07 Nov / 2019
Monteforche – brillante Weine aus den Colli Euganei
In die Colli Euganei aufzubrechen lohnt sich eigentlich immer. Die Dichte an exzellenten Trattorien, wo man für ein paar Euro selbstgemachte Pasta bekommt, konkurriert mit der Casinokonzentration in Las Vegas und die alten Vulkankegel mitten in der Poebene stehen ähnlich unvorbereitet in der Landschaft wie die Felsbrocken im Monument Valley.
Zumindest eigenwillig ist zudem die Tatsache, dass gleich zwei der sechs Winzer, die an den Hängen und Kuppen der Vulkane außergewöhnliche Weine keltern, in einem früheren Leben exzellente Musiker waren und mit Kontrabass (Paolo Brunello) und Französischem Horn (Alfonso Soranzo) die Konzerthallen der Welt bespielten. Den Kontrabass habe ich schon mal erwähnt, das Französische Horn dagegen ist neu.
Bis er 30 war, habe er darauf gespielt, erzählt Alfonso und ein Leben geführt, das dem eines klassischen Bohemiens relativ nahe gekommen sein dürfte. Gespielt, gearbeitet und gelebt wurde in der Nacht – mit all seinen positiven und negativen Konsequenzen, der Tag gehörte dem Schlaf; das machte er so lange bis er keine Lust mehr auf diesen Rhythmus hatte und sich der Wunsch bildete, statt Hörnern Töne, Trauben Aromen zu entlocken.
Das Jahr 1999 wurde somit zum Anfang seiner neuen Zeitrechnung. In den Hügeln über dem kleinen Ort Zovon di Vò, am westlichen Rand der Hügel übernahm Alfonso einen Hektar Weingärten von seinem Vater – nicht viel aber genug, um erste Weine keltern zu können. Anfangs kam die Hilfe von außen – seine Eltern wussten zwar über die elementaren Produktionsschritte Bescheid, doch war es Alfonsos Ziel mehr als nur „vino sfuso“ zu keltern – weshalb er auf die professionelle Hilfe eines Önologen setzte. Zudem hörte er sich bei den älteren Generationen in der Nachbarschaft um und setzte sich so sukzessive seine Vorstellung eines idealen Weins zusammen. Diese Vorstellungswelten wurden 2002 noch einmal radikal verändert als Alfonso Angiolino Maule kennenlernte.
Maule galt damals schon als streitbarer Vertreter der Naturweinnische und erzählte bereitwillig jungen Winzern von alternativen Ansätzen im Weingarten und Keller. Alfonso hörte zu und setzte vieles, was Maule empfahl, in seinen Weingärten um. Die Arbeit im Weingarten musste er dabei kaum verändern. Schon sein Vater verwendete weder Pestizide noch Herbizide. Alfonso machte das offiziell, zertifizierte seine Parzellen BIO und setzte sukzessive auch ein paar neue Weingärten aus. Da auch die im Bioweinbau gebräuchliche Bordeauxbrühe (Kupfer), laut Alfonso „kein Rosenwasser“ ist, experimentiert er zudem mit natürlichen Präparaten.
Insgesamt sind es heute 5,5 Hektar, die er bewirtschaftet, vorwiegend auf kalkhaltigen und vulkanischen Böden und vorwiegend mit Cabernet Franc. In den Colli Euganei werden Bordelaiser Reben seit dem 19. Jahrhundert kultiviert, als italienische Landarbeiter und Tagelöhner die Rebstöcke aus Frankreich mitbrachten. Heute wurzelt in den Colli Euganei und den benachbarten Colli Berici so viel Carmenere wie nirgendwo sonst in Europa und Cabernet Franc, Merlot und Cabernet Sauvignon werden quasi als heimische Rebsorten betrachtet.
Die Weine
Das gleiche gilt auch für die Serprino – doch was ich im ersten Moment als wahrhaft autochtone Rebsorte verortete, ist lediglich ein Synonym für die Glera, die wiederum ein Synonym für Prosecco ist. Fakt ist, dass es eine eigene DOC dafür in den Hügeln gibt und dass sich Alfonsos Version, der RIF (für rifermentato in bottiglia – flaschenvergoren), locker mit den besten Interpretationen der Kernregion des Glera/Prosecco messen kann. Ähnliches kann man über seinen Garganega sagen, den Vigneto Carantina, der saftig, konzentriert, und rauchig den Vergleich mit den besten Exemplaren aus Soave und Gambellara nicht scheuen muss. Malvasia, Garganega und Moscato Bianco sind die Bestandteile des Cassiara, einer staubtrockenen, mineralischen und aromatischen Cuvée, die 2018 exzellent ausgefallen ist. Die Vinifikation unterscheidet sich dabei kaum. Alfonso schwefelt die Maische minimal (die pH-Werte in den Hügeln sind seiner Ansicht nach nicht so niedrig, dass er darauf verzichten will), danach wird spontan und ohne Temperaturregulierung vergoren und der Wein – weiß wie rot – in Zementfässern gelagert. Geschönt und gefiltert wird nicht, geschwefelt erst wieder vor der Einflaschung.
Neben dem brillanten Cabernet Franc (davon ein anderes Mal detaillierter) keltert Alfonso einen geradlinigen und erstaunlich fruchtigen Carmenere und zu guter Letzt einen Wein, der in seiner Zusammensetzung definitiv einzigartig auf der Welt ist. In einem Projekt mit der Universität Padua hat Alfonso Soranzo eine Parzellen seiner Weingärten alten autochtonen Sorten gewidmet: seit einigen Jahren kultiviert er Marzemina Nera, Pattaresca und Cavrara und keltert daraus einen Wein, dem er den Namen „Vecchie varieta“ (alte Rebsorten) verpasst hat – rustikal, saftig, ledrig, dunkel und kraftvoll.
Monteforche ist Mitglied bei Vinnatur.
Monteforche – Alfonso Soranzo
Vò, Franzione Zovon
Via Rovarolla, 2005
Tel: 3332376035
soranzo1968@gmail.com
Weine
RIF
Pinot Grigio
Cassiara (Garganega, Malvasia)
Vigneto Carantina (Garganega)
Carmenere
Cabernet Franc
Vigne Vecchie (autochthone rote Rebsorten)
Jahresproduktion: 16000 Flaschen
Rebsorten: Malvasia, Marzemina Bianca, Traminer, Garganega, Pinot Grigio, Moscato; Cabernet Franc, Merlot, Carmenere, Marzemina Nera Bastarda, Turchetta, Recantina, Corbinona, Pattaresca und Cavrara
Rebfläche: 5 Hektar
Manuelle Lese: ja
Dünger: ja, biodynamische Präparate
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch ja
Direktverkauf:ja
Wohnmöglichkeit: ja
On the road: Villa Favorita, Fornovo, La Terra Trema
02 Nov / 2019
Pacina – wo BIODIVERSITÄT groß geschrieben wird
Pacina ist vielmehr als nur ein Weingut. Es ist ein kleiner, in einem Wald versteckter Ort nahe Castelnuovo Berardenga, wo BIODIVERSITÄT groß geschrieben wird und neben Reben auch noch Dinkel, Oliven und Kichererbsen kultiviert werden. Es ist – als Agriturismo – auch ein Rückzugsort für all jene, die lieber die Crete Senesi erforschen als die Uffizien (wobei Florenz auch nur eine Stunde entfernt liegt), vor allem aber ist es das Lebensprojekt von Giovanna und Stefano Tiezzi, die gemeinsam mit ihren erwachsenen Kindern Maria und Carlo, Pacina bewirtschaften.
Pacinas noch immer bestens erhaltene Mauern wurden im zehnten Jahrhundert errichtet und damals von Mönchen bewohnt. Weinbau auf den umliegenden Feldern dürfte allerdings schon zu Zeiten der Etrusker betrieben worden sein, von deren Gott des Weins, Pacna, sich auch der Name des heutigen Guts ableitet.
Die Familie von Giovanna Tiezzi hat das Anwesen dann vor gut einem Jahrhundert übernommen und die Acker- und Rebflächen stets ohne den Einsatz von Pestiziden oder anderweitiger, in der Landwirtschaft verwendeter Chemikalien gepflegt. Im Gegenteil: Ihr Vater Enzo, ein Naturschützer und Umweltaktivist bevor es die Wörter überhaupt gab, veranstaltete 1980 auf Pacina das erste Treffen von Legambiente, einer der führenden italienischen Umweltorganisationen; und Giovannas Mutter war eine Biologin, die in diversen Schriften schon früh auf die elementare Bedeutung der Biodiversität für das natürliche Gleichgewicht in einer zunehmend auf Monokulturen basierenden Landwirtschaft hinwies.
Giovanna und Stefano (ein diplomierter Landwirt) haben im Sinne der beiden weitergemacht. In den 10 Hektar Rebfläche, deren geologisches Fundament größtenteils auf von Kalk durchsetzten Sanden und Ton basiert, wurzelt größtenteils Sangiovese, ergänzt von Ciliegiolo, Canaiolo, Syrah und den beiden weißen Sorten Trebbiano di Toscana und Malvasia di Chianti. Die Interventionen im Weingarten beschränken sich auf bewusste Interaktionen zwischen den Winzern und ihren Rebstöcken, wobei einzig und allein, die aus Beobachtung des eigenen Territoriums entwickelte Erfahrung zählt.
Im Keller setzt sich diese Erfahrung fort. Man verzichtet auf das stets umfangreicher werdende Arsenal intervenierender und manipulierender Produkte und lässt den Wein einfach werden. Dabei setzt man nach einer durch wilde Hefen initiierte Gärung in Zementzisternen auf verhältnismäßig lange Ausbauzeiten, die mit Ausnahme des Il Secondo, Pacinas Einstiegswein, in gebrauchten Holzfässern stattfinden.
ps: Pacina war bis vor kurzem Mitglied des Chianti Konsortiums. Aufgrund von Regulativen, die die lange Tradition des Chianti in immer stärker werdendem Maße durch internationale Rebsorten und Trends ersetzt und manipuliert, beschlossen Giovanna und Stefano jedoch aus dem Konsortium auszutreten. Ihre eigentlich klassischen Chiantis sind der Pacina (der einer Chianti Classico Riserva entspricht) und der Il Secondo.
Pacina
TELEFON
+39 335-6657449
+39 335-5448565
FAX
Datenblatt
Jahresproduktion: ca. 50000 Flaschen
Rebsorten: Malvasia di Chianti, Trebbiano di Toscana; Sangiovese, Ciliegiolo, Canaiolo, Syrah
Rebfläche: 10 ha
Manuelle Lese: ja
Dünger: nein
Pflanzenschutz: Kupfer und Schwefel
Biologisch zertifiziert: ja
Direktverkauf: ja
Wohnmöglichkeit: ja
Die Weine
Il Secondo: Junge Reben, die 2005 bzw. 2008 ausgepflanzt wurden, sind die Basis für Pacinas Einstiegswein. Die Rebsorten sind Sangiovese, Canaiolo, Colorino, der Boden Tufo di Siena, der übrigens während des Palio in Siena über die Pflasterstein der Piazza del Campo gestreut wird. Die Aromen sind rotbeerig, erdig und von Blüten geprägt, die Textur ist geradliniger als beim Pacina, die Säure wirkt frischer, der Gerbstoff rustikaler. Wer mag, kann darauf warten, dass er weicher und mürber wird, gelegentlich ist es allerdings auch schön einen Wein mit seinen noch jugendlichen Ecken und Kanten zu trinken.
Pacina: Der Pacina besteht zu 95% aus Sangiovese und zu 5% aus Ciliegiolo und Canaiolo, wächst auf Tufo di Siena, dem klassischen Untergrund des südlichen Teils der Region und wird über 14 Monate in Holzbottichen unterschiedlicher Größe (500-2500 l) und danach noch für weitere 12 Monate in der Flasche ausgebaut. Er hat Kraft & Säure, ist profund und dicht, ausgewogen und druckvoll und hat Aromen, die rote Frucht, Pfeffer und Lakritze integrieren.
La Malena: reinsortiger Syrah, dunkelfruchtig, erdig; sehr kraftvoll
La Sorpresa: Trockenfrüchte, Marmelade, ölig, saftig, puffert mit einer erstaunlich lebhaften Säure die immense Süße, brillant.
La Cerrettina: Pacinas Weißwein aus Trebbiano Toscano & Malvasia – noch nicht probiert
Die beiden erstgenannten Rotweine von Pacina gibt es bei vinonudo
25 Okt / 2019
Weine zum Entdecken
23 Okt / 2019
Best of Frizzante – 10 Alternativen zum Prosecco
Italienische Schaumweine boomen, wobei man dieses Statement auch deutlich präziser formulieren kann. Das Prosecco und seine Frizzante boomen – und zwar so sehr, dass auch die frechen Gebietsvergrößerungsdiskussionen und Pestizidskandale sanft wie ein frischer Frühlingswind an ihnen vorbeistreifen und so schnell in Vergessenheit geraten wie die meisten Prosecchi, die man je im Glas hatte. Obwohl sich die meisten Händler, Supermarktketten, Wirtsleute und Tankstellenbetreiber vor allem am potenziellen Profit orientieren und bezüglich italienischer Frizzante folglich meist exklusiv auf Prosecco setzen, ist es erfreulich, dass sich viele gebietsfremde Winzer davon nicht irritieren lassen und dem süßlichen Kommerzsprudel für das gleiche Geld oft wesentlich hochklassigere Beispiele entgegensetzen.
10 Beispiele exzellenter Proseccoalternativen
Claudio Plessi, Tarbianein (Emilia-Romagna): Ein fantastischer, barocker, mundfüllender nur sanft sprudelnder Frizzante aus Trebbiano di Spagna, der Rebsorte, die ansonsten fast ausschließlich für Aceto Balsamico verwendet wird. (Leider nur vor Ort erhältlich)
Cirelli, Wines Of Anarchy (Abruzzen): Francesco Cirelli ist ein exzellenter Winzer, der normalerweise mit Stillweinen aus Montepulciano und Trebbiano punktet. Aus letzterer Rebsorte keltert er seit kurzem auch einen rifermentato, der rustikal und frisch nach Salz, weißen Blüten und gelben Früchten schmeckt. (wineyou.it – verschickt nach AT und DE)
Nevio Scala, Gargante (Veneto): extrem vitaler, feingliedriger und klarer Garganega-Sprudel aus den Colli Euganei vom ehemaligen italienischen Fußballnationalspielers und Trainer des BVB und AC Parma. www.vinonudo.at
Bera, Moscato d’Asti (Piemont): Der beste Moscato d’Asti, den ich kenne. So filigran, fein, und zurückhaltend, dass man die begleitende Süße nur als dezentes Detail wahrnimmt. Gianluigis Moscato ist, so unwahrscheinlich das klingen mag, ein leiser Wein, dessen florale und fruchtige Aromen sich hinter kühler Mineralität verstecken. Toll. (Leider habe ich keine Ahnung, wo man den Wein im deutschsprachigen Raum bekommen kann)
Ca’ de Noci, Querciole (Emilia-Romagna): Animierend, geradliniger und profunder Frizzante der Brüder Masini aus den Hügeln südlich von Reggio Emilia. Aus der wenig bekannten aber für Schaumwein prädestinierten Sorte Spergola gekeltert. Elegant und pulsierend, von Grapefruit und Tonic geprägt. Ungeschwefelt. www.vinonudo.at
Camillo Donati, La mia Malvasia (Emilia Romagna): Einer der Großmeister in Sachen natürlicher Schaumweinvinifizierung. Aromatisch, intensiv duftig, filigran und persistent. Macht Spaß und hat doch genug Charakter, um sich ein paar Gedanken darüber zu machen. (Findet sich bei einigen italienischen Händlern, die für gewöhnlich auch nach AT und DE verschicken.)
Castello di Stefanago, Blanc de Blancs ancestrale (Lombardei): Eigenwillige aber exzellente Cuvée aus Chardonnay, Müller-Thurgau und Riesling. Ein rifermentato mit einer Reifezeit in der Flasche wie ein Champagner. Ungefähr wie ein solcher – lebhaft, strukturiert, mit weißen Blüten und Hefearomen – schmeckt er dann auch. www.vinonudo.at
La Marca di San Michele, Numero Zero: Exzellentes Weingut aus Cupramontana, dem Epizentrum des Verdicchio. Daraus entsteht auch der Numero Zero, ein vitaler, mineralischer und von Blüten unterlegter Extra-Brut. Top. (aus Italien verschickt die Enoteca Galli)
Cascina Boccaccio Infernot (Piemont): 100% Cortese. Rifermentato. Ohne irgendwelche Zusätze in der Flasche vinifiziert. Ungeschwefelt und ungefiltert. Ein großer Trinkspaß. Fruchtig, dynamisch und für gewöhnlich knochentrocken.
Davide Spillare L1 (Veneto): Davides L1 riecht nach Holunderblüten und Zitrusfrüchten, ist dank eines fünfprozentigen Anteils der stark säurehaltigen Durella spritzig und lebendig und ansonsten doch von der weichen Textur der Garganega geprägt. www.vinonudo.at
22 Okt / 2019
Boffalora – Weinbau in extremis; Valtellina encore
Beppe Guglielmo arbeitete als Automechaniker, als sein Schwiegervater starb. Der alte Mann vermachte seiner Frau und ihm 30.000 qm mit Nebbiolo bestockte Weingärten in den Bergen des Valtellina und stellte die beiden vor die schwierige Wahl entweder weiterhin ein monatliches Fixeinkommen zu haben oder als Quereinsteiger in der Welt des Weins neu durchzustarten: Die beiden entschieden sich dafür, es als Winzer zu versuchen.
Das war im Jahr 2002. Sie tauften ihr Weingut Boffalora, im Valtellina ein sehr schöner Ausdruck für das Blasen des Windes. Der wandert, laut Beppe, jeden Tag vom Lago di Como hinauf nach Castione Andevenno – dem Ort, wo sich die Weingärten befinden –, ehe er nachts wieder den Rückweg an den See antritt.
Die Weingärten ziehen sich bis auf 700 Meter in die Höhe und würden darin keine Reben wurzeln, könnte man bestens eine Schipiste daraus machen. Sie fallen so steil ab wie der Zielschuss in Gröden und sind einzig und allein per Hand (und am besten angeseilt) zu bewirtschaften. Die ersten Jahre über verkaufte er seine Trauben, mit dem Jahrgang 2009 begann er sie jedoch schließlich selbst zu vinifizieren.
Dafür baute er sich einen kleinen Keller in ein steinaltes Haus mitten im Dorf und staffierte es mit ein paar Stahltanks und Holzfässern aus. Darin vinifiziert er mit wilden Hefen und langen Mazerationszeiten recht traditionell und ohne dem ganzen Brimborium an Hilfsmittel seine Weine. Im oberen Stockwerk ist ein Raum für die Produktion des Sfursat reserviert, jener klassischen Spezialität der Region bei der die Nebbiolo-Trauben vor der Gärung über mehrere Monate hinweg getrocknet werden.
DIE WEINE
Umo: Frisch, ausgewogen, mineralisch. Lebhaft und einladend. Ein Basiswein mit Charakter. Rote Frucht, Zitrusnoten und Kräuter bestimmen das Aromaprofil, straffes Tannin und eine strukturierende Säure die Textur und den Körper.
Pietrisco: „Pietrisco“ – der Wein aus dem Stein“. Nebbiolo-Trauben aus extrem steilen Lagen. 12 Monate im Holzfass ausgebaut. Strukturiert und dynamisch. Mineralisch. Frisch. Mit kühler Frucht. Am Gaumen dann kompakt, intensiv und elegant. Definitiv gerüstet für ein langes Leben. Einer der besten Weine des Valtellina.
Beppe produziert auch den „Runco del Onego“, einen Sfursat (Wein aus getrockneten Nebbiolo-Trauben), den ich allerdings noch nie im Glas hatte.
20 Okt / 2019
La Stoppa – Ageno & Co.
LA STOPPA ist ein altes Weingut nahe Piacenza in der Emilia, deren Weingärten einsam die Hänge des Val Trebbiola hochklettern. Das Gut umfasst 58 Hektar, wobei 28 Hektar Eichen, Kastanien und Robinien sind – der Rest ist Wein. Die Wälder und Weingärten sind von einem mittelalterlichen Turm flankiert, der vor langer Zeit von einem Advokaten namens Ageno bewohnt war. Seiner Leidenschaft für französische Weine verlieh er dadurch Ausdruck, dass er Merlot, Cabernet, Semillon und Pinot Noir auspflanzen ließ und die daraus entstandenen Weine Bordo und Pino nannte. Seinen Namen trägt heute wiederum ein maischevergorener Malvasia di Candia Aromatica, ein Meilenstein in der Welt der Orangen Weine.
Französische Rebstöcke wurzeln noch heute in den Weingärten. Allerdings gesellen sich zu den Klassikern aus dem Bordeaux auch noch Bonarda und Barbera, Malvasia di Candia Aromatica und Ortrugo – und so sind die Weine von La Stoppa eine gelungene Mischung aus autochthonen und zugewanderten Sorten, die letztlich ein ziemlich spektakuläres Sortiment abgeben.
1973 wurde La Stoppa von der Familie Pantaleoni übernommen, die das Weingut auf biologische Bewirtschaftung umstellte und den Keller renovierte. Mit dem Resultat, dass La Stoppa heute zu den führenden und sicher besten und innovativsten Weingütern der Emilia zählt.
Die Philosophie des Weinguts basiert auf ein paar wenigen Säulen. Die sind zum einen niedrige Erträge (dem fortgeschrittenen Alter der Rebstöcke und dem kargen Terrain geschuldet) und gesunde und absolut botrytisfreie Trauben. Dem Menschen kommt dabei die Aufgabe dazu, das ihm vorgegebene Material so gut und so authentisch wie möglich zu verarbeiten und dabei sowohl die Charkeristika der Rebsorte wie auch der Region zum Ausdruck zu bringen.
Der Keller ist zweistöckig. Man arbeitet mit der Schwerkraft und quasi pumpenfrei. Vinifiziert werden die gerappten Trauben, die Gärung erfolgt spontan. Die Mazerationszeiten sind bei Weiß- wie Rotweinen lange, die Gärtemperaturen sind abhängig vom Jahrgang. Erfolgt die Gärung noch im Stahltank, so wird der Wein dann weiterführend zum Teil auch in Holz ausgebaut – der Wein soll die Möglichkeit haben zu atmen und sich langsam zu entwickeln. Nach der Abfüllung erfolgt noch eine weitere, zuweilen recht lange Reifezeit in der Flasche. Erst wenn die Weine ein perfektes Gleichgewicht erlangt haben kommen sie auch auf den Markt.
Die Weine
Ageno: maischevergoren, basiert auf Malvasia di candia aromatica, Trebbiano und Ortrugo. Tief und komplex, fordernd und doch mit Trinkfluss; einer der großen orangen Weine Italiens. Ein Monument. La Stoppas bester Wein.
Trebbiolo: Lebhaft, saftig, dunkelfruchtig. Hat Energie und Power. Cuvée aus Bonarda und Barbara, den beiden klassischen Sorten der Region. Spontan vergoren und in Zementbottichen ausgebaut.
Macchiona: Intensiv, druck- und kraftvoll, würzig und nachdrücklich am Gaumen. Ebenfalls und zu gleichen Teilen aus Bonarda und Barbera gekeltert. Spontan vergoren, über 40 Tage mazeriert und danach zwei Jahre lang im Holz und zumindest ein Jahr in der Flasche gereift. Eine der besten roten Stillweine der Emilia.
Barbera: Kühle Frucht, fleischiger Unterton, knackige Säure – zischt recht lebhaft durch die Adern. Hat Substanz und Tiefe. Bleibt recht nachhaltig am Gaumen. Nach spontaner Gärung und 40 tägigem Schalenkontakt wird er im 4000-Liter Holzfass ausgebaut. Ungefiltert, ungeschönt und ungeschwefelt
Vigna del Volta: Süßwein aus Malvasia di Candia Aromatica. Stammt von einem auf Kalk basierenden Weingarten, der über Jahrzehnte hinweg von Signor Volta gepflegt wurde. Den gibt es leider nicht mehr, seinen Wein allerdings schon. Spontan vergoren und über ein Jahr in Barriquefässern ausgebaut offeriert er viel Marille, ordentlich Säure, eine ölig-cremige Konsistenz und ein langes, gelbfruchtiges Finish.
La Stoppa
29029 Rivergaro (PC)
Tel. (+39) 0523.958.159
Fax (+39) 0523.951.141
E-mail: info@lastoppa.it
www.lastoppa.it
Jahresproduktion: 160000
Rebsorten: Malvasia di Candia Aromatica, Ortrugo, Trebbiano, Moscato, Semillon, Barbera, Bonarda, Merlot
Rebfläche: 30ha
Reberziehung: Guyot
Rebstockalter: zwischen 5 und 90 Jahren
Manuelle Lese: ja
Pflanzenschutz: Kupfer & Schwefel
Biologisch zertifiziert ja
Direktverkauf: ja, nach Voranmeldung
Essmöglichkeit/Restaurant: ja
Wohnmöglichkeit: nein
28 Feb / 2019
Weine erzählen: Emidio Pepe, Montepulciano & Trebbiano
Montepulciano
Hintergrund
Montepulciano ist die rote Königin unter den Rebsorten der Abruzzen. Meinen die Abruzzesen. Viele andere haben ihr gegenüber eher gespaltene Gefühle. In den Weingärten am Meer, sagen sie, ist er meist zu alkoholisch, plump und erschlagend, in den Weingärten hoch oben in den Bergen dünn, mager und grün. Die besten Grundvoraussetzungen hat Montepulciano zweifellos in den Hügeln dazwischen, doch braucht es auch dort die entsprechende Erfahrung und Pflege, um das Beste aus ihr herauszuholen. Denn Montepulciano ist keine einfache Sorte und gibt seine Vorzüge nur ungern preis. Ihre Trauben reifen asynchron, was zwar hübsch aussieht, die Winzer jedoch oft vor schwierige Aufgaben stellt.
Obwohl sich Montepulciano (der Wein) gerne üppig und muskulös präsentiert, ist Montepulciano (die Pflanze) extrem sensibel und fäulnisanfällig. Da sie generell spät reift und es in den Abruzzen im Herbst auch gerne mal regnet, können Pilzkrankheiten folglich schnell zum Problem werden.
Emidio Pepe ist zwar vor den Launen des Wetters nicht gefeit, er weiß allerdings damit umzugehen. Seit 54 Jahren keltert er nunmehr Montepulciano und auch wenn seine kompromisslos jede Mode ignorierende Herangehensweise über viele Jahre belächelt wurde, sind seine Weine doch längst Kult. Er erzieht seine Reben in Tendone, der zentralitalienischen Variante der Pergola, und setzt im Weingarten wie im Keller konsequent auf physische Arbeit. Die Pflege der Rebstöcke und die Lese erfolgen per Hand, das Quetschen der Trauben wird mit den Füßen, das Rebeln durch einen Gitterrost wiederum mit den Händen erledigt.
Die komplette Vinifikation, also Gärung und Ausbau, erfolgt in – innen verglastem – Zement, was bisweilen zu stark reduktiven Aromen in seinen Weinen führen kann. Man macht also keinen Fehler, wenn man ihnen entweder Zeit gibt oder sie rechtzeitig dekantiert.
Stil
Ausgewogen, kraftvoll und dynamisch. Die Aromen spannen sich von Lavendel über Kirschen bis zu süßen Gewürzen, Fleisch und Pfeffer. Balsamische Noten ergänzen. Im Mund packt das Tannin zu, der Körper ist muskulös und saftig, das sensorische Gefühl dunkel aber animierend. Das Finish ist lang und fruchtunterlegt.
Datenblatt
- Rebsorte: Montepulciano
- Bewirtschaftungsart: biologisch
- Weingarten: Ton, im Durchschnitt 30 Jahre alte Reben in Pergolaerziehung
- Lese: per Hand
- Vergärung: spontan| wilde Hefen, in Zement
- Ausbau: in Zement
- Filtration: nein
- SO₂: 40mg/l
- Alkoholgehalt: 13,5 % vol
- Verschluss: Naturkork
- Trinktemperatur: 16-18 °C
- Perfekte Trinkreife: 2020 – 2040
- Flaschenformat: 0,75 l
Trebbiano
Hintergrund
Wie Pepes Montepulciano ist auch sein Trebbiano zutiefst mit den Abruzzen verbunden. In der umfangreichen Trebbianofamilie gehört Trebbiano abruzzese – gemeinsam mit Trebbiano di Soave (in Wirklichkeit Verdicchio aber seit Jahrhunderten unter diesem Namen auch im Veneto beheimatet) und Trebbiano Spoletino (Umbrien) – zu den wenigen, die auch von Kritikern einigermaßen ernst genommen wird. Das liegt zuallererst an Personen wie Emidio Pepe, die sich mit Passion und tiefster innerer Überzeugung den Eigenheiten der Sorte widmen und mit enormen Aufwand und viel Handarbeit ihren Charakter offenlegen.
Pepes Trebbiano wächst in insgesamt fünf Weingärten in Torano Nuovo, einer 1500-Seelen Gemeinde zwischen dem Gran Sasso und der Adria. Größtenteils in der traditionellen Tendone, einer zentralitalienischen Pergolavariante erzogen, drückt hier weniger der Boden (Ton) als vielmehr die doppelte Thermik – vom Meer wie auch von den Bergen – den Reben und später vor allem den Weinen ihren Stempel auf.
Wie auch beim Montepulciano wird auch der Trebbiano erst mit den Füßen sanft eingemaischt und danach händisch durch einen Gitterrost gerebelt. Die Gärung startet spontan und erfolgt, wie auch der darauffolgende Ausbau, in innen verglasten Zementfässern. Der Wein wird nicht gefiltert, vor der Füllung allerdings leicht geschwefelt.
Stil
Steinig, kräuterig und floral. Fruchtaromen spielen in Emidio Pepes Trebbianointerpretation eine eher untergeordnete und delikate Rolle. Dafür machen sich mit der Zeit feine Mandelnoten breit und betten sich in eine zwar kühle aber mundfüllende Textur, die dicht und substantiell den Wein in Richtung Gaumen trägt.
Datenblatt
- Rebsorte: Trebbiano abruzzese
- Bewirtschaftungsart: biologisch
- Weingarten: Fünf auf Tonböden basierende Weingärten, alle auf ca. 200 Meter gelegen.
- Lese: per Hand
- Vergärung: spontan| wilde Hefen, in Zement
- Ausbau: in Zement
- Filtration: nein
- SO₂:
- Alkoholgehalt:
- Verschluss: Naturkork
- Trinktemperatur: 10-12 °C
- Perfekte Trinkreife: ab sofort – 2030
- Flaschenformat: 0,75 l
15 Feb / 2019
Weine erzählen: Giuseppe Sedilesu Mamuthone 2015
Giuseppe Sedilesu und sein Mamuthone
Mamoiada liegt in der Barbagia, dem alten Banditenland Sardiniens. In der Zwischenzeit haben Touristen ihren Platz eingenommen, was nicht bedeutet, dass es nicht auch noch Menschen und Phänomene gibt, die sich der Moderne verweigern. Die Hirten beispielsweise, die weiterhin ihre Schafe über die Macchia treiben. Und auch die Weinbauern, die sich trotz der üblichen Avancen der Agroindustrie keinen Giftschrank eingerichtet haben.
Das ist vermutlich weniger einem heroischen ökologischen Bewusstsein geschuldet, sondern der Tatsache, dass es einfach keine Grund gibt, viel zu spritzen. Die natürlichen Voraussetzungen sind derart perfekt, dass nicht einmal die Notwendigkeit besteht, Kupfer gegen Peronospora auszubringen. Von April bis Oktober regnet es quasi nie und wenn es doch einmal passiert, trocknet ihn der vom Gebirge runterpfeifende Wind sofort wieder auf.
Mamoiada ist folglich das einzige Dorf in Italien (und in der Welt?), das seine (immerhin 300 ha) Weingärten komplett biologisch bewirtschaftet, auch wenn maximal 25% der Winzer entsprechend zertifiziert sind. Marketingmäßig ausgeschlachtet wurde das bisher genauso wenig, wie die Tatsache, dass die Reblaus nie in die Weingärten Mamoiadas eingeschleppt wurde und folglich ein nicht unbedeutender Teil der Reben zum einen älter als 100 Jahre ist, zum anderen noch immer unveredelt in der Erde steht.
Die große Rebsorte der Mamoiada ist Cannonau und die ersten, die die daraus gekelterten Weine auch über die Regionsgrenzen hinaus verkauften, waren vor mittlerweile gut zwei Jahrzehnten Giuseppe Sedilesu und seine mittlerweile das Weingut leitende Kinder. Sie begannen im Jahr 2000 als erste Familie in Mamoiada ihre Weine in Flaschen zu füllen (bis vor 5 Jahren gab es ganze drei Weingüter, die nicht nur Fasswein verkauften, mittlerweile ist es ein gutes Dutzend).
Einer der Meilensteine Sedilesus und auch der erste Cannonau, den ich jemals probierte (Prowein 2007) ist der Mamuthone. Seine Trauben stammen von unterschiedlichsten Weingärten rund um Mamoiada und werden für gewöhnlich Anfang Oktober unter der nicht mehr ganz so heißen Herbstsonne gelesen. Er wird für 12-15 Tage auf der Maische belassen, danach sanft abgepresst und in großen Holzfässern über ein Jahr gereift, ehe er ungefiltert und mit einer kleinen Menge SO2 versehen gefüllt wird.
Stil
Cannonau aus Mamoiada ist, wenn es um den Alkohol geht, eine zutiefst seriöse Angelegenheit. Unter 15 % Alkohol gibt es so gut wie keinen Wein, was ganz einfach damit zu tun hat, dass es in Mamoiada ab Mai tagsüber eigentlich immer heiß ist und Cannonau die Fähigkeit hat, Zucker entsprechend einzulagern. Macht man sich also über eine Flasche her, sollte man das möglichst nicht alleine tun. Dass das dann trotzdem großen Spaß machen kann, liegt daran, dass die Weingärten alle zwischen 500 und 800 Meter hoch liegen, die Nächte also frisch sind und Raum für kühle Noten und Säure im Wein lassen. Der Mamuthone ist also dicht, stoffig und intensiv. Die Frucht ist dunkel, mit süßen Gewürzen im Hintergrund, der Körper kraftvollund strukturiert, das Finish warm und weich.
Daten & Fakten
Rebsorte: Cannonau Reberziehung: Alberello Ertrag: 5000 kg/ha Säure: 5,5 g/l Lese: Oktober Vergärung: spontan Ausbau: 12 Monate in 4000 l großen Holzfässern Filterung: nein Schwefel: < 50mg/l Alkohol: 14,5%
Weitere Weine im durchwegs exzellenten Sortiment von Sedilesu sind die ausnahmslos auf Cannonau basierenden S’annada, Ballu Tundu, Gràssia und Carnevale und der mächtige, weiße aus Granaccia fabrizierte Perda Pinta (der jedem Trend hin zur Eleganz mit Gradationen bis zu 17% natürlichem Alkohol komplett zuwiderläuft – schmeckt trotzdem super).
14 Feb / 2019
Weine erzählen: De Fermo Chardonnay Launegild 2015
Hintergrund
Der Launegild ist einer der ungewöhnlichsten Weißweine Italiens. Gleichzeitig ist er auch einer der besten, aber dazu später.
Das ungewöhnlichste am Launegild ist die Tatsache, dass die Rebsorte Chardonnay ist. Daraus werden in Italien zwar mehr Weine gekeltert als man glaubt, das meiste davon ist aber entweder eine anscheinend unumgängliche Begleiterscheinung zu einigen roten Supertuscans oder lieblos fabrizierte Supermarktware, bei der man auf die Zugkraft der Sorte und die Gleichgültigkeit der Konsumenten setzt. Die einzigen Chardonnays, die sich wirklich lohnen, stammen aus dem Aostatal, vor allem seid man dort zunehmend auf biologische Bewirtschaftung setzt.
Der Launegild kommt dagegen aus den Abruzzen, eine – wie mir immer klarer wird – völlig unterschätzte Weinbauregion (wer sich diesbezüglich ein bisschen Eintrinken will, sollte die Weine von Cirelli, Praesidium, Emidio Pepe, Rabasco, Valentini und natürlich De Fermo probieren).
De Fermos Chardonnay-Weingarten befindet sich in Loreto Aprutino auf halbem Weg zwischen der Adria und dem 2912 Meter hohen Gran Sasso, dem höchsten Berg zwischen den Alpen und dem Ätna. Gepflanzt wurde er erstaunlicherweise bereits 1926, also gut 50 Jahre bevor der Chardonnay-Boom die Sorte auch noch in die verstecktesten Winkel der Welt trug und zwar von einem Winzer, der ziemlich genau wusste, was er tat. Er setzte die Reben in einen von Kalk durchsetzten Hang – gut durchlüftet und beeinflusst von kühlen Fallwinden aus dem Gran Sasso Massiv finden sie dort einwandfreie Bedingungen vor.
Der Umstand, dass man bei De Fermo seit nunmehr zehn Jahren biodynamisch arbeitet, ist mit Sicherheit ebenfalls kein Nachteil und folglich kommen Jahr für Jahr Trauben in den Keller, mit denen es Spaß macht Wein zu keltern.
Stefano Papetti vergärt seinen Chardonnay spontan und füllt ihn danach in Tonneaux, wo er über die nächsten zwölf Monate in aller Ruhe sein Gleichgewicht findet.
Stil
Salzig, steinig, dicht und druckvoll. Mineralisch. Blüten & gelbe Frucht. Konzentriert, stoffig und dabei immer elegant. Fließt ruhig aber direkt über den Gaumen. Öffnet sich zunehmend mit Luft. Wer einen Vorrat davon in den Keller legt, macht mit Sicherheit keinen Fehler.
12 Feb / 2019
Weine erzählen: Daniele Ricci, Io camino da solo 2016
Hintergrund
Nach all den Versuchen, Timorasso in allen möglichen Varianten wiederzugeben, war es naheliegend, dass Daniele Ricci auch irgendwann auf die Idee kommen würde, einen Wein in der Amphore zu vinifizieren. Die Trauben dafür stammen von den ältesten Rebstöcken der San Leto Weingärten. Einmal gelesen, werden sie entrappt und danach für 100 Tage in einer verschlossenen Tonamphore vergoren und gelagert. Danach wird abgepresst und weitergereift, wobei für die nächsten 12 Monate statt der Amphore Kastanienfässer als Behältnisse dienen. Mit dem Resultat absolut zufrieden, hat Daniele mittlerweile ein paar weitere Amphoren aus der toskanischen Töpferhochburg Impruneta geordert, was auch vermuten lässt, dass es demnächst ausschließlich in der Amphore ausgebaute Interpretationen geben wird.
Stil
Eine schneidend-klares, kühl-präzises Zusammenspiel aus Kräutern, Frucht, Säure und Gerbstoff treibt den Wein an, gibt ihm feine Konturen, Ecken und Kanten und jede Menge Charakter. Die Textur ist kompakt und fordernd, der Körper straff und robust, das Finish profund, lang und mineralisch.
Datenblatt
Rebsorte: 100% Timorasso
Bewirtschaftungsart: biologisch
Weingarten: San Leto
Lese: Per Hand
Vergärung: spontan | wilde Hefen in der Amphore
Ausbau: 100 Tage in der Amphore und 12 Monate in gebrauchten Kastanienfässern
Filtration: nein
SO₂:< 50mg/l
Verschluss: Naturkork
Trinktemperatur: 10-12 °C
Perfekte Trinkreife: 2018 – 2030
06 Feb / 2019
Weine erzählen: Fabbrica di San Martino Bianco 2015
Hintergrund
Vermentino ist die große weiße Sorte des westlichen Mittelmeers. Sie findet sich in der Provence, wo die Sorte Rolle heißt (und nichts mit der gleichnamigen ligurischen Sorte zu tun hat, die lange für Vermentino gehalten wurde, allerdings nichts mit ihm zu tun hat), auf Korsika, wo man sie unter dem Namen Malvasia Grosso vermarktet, auf Sardinien, wo sie in der Gallura DOCG-Status genießt und natürlich auch entlang der gesamten ligurischen und toskanischen Küste, wo einige ihre besten Beispiele gekeltert werden (allen voran Antonio Perrinos Testalonga Vermentino, Massavecchias Ariento und BioVio Pigato).
Beppe Ferruas Vermentinostöcke befinden sich ein wenig im Landesinneren, in den Hügeln nördlich von Lucca, einem der ruhigeren Landstriche der Toskana (wobei – abgesehen von den Städten – im Landesinneren der Toskana generell wenig los ist). Alles entscheidend für die Dynamik und das Temperament der besten Weine der Gegend ist das Zusammentreffen von zwei Klimaeinflüsse: mediterranen aus dem Westen und alpinen aus dem Norden, wo der Apennin auf nur wenigen Kilometern auf 2000 Meter ansteigt. Sie sorgen für ein fortwährendes Spannungsverhältnis zwischen warmer und kalter Luft, dass sich letztlich auch in den Weinen manifestiert.
Der Vermentino der Fabbrica di San Martino wird von ein wenig Trebbiano und Malvasia unterstützt, spontan vergoren, in großen Holzfässern ausgebaut und ungefiltert gefüllt.
Stil
Dicht, animierend, mundfüllend. Zum Gaumen hin zunehmend druckvoll. Schlägt einen aromatischen Bogen von reifen Früchten über Honig hin zu Kräuternoten. Bekömmlich, saftig und dynamisch.
Hintergrund
Alles an Carmignano ist alt. Oder um es besser zu sagen, alles ist, bis ins Detail, mit Geschichte aufgeladen. Selbst Cabernet Sauvignon, der in diesem Teil der Welt eigentlich nichts verloren hat, laut Rosella Bencini Tesi, der Besitzerin der Fattoria di Bacchereto allerdings auch schon seit 500 Jahren in der Gegend zu finden ist. Schuld daran hatte Caterina di Medici, die Tochter Lorenzo Magnificos, die nachdem sie Königin Frankreichs geworden war, ihre Leidenschaft für Cabernet Sauvignon entdeckte und meinte, dass man die Sorte gefälligst auch in der Peripherie von Florenz anpflanzen sollte – was dann in Carmignano auch schlagartig umgesetzt wurde.
200 Jahre später (aber 100 Jahre früher als in Frankreich und 287 Jahre früher als in Österreich), genauer im Jahr 1716 war es dann Cosimo III Medici, der Carmignano als eine von vier toskanischen Regionen unter Gebietsschutz stellte – das bedeutete, dass der Name Carmignano aufgrund der hohen Qualität der Weine nur dann verwendet werden durfte, wenn die Weine auch in der Region produziert worden waren.
Heute ist Carmignano etwas in Vergessenheit geraten und steht ganz eindeutig im Schatten der Chianti-Gebiete oder Montalcinos. Was allerdings nicht heißt, dass in seinen Kellern (und vor allem in dem der Fattoria di Bacchereto) nicht auch heute noch exzellente Weine entstehen. Warum auch nicht – die natürlichen Voraussetzungen sind schließlich die gleichen geblieben. Die Böden basieren auf Alberese, einem stark kalkhaltigem Gestein und das Klima ist den Sommer über warm und trocken und im Winter kalt und feucht.
Rosella Bencini Tesis ganz einfach Carmignano getaufter Rotwein besteht zu 75% aus Sangiovese, 10% Canaiolo und 15% Cabernet Sauvignon. Die Bewirtschaftung der leicht abfallenden Hügelflächen ist biologisch. Vergoren werden die drei Sorten allesamt spontan jedoch separat, da sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausreifen. Der Ausbau erfolgt dann gemeinsam in großen Holzfässern, wo der Wein über die folgenden 18 Monate bleibt. Interveniert wird davor und danach so wenig wie möglich. Der Carmignano wird vor der Abfüllung nicht gefiltert, bekommt jedoch eine kleine Menge SO2 mit auf den Weg in die Flasche.
Stil
Kraftvoll, konzentriert und dicht. Eleganz spielt im Carmignano nur die zweite Geige. Die Tannine machen Dampf und auch die Säure trägt ihren Teil zur Struktur des Weins bei. Die Aromen schlagen Anfang einen fleischigen und animalischen Ton an, werden mit der Zeit aber etwas sanfter und fruchtiger. Fließt trotz seiner Kraft recht ruhig und ausgewogen über den Gaumen. Eignet sich definitiv dafür, für ein paar Jahre im Keller vergessen zu werden.
Daten & Fakten
- Rebsorten: 75% Sangiovese, 15% Cabernet Sauvignon, 10% Canaiolo
- Rebalter: ca. 20 Jahre
- Boden: Alberese (Kalkstein) & Mergel
- Ertrag: 3300 kg/ha
- Gärung: spontan/wilde Hefen in innen verglastem Zement
- Ausbau: über 18 Monate in Holzfässern
- Filterung: nein
- SO2: < 70mg/l
In unseren Breiten wesentlich weniger bekannt als Frank Cornelissen ist Salvo Foti die eigentlich ikonische Gestalt in der Natur-Weinkultur des östlichen Siziliens. Er ist die treibende Kraft einer kleinen Winzertruppe, den sogenannten Vigneri (der Name ist einer sizilianischen Winzergilde des 15. Jahrhunderts entliehen), die unter seiner Ägide alte, in alberello erzogene Reben pflegen und daraus ganz fantastische Weine keltern.
Ihr vielleicht spektakulärster Wein, der Vinidilice, stammt vom angeblich höchsten Weingarten Italiens, der sich auf 1300 Meter Seehöhe am Nordhang des Ätna befindet. Der Name des Weingartens heißt ganz einfach Bosco, was auf Deutsch Wald bedeutet. Genau in einem solchen befindet sich dann auch die 0,35 kleine Parzelle, deren wilddurchmischte Reben (Nerello Mascalese, Alicante, Minella Bianca, Minella Nera, Grecanico und Nerello Capuccio) zwischen 100 und 200 Jahre alt sind. Die Pflanzdichte ist mit 10000 Stöcken so hoch wie quasi nirgendwo sonst in Italien. Die Bewirtschaftung ist ausnahmslos per Hand , wobei ihnen für gröbere Bodenarbeiten auch noch Ciccio, ihr Esel, zur Seite steht.
Der Boden besteht aus vulkanischer Asche und Sand. Mindestens so wichtig wie die geologischen Verhältnisse ist allerdings das Klima, das tagsüber ordentlich heiß werden kann, nachts aber auch ordentlich kalt. Die vitikulturelle Arbeit verläuft ohne Chemikalien (kein KUPFER!) und als logische Konsequenz verzichten Foti und seine Kumpel auch im Keller auf Chemikalien jeder Art.
Resultat ist einer der großartigsten Rosato, die sich auf diesem Planeten finden (in ganz seltenen Fällen machen die Vigneri daraus auch noch einen umwerfenden Spumante). Mineralisch, lebendig, temperamentvoll, Steine, ein bisschen rote Frucht, druckvoll und kühl, tief und lang.
Daten & Fakten
- Rebsorten: Alicante, Grecanico, Minnella bianco, Minella nera, Nerello cappuccio & Nerello mascalese
- Rebalter: zwischen 100 und 200 Jahren
- Weingarten: Bosco, 0,35 ha, auf 1300 Meter Höhe
- Boden: vulkanische Asche & Sand
- Rebstockdichte:10.000 Stöcke/Hektar –
- Reberziehung: Alberello
- Ertrag: 2000 kg/ha
- Gärung: spontan/wilde Hefen
- Ausbau: in Glas
- Filterung: nein
- SO2: ungeschwefelt
05 Jan / 2019
Weine erzählen: Daniele Ricci, Derthona 2016
Hintergrund
Der Derthona ist der Einstieg in Danieles Weißweinwelt. Derthona ist der alte Name für Tortona, dem Hauptort der Colli Tortonesi, die eine Brücke zwischen dem Südpiemont und der Lombardei schlagen. Costo Vescovato, wo Daniele seine Weingärten besitzt, ist von einer leicht hügeligen Topographie mit mittelsteilen Hängen geprägt, die vor allem auf Mergel und Pelit (Tonstein) basieren. Das Klima zeichnet sich durch kalte Winter, nicht wenig Regen und eine gute Thermik aus. Das alles beeinflusst auf die eine oder andere Art den Timorasso, eine notorisch komplizierte Sorte, die vor der Reblaus die wichtigste weiße Sorte des Piemonts war. Aufgrund ihrer unzuverlässigen Erträge, den asynchronen Reifezeiten der Beeren und ihrer Verrieselungs- und Botrytisanfälligkeit wäre sie allerdings beinahe vom Erdboden verschwunden. Heute erfreut sich Timorasso einer erstaunlichen Renaissance. Die daraus gekelterten Weißweine sind fordernd, mineralisch, anspruchsvoll, vielschichtig und langlebig.
Danieles Basisversion stammt von einem 1995 gepflanzten, 1,5 Hektar großen Weingarten, den er für gewöhnlich Mitte September liest und spontan in einem Edelstahltank vergärt und lagert. Die Mazerationszeit beträgt drei Tage, wobei die Traubenhäute des Timorasso sehr dünn sind und folglich nur marginale und sehr feine Gerbstoffe in den Wein abgeben. Der Ausbau dauert, je nach Jahrgang, 12-22 Monate.
Stil
Vibrierend, lebendig und aufgrund des langen Hefekontakts auch fein-cremig. Zitrusnoten werden von kräuterigen und steinigen Aromen begleitet. Elegant und straff. Der Gerbstoff strukturiert und zeichnet für die lineare Ausrichtung zum Gaumen hin verantwortlich. Das Finish ist kühl, lebhaft und animierend.
Datenblatt
Rebsorte: 100% Timorasso
Bewirtschaftungsart: biologisch
Weingarten: verschiedene Terrassen rund um Costo Vescovato
Lese: Per Hand
Vergärung: spontan | wilde Hefen im Stahltank
Ausbau: 18 Monate auf der Hefe im Stahltank
Filtration: nein
SO₂:< 50mg/l
Alkoholgehalt: % vol
Verschluss: Naturkork
Trinktemperatur: 10-12 °C
Perfekte Trinkreife: ab sofort– 2025