…obwohl ich lieber lang und mit all der Begeisterung und dem Respekt, den ich dafür empfinde, darüber schreiben würde. Ein anderes Mal. Also: Wie im übrigen Italien waren auch in der Pianura Padana und im emilianischen Apennin erst Ziegen und Schafe die Tiere zur Milchgewinnung und Käseproduktion. Das sollte sich um die erste Jahrtausendwende ändern, als die Klöster der Umgebung Innovationen in der Landwirtschaft initiierten und sukzessive Kühe das Kommando auf den Weiden übernahmen.

Auch wenn es heute unmöglich scheint einen genauen Zeitpunkt für die Herstellung der ersten Parmesanlaibe auszumachen, dürften die ersten diesbezüglichen Versuche bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. 1348 jedenfalls sprach Boccaccio im Decamerone von einem Parmesanberg („In una contrada, che si chiamava Bengodi… eravi una montagna di formaggio Parmigiano grattugiato, sopra alla quale stava genti che niuna altra cosa facevan, che fare maccheroni, e raviuoli, e cuocergli in brodo di capponi” – in einem Ort namens Bengodi… erhob sich ein Berg aus geriebenem Parmesan, auf dem die Menschen nichts anderes taten, als Maccheroni und Ravioli herzustellen und sie ihn Hühnersuppe zu kochen.) und seit damals bestimmt der Käse die Geschicke der Region.

Die Region: das waren über lange Zeit die Hügel zwischen Parma und Reggio Emilia, wobei sich im Laufe der Jahre und Jahrhunderte zunehmend auch noch die Dörfer rund um Modena und Bologna seiner Herstellung annahmen (und heute das eigentliche Herz der Parmesanproduktion bilden). Die Stadt, die sich bis heute als Geburtsort feiern lässt und auch mit einem nicht unbedeutendem Monument an der Ortseinfahrt auf seinen Status verweist, ist Barco di Bibbiano, doch ziehen sich quer durch das Land sogenannte Caselli, alte hexagonale und meist in hellblau (die Farbe, die einst mit Hirten und Bauern assoziiert wurde) gehaltene Produktionsstätten, deren spezielle Form sich der dadurch ermöglichten Luftzirkulation verdankte.

Die Milch stammt heute vorwiegend von Holstein-Kühen, eine, wie Wikipedia meint, großrahmige Hochleistungskuh mit genetischer Ausrichtung auf Milchproduktion. Das war, wie es der Namen andeutet, nicht immer so. Noch bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts trieben sich auf den Weiden und in den Ställen 140000 Rinderviecher der Rasse Bianca Modenese herum, die zwar exzellente Milch lieferte, nach dem zweiten Weltkrieg allerdings trotzdem ihr Standing verlor. Und das gleich im doppelten Sinne: zum einen vertrauten die Bauern nur mehr bedingt auf die Muskelkraft der Bianca Modenese und leisteten sich stattdessen verständlicherweise immer öfter Traktoren und zum anderen setzte man auf die schiere Quantität der friesischen Kühe (bis zu 50 Liter pro Tag) statt auf die Qualität der einheimischen Bianca m. (zwischen 18 und 25 Liter/Tag). Das führte in nur wenigen Jahrzehnten dazu, dass sie fast völlig von der Bildfläche verschwand und Anfang 2000 nur noch ein paar hundert Exemplare davon übrig waren. Heute sind es unwesentlich mehr und insgesamt sind mir gerade einmal drei Produzenten bekannt, die aus ihrer Milch noch Parmesan daraus machen (dafür aber auch die mitunter besten – Massimo Bottura, Chef der legendären Osteria Francescana bezieht seinen Parmesan von Rosolà, einer hoch im Apennin gelegenen Käserei eine Stunde südlich von Bologna). Daneben gab und gibt es auch noch die Vacche rosse reggiana, die roten Kühe von Reggio, die zwar unter Liebhabern nicht die gleiche Reputation wie die Bianca modenese genießen, die man heutzutage allerdings wesentlich öfter als die Bianca modenese findet und aus deren Milch man ebenfalls exzellenten Parmesan käst.

Wenn ich mich recht erinnere, habe ich gelesen, dass es heute gut 700 Parmesan-Produzenten und um die 300000 Kühe gibt. Bei all dem Parmesan, der allein in Italien verbraucht wird, scheint mir das auch notwendig.

Produzenten von Parmesan aus der Milch der Bianca modenese

Santa Rita (bio-zertifiziert)
Rosolà
Agriturismo Tizzano

weitere Milch & Fleischproduzenten sowie ein paar Informationen zu der alten Rinderrasse finden sich auf www.consorziobiancamodenese.it/

Die Bianca modenese findet sich unter den Presidi von SLOW FOOD.

Weitere Produzenten (bisweilen hoch oben im Apennin)

Nuova Martignana: (Vacca rossa reggiana)
Reggiani (Bio): Via Francesco Baracca, 6, 41013 Castelfranco Emilia
Hombre (Bio): Am Stadtrand von Modena gelegen – im Eigentum der Panini (Fussballpickerl) Family, die ihr Hauptquartier in Modena hat

Casearia Val del Dolo: 36 Via Chiesa Romanoro, Romanoro
Caseificio Rio San Michele: Via Giardini Sud, 327, 41026 Pavullo Nel Frignano

FalestarPignoletto erinnert in vielerlei Hinsicht an Welschriesling. Multifunktional und anspruchslos keltern 98% der Winzer daraus uninteressante und belanglose Weine, deren einzige Vorteile darin bestehen, dass sie billig sind. Pignoletto wie auch Welschriesling dienen als Basis für simple Stillweine, simple Schaumweine und simple Süßweine. Doch immer dann, wenn man glaubt, mit der Sorte endgültig abgeschlossen zu haben, melden sich die 2% zu Wort. Judith Beck beispielsweise mit ihrem Welschriesling Bambule oder aber Flavio Cantelli und Antonio Ognibene mit gleich mehreren exzellenten Pignolettoversionen.

Pignoletto ist genetisch identisch mit Grecchetto di Todi, einer in Umbrien weitverbreiteten Sorte, hat sich jedoch im Laufe der Jahrhunderte in den Colli Bolognesi (und in geringerem Ausmaß in den Colli di Rimini) zu einer Varietät mit eigenständigen Attributen entwickelt hat. Im Normalfall (98%) bedeutet das, dass man es mit unkomplizierten und leichten Weinen zu tun hat, die sich dank hoher Säure auch bestens für Schaumweine eignen und für gewöhnlich ein paar Blütennoten mit Zitrusaromen vereinen.

Die Ausnahmen wiederum verdeutlichen, dass man in den richtigen Lagen, mit niedrigen Erträgen und entsprechender Bewirtschaftung und Vinifizierung aus Pignoletto auch Weine keltern, die Substanz mit Struktur und Vielschichtigkeit mit Tiefe verbinden. Der Bosco von Flavio Cantelli von der Azienda Bortolotti beispielsweise hat nicht nur Kraft, Textur und Dynamik sondern auch eine Bandbreite an Aromen, die den bereits erwähnten Noten auch noch reife gelbe Frucht und eine feine Würze hinzufügt. Sein Mamolo ist einen Tick leichter, schlägt allerdings sonst in dieselbe Kerbe.

Antonio Ognibene von Gradizzolo geht noch einen Schritt weiter. Zwei seiner drei Pignoletto werden mit derselben Intention wie diejenigen von Flavio Cantelli vinifiziert, ein dritter landet allerdings in der Amphore, wo die dicken Schalen der Sorte für eine zwar zupackende aber auch einladenden Gerbstoffstruktur sorgen und zunehmend rotbeerige und erdige Noten den Ton angeben. Weitere spannende Beispiele gibt es von Orsi (vor allem der frizzante), Erioli und Gianluca Allegro.

WEINE

Azienda Bortolotti: Bosco
Azienda Bortolotti: Mamolo
Azienda Bortolotti: Falestar (Frizzante)
Orsi: Sui Lieveti (Frizzante)
Erioli: Badianum
Gradizzolo: Bersot 1933
Gradizzolo: Le Anfore

Claudio Plessi ist eine der großen Figuren im biologischen Weinbau der Emilia. Das wissen selbst in der Emilia die wenigsten, was vor allem daran liegt, dass Claudio zwar seit den 70er Jahren immer wieder große Projekte initiiert, sich dabei aber selbst weitgehend zurücknimmt. Folglich sind wir uns erst vor kurzem bei einer dem Lambrusco gewidmeten Verkostung in Vignola erstmals über den Weg gelaufen, wo er eine Handvoll sprudelnder Weine ausschenkte, die sich nicht nur qualitativ von denjenigen der anderen unterschieden. Auch was er einschenkte, sprengte den üblichen Kanon.

Wir starteten mit dem Ruzninteina, einem reinsortigen Ruggine, zu Deutsch „Rost“, einer alten Sorte aus dem Modenese, die ihren Namen ihrer tieforangen Farbe verdankt und nach Trockenfrüchten, Heu und Hefe schmeckt; machten mit dem Sparglàta, einem 100%igen Spergola weiter und krönten die erste Runde mit dem Tarbianein, seinem brillanten, ein wenig barocken, duftigen und mundfüllenden Trebbiano di Spagna.

Zwar pflegt Claudio – wie es sich für die Gegend gehört – die Tradition moussierender Weine, doch belässt er es bei all seinen Weinen bei einem feinen Prickeln, das zwar, ähnlich dezent wie der Winzer, im Hintergrund für Struktur sorgt, anderen Attributen (Aroma, Säure & Textur) allerdings die Bühne überlässt.

Die zweite Runde läutete Claudio mit dem Tàsca Rosato ein. In Rebsorten übersetzt bedeutet das Uva Tosca, in Aromen Kirschen und Unterholz. Uva Tosca ist eine seit ein paar hundert Jahren im emilianischen Apennin beheimatete Sorte, die sich kälte- und frostresistent bis auf 700 Meter hinaufzieht und filigrane, unbeschwerte und aromatisch subtile Weine ergibt, vorausgesetzt man keltert sie so wie Claudio (Vittorio Grazianos exzellenter Smilzo ist ein weiteres Beispiel). Danach wurde es dunkelrot und das heißt in dieser Ecke Italiens Lambrusco grasparossa, die intensivste, kräftigste und forderndste der vielen Lambruscovarianten. Claudios Interpretation macht diesbezüglich keine Ausnahme. Das Tannin ist präsent aber fein, die Aromen sind dunkel (Beeren, Balsam, Erde) und die Struktur ist klar und animierend. Der Wein heißt übrigens Tiepido, eine Referenz an den kleinen Bach, der an seinem Weingarten in Castelnuovo Rangone vorbeifließt und dafür mitverantwortlich ist, dass Claudio auch in den heißesten aller Sommer (2017) nicht bewässert.

Die dritte Runde nahmen wir dann bei Flavio Cantelli in Angriff, dem Eigentümer des Weinguts Maria Bortolotti. Claudio und Flavio bilden eine Art Winzerkollektiv, wobei sie nicht nur die gleichen Ideen vertreten (beide haben die Carta degli intenti dei Vignaioli Arigianali Naturali unterzeichnet), sondern sich auch einen Keller teilen. Was sich allerdings unterscheidet sind die Rebsorten und die Region. Flavios Weingut in Zola Pedrosa befindet sich zwar nur 15 Kilometer von Claudios Weingarten entfernt, doch ist man dort bereits in den Colli Bolognesi und folglich in einer zwar topographisch ähnlichen, ampelographisch allerdings völlig anderen Welt. Flavios wichtigste Sorte ist Pignoletto und statt Lambrusco und Uva Tosca hat er Barbera, der in den bolognesischen Hügeln bereits seit dem 12. Jahrhundert dokumentiert ist und aus dem er einen der besten Rotweine der Emilia keltert – doch davon ein andermal.

Die dritte Runde eröffnete Claudio mit dem Tarbian, seines Zeichens Trebbiano modenese und einer seiner allerbesten und den ausnahmslos sehr guten Weinen. Der Tarbian bleibt als einziger Weißwein für ein paar Tage auf der Maische (Claudio meint, die Sorte verlange danach), was ihm – laut Claudio – zusätzlich Struktur, Substanz und Aromen gibt. Er ist weich und rund, mit einer feinen Perlage und einem Aromaprofil, das Platz für Blüten, Zitrusfrüchte, Salz und Hefe lässt. Unter all den raren Sorten, die wir sukzessive durchprobieren, ist dann auch eine dabei, die noch rarer ist, als alle anderen zuvor und von der Claudio meint, dass er wohl weltweit der Einzige wäre, der sie vinifizieren würde. Der Caveriòl ist zu 100% Festasio, Rot und elegant, mit feinen Tanninen, milder Perlage, reifer roter Frucht und, wie so oft bei ihm, einem erdigen Unterton. Das letzte Wort in der dritten Runde gehört aufs Neue einem Lambrusco: diesmal der Spielart aus Fiorano, dem Ort, wo von Zeit zu Zeit Formel I Boliden die Weingärten beschallen. Der Lambruscaun ist dunkel und fleischig, ein wenig bitter und vielleicht der einzige unter Claudios Weinen, der in einer Cuvèe besser aufgehoben wäre. Doch das widerspräche seiner Idee, die Bandbreite und den Charakter marginalisierter Rebsorten aufzuzeigen – wie eigenwillig sie auch bisweilen sein mögen..

Die vierte Runde trugen wir vor kurzem in Claudios Weingarten aus – zwischen dunklen, reifen Trauben und ganz ohne Wein. Dafür erzählte mir Claudio von seinem Leben als Winzer, dass 1958 als Sechsjähriger begann, als seine Eltern einen ersten Weingarten (Belussi) kauften und er in der Bütte mit den Füßen über die Beeren stampfte. Damals verkaufte man den Großteil der Trauben noch an die Genossenschaft in Settecani und kelterte aus dem Rest Flaschen für den Hausgebrauch.

Mit 18 verabschiedete er sich fürs erste vom tagtäglichen Landleben, studierte in Reggio Emilia Landwirtschaft und forschte danach in Parma und Piacenza weiter. Nicht nur über Wein, sondern auch über alte Olivenarten in der Emilia (die ihn bis heute intensiv beschäftigen), autochthone Kirschensorten und über Hühnerrassen rund um Modena. Daneben blieb noch ausreichend Zeit um sich politisch dort zu positionieren, wo das Herz schlägt, aktiv in der Arbeiteravantgarde mitzuarbeiten und Präsident des Radio Cooperativa Modenese, einem Piratensender zu werden. Bereits als Professor für Landwirtschaft wurde er einer der Vorreiter der biologischen Bewegung der emilia und war 1987 einer der Gründerväter von Il Salto, einem Konsortium biologisch und biodynamisch produzierender Landwirte.

1986 übernahm er den 1958 gepflanzten Hektar, 2004 pflanzte er dann in die Ebene rund um sein Elternhaus 3,5 Hektar mit jenen Reben, die heute das Fundament für seine einmalige Serie an Schaumweinen bilden. Sämtliche Reben stehen in der Ebene, auf einem Gemisch aus Ton und Kalk, über das sich eine feine Sandschicht gelegt hat. Zwischen den Rebzeilen wächst, was wachsen will, gewipfelt wird grundsätzlich nicht, das gelegentliche Zuviel an Blätter entfernt er manuell. Die Lese ist für emilianische Verhältnisse spät, doch weiß er um die Qualität und Resistenz seiner Trauben.

Im Keller läuft alles nach eingespielten Regeln ab. Die Weine werden, je nach Sorte, gar nicht, kurz oder etwas länger mazeriert, spontan vergoren und ohne Temperaturkontrolle in Stahltanks ausgebaut. Gefiltert wird nicht, geschwefelt schon (ca. 30mg/l) Die Zweitgärung findet in der Flasche statt, degorgiert wird nicht.

Claudios Mission ist noch nicht zu Ende. In den letzten Jahren pflanzte er noch eine weitere Sorten aus (Grappello), mit der er demnächst sein ohnehin schon imposantes Sortiment weiter vergrößern wird. Einer fünften Runde steht also nichts im Wege.

Ps: Claudio Plessi tritt seit kurzem auch gelegentlich öffentlich in Erscheinung: beispielsweise schenkt er seine Weine bei der großen Kulturweinverkostung in Fornovo und bei den Zusammenkünften von Emilia sur li aus und wer weiß, vielleicht wird es seine Weine auch irgendwann im deutschsprachigen Raum zu kaufen geben. Lohnen würde es sich allemal.

Claudio Plessi
Stradello Monari 11, Castelnuovo R. (MO)
Telefono: 366.3955807
E-mail: claudioplessi@gmail.com

WEINE

Ruzinteina (Ruggine)
Tarbianein (Trebbiano di Spagna)
Tarbian (Trebbiano modenese)
Sparglata (Spergola)
Tàsca rosato (Uva tosca)
Tiepido (Lambrusco grasparossa)
Caveriòl (Festasio)
Lambruscaun (Lambrusco di Fiorano)
Sgavàta (Sgavetta)

Die Preise der Weine liegen zwischen € 9 und € 16 (2017)

Claudio Plessi ist Unterzeichner der Carta d’intenti dei Vignaioli Artigianali Naturali  und Mitglied bei Emilia sur li.

Jahresproduktion: ca.15000 Flaschen
Rebsorten: Trabbiano di Spagna, Trebbiano modenese, Spergola, Ruggine, Lambrusco grasparossa, Lambrusco di Fiorano, Sgavetta, Festasio, Grappello, Uva Tosca
Rebfläche: 4 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja, alle paar Jahre
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja – am Weingut Bortolotti und nach Voranmeldung
Wohnmöglichkeit: nein

Podere Cervarola
Via per Castelvetro/Villabianca

WEINE

Rondinina (rosato frizzante – Lambrusco Grasparossa)
Cenerino (rosso frizzante – Lambrusco Grasparossa)

Jahresproduktion: ca.4000 Flaschen
Rebsorten: Lambrusco Grasparossa, ausgepflanzt wurden zudem Trebbiano modenese, Trebbiano di Spagna und Occhio di gatto
Rebfläche: 1 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: nein
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Andrea della Casa gehört zu jener mutigen Truppe an Winzern, die ihren alten Job an den Nagel gehängt und ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht haben. Nach Jahren als technischer Zeichner hat sich Andrea nochmals auf die Schulbank gesetzt, Landwirtschaft studiert, um sich danach – gemeinsam mit seiner Partnerin Raffaella Caselli einen Hektar Land an der Peripherie von Castelvetro di Modena zu kaufen.

Idee: Bestockt war der Weingarten bereits mit alten Lambrusco-Grasparossa-Reben, neben die die beiden auch noch Trebbiano modenese, Trebbiano di spagna und Occhio di gatto, autochthone Sorten aus der Region gesetzt haben. Zum einen, weil sie von ihrer Qualität überzeugt sind (und wer je die Trebbianoversionen von Vittorio Graziano und Claudio Plessi probiert hat, weiß, dass sie damit nicht falsch liegen), zum anderen, weil sie zu der wachsenden Anzahl von Weinbauern zählen, die Landwirtschaft (und eben auch Weinbau) und die Konservierung und Diversität lokaler Sorten auch als Kulturauftrag verstehen.

Wer mit einer solcher Haltung Reben pflanzt bzw. rekultiviert, arbeitet für gewöhnlich auch im Weingarten bewusst und sorgfältig und folglich wundert es nicht, dass Andrea und Raffaela von Anfang ihre kleine Rebfläche biologisch bewirtschafteten. Auch beim Ertrag setzen die beiden auf Mengen, die ihnen die Möglichkeit geben, hohe Qualitäten zu produzieren. Statt mit den industrieüblichen 15000 Kilo am Hektar begnügt man sich mit 4000-5000. Und das schmeckt man.

Mit dem Jahrgang  2016 gibt es nun die beiden ersten, mit der gleichen Intention vinifizierten Weine: die erste Gärung fand dabei in Zementzisternen statt, die zweite (mit dem noch vorhandenen Restzucker der Erstgärung) in der Flasche (methode ancestrale) – auf das Degorgieren verzichtete man genauso wie aufs Filtern, 5 mg Sulfit auf die Maische sind die einzige Konzession ans italienische Lagerhaus.

WEINE: Der Rondinina ist ein geradliniger, erdiger Rosato, der allerdings schnell auch noch ein paar Beerennoten in den Talon wirft und die zwei, drei Gramm Restzucker zu viel, mit lebhafter Säure auffängt. Richtig Substanz hat dann der Cenerino, der nach 6 Tagen auf den Schalen ausreichend Tannin hat, um dem Wein Struktur, Charakter und Richtung zu geben und außerdem noch einen fleischigen Unterton, der bestens zur dunklen Frucht passt. Da die beiden naheliegenderweise nicht warten wollten, gibt es den Cenerino schon jetzt, wobei man keinen Fehler macht, wenn man ein paar Flaschen davon im Keller verstaut.

Die Weine gibt es meines Wissens nur ab Hof. Das wird sich mit Sicherheit ändern: wer sich aber zurzeit in der Ecke aufhält, sollte die Gelegenheit nutzen und bei den beiden vorbeischauen.

Sardinien, meinen die Sarden, sei ein Kontinent für sich. Das mag für all jene, die vom Festland rüber auf die 24000 qkm große Insel schauen, maßlos übertrieben klingen, ist man allerdings erstmal dort, kann man dieser Einschätzung allerdings einiges abgewinnen. Vermutlich war diese Wahrnehmung vor ein paar Jahrzehnten (und Jahrhunderten sowieso) noch wesentlich ausgeprägter, als man sich, fernab vom Festland und vom Fernseher, zumindest in weiten Teilen des Landes auf sardisch unterhielt und ansonsten in Dialekten, die oft mehr französische als italienische Anklänge hatten.

Die geographische Sonderstellung mitten im Mittelmeer und die topographische Konstellation der Insel sorgten jedenfalls dafür, dass es in vielen Teilen der Insel Einflüsse von außen nur selten gab. Setzte sich jedoch irgendwann ein Habitus durch, dann blieb er auch, wurde weiter kultiviert und irgendwann auch Bestandteil sardischer Identität. Kulinarisch spiegelt sich das in einer völlig eigenständigen Esskultur wider, die zwar gelegentliche Überschneidungen mit der italienischen Küche aufweist, meist jedoch ganz eigene Wege eingeschlagen hat (wer wissen will, was es mit Casu marzu, Bottarga, Fregula, Casizol oder Su porceddu auf sich hat, dem sei die exzellente deutschsprachige Seite: www.sardinien-auf-den-tisch.eu empfohlen: HP weiß wirklich, was in Sardinien vor sich geht und vor sich gegangen ist). Vitikulturell sieht das nicht anders aus.

Seit gut 3000 Jahren wird auf Sardinien Wein gekeltert, länger als irgendwo sonst im heutigen Italien. Verantwortlich dafür dürften zuallererst die Phönizier gewesen sein, die nicht nur Cagliari gründeten, sondern auch ein paar Rebstöcke in die Böden der Insel setzten. Sollte es sich dabei tatsächlich um Nuragus und Malvasia gehandelt haben – wie nicht nur eingefleischte Sarden, sondern auch seriöse Ampelographen behaupten –  wären die beiden auch heute noch gerne kultivierte Sorten, die mitunter ältesten der Welt. Etrusker, Punier, Römer, Byzantiner, Araber und Spanier machten damit weiter und sorgten zudem auch immer wieder für neue Anpflanzungen. Auf das Konto der Spanier geht beispielsweise Monica, lokal auch Mora di Spagna genannt, die heute in Punkto Quantität drittwichtigste Sorte der Insel, vor allem aber Cannonau, international besser bekannt unter den Namen Grenache oder Garnacha. Cannonau dürfte im Zuge der Eroberung Algheros 1354 durch Peter IV von Aragon nach Sardinien gebracht worden sein. Im Laufe der Jahrhunderte hat sie dann langsam ihren Siegeszug über die gesamte Insel angetreten; 7700 Hektar Rebfläche legen davon Zeugnis ab.

Auch wenn der Weinbau auf Sardinien aufgrund der meist sandigen Böden und der oft chronischer Trockenheit nie einfach gewesen sein dürfte, gab es abgesehen vom frühen Mittelalter keine Phase in der steinalten Geschichte der Insel, in der Wein nicht eine eminente Rolle gespielt hätte. Das führte neben einer beeindruckenden Bandbreite autochthoner und bis heute angebauter Reben (Pascale, Bovale, Torbato, Nieddera, Cagnulari, Barbera sarda, Girò, Nasco, Granazza – ganz fantastisch ist Giuseppe Sedilesus Perda Pintà, ein 16,5%es Weißweinkoloss, das trotz des atemberaubenden Alkohols unfassbarerweise Spaß macht und sogar Trinkfluss hat – Muristellu, Semidano…) auch zur Etablierung eigener Erziehungssysteme und Weinstilistiken. Vernaccia di Oristano beispielsweise ist ein unter Florhefe reifender sherryähnlicher Wein, dem allerdings kein Alkohol beigesetzt wird und der klassisch oxidative Noten (Mandeln, Trockenfrüchte) mit etwas Restsüße kombiniert. Malvasia di Bosa wird ebenfalls seit Jahrhunderten gekeltert, wobei man sich bei seiner Produktion seit jeher alle stilistische Optionen offen gelassen hat. Das hat dazu geführt, dass jeder Winzer seine eigene Herangehensweise hat  – mit dem einzigen gemeinsamen Nenner, dass Malvasia di Bosa immer süß ist. Den besten keltert übrigens Giovanni Battista Columbu, dem Jonathan Nossiter in seinem Film Mondovino ein kleines Denkmal gesetzt hat und von dem man in Sardinien sagt, dass er, der neben seiner Tätigkeit als Winzer auch für den Partito sardo d’Azione arbeitete, der einzige sardische Politiker war, der nach seiner politischen Karriere noch im selben Haus wohnte wie davor.

Auch wenn rote Sorten in Sardinien mit 69% Rebfläche ganz klar den Ton angeben, ist es doch dem weißen Vermentino di Gallura vorbehalten, als einzigem Wein DOCG-Status zu genießen. Wie auch in anderen Regionen Italiens ist das nur bedingt nachvollziehbar. Zum einen, weil es zumindest meiner Ansicht nach keine wirklich herausragenden Beispiele dafür gibt (wobei ich gestehe, dass ich auch nicht alle relevanten Vermentini kenne), zum anderen, weil es Regionen gibt, die es sich ebenfalls (oder eben mehr) verdient hätten.

Allen voran die Cannonau-Hochburgen rund um Mamoiada, einem kleinen, auf 650 Metern gelegenem Ort, in dem zwar extrem alkoholische aber eben auch strukturierte, komplexe und ausbalancierte Weine gekeltert werden. Diese Balance zwischen immensem Alkohol und erstaunlichem Trinkfluss, die nicht nur in Mamaoiada sondern auf der ganzen Insel ein einigender Nenner zu sein scheint, hat mehrere Gründe: zum einen verweist man gerne auf die unzähligen alten Rebstöcke, die an die Trockenheit gewöhnt sind, tief wurzeln, für eine ausreichende Nährstoffversorgung und folglich auch für Gleichgewicht sorgen. In vielen Regionen – unter anderem rund um Mamoiada – findet man zudem Weingärten auf 700 Metern und mehr, was zu ordentlichen Tag-Nacht-Unterschieden und weiterführend zu kühl strukturierten Weinen führt. Ein dritter und ebenfalls wesentlicher Faktor ist der Wind – der bläst Tag und Nacht über die Insel und tut das seine, um den Weinen eine erstaunliche Leichigkeit einzuhauchen.

Wind sollte im Verbund mit der Trockenheit eigentlich auch Anreiz für nachhaltigen Weinbau sein, doch davon spürt man, zumindest zurzeit noch, sehr wenig. Gerade einmal ein knappes Dutzend Winzer hat sich biologischer Bewirtschaftung verschrieben, wobei sich auch in Mamoiada zwei exzellente Beispiele dafür finden. Giovanni Montisci und Giuseppe Sedilesu setzen nicht nur auf pestizidfreien Weinbau, sie arbeiten auch im Keller entsprechend weiter und machen beide eine Palette an exzellenten Weinen – in ihrem Schatten keltern zudem Giampietro Puggioni und Giampaolo Paddeu erstklassige Cannonau.

Aber auch im Nordwesten und im Süden der Insel trifft man auf Winzer, mit denen man sich genauer beschäftigen sollte. Unter den Radikalen Sardiniens bzw. den wenigen, die im Weingarten auf Kultur statt auf Chemie und im Keller auf Handwerk statt auf Hochtechnologie setzen, gehört die Tenuta Dettori völlig zurecht zu den bekanntesten. Ihre Weine sind komplex und kompromisslos, getreue Abbilder ihrer natürlichen Voraussetzungen und ihrer Sorte. Dieselbe Herangehensweise verfolgt 80 Kilometer nördlich von Cagliari, in Nurri, Gianfranco Manca von Panevino, der wuchtige und oft wilde Weine keltert – extreme aber lohnenswerte Gegenentwürfe zu den Weinen vieler Winzer und Genossenschaften, die zwar auf autochthone Sorten setzen, diesen jedoch durch konventionelle Methoden im Weingarten und einem übertechnisierten Ansatz im Keller Charakter und Originalität rauben.

LINKS

www.sardinien-auf-den-tisch.eu: HP Bröckerhoffs erstklassiger Blog über die kulinarische Seite Sardiniens (deutsch)

WINZER

Tenuta Dettori
Panevino
Giuseppe Sedilesu
Giovanni Montisci
Giovanni Battista Colombu
Paddeu
Giampietro Puggioni
Altea Illotto
Cantina Gostolai
Giuseppe Pusceddu
Pusole
Tanca Gioia

EIN PAAR EMPFEHLUNGEN

Weiß 

Sedilesu: Perda Pintà (Granazza)
Dettori: Dettori bianco (Vermentino)
Panevino: Cacadie (NURAGUS – SEMIDANO – VERMENTINO – VERNACCIA – MALVASIA – NASCO – TZAKKARREDDA)
Panevino: Alvas (Retallada, Vernaccia, Nuragus, Seminano, Vermentino, Malvasia, Nasce)
Altea Illotto: Papilio (Nuragus (90%), Vermentino, Nasce)
Orro: Vernaccia di Oristano
Columbu: Malvasia di Bosa Alvarega

Rot

Sedilesu: Mamuthone (Cannonau)
Sedilesu: S’Annada (Cannonau)
Dettori: Tenores (Retagliadu Nieddu – Cannonau storico)
Dettori: Chimbanta (Monica)
Dettori: Ottomarzo (Pascale)
Montisci: Cannonau Riserva Barrosu
Montisci: Cannonau Riserva Franzisca
Paddeu: Mineddu (Cannonau)
Panevino: Pikadè (Monica-Carignano)
Panevino: Boxi e Croxiu (Monica-Carignano)
Puggione: Mamuthone (Cannonau)
Gostolai: Nepente Riserva d’Annunzio (Cannonau)
Pusceddu: Meigamma Primo (Muristellu 90%, CS 10%)
Pusceddu: Meigamma secondo (Cannonau)
Pusceddu: Meigamma Terzo (Carignano)
Pusole: Cannonau di Sardegna

Sardische Rebsorten

Sardinien verfügt über ein immenses Repertoire an tridtionellen und autochthonen Rebsorten. Im deutschsprachigen Raum hat man es meistens mit Cannonau zu tun, wer allerdings auf der Insel sollte sich auch durch den Rest, allen voran Carignano, Bovale und Monica, probieren.

Rote Sorten

Cannonau
Monica
Pascale
Bovale
Carignano
Barbera sarda
Nieddera
Girò
Cagnaluri
Muristellu
Caddiu
Caricagiola

Weiße Sorten

Vermentino
Nuragus
Vernaccia di Oristano
Malvasia
Semidano
Granazza
Torbato
Nasco
Tzakkarredda
Retallada
Albaranzeuli
Arvesinadu
Alvarega

 

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An Vittorio Graziano sind die 80er Jahre nicht spurlos vorbeigegangen.  Seine Frisur legt davon Zeugnis ab und erst recht seine Hemden. Beide trägt er mit einem Selbstbewusstsein, die auf eine starke Persönlichkeit schließen lassen und unterhält man sich erstmal mit ihm, wird einem schnell klar, dass man es hier mit einem Mann zu tun hat, dessen Lebensgrundsätze in Stein gemeißelt sind. Gelegentlich fällt Vittorios Blick allerdings noch weiter in die Vergangenheit zurück, in eine Zeit als man in der Emilia nicht nur aus ein paar Lambruscosorten Wein fabrizierte, sondern den Bauern (einzig Winzer zu sein, ist ein Privileg der letzten drei Generationen) noch ein Arsenal an anderen Sorten zur Verfügung stand: Uva Tosca beispielsweise.

Uva Tosca: Daraus keltert Vittorio den Smilzo, einen sprudelnden rosato, der uns – gemeinsam mit seinen beiden anderen Frizzante, dem Ripa di Sopravento und dem Fontana dei Boschi – recht regelmäßig durch die letzten Wochen begleitet hat. „Die Uva Tosca verdankt ihren Namen der Tatsache, dass sie in Weingärten auf fast 1000 Meter wuchs, dort wo der emilianische in den toskanischen Apennin übergeht und die Grenzen zwischen den beiden Zonen verschwimmen – es ist ein emiilianisches Tribut an den Nachbarn, an eine Region, die heute in einer Stunde, vor ein paar hundert Jahren, in der Blütezeit der Uva Tosca, allerdings nur in ein paar Tagen erreichbar und folglich eine fast exotische Welt war.“

Die heute quasi inexistente Rebsorte fiel Vittorio bei einem seiner – zumindest unter den Bauern der Emilia – berüchtigten Streifzüge durch alte oft abgelegene Weingärten in die Hände. Er pflanzte sie – neben einer Vielzahl anderer wenig bekannter, bisweilen namenloser Sorten – in die drei Hektar rund um sein Weingut in Castelvetro di Modena und stellte schnell ihre Eigenheiten fest, die sich in wenigen Worten zusammenfassen lassen: feine, rotbeerige Aromen, ein filigraner Körper und eine stets helle Farbe (vermutlich mit ein Grund, warum sie der Weinmoderne zum Opfer fiel). Eine Sorte, für all jene, die auch der Leichtigkeit von Rotwein etwas abgewinnen können.

Vittorio überlässt im Smilzo der Uva tosca die Hauptrolle, assistiert von Grasparossa und zwei Sorten, deren Namen er nicht kennt (Universitäten und Ampelographen könnten mit Sicherheit herausfinden, worum es sich dabei dreht. Allerdings hat Vittorio verständlicherweise keine Lust € 600/Rebsorte für eine Leistung zu bezahlen, die das kulturelle Erbe der Emilia betrifft und folglich eigentlich von der Region übernommen werden sollte aber nicht wird.) Der Grundwein wird spontan vergoren, nach ein paar Tagen abgepresst und im Zementbottich ausgebaut, die zweite Gärung erfolgt in der Flasche. Die einzige und zumindest für mich erstaunliche Konzession an seine Konsumenten macht Vittorio, indem er den Wein, entgegen der Tradition degorgiert – das heißt, er entfernt die Hefe aus dem Wein. Dosiert wird danach nicht.

Schmecken tut der Smilzo letztlich brillant (vor allem der 2016er): ein paar rote Beeren, ein bisschen Salz, Zitrus und leicht erdige Noten prägen das Aromaprofil, eine animierende und lebhafte fördert den Trinkfluss und ein schlanker („smilzo“)  aber dynamischer Körper erledigt den Rest.

Der Smilzo ist im österreichischen und deutschen Fachhandel leider nicht erhältlich. Wer etwas davon haben will, kann sich entweder an mich oder direkt an Vittorio Graziano wenden.

Andrea Tirelli lebt in Montale Celli in den Colli Tortonesi an der vinographischen Peripherie des Piemonts eingeklemmt zwischen zwei Legenden. Direkt über ihm in Castellania wurde der große Fausto Coppi geboren, direkt unter ihm werkt Walter Massa an seinem Ruf der beste Winzer der Colli Tortonesi zu sein – er war definitiv ihr Pionier. Andrea siedelte 2002 in die Hügel südlich von Tortona und setzte dort die Arbeit fort, die sein Onkel Jahrzehnte davor begonnen hatte. Die Intention freilich ist seine eigene und die basiert vor allem darauf, die natürliche Gegebenheiten so präzise wie möglich wiederzugeben und orignelle und doch auch zugängliche Weine zu kreiieren.

Dafür hat er genau sechs Hektar zur Verfügung, wobei bislang nur vier davon mit Reben bestockt sind. Dass es dabei nicht bleiben muss, demonstrierte Andrea vor kurzem, als er beschloss, eine brachliegende Fläche mit Timorasso, eine der besten und gleichzeitig unbekanntesten weißen Rebsorten des nördlichen Italiens, zu bestocken. Der Untergrund, aus dem ansonsten Barbera, Dolcetto, Freisa und Cortese wachsen, besteht größtenteils aus Ton, wobei sich immer wieder kalkige Abschnitte dazwischen legen. Zwischen 250-300 Meter hoch gelegen, ist das Klima schon eher auf der frischeren Seite, wobei die Reben generell der Sonne, wenn sie denn scheint, in süd-süd-westlicher Exposition ausgeliefert sind.

Der Ansatz von Andrea ist jener klassischer Naturweinwinzer und das war so, seit er von seinem Onkel das Weingut übernommen hat. Er bedient sich biodynamischer Ideen ohne bisher zertifiziert worden zu sein, neben den Rebreihen finden sich Obstbäume und dazwischen ein Meer an Kräutern und Pflanzen. Die Erträge sind minimal (alljährlich produziert er zurzeit 10000 Flaschen) und die Lese findet genau dann statt, wann die Trauben am besten schmecken und nicht wann der Refraktometer ausschlagt oder die analytischen Werte perfekt sind.

Andreas Selbstverständnis ist verankert in einer dem Landstrich verpflichteten Tradition. Früher waren die Colli Tortonesi geprägt von kleinen Höfen. Die Hänge waren mit Trauben und Obstbäumen bepflanzt und auch wenn das heute nicht mehr so ist und die meisten Bauern ihre paar Trauben an die Genossenschaften abliefern und viele der Obstbäume einem um sich greifenden Wald gewichen sind, gibt es doch noch (oder besser gesagt wieder) ein paar wenige (Wein)bauern, die in dem alten auch den neuen Weg sehen: Valli Unite oder Daniele Ricci sind große Beispiele, Andrea ist ein weiteres.

Im Keller setzt er diese Philosophie fort. Die Weine, die dort entstehen, wurden wie einst lange mazeriert, Tannine und Säure spürt man und gerade das macht ihre Substanz und Authentizität aus. Die Gärung startet spontan, Temperaturkontrolle gibt es keine, der Ausbau erfolgt zumeist in Zement oder Holz und, das ist von entscheidender Bedeutung, mit großer Gelassenheit und Langsamkeit.

Andrea Tirelli

15050 Costa Vescovato (Alessandria)
Frazione Montale Celli
Via XX Settembre 4
Tel.: 0039 0131/838172
mobil: 0039 340/2326134
vinotirelli@libero.it

WEINE

Nibirú (Dolcetto)

Terrapura (Barbera)

Muntá (Cortese)

Jahresproduktion: 7000 Flaschen
Rebsorten: Barbera, Dolcetto, Freisa, Cortese, Timorasso
Rebfläche : 4 Hektar
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biodynamisch: nicht zertifiziert
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: ja

Enzo Marcolini ist ein lebhafter, seinem Berg und seinen Rebstöcken zutiefst verbundener Mann. Für den Berg, den Monte Caro, opferte er seine Karriere als Fotograf und folgte seinem Wunsch in und mit der Natur zu arbeiten. Das war 1989, also vor knapp 30 Jahren und die Begeisterung, die Enzo bis heute vermittelt, legt den Schluss nahe, dass er diese Entscheidung nicht bereut.

Der Monte Caro liegt in Mezzane di Sotto, im Osten des Valpolicella. Seine Hänge sind steil, bisweilen terrassiert und basieren auf Kalk und zwar in solchen Mengen, dass sich bis zu Enzos Plan, dort Reben anzupflanzen, niemand fand, der gewillt war, in seine Erde auch nur irgendetwas zu kultivieren (unter der einheimischen Bevölkerung galt der Monte Caro als „sassaia“ – als Steinhaufen, von dem man besser die Finger ließ).

Weiße Gesteinsbrocken liegen folglich quer durch die Weingärten verstreut und drücken nicht nur dem Landschaftsbild sondern auch den Weinen ihren Stempel auf. Insgesamt sieben Hektar besitzt Enzo am Monte Caro, der größte Teil davon ist, wie üblich im Valpolicella, mit Corvina bestockt, den Rest machen Corvinone, Rondinella und ein wenig Cabernet aus, dem Enzo sechs Rebreihen gewidmet hat, als sich die Sorte gerade am Gipfel ihrer Popularität befand.

Die Weingärten schauen allesamt in Richtung Südosten und sind – mit Ausnahme des Cabernets und ein paar Reihen Corvina (Guyot) – in unterschiedlichen Pergolasystemen (der traditionellen Pergola veronese und einer Pergolavariante aus dem Trentino) erzogen. Das hat den doppelten Vorteil, dass man abends keine oder nur wenig Sonne hat und zudem in den Pergolen über eine ausreichende Beschattung und Belüftung verfügt. Die Weine akkumulieren folglich einen Tick weniger Zucker, verfügen dafür aber über eine etwas höhere Säure, zwei Faktoren, die vor allem dem Amarone und dem Valpolicella superiore zu Gute kommen.

Gearbeitet wird biologisch, unzertifiziert, was vor allem der Skepsis gegenüber den laschen Kellerrichtlinien der EU geschuldet ist. Eigene Weine keltert man übrigens erst seit 2014, davor wurden die Trauben verkauft. Erst mit dem Eintritt und dem Drängen seiner beider Kinder Giorgio und Emanuela entschloss sich Enzo auch zum letzten Schritt, was sich definitiv als weise Entscheidung herausgestellt hat.

Er bzw. Giorgio, der im Keller das letzte Wort hat, vinifizieren ohne allzu große Eingriffe – man reguliert die Temperatur und schwefelt vor der Füllung – sieht man davon ab, dass man bei der Herstellung von Amarone durch das Appassimento natürlich immer interveniert. Ein paar außergewöhnliche Entscheidungen seien trotzdem kurz erwähnt: zum einen baut man sämtliche Weine – einmalig im Valpolicella – im Stahltank aus, was, vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass man erstmal schauen wollte, wie alles funktioniert, bevor man besinnungslos in neue Holzfässer investiert. Zum zweiten verzichtet man auf den Ripasso, einen Weinstil, den Enzo als famose Marketingidee betrachtet, der ihn aber ansonsten nicht interessiert.

Dafür legt er auf die Basis viel Wert, den einfachen Valpolicella 2016, der ziemlich genau so ausfällt wie man sich klassische Valpolicella vorstellt: er ist leicht und luftig aber nicht banal, fruchtig aber nicht nur, ausbalanciert, geradlinig, agil und belebend. Die Vermutung, dass die Paprika- und Minzaromen auf die Kappe des Cabernet gehen, bestätigen sich nicht. Das läge am Corvinone, erklärt Emanuela, die sich um die Verkostung kümmert, der – zumindest in ihrem Terrain – ebenfalls zu intensiven Kräuter- und Paprikaaromen imstande sei. Der Valpolicella Superiore 2015 ist mit teilweise getrockneten Trauben vinifiziert, gehaltvoller, dichter und aromatischer. Die Frucht wirkt süßer, wobei am Gaumen wiederum fast klösterliche Strenge eintritt. Das Tannin zeigt seine Krallen, doch macht gerade das Spaß. Der Amarone ist  kompakt und animierend, was zum einen am Jahrgang (2014) zum anderen am Stahltank liegen mag. Er ist jedenfalls erstaunlich frisch und bekömmlich, auch wenn die Frucht dunkel und süß und der Körper substantiell ausfällt. An Corvinone und seine sensorischen Ausprägungen (Paprika, Eukalyptus, Minze) mangelt es auch hier nicht. Die Textur ist wie schon beim Superiore widerspenstig, das Tannin packt zu und liefert einen erfreulichen Gegenentwurf zu den oft weichgespülten Versionen vieler anderer Winzer und auch die Säure spielt einen strengen und nicht unbedeutenden Part.

Erst Botticelli, danach eine Flasche Pugnitello. Roberto Moretti und Lucia Mori kriegen beides ganz entspannt in ein paar Stunden hin (sofern sie vor den Uffizien nicht einen halben Tag in der Schlangen stehen  müssen). Ihr Weingut, die Podere Casaccia, liegt so nah am Zentrum vom Florenz, dass sie sogar das Auto zu Hause lassen können. Ein zehnminütiger Spaziergang, vorbei an Olivenhainen, einem kleinen See, ein bisschen Wald und ein paar Rebstöcken bringt sie hinunter zur Stadtbahnstation im Vorort Scalette und von dort sind es dann knapp 20 Minuten ins Zentrum von Florenz. Man kann diesen Weg natürlich auch in umgekehrter Richtung antreten und Roberto und Lucia auf ihrem Weingut besuchen. Es lohnt sich.

Weingut: Roberto Moretti gründete La Casaccia 1999 (Lucia kam dann später dazu). 12 Hektar Land besitzt er seitdem, wobei gut die Hälfte davon dem Weinbau gewidmet ist. Die Bewirtschaftungsart ist seit vielen Jahren dezidiert biodynamisch (zertifiziert), er setzt auf Kompost und die klassischen Präparate und verzichtet so weit wie möglich auch auf den Einsatz von Kupfer. Ziel ist es den Rebstöcken ein biodiverses Umfeld zu bieten, ihre Resistenzen zu forcieren und ihr oft ohnehin bereits reifes Alter zu prolongieren.

Protagonistin unter den Rebsorten ist Sangiovese. Seit 2011 forciert Roberto allerdings zudem ein Projekt, dass autochthone Sorten zunehmend in den Mittelpunkt rückt. Akribisch suchte er nach geeigneten Stellen, um darin Canaiolo, Malvasia nera, Foglia tonda und Pugnitello anzupflanzen, alte Sorten, die laut Roberto, bis vor der Reblaus den gleichen Stellenwert genossen wie Sangiovese. Die baut er dankenswerterweise allesamt reinsortig aus, sodass man auf La Casaccia die seltene Möglichkeit bekommt, sich – zumindest partiell – durch das kulturelle Rebsortenerbe einer Region trinken zu können.

Ein eminenter Vorteil ist dabei, dass die beiden bei der Vinifizierung auf die Spompernadeln moderner Kellertechnologien verzichten und abgesehen von den ohnehin notwendigen Entscheidungen (Gär- und Ausbaugebinde, Länge des Schalen- und Hefekontakts, Dauer der Reifezeit etc.) auf Eingriffe verzichten. Das Vertrauen in die Qualität ihrer Trauben ist mittlerweile so groß, dass sie – zwar nicht dogmatisch aber eben doch – auch auf den Einsatz von Schwefel verzichten.

Der Ausbau findet generell in Holzfässern statt, wobei im Keller sowohl kleine wie auch größere Gebinde rumstehen. Das breite Sortiment wird von einem einfachen Chianti Colli Fiorentini angeführt, der all das erfüllt, was man sich von einem Basischianti wünscht: Trinkfluss, Saftigkeit, Säure, ein paar erdige Noten und viel rote, frische, säuerliche Frucht. Größere Schwierigkeiten bereitet (zumindest mir) die Chianti Riserva. Wie fast überall, wo Riserva draufsteht, merkt man auch hier, dass eine Menge Ambition in dem Wein steckt und wie so oft ist es ein bisschen zu viel davon. Das Holz ist spürbar im Vordergrund, die Frucht wirkt überreif und der Trinkfluss ist so reißend wie der Po im August.

Dafür sind die vier Rebsorten-Projekte allesamt spannend, allen voran Foglia tonda und Pugnitello. Letzteres hat Druck, Power und eine Menge Pfeffer. Der Gerbstoff gibt Gas und gibt dem profunden Körper ordentlich kontra.  Der Foglia tonda setzt auf Samt. Säure und Tannin sind – widersprüchlich zu ihren analytischen Werten – erstaunlich weich (was die Sorte – zumindest theoretisch – dann auch zu einem idealen Cuvèepartner für Sangiovese macht), die Frucht ist rot, die Würze weihnachtlich (Zimt?), der Körper rund und üppig.

Neben all den roten Klassikern und Experimenten (es gibt auch noch zwei Cuvèes) findet sich auch noch eine gelungene mazerierter Malvasia/Trebbiano Cuvèe, die lebhaft, frisch und saftig, vor allem auf Kräuter und Blütennoten setzt.

Lucia Mori und Roberto Moretti
Strada Vicinale delle Querce
50018 Scandicci (FI)
Tel. e fax +39 055 7300419
Mobil +39 335 6560522
http://www.agricolamoretti.it/
email: sinefelle@libero.it

WEINE

  • Chianti Colli Fiorentini DOCG
  • Chianti Riserva DOCG
  • IGT Toscana rosso – Cuvèe aus alten Sorten
  • Malvasia nera 100%
  • Pugnitello 100%
  • Foglia tonda 100%
  • Canaiolo 100%
  • IGT Toscana bianco – mazeriert
  • IGT Toscana bianco passito
  • IGT Toscana rosso passito

Die Preise der Weine liegen zwischen € 10 und € 25 (2017)

Podere Casaccia ist Mitglied bei La Renaissance des Terroir und den Vignaioli Artigiani Naturali 

Jahresproduktion: ca. 20000 Flaschen
Rebsorten: Malvasia, Trebbiano, Sangiovese, Canaiolo, Malvasia nera, Foglia tonda, Pugnitello
Rebfläche: 6 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biodynamisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Wenig bekannt, gehören die Marken zu den spannendsten Weinregionen Italiens – schon deswegen, weil man hier auf relativ wenig Fläche große Weißweine und exzellente Rotweine findet. Letzteres ist in Italien fast zur Selbstverständlichkeit geworden, ersteres ist dagegen weiterhin eine Seltenheit.

Die Marken beginnen kurz vor Pesaro und ziehen sich, eingeklemmt zwischen Apennin und Adria, über knapp 200 Kilometer bis nach Ascoli Piceno. Dazwischen fließen in fast regelmäßigen Abständen kleine Flüsse in Richtung Meer, an deren Hängen konsequent und oft unter idealen Voraussetzungen Wein angebaut wird. Richtig spannend wird es erstmals um Jesi und Cupramontana, wo in einer dahinrollenden Hügellandschaft im Landesinneren der Marken Verdicchio den Ton angibt.

Verdicchio ist das vielleicht beste Rebsorte, die Italien in Sachen weiß zu bieten hat. Sie liefert, vorausgesetzt man geht sorgsam mit ihr um, Weine mit Struktur, Fülle, Lebendigkeit und einem komplexen Aromaprofil, dass generell mit Blütennoten und filigraner Frucht punktet, es gleichzeitig aber auch schafft, den „genius loci“ im Wein widerzuspiegeln. Steine kann man also gelegentlich genauso dazu addieren wie Kräuter oder Zitrusaromen. Verdicchio schafft es sogar einigermaßen unbeschadet mit neuem Holz umzugehen, wobei die besten Ergebnisse für gewöhnlich in großen Fässern entstehen. Eine zweite Verdicchio-Bastion findet sich rund um Matelica (beide Regionen haben DOCG-Status, wobei die besten Versionen wie so oft IGTs sind), wobei aufgrund der mikroklimatischen Voraussetzungen die Weine Matelicas sowohl eine höhere Säure wie auch eine höhere Alkoholgradation aufweisen, kurz die profunde Alternative zur Eleganz von Jesi bilden.

Zwischen den beiden Verdicchio-Zonen und mit Blick auf die Adria (die südlich von Ancona erstmals richtig schön wird) liegt der Monte Cònero, ein eindrucksvoller Felsklotz auf dem sich vor allem Montepulciano (im Verbund mit Sangiovese) wohl fühlt. Das Meer gibt hier klimatisch den Ton an, es ist wärmer als im Landesinneren, der Wind aus dem Norden bleibt meist am Bergrücken hängen und die Exposition der Rebflächen tendiert gnadenlos in Richtung Süden. Das Resultat sind opulente Weine, denen es relativ oft an der nötigen Balance mangelt (wobei ich bester Dinge bin, dass sich auch hier in nächster Zeit einiges ändern wird).

Weiter im Südwesten, dort wo es langsam aber stetig und immer steiler den Apennin hinaufgeht, findet sich eine jener Rebsorten-Enklaven, auf die man in Italien immer wieder stößt – in dem Fall dreht es sich um Vernaccia Nera, einer roten Sorte, die rund um das Dorf Serrapetrona konsequent kultiviert wird und aus der man tiefdunkle, gewichtige von Blüten und Beeren geprägte SCHAUM-Weine keltert. Erstaunlich ist dabei nicht nur, dass man bei der Vinifikation auf sprudelnde Weine setzt, ebenso überraschend ist die Tatsache, dass 40% der Beeren luftgetrocknet sein müssen. In der Zwischenzeit keltert man – vermutlich aus ökonomischen Gründen – auch stille Versionen, die ebenfalls strukturiert und fruchtintensiv und insgesamt ziemlich beeindruckend sind.

Der südliche Teil der Marken ist das Hoheitsgebiet des Pecorino. Der stand zwar immer im Schatten des Verdicchio, in den letzten Jahren hat man in der Gegend um Offida jedoch zunehmend versucht, sein ganzes Potenzial auszuloten. Entscheidend ist es durch eine entsprechende Reduzierung der Erträge, den richtigen Biotypus, geeignete Expositionen und eine späte Lese die teils extrem hohen (Apfel-)Säurewerte in den Griff zu bekommen. Pecorino hat generell relativ intensive Kräuternoten, die oft an Birnen und Apfelaromen gekoppelt sind. Der Körper ist für gewöhnlich schlank, die Alkoholgradationen sind dafür jedoch oft erstaunlich hoch.

Ganz unten im Süden, an der Grenze zu den Abruzzen – liegt mit dem Piceno eine Region, deren Wein – nicht ganz zu Unrecht – über Jahrzehnte hinweg belächelt wurde. Man setzte auf Menge und das geht auch unter besten Voraussetzungen meist auf Kosten des Geschmacks. In den letzten 15 Jahren hat sich jedoch unter der Ägide von Marco Casolanetti vom Weingut Oasi degli Angeli (die rote Nr.1 in den Marken und eines der besten Weingüter Italiens) eine Gruppe an Winzern darangemacht, den Spieß umzudrehen und ausdrucksstarke Weine in geringer Auflage zu keltern. Man räumt Experimenten Platz ein, arbeitet biologisch oder konvertiert gerade und setzt mit immer größerem Erfolg auf die Expressivität von Montepulciano, Sangiovese und Pecorino.

WINZER

La Distesa
La Marca di San Michele
Fattoria di San Lorenzo
Ca’Liptra
Col di Corte
Andrea Felici
Fiorano
La Valle del Sole
Paolini e Stanford Winery
Pievalta
Vigneti Vallorani
La Staffa
Bucci
Pievalta
Fontorfio
Valter Mattoni
Clara Marcelli
M.L. Allevi – Vini Mida
Maria Pia Castelli
Oasi degli Angeli
Aurora
Poderi San Lazzaro
San Savino
Fiorano
Alberto Quacquarini

Antonio Perrino ist Garagenwinzer. Er war es schon, bevor man im Bordeaux den Begriff aufgriff, ihn seiner eigentlichen Bedeutung beraubte und daraus eine Marketingidee und Kommunikationsstrategie formulierte und sie, konsequent wie immer im Bordeaux, umsetzte.

An Perrino zogen diese Ideen vorbei wie die aufkonzentrierten und schwarzen Merlots, die man ab den 90er Jahren auch rund um seine Heimat in Dolceacqua/Ligurien immer öfter kelterte. Er setzte weitere  auf seinen klösterlichen und blassen Rossese, einen der erhabendsten, filigransten und raffiniertesten Rotweine Italiens. Und auf seinen Vermentino, der sich ebenso konsequent wie sein roter Bruder, den überregionalen Trends verweigerte.

Antonio mazeriert den Vermentino über fünf Tage. Doch – und hier zitiere ich mal die Worte anderer, die treffender nicht sein könnten – „ist die Mazeration nicht dazu gedacht, dem Wein Tannin und ein schweres Chassis mit auf den Weg zu geben, sondern hat vielmehr die Funktion die Geschmacksnuancen zusätzlich zu betonen“ (Castagno & Co.: Vini da Scoprire).

Das bisschen Gerbstoff im Wein ist so mürb und fein, dass man es kaum wahrnimmt – für die Struktur hauptverantwortlich ist eine Mischung aus mineralischer Substanz und Säure, die dem Wein Druck und Zug gibt und Kräuter, Steine und Salz ohne Schlenker in Richtung Gaumen trägt. Dort und ein bisschen weiter unten bleiben sie dann für die nächsten Minuten.

Ausgebaut wird über ungefähr 18 Monate in nicht allzu großen Holzfässern, wobei Antonio, anders als seine französischen Kollegen, zu 100% auf gebrauchtes Holz setzt.

Den Testalonga Bianco gibt es bei Vino nudo in Wien für € 19,90

Weingut: Alberto Carretti und Claudia Ianelli betreiben im Val Ceno, eine halbe Stunde südlich von Parma eines der spannendsten Projekte im emilianischen Weinbau. Alberto kaufte Pradarolo, eine historische Villa, 1971 und verwandelte sie 1989 in ein Weingut, das sich dem Anbau einheimischer Sorten widmet und dabei auf alte Kulturtechniken setzt (vor allem im Keller). Die sukzessive erschlossenen Weingärten liegen zwischen 250 und 500 Meter in einer Gegend, die zunehmend gebirgig, sowohl geologisch wie auch klimatisch vom Apennin geprägt ist – wobei durch verschiedene Täler und wie durch ein Kanalsystem auch fortwährend Meereswinde in die Weingärten blasen.

Insgesamt umfasst Pradarolo 60 Hektar Land, wobei nur fünf davon dem Weinbau gewidmet sind. Der Rest besteht größtenteils aus Wald, in dem, in den vergangenen Jahrhunderten viel Adel auf der Jagd nach adäquatem Abendessen unterwegs war. Die fünf kultivierten Hektar sind vor allem mit Malvasia di Candia Aromatica bestockt, einer der spannendsten weißen Sorten, wenn es um die Produktion mazerierter Weine geht. Ergänzt wird der Rebsortenspiegel von Barbera und Croatina, Klassikern der Gegend, die ein paar Kilometer weiter im Westen die Basis für den Gutturnio bilden.

Weine: Im Weingarten wird seit jeher biologisch gearbeitet, wobei vor allem versucht wird die Diversität im und über dem Boden so breit und vielfältig wie möglich zu gestalten. Handarbeit und individuelle Rebstockpflege haben oberste Priorität. Das Resultat sind perfekte Trauben für eine Batterie an Weine, die quer durch die Stile die Messlatte hoch legt. Absolut fantastisch ist der Vej Metodo classico, der Schaumwein von Pradarolo, ein Monument an Aromen, Kraft und Intensität. Die Herstellungsart ist dabei so ungewöhnlich wie wegweisend für die generellen Intentionen von Pradarolo: der Grundwein, ein reinsortiger Malvasia di Candia Aromatica wird über 60 Tage mazeriert und nach einer kurzen Reifezeit in Zement und Stahl ohne Filtration und vor allem auch ohne Schwefel in die Flasche gefüllt, wo er über weitere 24 Monate auf der Hefe reift. Danach wird er degorgiert und pas dosé verkorkt. Entkorkt schmeckt und riecht der Vej nach Rosen, Beeren und Zitrusfrüchten, ist unglaublich druckvoll, hat ordentlich Gerbstoff und Säure und ist dabei so ausgewogen wie man sich das nur wünschen kann.

Ähnlich spektakulär ist der stille Vej, der ebenfalls aus Malvasia di Candia aromatica gekeltert wird und je nach Jahrgang, zwischen drei und neun Monaten auf der Maische bleibt (der lange Maischekontakt erklärt sich übrigens daraus, dass Alberto auf die natürlichen Abwehrkräfte der Traube setzt und die Antioxidantien in der Schale entsprechend nutzen will – er verzichtet folglich auf jegliche Additiva). Das mag extrem klingen, ist es bisweilen auch; der ausgedehnten Zeit mit den Schalen folgen 16 Monate im Fass und danach bis zu 7 Jahre in der Flasche – auch das hängt vom Jahrgang ab. Der Wein ist zwar auch danach noch fordernd, doch bieten sich für alle, die sich darauf einlassen, neben den zupackenden Tanninen und der lebhaften Säure, ein Potpourri an Aromen, das an der Oberfläche balsamisch und fruchtig ist, dahinter allerdings noch Platz für zusätzliche Entdeckungen lässt.

Der Velius ist die rote Antwort auf seine orangen Versionen – 90 Tage bleiben Barbera (90, gelegentlich auch 100%) und Croatina (max. 10%) auf der Maische, ehe sie für 15 Monate in große Holzfässer wandern. Danach wird gefüllt, wobei die minimale Reifezeit in der Flasche bei sechs Monaten liegt, die tatsächliche aber eigentlich stets bei ein paar Jahren. Der Alkohol ist quer durch die Jahrgänge erstaunlich unterschiedlich (zwischen 12-14%), die Säure fordernd (weshalb sich der Velius speziell als Essensbegleiter bestens macht), die Aromen weisen in eine dunkle Richtung und werden stets von einer – über die Jahre intensiver werdenden Würze begleitet. Je nach Jahrgang kommen für gewöhnlich noch ein paar Weine dazu, die allesamt den Prinzipien der oben beschriebenen Weine folgen und durch die Bank originell, außergewöhnlich und beeindruckend sind.

In der Villa kann man übrigens wohnen und sollten die Bilder auch nur einigermaßen der Wahrheit entsprechen, sollte das recht kommod sein.

Podere Pradarolo
Via Serravalle 80
43040 VARANO DE’ MELEGARI (PR)
tel: 338 61 32 220
tel:  335 23 18 27
email: info@poderepradarolo.com
www.poderepradarolo.com

WEINE

Vej
Pradarolo Bianco
Vej Metodo Classico
Velius
Pradarolo rosso
Libens
Frinire de Cicale
Il Canto del Ciò

Die Preise der Weine liegen zwischen € 15 und € 25 (2017)

Pradarolo ist Mitglied bei Emilia sur Li und nimmt außerdem alljährlich an der Manifestation in Fornovo (Vini dei Vignaioli) teil

Jahresproduktion: ca.20000 Flaschen
Rebsorten: Malvasia di candia aromatica
Rebfläche: 5 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: ja

Gaglioppo ist eine jener Rebsorten, die wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdienen würden – doch dafür müsste man sie erst einmal kennen. Und auch wenn Francesco di Franco von A’Vita, der vermutlich beste Interpret der Sorte meint, dass er Signale einer Renaissance erkennt, weiß ich nicht wirklich, wo er sie ortet.

Gaglioppo ist eine uralte Sorte, eine der ältesten Italiens und manche meinen, dass sie die Basis des Krimisa war, jenes Weins, der den Siegern der antiken Olympischen Spiele zum Feiern eingeschenkt wurde. Krimisa war der alte Name von Cirò, einer kleinen Region in Kalabrien, die im Westen von der Sila, einem bis zu 1900 Meter hohen Gebirge und im Osten vom Ionischen Meer begrenzt ist. Vor knapp 2500 Jahren verpassten die Griechen dem Landstrich im äußersten Süden Italiens den Namen Enotria, Weinland, was keine  weiteren Worte der Erklärung bedarf.

Die Zeitläufte marginalisierten allerdings nicht nur Kalabrien, sondern auch seinen Weinbau und seine Rebsorten. Das führte zum einen zwar dazu, dass man Wein quasi ausschließlich für den Eigengebrauch produzierte, zum anderen machte man sich auch nicht die Mühe, internationale Rebsorten in die meist sandige Erde rund um Crotone zu setzen. Und so blieb Gaglioppo bis zum heutigen Tag die mit Abstand wichtigste Sorte von Cirò und ganz Kalabrien.

Gaglioppo hat diverse Attribute, die frappant an Nebbiolo erinnern. Ihre Farbe ist hell und geht oft schon nach kurzer Reifung leicht ins orange über, die Säure ist hoch und über mangelndes Tannin braucht man sich ebenfalls keine Gedanken machen. Beides ist wichtig, um dem ebenfalls hohen Alkohol in ein entsprechendes Gerüst zu packen. Die besten Varianten schmecken nach Weichseln und Ribisel, Blüten und Salz, sind fein und elegant. Neues Holz steht Gaglioppo genauso schlecht wie Nebbiolo, wobei man traditionell ohnehin fast durchwegs auf Zement setzt.

Gaglioppo ist in seinen besten Interpretationen exzellent, allerdings gibt es davon nicht allzu viele. Wer allerdings jemals die Möglichkeit bekommt eine Flasche von A’Vita, Sergio Arcuri, Cataldo Calabretta, Cote di Franze oder Assunta dell’Aquila zu erstehen oder zu probieren, sollte nicht lange überlegen.

Best of…

A’Vita: Calabria Rosato
A’Vita: Cirò Rosso classico superiore
Sergio Arcuri: Aris
Sergio Arcuri: Il Marinetto
Cote di Franze: Cirò classco superiore
Cataldo Calabretto: Cirò classico superiore riserva
Cataldo Calabretto: Cirò classico

 

Sergio Arcuri
Via Roma Vico III, 3
Cirò Marina, Calabria
Tel: 328 0250 255
http://www.vinicirosergioarcuri.it
info@vinicirosergioarcuri.it

Geschichte: Das Weingut von Sergio Arcuri mag zwar jung sein, Weinbau auf seinen 4 Hektar Rebflächen wird allerdings schon seit 1880 betrieben. Damals pflanzte sein Urgroßvater Peppe die ersten Gaglioppostöcke in den Sand von Cirò, dem steinalten Mittelpunkt kalabresischer Weinkultur. Sechs Jahrzehnte lang kümmerte sich Peppe um seine Reben, in seinen letzten Lebensjahren oft begleitet von seinem Enkel Peppe II., dem Vater von Sergio. Peppe II. blieb dem Weinbau treu, anfangs jedoch nicht als Winzer sondern als „INNESTATORE“ – als Veredler. Er pfropfte im ganzen Land Edelreiser auf Unterlagsreben, „hunderte Hektar“, meint Sergio, ehe er im Jahr 1973 beschloss, nicht mehr für andere, sondern für sich zu arbeiten und Winzer zu werden. Bis ins Jahr 2009, als Sergio und sein Bruder Francesco das Ruder in die Hand nahmen, kelterte er ausschließlich Fassweine, wobei die Fässer eigentlich Zementzisternen waren.

Weingarten: Mit denen arbeitet Sergio auch heute noch, wobei er im Keller mittlerweile auch Alternativen hat. Auch in die Weingartenphilosophie hat Sergio nur bedingt eingegriffen. Er hegt und pflegt weiterhin die 1948 und 1980 im alten alberello gesetzten Gaglioppostöcke (7000 Reben am Hektar), hat aber jüngere Reben in ein moderneres, leichter zu bearbeitendes Reberziehungssystem gepflanzt. Auch die Umstellung auf zertifizierte biologische Landwirtschaft ist neu, wobei man dank der extrem trockenen Witterung auch früher kaum Chemikalien verwendet hat.

Keller: Unumschränkte und einzige Protagonistin in den Weingärten von Sergio ist die Gaglioppo. Aus ihr keltert er mittlerweile drei Weine: den Marinetto, einen Rosato, der salzig, rotbeerig und trotz ordentlicher Substanz recht animierend den Hals hinunterrinnt und dem Ruf des Gaglioppo als formidabler Rosésorte gerecht wird. Den Aris, der von den Trauben der älteren Rebstöcke produziert wird und nach spontaner Gärung in einem alten Zementbecken (von denen es in Kalabrien noch eine ganze Menge gibt) 18 Monate in Zementzisternen und 6 weitere in der Flasche verbringt, ehe er nach einer dezenten Schwefelung gefüllt wird. Säure und Gerbstoff strukturieren den Wein und sind insofern von eminenter Bedeutung, da sie den Alkohol ausbalancieren.Unterholz und rote Frucht dominieren das Aromabild. In speziellen Jahren gibt es dann auch noch den Più Vite, eine Riserva, die meist noch etwas mehr Fleisch am Körper hat, was nicht immer zwingend positiv sein muss. Entscheidend ist auch hier die Gerbstoff-Säure-Alkohol Balance und wenn die passt, dann hat man es mit einem Wein zu tun, der streng, straff, salzig und intensiv, nicht ganz zu Unrecht als Barolo des Südens bezeichnet wird.

WEINE

Il Marinetto (Rosé) –
Aris
Più Vite

Die Preise der Weine liegen zwischen € 6 und € 20 (2017)

LINKS

Kalabrien

Jahresproduktion: ca.15000 Flaschen
Rebsorten: Gaglioppo
Rebfläche: 4 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Müller Thurgau, Grauburgunder, Traminer, Riesling und natürlich Pinot Noir. Wir befinden uns in Bötzingen am Kaiserstuhl Oltrepo Pavese, genauer in Borgo Priolo, wo das Castello di Stefanago seit gut 1000 Jahren über den kleinen Ort wacht. Wie, wann und warum all diese Rebsorten ihren Weg in das Castello gefunden haben, bedarf noch immer vollständiger Klärung, wobei man sie nicht nur in den sandigen und tondurchsetzten Böden von Stefanago, sondern im ganzen Oltrepo Pavese findet. Beeindruckende 3000 Hektar Pinot Noir hat man im Laufe der letzten 200 Jahre selbstbewusst in die Weingärten der Region gesetzt, mit Abstand die größte Pinot-Fläche in Italien.
Auf Stefanago wird die Sorte im Campo Castagno angebaut, der höchsten und kühlsten Lage des Weinguts, dort wo es zwar tagsüber sonnig, nachts allerdings verhältnismäßig kühl ist. 5000 Reben am Hektar, aus denen man, der Tradition des Oltrepo Pavese entsprechend, gleich vier unterschiedliche Weine keltert. Einen Stillwein und drei Spumante, wobei einer davon, sofort abgepresst und nach der einst üblichen „Methode ancestral“ vinifiziert wird, ein zweiter die gleiche Herstellungsart in rosa durchläuft und ein dritter, der Cruasé, den Werdegang eines rosafarbenen Champagners durchmacht.

Weinbau wird an den Hängen des Castello di Stefanago seit Generationen betrieben, seit Antonio und Giacomo Baruffadi das Ruder in der Hand haben, zählt man in dem ohnehin umtriebigen Gebiet zu den Vorreitern einer Bewegung, die sich eine nachhaltige Bewirtschaftung auf die Fahnen geschrieben hat. Biologisch zertifiziert ist man seit 2005, die Reberziehung ist der Sorte und dem Terroir angepasst, und die Intention ist es auch hier die Herkunft sprechen zu lassen. Das ergibt zwar beispielsweise einen völlig anderen Riesling als man das gewohnt ist, aber letztlich doch auch einen Wein, der florale und filigran-fruchtige Aromen, Länge und Substanz in petto hat – der große Unterschied ist die Säure, die in Oltrepo Pavese, im Gegensatz zur Nahe, Mosel oder Pfalz, ywar durchaus vorhanden ist, allerdings eher mild und weich ausfällt.

Der Müller-Thurgau macht wesentlich mehr Spaß als der größte Teil seiner deutschen Kollegen, was vermutlich mit der Bewirtschaftungsart, ziemlich sicher mit der Traubenqualität und ganz sicher damit zu tun, dass man im Keller auf die Finten moderner Weintechnologien verzichtet, wilde Hefen ihre Arbeit verrichten lässt und ansonsten nicht allzu viel tut.

Rot ist man neben dem Pinot Noir vor allem den klassischen Sorten der Region verpflichtet: man setzt also auf Uva rara, Croatina und Barbera, reife aber nie überreife und vor allem gesunde Trauben. Ausgebaut wird meist zwischen 12 und 24 Monate in verschiedensten Holzarten und Fassgrößen, je nachdem, was den jeweiligen Sorten am besten steht und den Intentionen der Winzer am besten entspricht. Das Resultat sind druckvolle und dichte Weine, denen es weder an Power noch an Trinkfluss mangelt.

Castello di Stefanago
27040 Borgo Priolo
Tel: + +39 335 6992052
info@baruffaldivini.it
www.baruffaldivini.it
www.castellodistefanago.it

WEINE

Stefanago Ancestrale Pinot Nero (bianco)
Stefanago Ancestrale Rosé Pinot Nero
Stefanago Cruasé Oltrepò Pavese DOCG
Stefanago Ancestrale Müller Thurgau
Bianco
Arò Bianco
Campo Piano Pinot Grigio
San Rocco Oltrepo Pavese Riesling
Campo Castagna Pinot Nero
Castellare Cabernet Sauvignon
Piedilupo Barbera
Croatina
Rosso

Jahresproduktion: ca.50000 Flaschen
Rebsorten: Riesling, Müller Thurgau, Traminer, Pinot Grigio, Pinot Noir, Barbera, Cabernet Sauvignon, Uva rara, Croatina
Rebfläche: 20 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: ja

LINKS

Lombardei

Castello di Stefanago ist Mitglied bei Vinnatur

EzioTrinchero.350w_263hAuch wenn Barbera die Nummer eins im Rebsortenaufgebot von Ezio Trinchero ist, lohnt es sich mit einem anderen Wein anzufangen. Der Freisa Runchet ist strukturiert, saftig, floral, vereint Kraft und Lebendigkeit und lässt am Gaumen nicht zu knapp rote, frische Fruchtnoten zum Zug kommen. Die Freisa ist eine jener Sorte, die kaum bekannt, fähig ist, die Basis für ganz fantastische Weine zu liefern. Ihre genetische Verwandtschaft zum Nebbiolo sollte Grund genug sein, sie beizeiten mal auszuprobieren.
Vergoren wird (wie bei allen seinen Weinen und jedem Wein, die hier besprochen werden) spontan, die Mazerationszeiten sind zwar von Jahr zu Jahr unterschiedlich lang, allerdings selten unter 30 Tagen. Ausgebaut wird in großen slawonischen Holzfässern, danach wandert der Wein ungefiltert und ungeschönt und lediglich mit minimalem Schwefel vor der Füllung in die Flasche, wo er in aller Ruhe weiterreifen kann. An Gerbstoff mangelt es in den ersten Jahren nicht (auch das zieht sich – mit Ausnahme des Grignolino – durch sämtliche Weine von Ezio) und wer Geduld hat, wird generell belohnt.
Exzellent sind auch seine einfach(er)en Barberas, die sich 2010 kühl und frisch, strukturiert und engmaschig aber eben auch animierend, lebendig, fruchtbetont und saftig präsentierten.
Der Vigna del Noce 2008 (siehe auch Text zum Weingut) ist das auch, aber was sich nebenbei noch in dem Wein abspielt, entzieht den Vorurteilen, die man dem Barbera gegenüber gelegentlich zum Ausdruck bringen mag, endgültig den Boden unter den Füssen. Substantiell & komplex, ist es ein Wein mit so vielen Schichten und Nuancen, dass man sich dafür wirklich Zeit nehmen sollte. 90 Jahre haben die Rebstöcke auf dem Buckel und sollte man mit 90 ebenfalls so viel Energie und so viel zu erzählen haben, wie dieser Wein, hat man einiges erlebt. Die Nase ist balsamisch, erdig, dunkel, voller Laub und reifer Beeren, am Gaumen jedoch macht sich eine Frische und Saftigkeit breit, die verkündet, dass die Reise erst begonnen hat.
Bleibt der Bianco, dessen Farbe nach 10-12 Tagen auf der Maische eher an Kastanienhonig erinnern. Da sich in der Cuvèe Malvasia di Candia Aromatica befindet, eine Sorte, deren Schalen so dick wie Panzerglas sind und auch ungefähr die gleiche Konsistenz haben, darf man sich auf ordentlich Gerbstoff gefasst machen. Dahinter wird es allerdings spannend: Salbei, Kamille und reife Marillen sorgen für ein angenehme aromatische Antwort aus das Tannin, die Textur ist saftig, streng und konzentriert. Ein Wein, der fordert und dem Luft (und Zeit ) nicht schadet.

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Schmetterlinge: All jenen Ignoranten zu Liebe, die keine Ahnung von Entomologie haben und folglich nicht wissen, was es mit dem Namen Ausonia auf sich hat, sei hier in aller Kürze gesagt, dass der Euchloe Ausonia ein Schmetterling ist, der vor allem in Nordafrika zu Hause ist, sich aber gelegentlich auch bis in die Abruzzen vorwagt. Er ist ausgesprochen hübsch und insofern eine adäquate Wahl für die Benennung eines Weinguts. Schmetterlinge sind überhaupt ein roter Faden, wenn man sich durch die Weinwelt von Simone Binelli und Francesca Lodi trinken will. Die drei Weinlinien sind nach Parnassius apollo (weiß), Papilio machaon (rosa) und Gegenes nostradamus (rot) benannt, drei weiteren Schmetterlingsarten, die man in den Weingärten der beiden findet. Die werden nicht nur ihretwegen seit 2014 biodynamisch bewirtschaftet, sondern auch weil Simone und Francesca davon überzeugt sind, dass sie nur so ein entsprechendes Gleichgewicht zwischen Rebstock und Boden aufrechterhalten können.

Geburt: Ausonia ist ein junges Projekt, ins Leben gerufen von zwei Quereinsteigern, die irgendwann nicht mehr als Apotheker (Simone) und Ingenieurin (Francesca) arbeiten wollten. Mit Hilfe von Simones Vater (einem leidenschaftlichen Entomologen) erstand man 2011 12 Hektar Land in Atri, einer seit Urzeiten besiedelten Ecke zwischen Adria und Gran Sasso, also zwischen 0 und 3000 Meter Seehöhe. Ausonia befindet sich auf ca. 250 Meter und ist vom Osten von Meereswinden und vom Westen von Bergwinden geprägt. Bevor die beiden 2012 so richtig loslegten, absolvierte Simone ein Önologiestudium an der Universität Florenz, das ihm vor allem zeigte, wie er nicht arbeiten wollte. Er beendete es trotzdem erfolgreich, beschloss aber – anders als generell unterrichtet – im Weingarten biologisch und im Keller im Sinne inoffizieller Naturweinrichtlinien zu arbeiten (er ist Mitglied bei Vinnatur).

Weine: Die Rebsorten sind die Klassiker der Zone, Montepulciano gibt den Ton an, wird aber paritätisch von Trebbiano d’Abruzzo begleitet und auch noch von Pecorino ergänzt. Die meisten Stöcke wachsen in alten Pergolen, eine Erziehung, die durch die immer wärmer werdenden Sommertemperaturen und die entsprechende Beschattung, die sie bietet, ideal zu sein scheint. Die Böden basieren auf Ton und Kalk und werden dann bewässert, wann es regnet. Man beobachtet viel, hört auf das, was einem die Umgebung erzählt und versucht das, was das Land vorgibt, im Wein erlebbar zu machen.

Dafür setzt man auf spontane Gärung, biologischen Säureabbau, keine Mazeration und, was ein bisschen schade ist, konsequent auf Stahl. Der Trebbiano reift ein knappes Jahr darin und riecht danach sympathisch nach Blüten und frischen Äpfeln, der Pecorino ist intensiver, anspruchsvoller und dichter und befördert Kräuternoten, Heu und Zitrusaromen in die Nase. Aus dem Montepulciano keltert man ganz klassisch einen Cerasuolo (Rosato), der nach 10 Stunden auf der Maische ausreichend Farbe und Struktur gewonnen hat, um Ribisel und Veilchen mit ein wenig Gerbstoff und einer animierenden Säure zu kombinieren. In Rot gibt es gleich zwei Versionen, wobei kein Weg am Montepulciano Colline Teramane vorbeiführen, den nicht nur Stahl, sondern auch Holz formt und der reife Fruchtaromen mit den typischen Lakritznoten des Montepulciano vereint.

Azienda Agricola Ausonia
C.da Nocella,
64032 Atri (TE)
Phone: +39 085 9071026,
Mobile:+39 340 232 9860
www.ausonia.it

WEINE

Apollo Trebbiano d’Abruzzo
Apollo Cerasuolo d’Abruzzo
Apollo Montepulciano d’Abruzzo
Machaon Abruzzo Pecorino
Nostradamus Montepulciano d’Abruzzo

Die Preise der Weine liegen bei € 10 der Colline Teramane kostet € 18

Jahresproduktion: ca.50000 Flaschen
Rebsorten: Trebbiano, Pecorino, Montepulciano
Rebfläche: 12 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Aglianico ist vermutlich eine der großen Sorten Italiens. Sie hat Tannin und Säure, Kraft und Aromen, Vitalität und Dichte und die Fähigkeit ziemlich präzise von ihrem Ort zu erzählen. Und doch bleibt es bei einem vermutlich, da es gerade einmal eine Handvoll Weingüter gibt, die dem Potenzial der Sorte gerecht zu werden scheint. Zu oft setzt man auf pure Power, späte Lesen, viel Alkohol und viel zu viel Holz. Das ergibt dann im besten Fall konzentrierte, warme, saftige und wuchtige Weine (der Poliphemo von Luigi Tecce ist dafür ein gelungenes Beispiel), viel öfter jedoch hat man es mit plumpen, ausladenden, umharmonischen und alkoholischen Monstren zu tun, die selbst im tiefsten Winter keinen Spaß machen. Oft tut man gut daran, sich mit den Einstiegsweinen zu begnügen, da sie – meist  unfreiwillig – weniger konzentriert gelesen werden,  in alten Holzfässern oder in Zementbottichen landen und so auf eine einfache aber einladende Art von der leiseren aber lebendigeren Seite des Aglianico erzählen.

Winzerin: Elisabetta Musto Carmelitano gehört zu den wenigen Winzerinnen, die sich den leiseren Tönen der Sorte verschrieben hat. Aufgewachsen zwischen den Getreidefeldern und Rebstöcken der Großeltern, hat sie seit nunmehr gut 10 Jahren das Ruder in der Hand. Auf dem dezidiert biologischen Kurs, den sie seither steuert, wird sie von ihrem Bruder Luigi und ihrem Vater Francesco begleitet und gelegentlich greift auch noch Fortunato Sebastiano ein, ein Önologe, der ihr bei der Umstellung auf biologische Bewirtschaftung (zertifiziert seit 2011) mit Rat und Tat zur Seite stand. Vier Hektar stehen ihr insgesamt zur Verfügung, allesamt an den Ausläufern des Vulture gelegen, einem erloschenen Vulkan im Norden der Basilicata und das mit Abstand spannendste Terroir einer nicht nur vitikulturell vernachlässigten Region. Der Untergrund besteht zum größten Teil aus einer rötlichen Tonart, das Klima ist heiß und trocken und der Enthusiasmus von Elisabetta, aus diesen Voraussetzungen das Beste zu machen, ist groß und leidenschaftlich.

Weine: Insgesamt keltert die noch immer sehr junge Winzerin fünf Weine, wobei der Aglianco mit vier unterschiedlichen Interpretationen eindeutig den Ton angibt. Daneben hat sie aber auch einen Weißwein im Programm, über den man durchaus ein paar Worte verlieren kann.  Der Maschitano Bianco ist ein reinsortiger Moscato, der zwar mit Aromen nicht geizt, sie allerdings nur sukzessive und in dezenter Dosierung freisetzt. Der Körper ist saftig und dicht, die Textur griffig und lebendig. Vergoren wird, wie auch bei den Rotweinen, spontan, ausgebaut wird in Zement, gefiltert und geschönt wird nicht (dito Rotweine). Der Maschitano rosso setzt auf Frucht und Trinkfluss und ist die leichteste und einfachste der vier Aglianicoversionen. Aus einem schon völlig anderen Holz geschnitzt, ist der Serra del Prete (meiner Meinung nach der beste ihrer Weine), der unbeschwert, kompakt und druckvoll, Rauch, Pfeffer und rote Fruchtnoten geradlinig und ohne Schlenker über den Gaumen trägt. Ausgebaut wird erst ein halbes Jahr in Stahl und danach ein weiteres halbes Jahr in Zement. Der Pian del Moro stammt aus knapp 100 Jahre alten Aglianicostöcken der gleichnamigen Riede, hat Kraft und Körper, bündelt sie allerdings bestens durch ausreichend Säure und Gerbstoff. Die Textur ist stoffig, die Aromen sind intensiv und vielschichtig. Ein wenig Geduld tut gut. Ausgebaut wird teils in Zement, teils in 500 Liter fassenden Holzfässern.

Beeindruckend, weil konzentriert und mit ordentlich Fleisch auf den Knochen, aber eben trotzdem mit Trinkfluss und Fokus sind die gelegentlichen Versionen des Etichetta Bianca Aglianicos, eine Art Special Edition, die nur in besonderen Jahren gekeltert wird. Die Etichetta Bianca wird über 12 Monate in Zement ausgebaut und ungeschwefelt gefüllt, ist saftig, substantiell und strukturiert mit dichtgewobenen, dunklen Aromen.

Musto Carmelitano

Via Pietro Nenni, 23 85020 Maschito
Telefono e Fax +39 097 233312
Mobile +39 388 6069526 (Elisabetta)
Mobile +39 3285777201 (Luigi)
info@mustocarmelitano.it
www.mustocarmelitano.it

WEINE

Maschitano Bianco (€12)
Mascitano Rosso (€12)
Serra del Prete (€ 15)
Pian del Moro (€ 18)
Etichetta Bianca (€ 35)

ungefähre Preise 2017

Musto Carmelitano ist, so tragisch das auch sein mag, im deutschsprachigen Raum nicht erhältlich

LINKS

Basilicata

Musto Carmelitano ist Mitglied bei Vinnatur

Jahresproduktion: ca.20000 Flaschen
Rebsorten: Moscato, Aglianico
Rebfläche: 4 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: nein

Wenn es um orange Interpretationen von Weinen geht, genießt das slowenisch-friulanische Grenzgebiet eine Reputation wie das Bordeaux bei Rotweinen. Während ich letzteres bis heute allerdings nicht nachvollziehen kann, gibt’s an ersterem nichts zu rütteln. Ist fix. Und wird immer deutlicher durch all die mediokren Versuche, die links und rechts und oben (wenig) und unten (viel mehr) von ihnen gemacht werden (Ausnahmen gibt’s natürlich, vor allem unten und rechts).

Warum das Friaul orange so stark ist, ist nicht ganz einfach zu sagen. Tradition und Erfahrung mögen eine Rolle spielen – Istrien und Umgebung waren immer Kernland auf den Schalen vergorener Weine. Geeignete Rebsorten (Pinot grigio, Ribolla gialla, Verduzzo, Malvasia, Vitovska und Friulano scheinen sich gut dafür zu eignen, allerdings finden sich auch exzellente Sauvignons und Chardonnays), biologische Bewirtschaftung, ideale Terroirs und talentierte und kompromisslose Winzer, die auch in Zeiten völligen Unverständnisses für den Weinstil, beharrlich damit weitergemacht haben, sind sicher auch nicht unwesentlich.

10 Weine, die ich gerne in großen Mengen in meinem Keller hätte (keine Amphoren, davon ein andermal

1. Alex Klinec: eigentlich alle seine Weine. Würde man mir die Pistole an die Schläfe halten, würde ich mich vermutlich für den Jakot entscheiden. Den allerletzten Jahrgang. Denn Alex Klinec wird, so unglaublich das sein mag, noch immer von Jahr zu Jahr besser.

2. Radikon: good old Stanko ist zwar letztes Jahr gestorben, er hat allerdings eine Batterie an Weinen hinterlassen, die noch lange für ihn leben werden. Wichtig bei der Wahl ist weniger die Frage, ob Jakot, Ribolla oder doch lieber Bianco, sondern die Größe der Flasche – zwischen den Möglichkeiten 0,5 und 1 Liter sollte man sich besser für die Literware entscheiden.

3. Skerlj, Vitovska: Karst. Steinig & salzig. Blüten. Neben dem Tannin auch gut Säure. 12% Alk. aber tief und lang

4. Princic, Tokaj: vor allem in kühlen Jahren, wenn die Eleganz in den Vordergrund rückt und die Säure das Tannin stützt und die Aromen präzis und klar durchkommen.

5. Vodopivec, Vitovska: Monumental. Druck, Power, Wucht, Saftigkeit und trotzdem Trinkfluss.

6. Terpin, Ribolla gialla: gewichtige und doch frische Textur, kräftiger aber nie ausladender Körper, komplexe Aromatik und Tannin so fest wie Francos Handschlag

7. Paraschos, Orange One Bianco: sehr eigenwilliger Name. So orange, dass selbst Fanta blass dagegen aussieht. Ein Monat auf der Maische hinterlässt Spuren, vor allem dann, wenn – so wie hier – Ribolla Gialla mit von der Partie ist. Über mangelnden Gerbstoff braucht man sich auch keinen Kopf machen und auch an Säure mangelt es nicht. Tokaj und Malvasia assistieren übrigens blendend und letztlich manifestiert sich das alles als kräuterig-erdig-agrumige Angelegenheit.

8. Nando, Jakot: orange wie die Kittel tibetischer Mönche; vielschichtige  Aromen, puristisch und exakt. Tiefe mit Trinkfluss.

9. Cotar, Sauvignon Blanc: nicht das einzige Beispiel dafür, dass sich die Sorte bestens für orange Versionen eignet. Saftig und strukturiert, mehr Säure als Gerbstoff. Lotet die Aromenvielfalt der Sorte aus, wobei man grüne und grasige Noten lange suchen kann.

10. Marco Fon, Malvasia: Auch eine jener Sorten, die auf den Schalen vergoren grundsätzlich wesentlich spannendere Ergebnisse liefert als sofort abgepresst. Aromatisch ornamental (Kräuter, rote Beeren, Orangen) aber schon auch Kind seiner Herkunft (Karst) – salzig, ausladend und nachhaltig.

Mazerierte bzw. orange Weine sind Weine, bei denen die Farb- und Gerbstoffe aus den Schalen weißer Trauben gelaugt werden.  Dabei ist das Grundprinzip genau das, das normalerweise bei der Rotweinproduktion angewendet wird. Die Schalen bleiben über eine gewisse Zeit mit dem Most (teilweise auch noch mit dem fertigen Wein) in Kontakt und extrahieren dabei Phenole & Co in den Wein. Wie intensiv dieser Kontakt ist liegt im Ermessen des Winzers. Die Maischestandzeiten variieren dabei zwischen ca. 3-4 Tagen und 80 oder 100 Tagen, es gibt aber auch Produzenten, die mit längeren Mazerationszeiten experimentieren.

Sich aus dem Fenster zu lehnen und zu sagen, dass Nebbiolo Italiens größte Rebsorte ist, ist eine relativ ungefährliche Sache. Zu sagen, dass sie weltweit die Nase vorne hat, ist schon gefährlicher und wird zumindest von der Fraktion der Pinot Noir Trinker (nicht ganz unberechtigt) unterminiert werden. Zu behaupten, dass sie die größte Sorte des Piemonts ist, könnte allerdings, wenn man es genau nimmt, zum Sturz führen. Denn sollten sich die Vermutungen der Ampelographen irgendwann bestätigen, dann stammt Nebbiolo weder aus Barolo noch Barbaresco und auch nicht aus Bramaterra oder Gattinara, sondern aus dem Valtellina und folglich aus der Lombardei.

Den Grund für diese Annahme liefern wiederum andere Rebsorten wie Brugnolo, Rossola, Pignola, Rossolino etc., die in einem engen Verwandtschaftsverhältnis mit Nebbiolo stehen und allesamt ihren Ursprung in der felsigen Welt des Valtellina haben. Und natürlich auch die Tatsache, dass die Sorte dort bis heute wenig bekannte, aber immer wieder fantastische Interpretationen erfährt. Fakt ist freilich auch, dass sich die Sorte im Laufe der Jahrhunderte über das nördliche Piemont und bis in den Süden des Aostatals ausbreitete und in diesem kühlen, voralpinen Territorium seine optimalen natürlichen Voraussetzungen gefunden zu haben scheint (in Italien hat man es abgesehen von ein paar wenigen und uninteressanten Ausnahmen aufgegeben, die Sorte auch woanders zu kultivieren und auch im übrigen Europa scheint sich kein Ort zu finden, wo man Nebbiolo die Bedingungen bieten kann, die ihr zu ihrer Reputation verholfen haben. In Übersee dagegen hat man sich die Hörner noch nicht komplett abgestoßen und produziert Nebbiolo, der zwar wenig mit den italienischen Varianten gemein hat, aber sich immerhin bestens vermarkten lässt.)

Geschichte: Nebbiolo ist nicht nur edel sondern auch alt. Plinius der Ältere nannte sie nubbiola, ein lateinischer Verweis auf den Nebel, der sich im Allgemeinen über die Weingärten des Piemonts legt, wenn man, spät im Herbst, die Sorte liest. Seit damals findet sie immer wieder Erwähnung, unter anderem in einem 1402 in La Morra erlassenem Dekret, das die Beschädigung von Nebbioloreben unter schwere Strafe stellt. Was den simplen Schluss nahelegt, dass man auch schon vor 600 Jahren wusste, dass man es bei Nebbiolo mit DER exemplarischen Qualitätssorte der Region zu tun hatte (was nicht ganz selbstverständlich war, da man mit Freisa, Grignolino und, in den richtigen Zonen und richtigen Händen, Dolcetto auch noch aus anderen Sorten vermutlich exzellente Weine kelterte).

Nebbiolo vereint – in aller Kürze – alle Attribute, die man sich bei großen Weinen wünscht. Sie liefert Säure und zupackende aber feine Tannine. Sie ist elegant und filigran und hat dabei doch Tiefe. Sie ist sensorisch komplex, subtil und nuanciert mit einem immensen Aromaspektrum. Sie ist nie aufdringlich. Sie übersetzt wie keine andere rote Sorte außer Pinot ihr Terroir in den gekelterten Wein. Sie reift blendend. Damit all diese Komponenten auch zum Vorschein kommen können, bedarf es allerdings einiger ineinandergreifende Voraussetzungen.

  1. Süd, südost- oder südwestseitige Lagen wären nicht schlecht. Nebbiolo reift spät und braucht neben dem grundsätzlich eher kühlen Klima Norditaliens Sonne (es gibt, vor allem im Barolo, leider eine Tendenz auch weniger privilegierte Lagen mit Nebbiolo zu bestocken, da die Sorte finanziell deutlich mehr abwirft als Barbera & Co.)
  2. Sandige mit Ton und Kalk durchsetzte Böden – innerhalb des Piemonts und der Lombardei gibt es zwar erhebliche Unterschiede in der Gewichtung der Anteile, die Basis bleibt allerdings ziemlich gleich)

Vinifikation: Der Glaubenskrieg zwischen Modernisten (neues Holz, Ertragsreduzierung, neue Klone, dichte Bestockung, Temperaturkontrolle, kurze Mazerationszeiten, früh antrinkbar) und Traditionalisten (große Holzfässer, lange Mazerationszeiten, keine Temperaturkontrolle etc.), der in den 80er Jahren in Barolo und Barbaresco ausbrach und sich bis in die 2000er Jahre fortsetzte, scheint zwar mit leichten Vorteilen für die Traditionalisten beendet zu sein, individuelle Noten prägen allerdings glücklicherweise weiterhin ganz eminent die Weine. Die oben geschilderten Attribute trifft man freilich vor allem bei traditionellen Vinifikationen an.

Vorkommen: Abgesehen vom Barolo und Barbaresco, denen ich in absehbarer Zeit sicher längere Artikel widmen werde, lohnt es sich, den Blick auch über den Tellerrand und in Richtung Norden zu richten. Bramaterra, Lessona, Coste della Sesia, Ghemme, Gattinara, Roero und Carema sind allesamt piemontesische Regionen, in denen teils exzellente Voraussetzungen für Nebbiolo herrschen – wobei es leider nur wenige Winzer gibt, die biologisch arbeiten (Antoniolo, Colombera, Antoniotti… wobei die Tendenz leicht steigend ist). Das Valtellina habe ich bereits erwähnt und abgesehen davon, dass sich mit Ar.Pe.Pe. dort einer der besten Nebbioloproduzenten befindet, ist die Region für sich unglaublich spektakulär. Weinbau ist absolut grenzwertig und wer wissen will, wie Bergweinbau funktioniert, sollte entweder in die Ecke aufbrechen oder sich „Rupi del Vino“, das erstaunliche Portrait der Region von Ermanno Olmi anschauen: ein Ausschnitt findet sich Hier). Am wenigsten bekannt dürften die Nebbiolopflanzungen im Val Camonica (Lombardei – Enrico Togni keltert dort exzellente Beispiele) und in Donnas im Aostatal sein. Wer die Gelegenheit hat, an Weine aus diesen Regionen ranzukommen, sollte sie nutzen, wobei ich befürchte, dass man sich dafür nach Italien aufmachen muss.

Barolos und Barbarescos tendieren dazu, recht teuer zu sein. Da ich Weinpreise bis € 60 nachvollziehen kann, darüber hinaus allerdings nicht, sind hier nur Empfehlungen gelistet, die sich unter dieser Preisgrenze befinden.

Wenn hier trotzdem einige große Namen fehlen, dann kann das aber auch daran liegen, dass ich ihre Weine nicht kenne (gut möglich), sie nicht mag (schon auch möglich) oder sie nach Kriterien kultiviert und gekeltert werden, die ich für mich ausgeschlossen habe.

Serafino Rivella: Barberesco Montestefano (€ 35)
Cascina Roccalini: Barbaresco Roccalini (€ 30)
Cascina delle Rose: Barbaresco Rabajà  (€ 35)
Sottimano: Barbaresco Pajoré (€ 40)
Cigliutti: Barbaresco Serraboella (€ 40)
Piero Busso: Barbaresco Gallina (€ 49)
Roagna: Barbaresco Paje (€ 55)
Bocchino: Barolo La Serra (€ 45)
Bocchino: Nebbiolo d’Alba La Perucca (€ 25)
Brovia: Barolo Villero (€ 50)
Giacomo Brezza: Barolo Cannubi (€ 35)
Giuseppe Rinaldi: Barolo Cannubi San Lorenzo (€ 50)
Giuseppe Rinaldi: Barolo Brunate Le Coste (€ 50)
Giuseppe Rinaldi. Nebbiolo Langhe (€ 20)
Castello di Verduno: Barolo Monvigliero (€ 45)
Bartolo Mascarello: Barolo (€ 55)
Cascina Fontana: Barolo (€ 40)
Giovanni Manzone: Barolo Castelletto (€ 35)
Carlo Viglione: Barolo (€ 30)
Aldo Conterno: Langhe Nebbiolo Cavot (€ 35)
Ferdinando Principiano: Barolo Ravera (€ 45)
Cascina Val del Prete: Nebbiolo Vigna di Lino  (Roero – € 20)
Antoniotti: Bramaterra (€ 22)
Colombera & Garella: Bramaterra (€ 20, Nebbiolo mit etwas Vespolina und Croatina)
Sergio Barbaglia: Boca (€ 35)
Antoniolo: Juvenia (€ 15)
Togni Rebaioli: 1703 Nebbiolo (€ 16 Val Camonica)
Ar.Pe.Pe:: das komplette Sortiment (Valtellina)


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