden. 100% Slarina. In einer Zementzisterne spontan vergoren und. ausgebaut. Ungeschönt und ungefiltert. 20mg/l SO2. Delikat und zart in der Nase. Himbeeren, Granatapfel – rote Früchte. Dazu eine feine Würze. Am Gaumen dasselbe Spiel. Die Säure ist dezent, doch lenkt das Tannin und gibt Richtung. Öffnet sich mit Luft zunehmend. Bleibt dabei stets kühl und grazil. Endet rotbeerig und elegant. Exzellent.

Cascina Val Liberata

Adresse: Via Alemanno 9, Villamiroglio
Telefon: + 39 0142 947164
E-mail: cascinavalliberata@gmail.com

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Oltretorrente, das sind Chiara und Michele, zwei junge Agronomen aus Mailand, die nach ihrem Studium ihrem Wunsch Winzer/in zu werden, Taten folgen ließen. Ohne auf große Reserven oder ein paar geerbte Hektar zurückgreifen zu können, wagten sie 2010 den Sprung ins kalte Wasser und fingen mit eineinhalb Hektar Weingärten in Paderna in der Colli Tortonesi an. Nach absehbar schwierigen ersten Jahren, sind mittlerweile weitere 5,5 Hektar hinzugekommen, genau soviel wie die beiden zu zweit bewirtschaften können. Bestockt sind die insgesamt 10 Parzellen mit den klassischen Rebsorten der Gegend, allen voran Barbera und Timorasso. Die Reben sind größtenteils alt, mache haben 100 Jahre auf dem Buckel.

Die Bewirtschaftung ist seit den Anfängen biologisch, zertifiziert ist man seit 2012. Abgesehen von der grundsätzlichen Notwendigkeit ihren Reben und sich selbst ein möglichst lebenswertes Ambiente zu schaffen, sind die beiden auch felsenfest davon überzeugt, dass sich nur in einem gesunden und biodiversen Umfeld die Geschichte ihrer Region in ihren Weinen nacherzählen lässt. Und genau darum geht es den beiden. Sie wollen mit durchaus zeitgenössischen Methoden, die Traditionen und das Terroir der Colli Tortonesi einfangen. Im Keller vertraut man auf wilde Hefen für die Vergärung und auf große Zementbottiche und alte Barriques für den Ausbau, die ihnen von benachbarten Weinbauern überlassen wurden. Entstanden ist darin ein Sortiment, dass in weiß wie in rot zum spannendsten gehört, was man in der ohnehin umtriebigen und an exzellenten Weinen nicht armen Ecke bekommen kann.

Oltretorrente 

Adresse: Via Cinque Martiri, Paderna
Tel: 3484027271 oder 339 8195360
Email: info@otretorrente.com
Webseite: www.oltretorrente.com

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Die Weine

Colli Tortonesi Derthona: 100% Timorasso. Sanfte Ganztraubenpressung. 10-monatiger Ausbau in Zement + weitere 5 Monate in der Flasche. Klassischer Timorasso. Weiße Früchte, weiße Blüten, Stein. Lenkende Säure. Salzig. Lang.

Bianco Colli Tortonesi: weiße Cuvée aus Cortese, Favorita, Timorasso und Moscato.  Ausbau über acht Monate im Stahltank und weitere drei in der Flasche. Gleichfalls Blütennoten, generell allerdings aromatischer und auch etwas breiter als der Derthona.

Colli Tortonesi Rosso: Größtenteils Barbera, ein wenig Dolcetto. 30-tägige Mazeration. Über acht Monate in Zement ausgebaut. Lebendig, dicht, saftig. Rotfruchtig und würzig.

Barbera superiore: Trauben von steinalten Reben. Minimaler Ertrag (30hl/ha). Gärung und Mazeration in Zement. Ausbau über 18 Monate in gebrauchten Barriques und sechs Monate in der Flasche. Intensive Aromatik. Vielschichtig. Dunkle rote Frucht, Pfeffer und Gewürze. Knackige Säure trifft auf eine profunde Textur. Bestens strukturiert. Tief. Hat bis zum Ende und darüber hinaus Substanz und Energie. Sehr gut.

DAS WEINGUT

Carlo Deperus und Tatiana Hollers Weingut befindet sich hoch oben im Norden Sardiniens, im Grenzgebiet zwischen den kargen Hügeln Anglonas und den immensen Felsbrocken und schroffen Bergen der Gallura. Letztere ist an der Küste ein Tummelplatz für die Schönen und Reichen dieser Welt, im Landesinneren jedoch weiterhin eine nur sporadisch bevölkerte, tief ländliche und mit vielen Reben bestockte Region der Insel.

Dorthin, genauer nach Perfugas, ist Carlo Deperu im Jahr 2005 zurückgekehrt, nachdem er zuvor in Mailand Landwirtschaft und Önologie studiert und auf diversen Weingütern am Kontinent (die Sarden nennen Italien so) gearbeitet hatte. Mit ihm kam seine Frau Tatiana Holler, eine gebürtige Brasilianerin, ihres Zeichens Marketing & Kommunikationsexpertin und folglich auch beruflich die kongeniale Ergänzung zu Carlo.

Zur Verfügung standen den beiden die leicht zu einem See abfallenden, auf Kalk und Granit basierenden Weingärten der Familie Deperu, die sie komplett neu und dichter als zuvor bepflanzten. Einen Teil mit – wie es sich für die Gallura, der einzigen DOCG Sardiniens gehört – Vermentino, neben die sie allerdings auch andere weiße Rebsorten wie Malvasia, Moscato, Nasco und Arvesionadu setzten. Einen anderen Teil mit roten Rebsorten: Bovale sardo, Cannonau und auch ein wenig Cabernet Sauvignon.  Alles in allem 6 Hektar, genau soviel wie sie glaubten, zu zweit bearbeiten zu können. 

Abgesehen von den kargen und steinigen Böden ist es vor allem der Maestrale, der täglich einfallende Nordwind, der seine Spuren in der Bewirtschaftungskonzeption und auch im Wein hinterlässt.  Auch wenn die beiden nicht biologisch zertifiziert sind, verwenden sie ausschließlich Schwefel und Kupfer, letzteren aufgrund der bestens ventilierten und zudem meist recht trockenen Weingärten allerdings sehr selten. 

Perfektes Traubenmaterial ist die Folge (wobei sie in sehr heißen Jahren bisweilen ein kleines Säureproblem haben und im Fall des Falles auch die Weißweine ein wenig mazerieren), aus denen sie insgesamt vier Weine keltern, die weiß wie rot ganz sicher zu den besten des sardischen Nordens gehören. Die Produktionsschritte unterscheiden sich naheliegenderweise je nach Rebsorte, Lage und Stilistik, allen gemein ist allerdings, dass sie spontan vergoren, nicht geschönt und nicht gefiltert werden.

Die Weine

Fria: 100% Vermentino. Je nach Jahresverlauf eine kürzere (1 Tag) oder längere (ein paar Tage) dauernde Mazeration. Gärung und Reifung im Stahltank. Warme, an Blüten und Heu erinnernde Aromen.  Am Gaumen Kräuter, weiße Frucht, Mandeln und Salz. Weich und aber dank eines Zusammenspiels aus dezentem Tannin und ein wenig Säure bestens strukturiert.  

Prama Dorada: größtenteils Vermentino + Moscato, Malvasia, Nasco,  Arvesionadu. Pied de Cuve. Mindestens sieben Tage in Kontakt mit den Schalen. 9 Monate in Stahl und Zement. Kraftvoll und konzentriert. Leicht oxidativer Ton, gelbe Frucht, Mandeln, Honig, Kräuter. Weich, rund, dicht, ein langer ruhiger Fluss. Intensiv und eindrücklich.

Familia: Bovale Sardo (Muristellu) und andere autochthone Sorten. Ein Wein für alle, ein Tischwein auf hohem Niveau, ein Essensbegleiter zu Schaf & Co – ergo der Name Familia. Eine Woche in Kontakt mit den Schalen.  Ausbau im Stahltank. Balsamisch, rote Frucht, würzig. Ausgewogen, weich, mit sanftem aber steuerndem Tannin. Langes, den Gaumen einhüllendes Finish. Sehr schön.

Oberaia: Cannonau + Cabernet S.: Laut Carlo, ein Wein für Feste und folglich den Menschen der Oberaia de Santu Jurzi-Vereinigung gewidmet, die jedes Jahr am 23. April das Dorffest in Perfugas organisieren. Ausbau in gebrauchten Holzfässern. Kraftvoll, saftig. Rote Frucht. Pfeffer. Kräuter. Ein paar süße Gewürze. Druckvoll. Gehaltvoll. Nachhaltig. Sehr gut.

DEPERU HOLLER

Carlo Deperu und Tatiana Holler
Via Mazzini 80
Perfugas
Telefon: +393332957208
info@deperuholler.com
www.deperuholler.com

Cold Facts

Jahresproduktion: ca.15000 Flaschen
Rebsorten: Vermentino, Nasco, Moscato, Malvasia, Cannonau, Bovale Sardo (Muristellu), Cabernet sauvignon
Rebfläche: 6 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja, organisch
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: nein
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein

Bezugsmöglichkeiten Italien online: inke.it

Bezugsmöglichkeiten AT, DE, CH: –

DAS WEINGUT

Antonio Meles Weingut ist eine Bar. Oder umgekehrt. Je nachdem mit welchen Intentionen man eintritt. Wir dachten, es sei eine Bar, tranken Kaffee und fragten danach nach dem Weg zum Weingut Sedilesu. Das, meinte die ältere Dame am Tresen, befinde sich schräg gegenüber, wir könnten aber, wenn wir wollten, zuerst die Weine von ihrem Sohn Antonio probieren. Der trat, wie bestellt, in diesem Moment durch die Hintertür ein und führte uns eine Minute später durch diese hinunter in einen Keller, in dem sich ein paar  Stahltanks und ein paar Holzfässer aus Eiche und Kastanie befinden. 

Darin liegt Cannonau, die große rote Sorte Mamoiadas. Seit 2017 füllt er selbst ab. Davor verkaufte er, so wie es auch schon seine Eltern und Großeltern getan hatten, seine Trauben an andere Winzer des Ortes. Ein paar Tausend Liter produzierte er allerdings auch selbst – für den Eigenbedarf, die Bar und Freunde, die mit 5-Liter Kanister bei ihm vorbeikamen und den Wein aus dem Fass zapften. Damit ist glücklicherweise auch heute nicht Schluss – ein Tank ist immer noch voll für all jene, die gerade keine Korkenzieher eingesteckt haben oder einfach nur ein paar Liter Rotwein haben wollen ohne dafür tief in die Tasche greifen zu müssen. 

Dazu gibt es aber mittlerweile auch drei Flaschenweine, die sich hinter den besten Mamoiadas nicht verstecken müssen und die er unter dem Namen „Vinera“ – dialektal für guter Wein – vermarktet. 

Sie stammen aus einem Weingarten namens „Su hastru e su orvu“ – zu deutsch „die Festung des Raben“, den er seit jeher traditionell (alberello-Erziehung) und biologisch bewirtschaftet. Vergoren wird spontan, geschönt und gefiltert wird nicht, geschwefelt minimal.

Die Weine

Vino sfuso (der Wein aus dem Tank): Total fein. Weich, rund, mit Körper und Kraft (Cannonau eben) viel Frucht und bestem Trinkfluss. Wir hatten leider keinen Kanister dabei und mussten uns deshalb mit einer 2-Liter-Plastikflasche zufrieden geben.

Vinera:  Antonios wichtigster Wein. Über 10 Monate im großen Holz und danach noch weitere 6 Monate in der Flasche gereift. Dicht und strukturiert. Hat ordentlich Power aber auch die entsprechenden Tannine, um sie zu bündeln. Tiefe dunkle Frucht. Kräuternoten, Pfeffer. Ist für sich zwar exzellent, macht aber mit Lamm, Schaf oder Pecorino noch mehr Spaß.

Vinera Riserva: 12 Monate im Tonneaux und danach nochmals 12 Monate in der Flasche. Wer Zeit und Geduld hat sollte ihm weitere 12 Monate oder mehr gönnen. Opulent und wuchtig, allerdings mit Muskeln. Der Gerbstoff packt zu und die, in Mamoiada stets präsente Säure, lenken den Wein und geben ihm Struktur. Fließt dicht, konzentriert und dunkelfruchtig über den Gaumen und hinterlässt dort eine süße Würze.

Es gibt normalerweise auch noch einen Rosato, doch war der gerade ausverkauft.

ANTONIO MELE

Via V. Emanuele II, 63, 08024 Mamoiada NU
+39 347 0559522
cantinaantoniomele@gmail.com

Cold Facts

Rebsorten: Cannonau
Rebfläche: 6 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja,
Wohnmöglichkeit: nein

DAS WEINGUT

Mamoiada ist ganz tief mit dem Namen Sedilesu verbunden. Ohne Giuseppe und Grazia, die mittlerweile fast so alt sind wie die ältesten Rebstöcke des kleinen Dorfes, wäre Mamoiada vermutlich noch immer ein gottverlassener Ort, ein wenig südlich der Provinzhauptstadt Nuoro. Doch als die beiden im Jahr 2000 anfingen, ihren Wein als erste des Dorfes in Flaschen zu füllen und auch noch erfolgreich zu verkaufen, lösten sie eine zwar langsame aber doch stetige Revolution aus, die Mamoiada heute zum Hotspot sardischer Weinkultur macht. 2001 begann auch Giampietro Puggione mit der Flaschenfüllung, 2004 Giovanni Montisci. 2015 waren es insgesamt sechs Winzer, 2020 – nach der Gründung der lokalen Winzerorganisation Mamoja – stolze 22.

Federführend in der Etablierung des Namen Sedilesu und damit auch Mamoiadas waren dann vor allem Salvatore und Francesco Sedilesu, die Söhne von Giuseppe und Rosalia, die im Weingarten an den Traditionen der Gegend festhielten, sie jedoch in offizielle Bahnen lenkte. Die 22 Hektar Weingärten – mit Abstand die meisten in Mamoiada – sind heute offiziell biozertifiziert, gearbeitet wurde allerdings von keinem Winzer des Ortes je anders: das ist nicht zwingend auf ein ausgeprägteres ethisches Bewusstsein als in anderen Regionen der Welt zurückzuführen, sondern ganz einfach auf die Tatsache, dass Pflanzenschutz aufgrund der extrem trockenen und windigen Bedingungen kaum notwendig ist.

Die Weingärten der Sedilesus liegen zwischen 600 und 850 Meter Seehöhe und sind zum größten Teil mit Cannonau bestockt. Cannonau ist das sardische Synonym für Grenache oder Garnacha und ein Relikt der Spanier, die vom früher 14. Jahrhundert hinweg Sardinien beherrschten. Seit damals dürfte sich die Sorte auch auf der Insel befinden, genug Zeit also, um sich quer durch das Land auszubreiten. In Mamoaida und speziell auch in den Weingärten der Sedilesus zeigt sie ihr ganzes Potenzial. Daneben kultiviert die Familie aber auch noch Granazza, eine autochthone weiße Sorte, die einzig und allein in der Barbagia, dem zentralen Hochland Sardiniens vorkommt. Früher versuchte man damit den Cannonau zu zähmen, heute wird sie jedoch immer öfter reinsortig und im Fall der Sedilesus auch mit längeren Schalenkontakt ausgebaut.

Im Keller des Weinguts, das sich mitten im Zentrum Mamoiadas befindet, ist in den letzten zwei Jahrzehnten einiges passiert. Was nicht bedeutet, dass die Sedilesus die ihnen zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten komplett ausnutzen. Im Gegenteil. Man genießt zwar den Umstand ausreichend Platz zu haben, vinifiziert jedoch großteils so wie es auch schon Giuseppe gemacht hat. Die Gärung startet spontan und ohne Temperaturkontrolle oder sonstige Interventionen. Je nach Weintyp gibt es unterschiedlich lange Maischestand- und Ausbauzeiten. Gereift wird größtenteils in Holz. Geschönt und gefiltert wird grundsätzlich nicht.

Die wichtigsten Weine

Granazza: Das weiße Aushängeschild der Gegend. Profitiert wie auch der Cannonau von den klimatischen Bedingungen. Ergo: tagsüber viel Sonne, kalte Nächte, viel Wind. Über 10 Monate in Zement ausgebaut. Blütenaromen, weiße Fruchtaromen, Kräuter. Nicht zu viel aber doch ausreichend Säure. 

Granazza sulle bucce (Granazza auf den Schalen): Definitiv die spannendere Variante. Vital und druckvoll. Erdig. Tiefe, reife gelbe Frucht. Intensive Blütennoten. Macht Dampf in Richtung Gaumen. Wirkt am Ende warm und doch belebend.

Perda Pintà: 100% Garnazza. Nach einer Großlage in Mamoiada benannt. Im Barrique vergoren und ausgebaut. Meist recht kompromisslos im Alkohol (2018 hatte ich eine Version – ich glaube 2014 – mit 17,3% Alk.). Für klassische Rieslingtrinker gewöhnungsbedürftig. Kräuter & Balsamnoten. Kaum Frucht. Mediterran in jeglicher Hinsicht.

Mamuthone: 100% Cannonau. Der Klassiker des Hauses.

Ballu Tundu: Damit fing im Hause Sedilesu alles an. Cannonau von 100-Jahre alten Reben. Wochenlang auf den Schalen und zwei Jahre im Fass. Opulent, dicht und warm. Unter sardischer Sonne gewachsen. Ein Wein, der zeigt, wo er herkommt. Reife, rote Frucht, süße Gewürznoten. Kraftvoll, konzentriert und ausgewogen.

Sedilesu: 100% Cannonau. Wie schon beim Ballu Tundu Trauben von sehr, sehr alten Reben. Über zwei Jahre im Holz ausgebaut. Üppig und mächtig. Dank präsenter Säure und bündelndem Tannin allerdings auch im Gleichgewicht. Kraftvoll und ausdrucksstark. Konzentrierte Frucht, mediterrane Kräuter, tiefe Würze. Lang. 

GIUSEPPE SEDILESU

Francesco & Salvatore Sedilesu
Via Vittorio Emanuele II
Mamoiada
Telefon: +39078456791
Email: ufficio.sedilesu@gmail.com
www.giuseppesedilesu.it

Cold Facts

Jahresproduktion: ca. 100000 Flaschen
Rebsorten: Cannonau, Granazza
Rebfläche: 22 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja – eigener Verkostungsraum und Shop
Wohnmöglichkeit: nein

DAS WEINGUT

Simone Sedilesu stammt aus dem Clan der Sedilesus, in Sachen Wein seit jeher Vorreiter in Mamoiada, einem kleinen Ort hoch oben in den Bergen Sardiniens, bekannt für die Vielzahl dort herumlaufender 100-jähriger, sein Maskenfest und seine fantastischen, quasi ausschließlich aus Cannonau gekelterten Rotweine. Er ist studierter Önologe, der – anders als die meisten Weinbauern Mamoiadas – sich auch im Ausland umgeschaut und in Südafrika gelernt hat „wie ich Wein nicht machen will.“

Tief mit seiner Familie und den Traditionen Mamoiadas verbunden, nutzte er 2015 die Möglichkeit 3 Hektar Weingärten samt Weinkeller von einem alten Weinbauer mit noch älteren Weinreben zu erstehen und alleine seinen Weg zu gehen.

Knapp 100 Jahre sind seine ältesten Cannonau-Rebstöcke alt, gepflanzt in sandige Böden auf ca. 750 Meter Höhe. Diese vier Komponenten – Rebsorte, Alter der Rebstöcke, der sandige Untergrund und die Höhe – sind, laut Simone, alles entscheidend für das Verständnis und die Identität mamoiadischer Weine. Cannonau, vermutlich besser bekannt als Grenache (franz.) oder Garnacha (span.) tendiert zu hohen Alkoholgradationen und das ist auch in Mamoiada nicht anders. Im Gegenteil. Nirgendwo sonst scheint die Rebsorten so viel Zucker zu akkumulieren wie dort, doch anders als beispielsweise in Chateauneuf-du-Pape oder Navarra behält sie dank der Höhenlage und den damit verbundenen kühlen Nächten auch eine puffernde Säure, die dem Wein auch bei 16% Alkohol Trinkfluss verleiht. Der sandige und staubtrockene Untergrund ist wiederum ideal für die Sorte, die über zu viel Feuchtigkeit nicht allzu glücklich ist.  Die steinalten Rebstöcke wiederum liefern eine immense Vielfalt an unterschiedlichen Cannonau-Biotypen und folglich zwar meist wenige aber dafür umso ausdrucksstärkere Trauben. All das und noch viel mehr weiß Simone natürlich, der schon als kleiner Junge mit seinem Großvater Giuseppe (dem Initiator der mamoiadischen Weinrevolution) durch die Weingärten streifte und das einst Gehörte heute mit seinem, in der Universität angesammelten wissen vereint.

Die Bewirtschaftungsart der Weingärten ist seit Kurzem offiziell biologisch, wobei es, laut Simone, in Mamoiada niemanden gab und gibt, der nicht biologisch arbeiten würde – wobei zumindest derzeit die wenigsten zertifiziert sind. Das liegt nicht an einem besonders ausgeprägten ethischen Verständnis der Bevölkerung, sondern ganz einfach daran, dass es aufgrund der Trockenheit und des stets einfallenden Maestrale kaum Rebkrankheiten gibt.  

Die handgelesenen Trauben werden im Keller spontan in Stahl- und Plastikbehältnissen vergoren und danach fast durchwegs in unterschiedlich großen Holzfässern ausgebaut.

Die Weine

Barbagia IGT: Simones Weißwein. Aus 100% Granazza. Granazza wurde früher dazu verwendet, die Kraft des Cannonau ein wenig zu zügeln. Weshalb sich auch heute noch immer wieder vereinzelt Rebstöcke in den Weingärten finden, die Simone mittlerweile separat vinifiziert. Im Stahltank ausgebaut ist er saftig, lebendig und fein-aromatisch, mit einem zupackenden Säuregerüst und einer, für sardische Verhältnisse, überraschenden Frische. 

Cannonau IGT: Die Basis. Hat für gewöhnlich weniger Alkohol als die meisten anderen Weine aus Mamoiada. Lässt sich also schon am Nachmittag trinken. Bleibt über gut zwei Wochen in Kontakt mit den Schalen und landet danach für ein Jahr in 1000 Liter fassende Tonneaux. Rote Frucht, Kräuter, Pfeffer. Erstaunlich elegant und geradlinig. 

Cannonau Riserva IGT: Stammt von 90 Jahre alten Rebstöcken eines speziellen Weingartens (Garaunele). Spontan vergoren bleibt der Wein über 30 Tage in Kontakt mit den Schalen und verschwindet danach für zwei Jahre in gebrauchten 500-Liter fassenden Holzfässern. Intensiv, kraftvoll, konzentriert. Dunkelfruchtig und würzig. Opulent, doch dank eines zupackendes Gerbstoff- und Säureprofils, ausgewogen. 

CANTINA VIKEVIKE

Simone Sedilesu
Via Marsala, 19/21,
08024 Mamoiada NU, Italia
Telefon: +39 348 229 0179
Email: cantinavikevike@gmail.com
www.vikevike.it

Cold Facts

Jahresproduktion: ca. 120000 Flaschen
Rebsorten: Cannonau, Granazza
Rebfläche: 3 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja
Pflanzenschutz: kaum Kupfer, Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein

Bezugsmöglichkeiten Italien online: inke (spezialisiert auf sardische Produkte)

Bezugsmöglichkeiten AT, DE, CH: nicht, dass ich wüsste

DAS WEINGUT

Giovanni Montisci macht ziemlich sicher den besten Cannonau Sardiniens. 

Zumindest toppt er mit seiner Barrosu Riserva Franzisca meine persönliche Rangliste. Die Reben dafür stehen in einem 0,7 Hektar großen Weingarten in Mamoiada, im Herzen der sardischen Barbagia. Sie wurden dort ungefähr 1935 ausgepflanzt, in einer Zeit also, in der die Barbagia zu den entlegensten Orten Italiens gehörte und ihre Bevölkerung vorwiegend aus Hirten und Banditen bestand. 

Ende der 1990er Jahre erbte Giovanni, der damals mit Wein nichts am Hut hatte und als Mechaniker arbeitete, die kleine, verwilderte Parzelle (und noch 1,3 Hektar mehr), die im Laufe der Zeit sein Leben verändern sollte. Begeistert von der Arbeit im Feld, setzte er den Weingarten wieder instand, hörte sich bei den alten Winzern von Mamoiada um und lernte mit deren Hilfe alles über die vitikulturellen Traditionen der Region.

Da zwei Hektar nicht allzu viel, für ihn allerdings ausreichend sind, kann er sich mit jedem Rebstock einzeln beschäftigen und auf größere Maschinen verzichten. Er macht quasi alles per Hand, für gröbere Arbeiten hat er ein Pferd. 

Seine drei Parzellen sind mittlerweile biologisch zertifiziert, wobei ihm das günstige Klima Mamoiadas zusätzlich in die Karten spielt. Peronospora, das nur mir Kupfer oder Fungiziden zu bekämpfende Damoklesschwert im kontinentalen Weinbau kommt in Mamoiada nur alle heiligen Zeiten vor – der Trockenheit und dem tagtäglich blasenden Maestrale sei Dank. 

Cannonau ist Giovannis unumschränkte Nummer eins. Er keltert daraus die bereits erwähnte Riserva, einen weiteren Wein, den vermutlich jeder andere Winzer als Riserva bezeichnen würde und einen gewichtigen rosato, der zu den besten Italiens gehört. Seit 2019 füllt er auch offiziell einen Weißwein, einen Vermentino mit dem Namen Modestu.

Im Keller setzt Giovanni die Prinzipien, die seine Weingartenarbeit bestimmen, konsequent weiter fort. Er vergärt spontan und ohne Temperaturkontrolle in offenen Gärbottichen, mazeriert für ca. 3 Wochen und lässt seine Weine dann für ein gutes Jahr und ohne weitere Eingriffe (kein Schönen, kein Filtern, kein Schwefeln) reifen.

Die Preise der Weine von Giovanni Montisci schlagen ganz ordentlich nach oben aus, doch gehören sie auch allesamt zum Besten, was man aus Sardinien trinken kann.

Barrosu Rosato: aus 100% Cannonau. Im gebrauchten Barriques über 8 Monate ausgebaut. Sprengt die Erwartungshaltungen, die man gemeinhin mit Rosé verbindet. Hat Power, Substanz, Tiefe und reife Fruchtaromen, dank der ganz speziellen klimatischen Voraussetzungen Mamoiadas  und der Höhenlage seines Weingartens aber auch Säure und Präzision. 

Barrosu: stammt von einem nicht ganz so alten Weingarten (1955 gepflanzt). Über 12 Monate im Tonneaux ausgebaut. Dicht und intensiv. Rote Frucht, Myrte und andere mediterrane Kräuter. Pfeffer. 15,5% Alkohol (der 2018er). Das tut aber nicht viel zur Sache, da die immense Power durch ordentlich Gerbstoff, vor allem aber durch vitale Säure gepuffert wird. Beeindruckend lang. 

Barrosu Riserva Franzisca: Eleganz ist keine Qualität, die man in sardischen Weinen suchen sollte. Und doch vermittelt Giovannis Riserva bei all ihrer monumentalen Kraft doch auch eine gewisse Leichtigkeit – aber vielleicht unterliege ich da auch einer Sinnestäuschung, denn letztlich sprechen 15,5% Alkohol schon eine deutliche Sprache. Wie auch immer. Aromen, Säuren, Tannine, Extrakte & co. stehen in einer perfekten Konstellation zueinander und machen den Wein zu einem, in Worten schwer zu beschreibenden, grandiosen sensorischen Ereignis.

Modestu: 100% Vermentino von einem knapp 1000 Meter hoch gelegenen Weingarten – leider, leider noch nie probiert.

GIOVANNI MONTISCI

Via Asiago, 7B
Mamoiada
Telefon: +39 328 019 3273
Email: giovanni.montisci@tiscali.it

Cold Facts

Jahresproduktion: ca. 5000 Flaschen
Rebsorten: Cannonau, Vermentino
Rebfläche: 2 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein

Bezugsquellen Italien (Online): callmewine, decanto, wineyou

Bezugsquellen (AT/DE/CH): –

DAS WEINGUT

Die Brüder Roberto und Lorenzo Pusole sind die vierte Generation des gleichnamigen Familienbetriebs, in dem zwar Wein den Ton angibt, zudem aber auch noch Schweine gezüchtet, alte Getreidesorten angebaut und Oliven geerntet und zu Öl verarbeitet werden. Eher abseits vom Schuss, an den zum Meer abfallenden Hängen von Baunei und Lotzorai  an der Ostküste Sardiniens gelegen (eine der ruhigsten und gleichzeitig schönsten Küstengegenden der Insel), kultivieren die drei Cannonau, Vermentino, Cannonau Bianco und Monica, wobei der Schwerpunkt ganz eindeutig auf den beiden erstgenannten Sorten liegt. 

Die Bewirtschaftung ist im besten Sinne traditionell und baut grundsätzlich auf den Ideen die schon die Eltern- und Großeltern in die Praxis umsetzten. In wenigen Worten bedeutet das, dass die Weingärten niemals Herbizide, Pestizide und Fungizide gesehen haben und auch nicht bewässert werden, was vor allem dem hohen Alter der meisten Rebstöcke geschuldet ist, deren Wurzeln das Wasser aus der Tiefe aufsaugen und generell mit wenig Feuchtigkeit auskommen. Eine Konsequenz daraus ist auch ein verhältnismäßig niedriger Ertrag pro Rebstock, der oft weniger als 1 Kilo und selten mehr als 1,5 Kilo pro Rebstock ausmacht.

Anstatt selbst zu mähen, überlassen die beiden das Gras zwischen ihren Rebstöcken den Hirten und ihren Schafen, die im Frühling noch immer zu Tausenden durch das Land ziehen. 

Geologie wie auch Klima sind in dieser Zone der Insel, der sogenannten Ogliastra, äußerst heterogen. Das hat seinen Grund vor allem in der extrem steilen Topographie der Gegend, wo zwischen (tatsächlich türkisem) Meer und 1000 Meter hohen Gipfeln nur wenige Kilometer Luftlinie liegen. Weingärten befinden sich unten wie oben, auf Sand, Ton, Granit oder Schiefer, gelegentlich beeinflusst vom Meer, gelegentlich aber auch von Luftmassen, die von den Bergen herabströmen. Die Vielfalt an Einflüssen vermitteln Roberto und Lorenzo in einem halben Dutzend Weinen. Vergoren wird spontan (pied de cuve) und ohne Temperaturkontrolle, wobei die Schalen – egal, ob weiß oder rot – grundsätzlich für einige Tage in Kontakt mit dem Most bleiben. Ausgebaut wird je nach Stilistik in unterschiedlichen Gebinden. Die Weine werden weder geschönt noch gefiltert. 

Pusole gehört definitiv zu den besten Weingütern der Insel. Wer Cannonau in unterschiedlichen Schattierungen kennenlernen will, ist mit ihren Weinen bestens bedient. Dank einer traditionell nachhaltigen Bewirtschaftung und intelligenter Vinifikation haben alle Weine Charakter und Tiefe. 

Die Weine

Pusole Rosso: Einstiegscannonau. Stammt von diversen Weingärten rund Lotzorai. Wird im Stahltank ausgebaut. Ist mit nur 14% Alkohol relativ zahm für einen sardischen Cannonau und wirkt auch erstaunlich frisch. Hat rote Früchte und getrocknete Kräuter im Aromatalon, ist lang und ausgewogen. (online ca. € 12 bei decanto.it, callmewine.it, wineyou.it, enoteca galli)

Ogliastra Bianco: Die weiße Antwort. Zu 100% aus Vermentino. Von jungen Rebstöcken, die großteils in Granit wurzeln. Kurz mazeriert. Ausbau im Edelstahl. Einladend, sympathisch, angenehm. Trocken, weiße Fruchtaromen, Kräuter. Weiche Textur. Guter Grip. 

Karamare: Der zweite Weißwein der Pusoles. Gewichtiger und profunder. Aus Cannonau Bianco, einer Kreuzung aus Galoppo und Cannonau. Länger auf der Maische als der Ogliastra Bianco. Salz und Sonne. Kraftvoll, dicht, intensiv, lang. Ausgewogen und druckvoll. Einer der besten Weißweine der Insel.

Casesparse: Cannonau mit einem mikroskopischem Anteil Monica. Im Stahltank ausgebaut. Intensiv fruchtig. Hat trotz seiner Kraft eine Menge Trinkfluss in sich. Harmonisch. Mit bestens integrierten Tanninen. Bleibt haften. Sehr gut.

Saccarè: Cannonaumonumenta aus einer Einzellage. Steinalte Rebstöcke. Einer der Meilensteine sardischer Rotweinkunst. Ein Jahr in gebrauchtem Holz gereift. Potent und nachhaltig. Nichts für einen Kindergeburtstag. Intensiv und druckvoll. Tiefe Frucht- und Kräuternoten. Pfeffer. Lang und langlebig.

PUSOLE

Località Perda e Cuba
Viua Monte Oro 13
Telefon: + 39 333 404 7219
Email: roberto.pusole@gmail.com

Cold Facts

Jahresproduktion: ca.25000 Flaschen
Rebsorten: Cannonau, Cannonau Bianco, Monica, Vermentino
Rebfläche: 8 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein

Bezugsquellen Italien online: decanto.it, wineyou.it, dolce-vite.com, enoteca galli;

Bezugsquellen (AT, DE, CH): –

Sardinien, meinen die Sarden, sei ein Kontinent für sich. Das mag für all jene, die vom Festland rüber auf die 24000 qkm große Insel schauen, maßlos übertrieben klingen, ist man allerdings erstmal dort, kann man dieser Einschätzung allerdings einiges abgewinnen. Vermutlich war diese Wahrnehmung vor ein paar Jahrzehnten (und Jahrhunderten sowieso) noch wesentlich ausgeprägter, als man sich, fernab vom Festland und vom Fernseher, zumindest in weiten Teilen des Landes auf sardisch unterhielt und ansonsten in Dialekten, die oft mehr französische als italienische Anklänge hatten.

Die geographische Sonderstellung mitten im Mittelmeer und die topographische Konstellation der Insel sorgten jedenfalls dafür, dass es in vielen Teilen der Insel Einflüsse von außen nur selten gab. Setzte sich jedoch irgendwann ein Habitus durch, dann blieb er auch, wurde weiter kultiviert und irgendwann auch Bestandteil sardischer Identität. Kulinarisch spiegelt sich das in einer völlig eigenständigen Esskultur wider, die zwar gelegentliche Überschneidungen mit der italienischen Küche aufweist, meist jedoch ganz eigene Wege eingeschlagen hat (wer wissen will, was es mit Casu marzu, Bottarga, Fregula, Casizol oder Su porceddu auf sich hat, dem sei die exzellente deutschsprachige Seite: www.sardinien-auf-den-tisch.eu empfohlen: HP weiß wirklich, was in Sardinien vor sich geht und vor sich gegangen ist). Vitikulturell sieht das nicht anders aus.

Seit gut 3000 Jahren wird auf Sardinien Wein gekeltert, länger als irgendwo sonst im heutigen Italien. Verantwortlich dafür dürften zuallererst die Phönizier gewesen sein, die nicht nur Cagliari gründeten, sondern auch ein paar Rebstöcke in die Böden der Insel setzten. Sollte es sich dabei tatsächlich um Nuragus und Malvasia gehandelt haben – wie nicht nur eingefleischte Sarden, sondern auch seriöse Ampelographen behaupten –  wären die beiden auch heute noch gerne kultivierte Sorten, die mitunter ältesten der Welt. Etrusker, Punier, Römer, Byzantiner, Araber und Spanier machten damit weiter und sorgten zudem auch immer wieder für neue Anpflanzungen. Auf das Konto der Spanier geht beispielsweise Monica, lokal auch Mora di Spagna genannt, die heute in Punkto Quantität drittwichtigste Sorte der Insel, vor allem aber Cannonau, international besser bekannt unter den Namen Grenache oder Garnacha. Cannonau dürfte im Zuge der Eroberung Algheros 1354 durch Peter IV von Aragon nach Sardinien gebracht worden sein. Im Laufe der Jahrhunderte hat sie dann langsam ihren Siegeszug über die gesamte Insel angetreten; 7700 Hektar Rebfläche legen davon Zeugnis ab.

Auch wenn der Weinbau auf Sardinien aufgrund der meist sandigen Böden und der oft chronischer Trockenheit nie einfach gewesen sein dürfte, gab es abgesehen vom frühen Mittelalter keine Phase in der steinalten Geschichte der Insel, in der Wein nicht eine eminente Rolle gespielt hätte. Das führte neben einer beeindruckenden Bandbreite autochthoner und bis heute angebauter Reben (Pascale, Bovale, Torbato, Nieddera, Cagnulari, Barbera sarda, Girò, Nasco, Granazza – ganz fantastisch ist Giuseppe Sedilesus Perda Pintà, ein 16,5%es Weißweinkoloss, das trotz des atemberaubenden Alkohols unfassbarerweise Spaß macht und sogar Trinkfluss hat – Muristellu, Semidano…) auch zur Etablierung eigener Erziehungssysteme und Weinstilistiken. Vernaccia di Oristano beispielsweise ist ein unter Florhefe reifender sherryähnlicher Wein, dem allerdings kein Alkohol beigesetzt wird und der klassisch oxidative Noten (Mandeln, Trockenfrüchte) mit etwas Restsüße kombiniert. Malvasia di Bosa wird ebenfalls seit Jahrhunderten gekeltert, wobei man sich bei seiner Produktion seit jeher alle stilistische Optionen offen gelassen hat. Das hat dazu geführt, dass jeder Winzer seine eigene Herangehensweise hat  – mit dem einzigen gemeinsamen Nenner, dass Malvasia di Bosa immer süß ist. Den besten keltert übrigens Giovanni Battista Columbu, dem Jonathan Nossiter in seinem Film Mondovino ein kleines Denkmal gesetzt hat und von dem man in Sardinien sagt, dass er, der neben seiner Tätigkeit als Winzer auch für den Partito sardo d’Azione arbeitete, der einzige sardische Politiker war, der nach seiner politischen Karriere noch im selben Haus wohnte wie davor.

Auch wenn rote Sorten in Sardinien mit 69% Rebfläche ganz klar den Ton angeben, ist es doch dem weißen Vermentino di Gallura vorbehalten, als einzigem Wein DOCG-Status zu genießen. Wie auch in anderen Regionen Italiens ist das nur bedingt nachvollziehbar. Zum einen, weil es zumindest meiner Ansicht nach keine wirklich herausragenden Beispiele dafür gibt (wobei ich gestehe, dass ich auch nicht alle relevanten Vermentinos aus der Gallura kenne. Der beste der Insel findet sich übrigens nicht in der Gallura, sondern ganz im Süden, in Villasimius, gekeltert von Meigamma), zum anderen, weil es Regionen gibt, die es sich ebenfalls (oder eben mehr) verdient hätten.

Allen voran die Cannonau-Hochburgen rund um Mamoiada, einem kleinen, auf 650 Metern gelegenem Ort, in dem zwar extrem alkoholische aber eben auch strukturierte, komplexe und ausbalancierte Weine gekeltert werden. Diese Balance zwischen immensem Alkohol und erstaunlichem Trinkfluss, die nicht nur in Mamaoiada sondern auf der ganzen Insel ein einigender Nenner zu sein scheint, hat mehrere Gründe: zum einen verweist man gerne auf die unzähligen alten Rebstöcke, die an die Trockenheit gewöhnt sind, tief wurzeln, für eine ausreichende Nährstoffversorgung und folglich auch für Gleichgewicht sorgen. In vielen Regionen – unter anderem rund um Mamoiada – findet man zudem Weingärten auf 700 Metern und mehr, was zu ordentlichen Tag-Nacht-Unterschieden und weiterführend zu kühl strukturierten Weinen führt. Ein dritter und ebenfalls wesentlicher Faktor ist der Wind – der bläst Tag und Nacht über die Insel und tut das seine, um den Weinen eine erstaunliche Lebendigkeit einzuhauchen.

Wind sollte im Verbund mit der Trockenheit eigentlich auch Anreiz für nachhaltigen Weinbau sein und davon spürt man in letzter Zeit immer mehr. Immer mehr Winzer verschreiben sich biologischer Bewirtschaftung, allen voran in Mamoiada, wo angeblich niemand mehr zu Pestiziden und Fungiziden greift. Weder Giovanni Montisci und Giuseppe Sedilesu, die beiden nicht zu Unrecht bekanntesten Winzer des Ortes, sondern auch Giampietro PuggioniGiampaolo Paddeu, die Cantina Vikevike und die Cantina Canneddu oder Antonio Mele.

Aber auch im Nordwesten und im Süden der Insel trifft man auf Winzer, mit denen man sich genauer beschäftigen sollte. Unter den Radikalen Sardiniens bzw. denjenigen, die im Weingarten auf Kultur statt auf Chemie und im Keller auf Handwerk statt auf Hochtechnologie setzen, gehört die Tenuta Dettori völlig zurecht zu den bekanntesten. Ihre Weine sind komplex und kompromisslos, getreue Abbilder ihrer natürlichen Voraussetzungen und ihrer Sorte. Dieselbe Herangehensweise verfolgt 80 Kilometer nördlich von Cagliari, in Nurri, Gianfranco Manca von Panevino, der wuchtige und oft wilde Weine keltert oder Enrico Esu in Sulcis, dem alten Kohlerevier der Insel, der ungemein kraftvolle und langlebige Weine aus Carignano fabriziert – extreme aber lohnenswerte Gegenentwürfe zu den Weinen vieler Winzer und Genossenschaften, die zwar auf autochthone Sorten setzen, diesen jedoch durch konventionelle Methoden im Weingarten und einem übertechnisierten Ansatz im Keller Charakter und Originalität rauben.

DAS WEINGUT

Es gibt nicht viele Leute, die dem Land ihrer Kindheit und Jugend so verbunden sind wie Elisabetta Montesissa. Das lässt sich in ihrem Fall nicht nur in Worten bemessen. Viel offensichtlicher wird es anhand der Tatsache, dass sie sich jedes Wochenende ins Auto oder in den Zug setzt und von Rom, wo sie bei Campagna Amica – einer landwirtschaftlichen Vereinigung zur Aufwertung lokaler Produkte – arbeitet, ins Val Chero in den äußersten Westen der Emilia aufbricht. 500 Kilometer hin, 500 Kilometer zurück, um ihren Eltern bei der Herstellung und Vermarktung von drei Weinen zu helfen, die basierend auf dem Gedankengut der Naturweinszene, eine vergangene Sensorik wiederbeleben.

Wobei sich schon ihre Eltern und Großeltern den Avancen der Agroindustrie größtenteils zu entziehen wussten. Die vergärten ihre Weine – allesamt Frizzante, wie es der Tradition der Region entspricht – bis in den November hinein, ehe die Hefen – bei noch vorhandenem Restzucker – aufgrund der zunehmend tiefen Temperaturen ihre Arbeit einstellten. Im Frühjahr filterten sie dann, ehe sie die Weine in Flaschen füllten, wo sie bei steigenden Temperaturen zu Ende gärten. Das Filtern lässt Elisabetta mittlerweile wieder weg, ansonsten ist fast alles gleichgeblieben. 

Wie im Keller zollen Elisabetta und ihre Eltern auch im Weingarten der Geschichte der Region Tribut. Die vier wichtigsten Sorten Piacenzas – Malvasia di Candia Aromatica, Ortrugo, Barbera und Bonarda – sind auch bei ihnen die Protagonisten, ergänzt von ein paar Reihen Syrah und ein paar alten autochthonen Sorten der Region. Erzogen werden sie im Guyot Piacentino, das einen sehr kurzen Rebschnitt vorsieht und die spätere Lesemenge schon vorab reduziert. Die Weingartenarbeit ist zertifiziert biologisch und geschieht größtenteils per Hand.

Die Weine 

Buonissima: Einer der großen Schaumweine der Emilia. Aus Malvasia di Candia Aromatica und Ortrugo gekeltert. Aufgrund einer zehntägigen Mazeration der Schalen mit Ecken und Kanten, fordernd aber doch auch animierend und einladend. Hat trotz seines geringen Alkohols ordentlich Kraft und Substanz. Öffnet sich einem breiten Aromaspektrum aus Kräutern, Zitrusfrüchten und  reifem Steinobst. Lebhaft und strukturiert bis zum Gaumen. Reift mit Sicherheit blendend.

Rosissima: Rosé-Frizzante aus Barbera und Bonarda. Nach dem Salasso-Prinzip hergestellt. Dabei wird der unter dem Druck der aufeinanderliegenden Trauben abfließende Most aufgefangen und vergoren. Die Zweitgärung findet wiederum in der Flasche statt. Hat eine lebhafte Säure, Grapefruit und Beerennoten. Fürs flotte Wegtrinken gedacht.

Rio Mora: Nochmals Frizzante aus Barbera und Bonarda, diesmal allerdings in rot. Im Grunde genommen ein klassischer Gutturnio, der allerdings nicht als solcher deklariert ist. 15 Tage auf der Maische. Zweitgärung in der Flasche (rifermentato), danach noch ein Jahr zur Reifung in der Flasche. Dunkel, fruchtbetont, würzig, fleischig. Eher weiches Tannin. Lebhafte Säure. Sehr direkt und geradlinig. Wie so oft in der Emilia, vor allem auch als Essensbegleiter gedacht. 

Den Rio Fratta (Syrah, Barbera, Bonarda) habe ich noch nie probiert.

Emilio Montesissa

Azienda Agricola Montesissa Emilio
Loc. Magnano – Case Biasini, 189 – 29013 Carpaneto P.no (PC)
Tel. +39.0523.850158
email: info@montesissaemilio.it

www.montesissaemilio.it

Cold Facts

Jahresproduktion: ca. 15000 Flaschen
Rebsorten: Malvasia di Candia Aromatica, Ortrugo, Barbera, Bonarda, Syrah
Rebfläche: 10 ha, 5 ha bewirtschaftet
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein

Die Weine von Biscaris gibt es vermutlich nirgendwo im deutschsprachigen Raum. Online erhält man sie bei winepoint.it, callmewine.it

Croatina alias Bonarda

Erstmal vorab: Croatina ist eine Rebsorte, aus der exzellente Weine gekeltert werden. Oft unter ihrem herkömmlichen Namen, noch öfter allerdings unter dem Namen Bonarda, unter dem die Sorte im Oltrepo Pavese in der Lombardei und in den Colli Piacentini in der Emilia Romagna bekannt ist. Unglücklicherweise gibt es im Piemont gleichfalls eine Sorte namens Bonarda (meist Bonarda Piemontese genanannt), die wiederum nichts mit Croatina und folglich auch nichts mit den Bonardas aus der Emilia und der Lombardei zu tun hat. Für Verwirrung ist also gesorgt.

Croatina/Bonarda ist in den beiden Regionen weit verbreitet und findet sich zudem seit jeher auch in den südpiemontesichen Colli Tortonesi, wo auch einige ihrer besten Versionen in die Flasche kommen. Die Rebsorte erfreut sich einer nicht unberechtigten Popularität unter biologisch arbeitenden Winzern, da sie recht robust ist und speziell mit Oidium kaum Problem hat. Dank ihrer dicken Schale eröffnet sie den Winzern zudem eine Palette an stilistischen Möglichkeiten. Bereits nach wenigen Tagen abgepresst ergibt sie grundsätzlich sanfte und fruchtige Weine, nach längeren Maischestandzeiten kann sie hingegen recht fordernde und massive Tannine entwickeln, die einem bisweilen etwas Geduld abverlangen (was sich dann allerdings meistens auch bezahlt macht). Während sie in den Colli Tortonesi grundsätzlich solo vinifiziert wird, mehren sich im Oltrepo Pavese die Versionen, wo Croatina zwar oft die erste Geige spielt, jedoch von anderen Rebsorten begleitet wird. In der Emilia ist Croatina dann ausschließlich unter dem Namen Bonarda zu haben und quasi ausnahmslos in Begleitung von Barbera, mit dem sie still aber auch sprudelnd  die Basis für den in der Region allgegenwärtigen Gutturnio stellt. Im Nordpiemont wiederum ergänzt sie bisweilen Nebbiolo, im Valpolicella fließt sie dagegen immer öfter in den Amarone mit ein.

Croatina/Barbera verträgt sich bestens mit Holz, wobei – wie so oft – große oder gebrauchte Fässer die Sorte mehr zu Wort kommen lassen als Barriques. Auch wenn es naheliegenderweise lokale Unterschiede gibt und viele Winzer ihr Handwerk glücklicherweise nach ihren eigenen Ansichten ausüben, haben Weine aus Croatina bei eher mäßiger Säure eine meist nicht zu unterschätzende Gerbstoffstruktur, einen substantiellen Körper und Aromen, die nicht selten dunkle Fruchtaromen, Blütennoten und eine tiefe Würze in den Mittelpunkt rücken.

Eine Auswahl

Daniele Ricci (Colli Tortonesi): Elso – exzellent, 100% Croatina
Daniele Ricci: Matt – die zugänglichere Version, gleichfalls sehr gut und 100%Croatina (vinonudo)
Vigneto Massa (Colli Tortonesi): Pertichetta
Tenuta Belvedere (Lombardia): Croatina La Coccinea
Castello di Stefanago: Croatina

Cuvées
Lino Maga (Oltrepo Pavese): Barbacarlo – ein Monument, einer der großen Rotweine Italiens
La Stoppa (Piacenza): Macchiona
Andi Fausto: (Oltrepo Pavese): Estro
Podere Paradrolo (Parma): Velius
Solenghi (Piacenza): Gutturnio Riserva Battorossa
Cardinali (Piacenza): Nicchio
Vino del Poggio (Piacenza) Navel Rosso

DAS WEINGUT

Früher lief durch das Val Trebbia, dem laut Ernest Hemingway schönsten Tal der Welt, eine „via del sale“, eine Salzstraße. Verpflegung für die Handelsreisenden gab es unter anderem in Travo, wo die Familie Borri eine Osteria hatte. Das Gasthaus gibt es nicht mehr, geblieben sind allerdings drei Hektar Reben, aus denen Andrea Pradelli, ein Diplomlandwirt, gemeinsam mit seiner Mutter Gabriella Borri ein erstaunlich umfangreiches Sortiment an Weinen keltert.  

Die Weingärten liegen zwischen 400 und 700 Metern, basieren größtenteils auf Kalkmergel (wie in der Steiermark und im Collio) und exponieren sich in Richtung Süden und Südwesten. Die Bewirtschaftung erfolgt fast überall per Hand und ist generell biologisch, wobei man sich nicht zertifizieren lassen will, da im Jahr 2008 die meisten Reben der, von der amerikanischen Rebzikade verbreiteten Flavescenza Dorata zum Opfer gefallen sind, gegen die – im Fall des Falles – nur Insektizide helfen.

Die daraufhin stattfinden Neuauspflanzungen nutzte Andrea, um neben die Klassiker der Region –  Bonarda, Barbera, Malvasia di Candia Aromatica, Ortrugo, Moscato Bianco, Sauvignon Blanc und Trebbiano – auch die aus Bonarda und Barbera gekreuzte Rebsorte Ervi auszusetzen, aus der er mittlerweile den Don Dante, einen intensiv-würzigen und  körperreichen Rotwein keltert.

Im Keller wird grundsätzlich spontan vergoren, nicht filtriert und wenig bis gar nicht geschwefelt. Die Trester werden zu Grappa weiterverarbeitet.

Weine (eine kleine Auswahl, ich kenne bei weitem nicht alle)

Mappale 25: Sauvignon Blanc. Das ist weniger ungewöhnlich, als es scheint. Sauvignon ist in Parma und Piacenza seit gut 200 Jahren zu Hause und macht sich erstaunlich gut. Weniger kräuterig als sonst, dafür gelbfruchtig, straff und konzentriert.

MaSrà: Rifermentato, ergo Zweitgärung in der Flasche. Hauptanteilig Ortugo, unterstützt von ein wenig Malvasia und Sauvignon Blanc. Einige Tage Maischestandzeit, weder geschönt noch gefiltert. Sympathisch, einladend, leicht. Mit ordentlich Säure und schönem Druck am Gaumen.

Zerbina: Malvasia di Candia Aromatica, Moscato Bianco, Sauvignon Blanc. Eine Tage auf der Maische, danach Ausbau über 1 Jahr im Stahltank. Ungefiltert und ungeschönt. Trockenfrüchte, Laub, Zitrus. Gehaltvoll und dicht, dabei jedoch kühl und strukturiert.

Don Dante: gelungenes Experiment. Andrea ist einer der ganz wenigen Winzer weltweit sein, der sich Ervi (was für ein trostloser Name), dieser Kreuzung aus Bonarda und Barbera, ernsthaft annimmt. Nach einem Jahr im Tonneaux ist der Don Dante pfeffrig und rotbeerig, üppig, dicht und konzentriert, ein Monument, kraftvoll und eindringlich.

Tenuta Borri

Andrea Pradelli
loc. Margherita, 29020 Travo PC
info@tenutaborri.it
+39 338 469 3571
www.tenutaborri.it

Cold Facts

Jahresproduktion: ca. 15000 Flaschen
Rebsorten: Ortrugo, Malvasia di Candia Aromatica, Sauvignon Blanc, Moscato Bianco, Trebbiano Romagnolo, Barbera, Bonarda, Ervi
Rebfläche: 3,5 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: nein
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein

 

DAS WEINGUT

Andrea Cervini macht in Statto, am Eingang zum Val Trebbia Wein – einem historischen Ort in önologischer wie auch in militärischer Hinsicht. Von ersterem erzähle ich weiter unter. Von letzterem zeugt der Elefant auf Andreas Flaschenetiketten, ein bildlicher Verweis auf Hannibals Sieg gegen den römischen Konsuls Tiberius Sempronius Longus im Jahr 218 v. Chr. an der Trebbia, einem vom Apennin herabströmenden Nebenfluss des Po. Bei dieser Schlacht vernichtete Hannibal zwar die Armee seines Kontrahenden, gleichzeitig verlor er allerdings auch 36 seiner 37 Kampfelefanten – mit dem letzten sollte er dann triumphal in Arezzo einreiten. 

In önologischer Hinsicht historisch ist die Gegend deswegen, weil hier seit knapp 30 Jahren Giulio Armani seinem Handwerk nachgeht, der – gemeinsam mit Elena Pantaleoni von La Stoppa – die Geschicke der Region fast im Alleingang und ziemlich nachhaltig verändert hat. Armani war es auch, der Cervini dazu animierte, aus den Trauben, die er bis dahin weiterverkaufte, eigene Weine zu keltern, was Andrea schlussendlich von 2006 an auch tat. 

Seine Weine tragen folglich auch ein wenig die Handschrift Armanis und lassen sonst vor allem die Reben und das Terroir des Val Trebbia zu Wort kommen: also Malvasia di Candia Aromatica, aus der er eine eindringliche und fordernde maischevergorene Version keltert, Barbera, die er zu einem geradlinigen und dynamischen Tischwein und Essensbegleiter verarbeitet und Bonarda, aus der er gemeinsam mit Barbera, eine profunde und anspruchsvolle Cuvée fabriziert. Die vier Hektar Weingärten bewirtschaftet er biologisch, die Eingriffe im Keller sind marginal aber nachhaltig: so belässt er Rotweine wie Weißweine auch noch bei der Reifung für drei bis sechs Monate in Kontakt mit den Schalen, um auch wirklich alles, was sich an Phenolen und Aromen darin findet, in seine Weine zu extrahieren.

Vino del Poggio Bianco: Eine eindrucksvolle Widerlegung, dass lange mazerierte Weine nichts von ihrer Umgebung erzählen. Wer die Weine von Denavolo, La Stoppa oder Casè kennt, wird nicht lange zögern und diesen Wein nicht nur in die Emilia, sondern gleich mitten ins Val Trebbia platzieren. Aus Malvasia di Candia Aromatica gekeltert, spontan vergoren und erst nach sechs Monaten abgepresst bietet Andreas Bianco Grip, Struktur und Profil wie ein Nebbiolo, eine profunde aber doch elegante Textur und zudem ein erstaunliches Potpourri an floralen, kräuterigen und gelbfruchtigen Aromen. Ungeschwefelt.

Vino del Poggio Rosso: zur Gänze aus Barbera gekeltert. Spontan im Edelstahl vergoren und danach in großen Holzfässern ausgebaut. Rustikal, mit einer nicht zu unterschätzenden Säure ausgestattet. Fokussiert und puristisch. Rotfruchtig. Pfeffrig. Offen und einladend. Exzellenter Essensbegleiter zu emilianischen Schweinereien. Ungeschwefelt.

Vino del Poggio Navel Rosso: Barbera/Bonarda. Kompromisslos fordernd wie auch seine andere beiden Weine. Kein weichgespültes Allerweltsgetränk, vielmehr ein Beleg dafür, was passiert, wenn man die Inhaltsstoffe einer Traube tatsächlich komplett in den Wein transportiert. Nach dreimonatigem Schalenkontakt und einem einjährigen Ausbau im gebrauchten Barrique bietet der Navel erdige Unterholznoten und dunkle Frucht. Die Struktur ist ausgewogen, wobei es weder an Säure noch an Gerbstoff mangelt. Der Körper ist erstaunlich elegant, der Trinkfluss unbeschwert. Ungeschwefelt. Wie alle seine Weine kann man auch den Navel ohne Bedenken für einige Jahre im Keller vergessen.

Andrea Cervini - Il Poggio

Località Poggio Superiore Statto, 6
29020 Travo (PC)

tel. +39.334.1544810
tel. +39.328.3019720
www.poggioagriturismo.com

Cold Facts

Jahresproduktion: ca. 10000 Flaschen
Rebsorten: Malvasia di Candia Aromatica, Barbera, Bonarda
Rebfläche: 4 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein
Essmöglichkeit: ja

Die Weine von Andrea Cervini gibt es vermutlich nirgendwo im deutschsprachigen Raum, während man sie online aus Italien bei allen größeren Naturweinhändlern (callmewine, decanto, rollingwine, wineyou) bestellen kann.

 

Es gibt Rebsorten, aus denen sich große oder zumindest eindrucksvolle Weine keltern lassen und andere bei denen das nicht geht, die aber trotzdem – sofern sie denn einen Winzer haben, der sie ernst nimmt und versteht – ganz sympathisch sind. Glera, die Rebsorte, aus der Prosecco fabriziert wird, ist dafür vielleicht das beste Beispiel. Grundsätzlich völlig belanglos, bekommt sie in den richtigen Händen, zumindest ein bisschen Charakter. Ortrugo ist auch so eine Sorte. Anders als Glera wollte sie allerdings auch nie im Mittelpunkt stehen, worauf bereits ihr Name verweist: Erstmals erwähnt wurde sie 1881 im ampelografischen Bulletin des italienischen Landwirtschaftsministerium als Altruga, als „altra uva“ – „andere Traube“ – also diejenige, die im Vergleich zu den übrigen Trauben eine Stufe tiefer stand. 

Angepflanzt wurde sie trotzdem. Weniger um ganz für sich alleine vinifiziert zu werden, sondern um die Malvasia di Candia Aromatica – ohne wenn und aber eine große Rebsorte – zu unterstützen und ihre Wucht und ausladende Aromatik mit ein wenig Subtilität und Finesse zu kombinieren. Dafür eignet sie sich blendend und so fließt sie, als delikater und filigraner Partner, in die mitunter wichtigsten orangen Cuvées der Emilia mit ein.

Da die Malvasia di Candia Aromatica fast ausschließlich in den vier, in Richtung Apennin abzweigenden Tälern Piacenzas (Nure, Arda, Tidone und Trebbia) vorkommt, findet man auch Ortrugo, dessen Schicksal an sie geknüpft ist, fast nur dort. Und weil nicht alle Winzer fortwährend Lust haben, substantielle und nachdrückliche Weine zu keltern, sondern sich manchmal auch mit etwas weniger zufrieden geben, wird sie mittlerweile auch gelegentlich ganz für sich abgefüllt: Fast immer prickelnd, um ihre Leichtigkeit, Lebendigkeit und delikaten Aromen zusätzlich zu unterstreichen. Und fast immer als emilianische Antwort auf Prosecco, mit dem sie es, in ihren besten – flaschenvergorenen – Varianten, auch locker aufnehmen kann.

Ein paar reinsortige Ortrugos

Croci: Lubigo Frizzante
Saccomani: Ortrugo Frizzante
Marco Cordani: Ortrugo Terzolo Frizzante
Davide Valla: Dieci Lune Frizzante
Solenghi: Ortrugo Frizzante
Lusenti: Ciano Frizzante

Ortugo als Partner

Denavolo: Dinavolo (bei vinonudo)
La Stoppa: Ageno
Cascinotta di Rizzolo: Cascinotta
Casè: Casè Bianco
Lusenti: Azzi frizzante

DAS WEINGUT

Marco Cordani ist ein Winzer alten Schlages. Bei Verkostungen, zwischen seinen Kollegen, wirkt er wie aus der Zeit gefallen, ruhig, zurückhaltend und nur dann gesprächig, wenn es um seine Arbeit geht. Die erledigt er seit frühester Jugend tagtäglich nahe der kleinen Ortschaft Carpaneto Piacentino in den Montine di Celleri, wo er die sechs Hektar Weingärten pflegt, die sein Urgroßvater Angelo und sein Großvater Benvenuto angelegt haben. Abgesehen von einem kurzen Intermezzo als Schiffsbauer hat sich Marco Zeit seines Lebens um die Familienreben gekümmert, die sich mit Ausnahme einer kleinen Parzelle Syrah aus den klassischen Sorten des Piacentino zusammensetzen: Barbera und Bonarda (alias Croatina) machen die rote Fraktion aus, Malvasia di Candia Aromatica, Moscato Bianco, Ortrugo und Trebbiano stehen für die weißen und orangen Vinifikation zur Verfügung.

In die Flaschen kommen neben drei Stillweinen (Oracolo, Apogeo & Perigeo) drei Frizzante, die der Tradition entsprechend nach einer Erstgärung in der Flasche mit einem noch vorhandenen Restzuckergehalt überwintern (die Hefen stellen bei entsprechend niedrigen Temperaturen ihre Arbeit ein) und im Frühjahr bereits in die Flasche gefüllt, fertig gären. Der komplette Vinifikationsprozess läuft nach altem Vorbild ab, das heißt, dass weder Reinzuchthefen verwendet werden, noch filtriert oder am Ende der Zweitgärung degorgiert wird. 

Es ist nicht so, dass Marco sich Innovationen völlig verschließen würde – er besucht mehrmals im Kurse und saugt das, was ihn weiterbringt und seiner Konzeption von Wein nicht widerspricht interessiert auf. Manchmal probiert er auch Sachen aus, die er dann wieder bleiben lässt. Mit Reinzuchthefen konnte er sich beispielsweise nicht anfreunden. Er fand den völlig problemlosen Gärverlauf irritierend und das Geschmacksbild seiner Weine austauschbar, banal und identitätslos. Kurz, er erkannte sie nicht wieder und kehrte folglich gleich im nächsten Jahr wieder zu seiner altbewährten Herangehensweise zurück. 

Wer direkt bei ihm vorbeifährt, bekommt auch noch – gleichfalls eine langgehegte und sehr sympathische Tradition honorierend – Weine direkt vom Fass.

Die Weine

Gutturnio Magia Frizzante: Sprudelnde Cuvée aus Bonarda und Barbera, die nach sechstägigem Schalenkontakt spontan vergoren werden. Fantastischer violetter Schaum, dunkle Beerenaromen, würzig, kräftiges Tannin, zupackende Säure, lebhafte Perlage. Profund und doch erfrischend. Passt bestens zu den klassischen Schweinereien aus der Emilia (Prosciutto, Salami).

Labaia Frizzante: Blend aus Malvasia di Candia Aromatica, Ortrugo, Trebbiano und Moscato Bianco. Dreitägiger Schalenkontakt. Mundfüllend und dicht, eindringlich und fordernd, mit gelben Fruchtaromen und spürbaren Kräuternoten. Hat Kraft und Energie. Der Gerbstoff lenkt, die Säure versprüht Dynamik. Sehr, sehr gut.

Ortrugo Terzolo Frizzante: Nach einem unter dem Weingarten dahinlaufenden Bach benannt. Das Gegenteil des Labaia. Subtil und filigran. Zurückhaltend. Von feinen Blütennoten und delikater weißer Frucht geprägt. Schlank und elegant. 

Oracolo: Aus den gleichen Rebsorten wie der Labaia vinifiziert. Wurde gleichfalls, und wie fast immer, wenn Malvasia di Candia Aromatica im Spiel ist, ein paar Tage auf den Schalen belassen. Und das spürt man auch. Die Aromen sind intensiv und nachhaltig und Gerbstoff und Säure machen Druck. Hat Länge und Kraft.

Perigeo: Cuvée aus hauptsächlich Barbera und ein wenig Bonarda. Einmonatiger Schalenkontakt. Danach ein Monat über in Zementzisternen. Massiver Körper, intensive Aromatik. Viel dunkle Frucht und Würze. Dank der, der Barbera stets innewohnenden Säure geradlinig und direkt. Dicht und fokussiert am Gaumen.  

Marco Cordani

Loc. Montine – Celleri
29013 – Carpaneto Piacentino (PC)
Telefono 334-1480999
e-mail: info@marcocordani.it
www.marcocordani.it

Cold Facts

Jahresproduktion: ca. 12000 Flaschen
Rebsorten: Malvasia di Candia Aromatica, Ortrugo, Moscato Bianco, Trebbiano, Barbera, Bonarda
Rebfläche: 6 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein
Mitgliedschaft: Emilia sur li

Die Weine von Marco Cordani gibt es vermutlich nirgendwo im deutschsprachigen Raum. Online aus Italien erhält man sie bei www.decanto.it

 

DAS WEINGUT

Bei Claudio Campaner kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Der junge Mann, der 2017 seinen Job in Mailand an den Nagel gehängt hat, um seinen landwirtschaftlichen Betrieb „Distina“ zu gründen, verschreibt sich nicht nur dem Wein – er ist auch Schnapsbrenner und ein sehr guter noch dazu.

Geplant hat er sein Projekt Distina schon ein paar Jahr davor, als er sich einen Hektar Rebland in Bacedasco Alto nahe Piacenza kaufte und bei Vittorio Capovilla, einem der besten Brenner Italiens in die Lehre ging. 

Der Hektar Reben, den er sich besorgte und aus dem er heute zwei Frizzante (metodo ancestrale) vinifiziert, wurde 1980 gepflanzt und ist mit einem Sammelsurium autochthoner Sorten bestockt. Neben der rund um Piacenza omnipräsenten Malvasia di Candia aromatica wachsen darin auch Moscato bianco, Marsanne, Barbera und Bonarda. 

Gleich am ersten Tag stellte Claudio die Weingärten auf biologische Bewirtschaftung um. Die Kultivierung der Reben wie auch der mittlerweile hinzugekommenen Obstbäume basiert auf akribischer Handarbeit. Er tendiert zum Perfektionismus, macht folglich alles selbst, beobachtet viel und hat sich im freien wie auch im Keller der Prinzipien der Naturweinbewegung verschrieben.

Die beiden Weine werden nach der metodo ancestrale vergoren, das bedeutet, dass sie noch während der Gärung – bei ca. 25g/Restzucker – in die Flasche gefüllt und darin fertigvergoren werden. Die abgepressten Traubenschalen verwendet er für die Destillation zu Grappa. 

Für das kommende Jahr hat Claudio zudem die Vinifikation von zwei Stillweinen und die Destillation von Bränden aus alten Obstsorten geplant.

Die Weine

Bason: Assemblage aus Barbera und Bonarda, den beiden roten Klassikern der Region. Ungeschönt und ungefiltert, vital und dynamisch. Fleischig, saftig. Ganz dunkle Frucht. Hat Power, nicht zu knapp Säure und Gerbstoff. Macht ordentlich Dampf in Richtung Gaumen.  

Ambra: Malvasia di Candia Aromatica, Moscato Bianco und Marsanne auf den Schalen vergoren. Hat Körper und Charakter, Kraft und Eleganz. Ist dichtgewoben, druckvoll und dank der erstgenannten Rebsorten aromatisch mit einer Tendenz zum Gelbfruchtigen und Floralen. Sehr gut.

Distina

Case Sparse Spedale, 24
Bacedasco Alto – Castell‘Arquato (PC)
Tel:3484294260
info@distina.it

Cold Facts

Jahresproduktion: ca. 5000 Flaschen
Rebsorten: Barbera, Bonarda, Malvasia di Candia aromatica, Moscato bianco, Marsanne
Rebfläche: 2 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein
Weitere Produkte: Grappa, Obstbrände (top)

Die Weine von Distina gibt es bei der Enoteca Galli (verschickt in den deutschsprachigen Raum)

DAS WEINGUT

Die Gegend rund um Piacenza ist eine wenig bekannte und ziemlich unerschöpfliche Fundgrube für Freunde handwerklich produzierter Weine. Sie hat mit der Malvasia di Candia Aromatica eine der spannendsten weißen Rebsorten Zentralitaliens zu bieten und mit Ortrugo eine zweite, die gerade dabei ist, ihrem Potenzial gerecht zu werden. Mit dem Gutturnio findet man eine adäquate Antwort auf den Lambrusco und nimmt sich zudem die Freiheit, Barbera und Bonarda (alias Croatina), die beiden dafür verwendeten Sorten auch still auszubauen. Mit Giulia Armani und Elena Pantaleoni von La Stoppa gibt es zwei überragende Persönlichkeiten, die seit mittlerweile drei Jahrzehnten einen – weit vom Mainstream entfernten – Weg weisen und zeigen, was in den zum Apennin hinauflaufenden Tälern alles möglich ist.

2014 haben die beiden Geschwister Luca und Claudia Saccomani gemeinsam mit ihren Familien begonnen, genau diesen Weg einzuschlagen. Im Val d’Arda, genauer in Diolo, haben sie in den letzten Jahren ihre insgesamt 12 Hektar Weingärten offiziell biologisch zertifiziert und damit begonnen ihre Weine auch über die Dorfgrenzen hinaus zu vermarkten. Wobei sie im Grunde genommen genau die auf Handarbeit  und Nachhaltigkeit beruhenden Ideen weiterführen, die schon ihre Eltern konsequent umsetzten. 

Mit Ausnahme des Rosso dei Baroni werden alle ihre Weine nach der Erstgärung im Stahltank ein zweites Mal in der Flasche vergoren – was, je nach Intention zu einer leichten oder etwas stärkeren Perlage führt, die den Weinen Vitalität und Energie verleiht.

So nachhaltig der Ansatz im Weingarten ist, so unverfälscht und naturbelassen ist er auch im Keller. Jenseits der ohnehin notwendigen Eingriffe hält man sich zurück, verzichtet auf Schönungen und Filtrationen und bleibt bei den Schwefelungen stets unter 25mg/l.  

Die Weine

Gutturnio: Der Klassiker des Hauses, ein Rifermentato aus Barbera und Bonarda. Wird nach einer achttägigen Maischegärung abgepresst, kurz zur Stabilisierung in Stahltanks gefüllt und danach in der Flasche ein zweites Mal vergoren. Dunkelfruchtiger und würziger als die meisten Lambrusco geizt er nicht mit Säure und Tannin und sollte auch über Jahre hinweg eine positive Entwicklung nehmen. 

Rosso dei Baroni: Assemblage aus Barbera, Bonarda und einem kleinen Anteil Merlot. Bleibt für 20 Tage auf der Maische und landet danach für 18 Monate zur Reifung in Zement und gebrauchten Barriquefässern. Strukturiert, dynamisch und mit ordentlich Power baut er vor allem auf reifen roten Früchten und intensiver Würze. 

Ortrugo: Ortrugo ist – sofern man sie sofort abpresst – delikat und fein und das spürt man auch in diesem Rifermentato. Die Aromen sind vor allem von Blüten und weißen Fruchtnoten geprägt. Der Körper ist schlank und elegant und der Trinkfluss dynamisch und vital. Einfach aber schön zu trinken.

Monterosso: Die klassische weiße Cuvée der Region. Protagonistin ist darin die Malvasia di Candia aromatica, unterstützt wird sie von Ortrugo, Marsanne und Trebbiano. Dank der Malvasia ist sie aromatisch, ohne dabei zu intensiv zu werden. Der Körper ist strukturierter und gehaltvoller als beim Ortrugo, die Perlage ist fein, die Säure geradlinig und präsent.

Marie-Luise: Rifermentato aus Marsanne. Die eigentlich von der Rhone stammende Sorte wurde im beginnenden 19. Jahrhundert mit den napoleonischen Truppen in die Emilia gebracht und fand hier eine zweite Heimat. Cremig. Weiße Blüten. Mandelnoten. Sprudelt sympathisch und vital über den Gaumen.

Die Weine kosten ca. € 10. Im deutschsprachigen Raum gibt es sie meines Wissens nicht, in Italien finden sie sich bei https://www.dolce-vite.com/ortrugo-2018-saccomani.html

Saccomani

Loc. Diolo Croce
Lugagnano val d’Arda (Piacenza)
0523 891718
Giuseppe 389.1858954
Luca 392.6099772
Claudia 393.3960312
E-mail: mail.saccomani@gmail.com
www.saccomanivini.it

Cold Facts

Jahresproduktion: ca. 30000 Flaschen
Rebsorten: Barbera, Bonarda, Merlot, Malvasia di Candia Aromatica, Ortrugo, Marsanne, Trebbiano
Rebfläche: 12 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja, organisch
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein
Mitgliedschaft: vinnatur

DAS WEINGUT

Kampanien ist Vulkanland. Mit Ausnahme der südlichen Küstenregionen wachsen die Reben quasi ausnahmslos auf Basalt, Tuff und Asche. In den Campi Flegrei genauso, wie in Ischia, am Vesuv, in Taurasi, Irpinia und Roccamonfina. Letztere bezeichnet eine Gruppe erloschener Vulkane an der Grenze zwischen Latium und Kampanien mit dem kleinen Ort Galluccio als Zentrum, der gleichzeitig eine eigene DOC ist.

Genau dort hat die 1965 gegründete Masseria Starnali ihre Weingärten. Seit jeher biologisch bewirtschaftet, ruht die Philosophie von Maria Teresia di Biasio, der Besitzerin des Weinguts, auf drei stabilen Säulen: zum einen geht es ihr darum, den vulkanischen Ursprung auch in den Weinen wahrnehmbar zu machen, zum zweiten um die adäquate Interpretation ihrer drei Rebsorten – Aglianico, Piedirosso & Falanghina und zu guter Letzt um das Thema Nachhaltigkeit. Und da Maria  Teresia eine energische und ihren Prinzipien treue Person ist, setzt sie alle drei Grundsätze auch konsequent um. 

Die Kellerarbeit ist wie auch die im Weingarten auf größtmögliche Nichtintervention und präzise Beobachtung fokussiert. Die Gärung startet spontan und läuft sowohl bei den Weißweinen wie auch den Rotweinen ohne Temperaturkontrolle ab. Es wird nicht geschönt, gelegentlich grob gefiltert und der Einsatz von SO2 reduziert sich auf eine Minimum. 

Maria Teresia keltert (mittlerweile unterstützt von ihrem Sohn Luigi) insgesamt nur drei Weine, die ich immer sehr mochte. Sie haben alle eine, vermutlich auch dem Terrain geschuldete Stoffigkeit und Weichheit und entwickeln doch zum Gaumen hin Druck und Elan. Der Aglianico ist weniger intensiv als seine wesentlich berühmteren Interpretationen aus Taurasi, was ich eher als Vorteil ansehe.

Die Weine

Maresa: 100% Falanghina, einer steinalten, wenn richtig verarbeitet richtig guten Rebsorte. Das passiert zugegebenermaßen selten. Maria Teresa verwandelt sie in einen einfachen aber lebhaften und doch auch stoffigen Wein, bei dem gelbe Fruchtaromen und delikate florale Noten den Ton angeben. 

Santo Sano: 85% Aglianico, 15% Piedirosso. Wie auch der Maresa im Stahltank ausgebaut. Der Inbegriff dessen, was man gemeinhin als ehrlichen Wein versteht, der allerdings, im Gegensatz zu diesem, so gut wie nie ehrlich ist. Kombiniert ohne Fehl und Tadel Frucht, Säure und Tannin zu einem ausgewogenen Ganzen. Der ideale vino da tavola.

Conte di Galluccio: 100% Aglianico. Das unbestrittene Meisterwerk von Maria Teresa und Luigi und dabei auch eine vergleichsweise günstige Version der besten süditalienischen Sorte (ohne die Inseln). Massiv und vibrierend. Hat die Statur eines großen Weines. Duftig, dicht und druckvoll. Mit zupackendem Gerbstoff, einem festen Körper, einer ausladenden Aromatik und ordentlich Zug über den Gaumen. 

Masseria Starnali

Via Masseria Starnali, fraz. Sipicciano
81044 Galluccio (CE).
Tel: 333 9830957.
e-mail: masseriastarnali@libero.it
www.masseriastarnali.it

Cold Facts

Jahresproduktion:
Rebsorten: Aglianico, Piedirosso, Falanghina
Rebfläche: ein paar Hektar
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja, organisch
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: nein

Die Weine der Masseria Starnali gibt es meines Wissens nirgendwo im deutschsprachigen Raum. Online (aus Italien) erhält man sie bei si-wines.

 

DAS WEINGUT

Pian di Stantino ist eigentlich ein kleiner Agriturismo mit Campingmöglichkeiten und einem angeschlossenen Restaurant, in dem man vorzüglich isst und trinkt. Nahe Tredozio, am Eingang des Parco delle Foreste Casentinesi, hoch oben im romagnolischen Apennin gelegen, bietet er die Art von Tourismus, die selbst in tristen Covidzeiten möglich sein sollte: ziemlich alleine durch Wälder wandern und in Ruhe und mit ausreichend Abstand voneinander gut essen und trinken. 

Dass Letzteres mittlerweile allein schon ein Grund ist nach Tredozio aufzubrechen, verdankt sich vor allem Andrea Peradotto, einem gelernten Önologen, der 2016 gemeinsam mit seinem Bruder Martino, dem Inhaber des Agriturismo, begann, alte Weingärten der Umgebung wieder instandzusetzen und ein paar neue auszupflanzen. Die Bewirtschaftung ist seit der ersten Stunde biologisch, der Anspruch der, dem vitikulturell etwas vernachlässigten Territorium südlich von Forlì wieder eine Stimme zu geben.

Im Mittelpunkt steht dabei Sangiovese, die klassische rote Rebsorte der Romagna, die Andrea zu zwei, recht unterschiedlichen Versionen verarbeitet. 

Weine

Ridacchio: stammt von quer über den Berg verstreuten Weingärten mit alten Reben. Spontan und ohne Temperaturkontrolle vergoren, in Zement ausgebaut und ungefiltert abgefüllt, ist der Ridacchio elegant, subtil, fein strukturiert, dynamisch und im Grunde genauso wie man sich (oder ich mir) Sangiovese vorstellt. Das Tannin ist griffig, die Säure erstaunlich weich, die Frucht klar aber im Hintergrund und unterstützt von floralen Noten.   

Der Pian ist eine Sangiovese-Interpretation eines einzelnen Weingartens und wie der Ridacchio spontan in  einer Zementzisterne vergoren. Gewichtiger und üppiger und etwas dunkler in der Frucht hat er nicht ganz die Spannung und Ausgewogenheit des Ridacchio, steht aber vielleicht sogar noch exemplarischer dafür wie Sangiovese in den Mergel- und Tonböden des romagnolischen Apennins ausfällt.

Bezugsmöglichkeit: Beide Weine gibt es vorerst nur ab Hof. Der Ridacchio kostet €11,50, der Pian einen Euro weniger. Innerhalb Italiens verschickt Andrea, über die Landesgrenzen hinweg sollte das auch kein Problem sein. 

 

Pian di Stantino

Agriturismo Pian di Stantino Tredozio
47019 Forlì-Cesena
Telefono: 0546 943539
Email: info@piandistantino.it
www.piandistantino.it

Cold Facts

Jahresproduktion: ein paar Tausend Flaschen
Rebsorten: Sangiovese
Rebfläche: 2-3 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung.
Wohnmöglichkeit: ja
Restaurant: ja

 


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